Redaktionsgespräch mit René Kunsleben

"Der NPL-Aktionsplan verursacht bei mir so manches Magengrummeln"

René Kunsleben, Foto: BAG Bankaktiengesellschaft

Beobachter harren derzeit einer Welle von ausgefallenen oder notleidenden Krediten, die infolge der Covid-19-Pandemie und damit verbundener wirtschaftlicher Ausfälle auf die Banken zurollen soll. Diese Kredite würden dann vermutlich in sehr viel größerem Umfang an "Special Servicer" oder auch "Bad Banks" verkauft. Denn die Regulierung, gerade der europäische Vorstoß mit dem NPL-Aktionsplan, hat über steigende Eigenkapitalbelastungen eine spürbar prozyklische Wirkung. René Kunsleben hält auch von dem europaweit geforderten Transparenzregister nicht allzu viel. Denn wenn notleidende Kredite nicht gekauft würden, läge das nicht an fehlenden Informationen. Und die ebenfalls angedachten zentralen nationalen Asset Manager hält er zumindest mit Blick auf die Bundesrepublik schlicht für überflüssige Eingriffe in einen funktionierenden Markt. Darüber hinaus erklärt der Vorstandssprecher der BAG Bankaktiengesellschaft, wie die Verwertung notleidender Kredite nach genossenschaftlichen Prinzipien funktioniert: Im bestmöglichen Fall wird saniert, im schlechteren wird eine Verwertung der Sicherheiten angestrengt. Ein Weiterverkauf der Forderungen ist ausgeschlossen. (Red.)

Herr Kunsleben, ein Zeitungsartikel bezeichnete Bad Banks mal als "Milliardengräber der Banken". Warum ist diese Einschätzung übertrieben?

Die Bezeichnung als Milliardengräber ist deshalb falsch, weil damit impliziert wird, es würde dort Geld versenkt. Bad Banks versuchen aber genau das Gegenteil, nämlich das Bestmögliche aus solchen Situationen zu machen. Uns sind die Kunden am liebsten, bei denen man gemeinsam mit dem Kreditnehmer schauen kann, ob über eine Sanierung ein Turnaround geschafft werden kann. Davon haben alle Beteiligten mehr: Der Kreditnehmer und dessen Kunden und Arbeitnehmer, die Kreditwirtschaft und auch die Volkswirtschaft. Es gibt aber auch Kunden, bei denen das nicht möglich ist. Dann sind Vermögensverluste zu beklagen. Dieser Schaden tritt zwar in der Bad Bank auf, ist dort aber nicht entstanden, sondern schon sehr viel früher. Das darf man nicht verwechseln. Um ein Beispiel zu nennen: Boxclever war der Sündenfall, nicht die Arbeit der heutigen EAA, die erfolgreich versucht, die Verluste zu minimieren.

Natürlich machen auch Bad Banks und ähnliche Einrichtungen wie die BAG Fehler. Das will ich gar nicht abstreiten. Aber das Kind ist immer schon in den Brunnen gefallen, denn sonst würden solche Engagements ja gar nicht in der Bad Bank landen.

Wie genau muss ich mir für Ihr Haus, die BAG, die Übernahme von problematischen Engagements vorstellen? Kaufen Sie mit Abschlag?

Inzwischen ja. Seit 2013 erfolgt eine barwertige Betrachtung der Forderungen unter Berücksichtigung der entstehenden Kosten und Aufwendungen über die entsprechende Laufzeit, durch die ein Kaufpreis ermittelt wird. Das heißt, wir kaufen Forderungen nun mit einem Abschlag ein, sodass der mögliche Schaden bei dem verbleibt, der ihn verursacht hat.

Könnte das unter Umständen dazu führen, dass notleidende Engagements seltener abgestoßen würden?

Bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken weniger.

Aber in Europa ist das doch ein Thema, oder?

In der Tat sehe ich das Agieren von Käufern mit als Grund, dass einige Banken in südeuropäischen Ländern immer noch auf sehr hohen NPL-Beständen sitzen. Denn da werden Kaufpreise aufgerufen und Verluste fallen an, die dem einen oder anderen mit Sicherheit nicht gefallen würden. Diese Forderungen verbleiben dort in den Büchern.

