Führung tut not

Beschäftigte im Kreditgewerbe Quelle: AGV Banken

Die Beschäftigten der deutschen Kreditwirtschaft stehen unter Druck. Er trifft sicher nicht alle mit derselben Wucht - zu verschieden sind noch immer die Welten der privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlich organisierten Banken. Aber er ist dennoch nicht zu leugnen. Waren die Arbeitsbedingungen in der Branche zumindest bis zur jüngsten Finanzkrise exzellent - Ansehen, Bezahlung und Aufstiegschancen konnten anderswo kaum besser sein - zählen Banken und Sparkassen nun gerade nicht mehr zu den Wachstumsbereichen der deutschen Wirtschaft. Und die sich daraus ergebenden Veränderungen sind geradezu mit den Händen greifbar geworden.

Kreditinstitute befinden sich im Umbruch und das muss auch Auswirkungen auf ihre Personalarbeit und die Mitarbeiterführung haben. Die wohlbekannten Stichworte sind das Niedrigzinsumfeld und vor allem die stetig zunehmenden regulatorischen Vorgaben, die für Unzufriedenheit und ein Gefühl der Ohnmacht bei vielen Mitarbeitern sorgen. Die Rede ist beispielsweise von Kundenberatern im Retailbanking oder Wealth Management, die (zu) viel Zeit mit protokollarischen Tätigkeiten anstatt mit Kundengesprächen verbringen. Die Angst vor Beratungsfehlern und diffuse Haftungsängste spielen bei ihnen ebenfalls eine Rolle.

Dazu kommen neue Anforderungen, die aus der Konkurrenz durch Fintech-Unternehmen erwachsen und die den Bereich Digitalisierung betreffen. Die meisten Ideen und Innovationen werden derzeit außerhalb der Banken auf den Weg gebracht. Das ist Chance und Herausforderung für die Kreditwirtschaft zugleich. Für die Banken lässt sich über die Zusammenarbeit mit Fintechs ein Know-how nutzbar machen, das in Form von eigenen Mitarbeitern nur schwer zu integrieren sein dürfte. Zu unattraktiv scheinen die Unternehmenskultur und die eher starren Arbeitsabläufe in Kreditinstituten derzeit für findige IT-Mitarbeiter mit Start-up-Geist zu sein. Andererseits stellt sich denjenigen, die die Gesamtstrategie der Bank verantworten, sicherlich bei vielen neuen Anwendungen die Frage, ob sie nur ein vorübergehender Trend sind oder ob man unbedingt mitziehen muss. Solche Umbrüche können Menschen in den Banken anspornen, aber auch verunsichern.

Hinzu kommt der steigende Kostendruck in den Kreditinstituten. Personalabbau in der Branche ist durchaus an der Tagesordnung und wird sich noch weiter verstärken. Nach den Statistiken des Arbeitgeberverbandes Banken ist die Zahl der Beschäftigten im Kreditgewerbe zwischen 2009 und 2014 um 23 000 auf 640 050 Personen zurückgegangen. Dabei haben die privaten Banken rund 12 000 Stellen gestrichen, die Sparkassen 9 500. Erstaunlicherweise hat sich einzig der genossenschaftliche Finanzverbund diesem Trend entzogen und in den vergangenen fünf Jahren sogar etwa 1 100 neue Arbeitsplätze geschaffen. Ob das an gesichts des Digitalisierungshypes und der Diskussionen um Filialabbau ein Nachweis des eigenen Weges ist oder ein Verharren in überholten Strukturen, wird die zukünftige Entwicklung der Marktanteile zeigen. In den vergangenen Jahren seit Ausbruch der Finanzkrise spricht diese in den klassischen Kundengeschäftsfeldern Privat- und Firmenkunden für die Genossenschaftsbanken.