Das ist der Blick auf Europa. Wie sieht es in Deutschland aus? Die vergangenen Jahre waren von niedrigen Wertberichtigungen aufgrund kaum vorhandener Kreditausfälle geprägt. Da brauchten die Banken und Sparkassen selten einen Special Servicer. Hat sich das schon geändert?

Alle Banken haben gespürt, dass sich eine Krise anbahnt. Darauf hat man sich vorbereitet. Entsprechend hat die BAG im vergangenen Jahr mit 23 Genossenschaftsbanken sogenannte Servicing-Rahmenverträge abgeschlossen. Dadurch stieg die Zahl der Institute, die einen solchen Vertrag mit uns haben von rund 100 Genossenschaftsbanken im Jahr 2017 auf aktuell 147.

Das hat zweierlei Gründe: Zum einen waren die vergangenen Jahre von einem, wie Sie richtig sagen, sehr niedrigen Problemkreditniveau geprägt. Das hat zur Folge, dass kaum neue Wertberichtigungen gebildet wurden. Vielerorts wurde sogar kontinuierlich Risikovorsorge aufgelöst, was man in den Gewinn-und-Verlust-Rechnungen nachvollziehen kann. Zum anderen und natürlich auch als Folge der fetten Jahre wurde in den Backoffice-Bereichen, vor allem im Problemkreditbereich Personal abgebaut. In den überwiegenden Fällen nicht durch Entlassungen, sondern durch Ausnutzen der natürliche Fluktuation. Das könnte zu Problemen führen, wenn die NPL-Quoten und die Ausfallraten wieder steigen. Denn weder bekommt man derzeit erfahrenes Personal am Markt, noch schafft man es in kurzer Zeit, solches auszubilden. Man darf eines nämlich nicht vergessen: Ein Firmenkundenberater mit zehn Jahren Berufserfahrung kennt nur Aufschwung, der hat noch keine Krise erlebt. Beides führt dazu, dass man in den Bankvorständen mit dem Thema Auslagerung an Special Servicer offensiver umgeht.

Hinzu kommt, dass die Institute in den vergangenen Jahren bei der Kreditvergabe nicht gerade zurückhaltend waren. Um gegen die niedrigen Zinsen anzukämpfen, wurden die Volumina erheblich gesteigert.

Richtig. Da blieb den meisten keine andere Wahl. Denn man kann ganz einfach den Dreisatz anwenden: Wenn das auslaufende Geschäft einen Zins von sechs Prozent hatte und das neue nur noch eine Verzinsung von zwei Prozent bringt, müssen die Banken etwa das dreifache Volumen machen, um die Erträge einigermaßen zu stabilisieren. Von Marge will ich da noch gar nicht sprechen. Nun muss man zwar zugute halten, dass die Genossenschaftsbanken ebenso wie die Sparkassen einen großen Anteil an Wohnimmobilienkrediten haben. Da ist viel erstrangig besicherte Substanz. Aber es gibt natürlich auch Branchen wie Einzelhandel, Gastronomie, Touristik und Ähnliches, wo die Einschläge in näherer Zukunft kommen werden.

Für das Jahr 2020 hatten Sie geschätzt, dass die BAG Kredite von mehr als 100 Millionen Euro von den Volksbanken und Raiffeisenbanken übernehmen werde. Rund 50 Prozent mehr als in den Jahren zuvor. Hat sich diese Prognose bewahrheitet?

Es ist deutlich weniger geworden. Bei meiner Prognose im Frühjahr auf unserer Bilanzpressekonferenz bin ich noch davon ausgegangen, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht am 30. September endet und habe entsprechend schon mit den ersten Schleifspuren im Jahr 2020 gerechnet. Das hat sich so nicht erfüllt, denn diese Ausnahmen wurden bekanntermaßen verlängert, teils bis heute und darüber hinaus. Entsprechend wurde im vergangenen Jahr mit insgesamt rund 45 Millionen Euro nur knapp die Hälfte des erwarteten Volumens an die BAG zur Bearbeitung übertragen. Das war also ein ziemlich normales Geschäftsjahr auf dem Niveau der Vorjahre.

Wie wird sich das in den kommenden 24 Monaten entwickeln?

Eine wirklich seriöse Einschätzung dazu kann man nicht abgeben. Es wird Probleme und Schleifspuren geben. Die Frage ist nur, wo und wie stark diese zutage treten, und welches Abfederungspotenzial die Banken haben. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben sich in den vergangenen Jahren gut aufgestellt, haben aus den Gewinnen viel thesauriert und haben entsprechend Polster angelegt. Sollte die Risikovorsorge nun tatsächlich steigen, beispielsweise um zehn Prozent, kann die überwiegende Mehrzahl der Institute das trotz allen Wettbewerbsdrucks gut aushalten. Nichtsdestoweniger wird die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen, wie oben schon erläutert, sicherlich steigen.

Gibt es Hochrechnungen, welches Volumen Ihr Haus maximal schaffen kann?

Wir haben im vergangenen Frühjahr beim Aufkommen der Pandemie verschiedene Szenarien durchgespielt. Wenn uns, also der Wirtschaft und den Banken, im Worst Case wie bei Asterix der Himmel auf den Kopf fallen würde, könnten wir ad hoc ein Bearbeitungsvolumen von 1,7 Milliarden Euro übernehmen.

Stößt die BAG Bank damit an ihre Kapazitätsgrenzen?

Nein, denn wir hätten aufgrund der klaren Strukturen mit dem BVR als fast alleinigem Eigentümer auch noch die Möglichkeit, schnell und unkompliziert eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Dann wäre ein deutlich größeres Volumen möglich. Und das Bearbeitungsvolumen allein gibt noch keinen Aufschluss über unsere Maximalgröße, denn da müssen auch Faktoren wie durchschnittliche Laufzeit, durchschnittliche Ergebnisgröße und Ähnliches berücksichtigt werden.

Anfang der 2000er Jahre, als die Schieflagen innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe weitgehend abgeschlossen waren, hatte die BAG eine Bilanzsumme von 4,5 bis 5 Milliarden Euro. Seitdem ist die Welt deutlich komplexer geworden, was heißt, dass wir ein solches Volumen heute nicht mehr erreichen können. Allein die Regulatorik ist ein enorm begrenzender Faktor. Die Anforderungen sind stetig gestiegen, es müssen zusätzliche Puffer wie der Kapitalerhaltungspuffer oder der antizyklische Puffer auch von der BAG vorgehalten werden, die EU-Kommission greift ein mit dem NPL-Aktionsplan und, und, und. Von daher dürfte heute eine Größenordnung der Bilanzsumme in der Spitze bei etwa 2 Milliarden Euro liegen.

Diese regulatorischen Vorgaben gerade im Umgang mit Problemkrediten treffen nicht nur Sie, sondern auch die Primärbanken. Wie stark?

Wir haben die hohe Bedeutung der Volumenausweitung bereits angesprochen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken müssen sehr darauf achten, sich Spielräume zur Vergabe von neuen Krediten zu erhalten. Das wird aber schwieriger. Das Risikogewicht für einen Problemkredit liegt aktuell zwischen 100 und 150 Prozent, das heißt eine Bank braucht für 100 Einheiten Problemkredit zwischen 8 und 12 Einheiten Eigenkapital, ohne die ganzen Puffer, die zusätzlich vorgehalten werden müssen. Wenn nun der NPL-Backstop noch greift, müssen Blanko-Anteile solcher Engagements zu hundert Prozent mit Einzelwertberichtigungen oder, wo dies steuerlich keinen Sinn macht, mit Eigenkapital abgesichert werden. Dadurch steigt das Risikogewicht solcher Engagements auf 1250 Prozent. Entsprechend werden die Häuser auch aufgrund der regulatorischen Verschärfungen dazu übergehen, in größerem Maße als bisher Problemkredite an Special Servicer auszulagern.

Schießt die EU-Kommission mit solchen drastischen Vorgaben nicht ein ganzes Stück weit über das Ziel hinaus?

Die Grundidee, Banken und Sparkassen zu ermuntern, sich schneller von Problemengagements zu trennen und damit die Kreditvergabe auf hohem Niveau zu halten, ist grundsätzlich nicht falsch. Ich bin zwar kein großer Freund des NPL-Backstop, denn dieser hat auch eine recht starke prozyklische Wirkung. Alles in allem ist die Regelung, die wir derzeit in Europa haben, aber in Ordnung.