Der kritische Blick auf die Kostenseite verheißt auch, dass die - sicher immer noch über dem allgemeinen Durchschnitt liegenden - Gehälter in der Finanzbranche in naher Zukunft voraussichtlich nicht übermäßig stark steigen werden. Während Towers Watson für 2015 von einer Zunahme der Gehälter in der Gesamtwirtschaft um 2,9 Prozent ausgeht, sollen es in der Finanzbranche 2,3 Prozent sein und für 2016 stehen 3,0 Prozent über alle Branchen einem Plus um 2,5 Prozent bei Unternehmen der Finanzbranche gegenüber. Bei diversen Veränderungen im Bereich der Vergütung, insbesondere bei den variablen Bestandteilen, die bisher in den beiden Finanzverbünden eine eher untergeordnete Rolle spielen, haben regulierende Instanzen ihre Hände kräftig im Spiel: Laut einer Studie von Mercer haben 86 Prozent der europäischen Finanzinstitute wegen strikterer EU-Vorgaben bereits aufgeschobene Bonuszahlungen etabliert. Das entspricht den Vorgaben der Regulatoren, diese Zahlungen stärker am langfristigen Erfolg der Unternehmen festzumachen. Freilich ist auch die Ausweichbewegung zur Begrenzung der Bonushöhen zu beobachten: 38 Prozent der Banken in Europa wollen bei ihren leitenden Angestellten den Anteil des Grundgehaltes an der Gesamtvergütung erhöhen; in Nordamerika sind es lediglich 4 Prozent.

Nun mag die Rolle der Bezahlung für die langfristige Motivation von Mitarbeitern ohnehin fraglich sein, das Gehaltspaket wird oftmals als "Hygienefaktor" bezeichnet, das heißt, der Arbeitgeber kann sich damit nur negativ disqualifizieren, aber nicht positiv hervorheben. Doch was braucht es, um Mitarbeiter und Führungskräfte zu gewinnen, die für den Beruf des Bankers brennen, die gerne nah am Kunden sind und die echtes Interesse daran haben, Bankgeschäfte für die Kunden einfacher und moderner zu machen? Von vielen Seiten ist folgendes zu hören: Ausschlaggebend sind letztlich Unternehmenskultur und Führungsstil. Gute Vorgesetzte kommunizieren regelmäßig mit ihren Mitarbeitern, hören wirklich zu, zeigen Lösungsansätze auf. Wer lediglich über Anordnungen und mit Druck führt, kommt schnell an seine Grenzen (siehe Interview Halin). Auf den Führungskräften lastet mithin ein enormer Anspruch. Sie müssen nicht nur Antworten auf die Herausforderungen des Marktes und der Regulierer finden, sondern sich auch den höheren Anforderungen bei der Mitarbeiterführung stellen. Gleichzeitig ist auch die Belastung durch Haftungsfragen in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen.

Betrachtet man dazu einige Ergebnisse aus dem genossenschaftlichen Finanzverbund, der als einziger in den vergangenen Jahren Personal auf- statt abgebaut hat und der sich viel auf seine bodenständige und faire Unternehmenskultur zugutehält, so lässt sich durchaus Verbesserungspotenzial im Hinblick auf die Mitarbeiterführung feststellen. Eine Studie von Geno Personal Consult, einem Tochterunternehmen des Genossenschaftsverbandes in Frankfurt, wertete Mitarbeiterbefragungen bei Volks- und Raiffeisenbanken in den Jahren vor und nach der Finanzkrise im Hinblick auf die Zufriedenheit der Beschäftigten und die Qualität der Führungsarbeit aus (siehe Beitrag Kehr). 37 Prozent der Mitarbeiter stimmen darin der Aussage nicht zu, dass ihre Führungskraft gute Arbeitsleistungen anerkennt. 27 Prozent empfinden die Bezahlung in ihrer genossenschaftlichen Bank nicht als leistungsgerecht und fair. 23 Prozent sagen nicht, dass es ein "Wir-Gefühl" in der Bank gibt und 22 Prozent empfinden die Rückmeldungen ihrer Vorgesetzten zur Qualität und Quantität ihrer Arbeit offenbar als unzureichend. Zwar haben sich der Tendenz nach während der Aufarbeitung der Finanzkrise bereits einige Umfragewerte verbessert, Handlungsbedarf machen die Berater aber weiterhin bei offener und fairer Kommunikation, bei der Leistungskultur und der Führungsarbeit aus.

Auch wenn sich die Unternehmenskulturen in allen drei Säulen der Kreditwirtschaft deutlich unterscheiden, wohlgemerkt: das sollen sie mit Hinblick auf einen lebendigen Wettbewerb ja auch, so scheint es doch legitim, auch bei Sparkassen und privaten Banken Handlungsbedarf zu unterstellen. In diesem Sinne: An die Arbeit!

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X