Doch auch das bleibt nicht ohne Folgen: So zeigt nicht zuletzt die Entwicklung bei den Genossenschaftsanteilen den Druck, der auf den Primärbanken lastet. Mittlerweile gibt es Anteile in Höhe mehrerer Tausend Euro, damit die Institute auch "größere" Mitglieder gewinnen können, um mehr Eigenkapital zu generieren.

Noch einmal zurück zu den Special Servicern: Würden Sie denn sagen, dass es heute mit all den technischen Möglichkeiten einfacher geworden ist für Ihre Branche oder überwiegen doch die Regulatorik und Komplexität?

Dafür gibt es eine klare "Sowohl-als-auch-Antwort". Die technischen Möglichkeiten heute mit Workflows, Datenübertragung und Ähnlichem machen es natürlich um ein Vielfaches einfacher. Als ich vor 19 Jahren hier angefangen habe, wurden die meisten Akten noch physisch angeliefert. Auf der anderen Seite ist die Welt unglaublich komplex geworden. Das trifft die BAG, die eine Vollbank-Lizenz hat, enorm. Auch wieder der Blick zurück: Als ich mit dem Schwerpunkt Aufsichtsrecht hier angefangen haben, gab es drei Mitarbeiter für diese Aufgaben. Damit kommen wir heute nicht mehr hin, die Zahl der MAK (Mitarbeiterkapazität) rund um regulatorische Themen liegt nun im zweistelligen Bereich.

Macht das alles für einen Special Servicer Sinn? Nein! Ein Beispiel: Die BAG Bank muss die Liquidity Coverage Ratio erfüllen. Und das obwohl es keinerlei Risiko gibt, da keine Einlagen vorhanden sind, die abgezogen werden könnten. Das hat zur Folge, dass jedes Mal, wenn wir uns bei der Zentralbank oder externen Quellen Liquidität leihen wollen, eine Prüfung gemacht werden muss, wie sich das auf die LCR auswirkt. Da hilft Regulierung wirklich nicht, im Gegenteil.

Positiv - das soll auch mal erwähnt werden - sind die regulierenden Eingriffe des Gesetzgebers in den Sekundärmarkt. Denn das schlechte Image der Forderungsverkäufe rührt doch in erster Linie daher, dass einige schwarze Schafe zweifelhafte Engagements veräußert haben oder die Abwickler, ohne mit den Kreditnehmern zu sprechen, direkt in die Zwangsversteigerung gegangen sind und die Mieter aus den Wohnungen geklagt haben. So etwas ist deutlich schwieriger geworden, was dem Image des Themas Forderungsverkäufe zugute kommt.

Wie beurteilen sie den gerade von der EU-Kommission vorgelegten NPL-Aktionsplan im Detail? Ist das ein vernünftiges Rahmenwerk?

Dieses Rahmenwerk verursacht bei mir so manches Magengrummeln. Warum? Vorrangiges Ziel der EU-Kommission ist es doch, die Kreditvergabefähigkeit der Banken aufrechtzuerhalten, um die Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität sicherzustellen. Ich habe aber ernsthafte Zweifel, ob das mit den vorgestellten Maßnahmen erreicht werden kann. Da sind beispielsweise die neuen Anforderungen an das Meldewesen. Banken, von der kleinen Genossenschaftsbank bis zur internationalen Großbank müssen heute schon einen enormen Meldewesen-Aufwand betreiben. Über unterschiedliche Systeme wie Finrep, Corep und weitere müssen die Daten teils sogar mehrfach gemeldet werden. Nun zu glauben, dass Assets aus Problemkrediten über eine vermeintliche höhere Transparenz durch zusätzliche explizite Meldungen zu NPL marktgängiger werden, wird nicht funktionieren. Denn die Player am Markt kennen heute schon die Problemkredite. Wenn die nicht kaufen, liegt das an schwerwiegenden Gründen und nicht an mangelnder Transparenz.

Die Bundesbank prüft im Rahmen des Projektes Innowerk gerade, die Möglichkeiten, wie sich die Zentralbank die Daten direkt aus den Systemen der Banken und Sparkassen ziehen kann. Würden Sie das begrüßen?

Absolut, da bin ich ein großer Freund von. In Österreich ist das schon länger gelebte Praxis.

Was stört Sie am NPL-Aktionsplan noch?

Die Idee des Netzwerks aus zentralen Verwertungseinheiten oder Asset-Management-Gesellschaften. In vielen Ländern wie beispielsweise Deutschland gibt es sehr erfolgreich arbeitende Special Servicer. Wo liegt nun der Vorteil eines staatlich gestützten zentralen Asset Manager? Ich bin ein großer Freund des Marktes an dieser Stelle. Und der Markt versagt nicht. Nur sind die Risiken, die in den NPL schlummern und irgendwann, irgendwo schlagend werden, mitunter einfach zu groß. Deswegen sind diese Engagements nicht marktgängig. Daran ändert auch eine zentrale Verwertung nichts. Irgendjemand muss die Kosten für die Risiken übernehmen. Diese dürfen aber nicht vergemeinschaftet werden. Denn eine Lehre aus der Finanzmarktkrise ist doch, dass der Steuerzahler nicht mehr für Bankenrisiken haften soll. Probleme müssen dort gelöst werden, wo sie angefallen sind.

Gibt es auch positive Aspekte in dem Rahmenwerk?

Natürlich. Eine Vereinheitlichung der Insolvenzrechte und die damit verbundenen Erleichterungen bei Restrukturierungen wären ein enormer Fortschritt. Das würde dem NPL-Markt sehr viel mehr helfen als vermeintlich mehr Transparenz und zentrale Verwertungseinheiten.

Die erfolgreiche Arbeit eines Special Servicers lässt sich in erster Linie daran ablesen, wie viel Überschuss er erwirtschaftet. Wie erfolgreich arbeitet die BAG Bank?

Wir kommen auf knapp 110 Millionen Euro in den vergangenen 11 Jahren, die die BAG an die Sicherungseinrichtung überwiesen hat. Für 2020 gehen wir davon aus, dass wir wieder mehrere Millionen abführen können.

Welche Rolle spielen die verschiedenen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung für Ihre Arbeit?

Die machen die Einschätzung nicht unbedingt einfacher. Denn Kreditnehmer, die beispielsweise das erste Hilfsprogramm und dann November, Dezember und Januar Hilfen bekommen, stehen liquiditätsmäßig im Moment vielleicht ganz gut da. Doch was folgt ab April, wenn vielleicht das Moratorium ausläuft? Was kommt ab Mai? Sind die Unternehmen tatsächlich besser aufgestellt und gibt es eine Möglichkeit der Sanierung oder ist das nur ein Übergangseffekt? Wer hat Hilfen beantragt, aber bekommt keine, weil er die Anforderungen nicht erfüllt? Entsprechend überlegen wir gerade, wie viel wir für 2020 abführen können und wie viele Rückstellungen wir bilden müssen, um eventuelle Überraschungen abfedern zu können.

Gefährlich ist zudem die derzeitige abwartende Haltung. Die herrschende Unsicherheit führt dazu, dass Investitionen zurückgestellt, das Vorhaben aufgeschoben werden. Das halten die gesunden Unternehmen aus. Für die anfälligen könnte das die Probleme noch verschärfen. Von daher ist das im Moment keine ganz einfache Situation, auch für einen Special Servicer beziehungsweise eine "Bad Bank" nicht.

Wir kamen aber vom NPL-Aktionsplan: Welche Folgen wird dieser konkret für die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben? Was ändert sich im Umgang mit Problemkrediten, welche Auswirkungen hat das auf das Eigenkapital?

Da könnte man ein eigenes Interview zu führen. Aber ich versuche es in aller Kürze: Die Folgen dieser Regulierung sind, wie vorhin bereits erwähnt, nicht zu unterschätzen. Durch die drohende höhere Eigenkapitalbelastung steigt der Druck auf die Abgabe von solchen Engagements. Das ist die Prozyklizität, die ich vorhin schon angesprochen habe. Und die ist nicht ungefährlich. Derzeit ist der NPL-Markt ein ganz klarer Verkäufermarkt, es gibt aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklung der vergangenen Jahre deutlich mehr Nachfrage als Angebot. Mit diesem Regelwerk dreht das in der nächsten Krise, denn die Banken und Sparkassen werden über die Eigenkapitalanforderungen des NPL-Backstop geradezu gezwungen, ihre problematischen Forderungen zu verkaufen. Das wird dann aber nur mit großen Abschlägen gehen, denn die kapitalmarktorientierten Käufer werden die Preise drücken. Das heißt, hier entsteht dann unter Umständen hoher Wertberichtigungsbedarf. Umso wichtiger ist es, dass die Institute eine klare Strategie haben, wie sie mit Problemkrediten umgehen.

Und hier kommt dann die BAG Bank ins Spiel?

Das ist durchaus möglich und Teil unserer Planszenarien.

Böswillig könnte man sagen, der BAG geht es dann besonders gut, wenn es anderen besonders schlecht geht.

Uns ging es auch in den vergangenen Jahren gut, als es allen anderen gut ging. Es gibt Phasen der verstärkten Aufnahme, so eine steht vermutlich kurz bevor. Und es gibt Phasen, die vor allem der Betreuung gewidmet sind. Eine solche hatten und haben wir. Der kapitalmarktorientierte NPL-Investor will die Forderungen schnell verwerten oder weiterveräußern, um kurzfristige Gewinne zu erzielen. Wir aber handeln nach den genossenschaftlichen Prinzipien. Dadurch dauert der Prozess etwas länger und auch die Erlöse kommen etwas später. Dies zu steuern und die Mitarbeiter je nach Phase zu motivieren, ist Teil der Managementaufgabe. Denn auch die BAG muss sich weiterentwickeln und überlegen, welche Geschäftsfelder sie noch besetzen kann. So ist beispielsweise das Themenfeld der Beratung und der Portfolioanalyse entstanden.

Wie hoch ist der Anteil der Engagements, die sie bis zur Endfälligkeit halten, von wie vielen trennen Sie sich vorzeitig?

Trennen heißt zwangsweise Forderungsrealisierung. Denn die BAG veräußert keine Forderungen weiter. Da sind wir Mitglied der genossenschaftlichen Finanzgruppe und agieren ausschließlich im Interesse der Primärbanken, soll heißen, wir sanieren oder gehen in die Sicherheitenverwertung. Von den Engagements, die wir übernehmen, sind etwa ein Drittel Sanierungsfälle und zwei Drittel Abwicklungsfälle. Bei den meisten Sanierungen besteht eine große Chance, diese zum Besseren zu drehen. Viele der Abwicklungen dagegen kommen schon im Zustand der Inkassoreife. Da gibt es auch für einen Spezialisten wie die BAG nicht mehr viele Möglichkeiten. Wenn es uns insgesamt gelingt, etwa die Hälfte der Assets am Markt frei zu veräußern, ohne in die Zwangsversteigerung zu müssen, ist das ein gute Quote.

Wie stellt sich im Moment die Lage an den Märkten für die Verwertung der Sicherheiten dar?

Ausgesprochen gut. Es ist sehr viel Liquidität vorhanden, sodass die meisten der Objekte - egal ob Wohn- oder Gewerbeimmobilien - frei veräußert werden können. Was dann noch in die Zwangsversteigerung geht, sind wirklich schwierige Immobilien, wo beispielsweise noch Altöl im Boden schlummert oder Ähnliches. Es finden so gut wie keine Rettungserwerbe mehr statt. Käufer sind in der Regel Privatpersonen, nur in Ausnahmen einmal Institutionelle. Anders ist das bei unbebauten Flächen, wo vor allem Projektentwickler Interesse zeigen.

Inwieweit haftet die BAG für die Probleme, die ja meist schon sehr viel früher und nicht bei ihr entstanden sind?

Wir haften voll, denn wir sind mit der Forderungsübernahme Rechtsnachfolger. Das muss man schon beim Ankauf berücksichtigen. Und dass führt auch dazu, dass man sich mit nicht kooperativen Kreditnehmern mitunter auch vor Gericht treffen muss.

Sie haben es erwähnt, die Anforderungen an die IT sind enorm: Nutzen Sie eigene Programme oder sind Sie Kunde der Fiducia?

Mittlerweile kommt ein Großteil unserer Anwendungen von der Fiducia, beispielsweise die ganze Bankensoftware. Die Zusammenarbeit hat sich gut entwickelt. Im Bereich der Problemkredite kommt die IT-Unterstützung außerdem von der Subito AG, die ihre eigene Software für uns angepasst hat.

René Kunsleben Sprecher des Vorstands, BAG Bankaktiengesellschaft, Hamm
 
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