Vom Wert der Beratung

"Für Kunden geht Beratung weit über MiFID hinaus" / Interview mit Kai Friedrich

Wie ist das Jahr 2012 für Sie gelaufen?

2012 war für uns ein gutes Jahr, aber kein Rekordjahr. Wir haben ordentlich Geld verdient, dies nicht zuletzt, weil wir auf der Kostenseite sehr effektiv gearbeitet haben. 2011 war für uns ein Rekordjahr. Dieses Niveau konnten wir nicht erreichen.

Das Provisionsgeschäft hat in den letzten sechs Monaten gelitten. Das war bei allen wertpapierspezifischen Dienstleistern zu beobachten. Seit März 2012 hat die Aktivität der Kunden ohne erkennbaren Grund merklich nachgelassen. Dabei kamen vermutlich viele Aspekte zusammen, wobei das Vertrauen in die Märkte und den Euro eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte.

Wie viel Optimierungspotenzial sehen Sie noch auf der Kostenseite?

Man darf sicher nicht zu sehr an der Kostenschraube drehen. Aber wenn die Erträge unsicher sind, muss man schon achtgeben, wie viel Personal man einstellt oder welche Projekte angegangen werden - und gleichzeitig dennoch weiterhin neue Dinge entwickeln. Diese Balance ist uns 2012 ganz gut gelungen. Wir haben Prozesse effizienter gestaltet und gleichzeitig einige Innovationen für den Kunden vorgestellt. Beim Thema Effizienz gibt es für deutsche Banken generell noch einiges zu tun. Bei uns ist beispielsweise der größte Teil der Prozesse für den Kunden online. Bei einigen Dingen muss der Kunde aber auch heute noch Dokumente ausdrucken, unterschreiben und zurücksenden. Hier gibt es noch einiges zu verbessern.

Wie wird sich die Finanztransaktionssteuer auf die Aktivität der Kunden auswirken?

Die Steuer wird sicher nicht die erhofften Beträge in die Kassen spülen und auch den Hochfrequenzhandel nicht eindämmen. Wäre die Transaktionssteuer sehr schnell eingeführt worden, hätte sie der Aktienkultur sicher geschadet.

Deshalb ist es gut, dass der Gesetzgeber sich etwas mehr Zeit genommen hat. Hier hoffe ich auf etwas Augenmaß. Dennoch ist meine Sorge, dass die Steuer den Privatkunden trifft. Wünschenswert wäre eine Art Freibetrag für Privatkunden, in dessen Rahmen steuerfrei Aktien gekauft werden können, die länger gehalten werden.

Eigentlich müsste das Niedrigzins-Umfeld, in dem sich klassisches Sparen kaum noch lohnt, fürs Wertpapiergeschäft eher günstig sein. Warum sind die Deutschen hier dennoch so zurückhaltend?

Theoretisch müssten die Kunden wesentlich mehr in den Aktienmarkt investieren. Nur in Gold oder Immobilien anzulegen ist nicht optimal und die Verzinsung von Einlagen ist gering. Aktien dagegen sind eine Beteiligung am Realvermögen. Das gehört eigentlich zu einer vernünftigen Altersvorsorge dazu. Interessanterweise schreibt die ganze Presse darüber, aber die Wirkung bleibt aus.

Hier kommt sicher die allgemeine Verunsicherung zum Tragen. Man weiß nicht, was mit der Weltwirtschaft, dem Euro, den Unternehmen passiert. Und viele Menschen haben nicht die Nerven, mit der Volatilität einer Aktie umzugehen. Hier bräuchten viele Anleger mehr Unterstützung seitens ihrer Bank. Insgesamt haben alle, die sich mit dem Aktienmarkt beschäftigen, noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Wie müsste diese Aufklärungsarbeit aussehen?

Es ist nicht damit getan, dem Kunden zu Investitionen in den Aktienmarkt zu raten. Wir müssen ihm auch dabei helfen, wie er das tun soll. Wie viel seines Geldes sollte er in Aktien investieren? Wie findet er die richtigen Aktien? Wie reagiert man auf die Entwicklung eines Aktienkurses nach oben oder unten? Wann sollte man Gewinne realisieren oder Verluste begrenzen? Mit diesen Fragen lassen die Banken die Kunden zu sehr im Regen stehen.

Seit mittlerweile drei Jahren haben wir dazu zum Beispiel einen Service mit dem Namen "Smart Stops" im Angebot. Hier geben wir dem Kunden auf der Basis komplexer Berechnungen Tipps zum Setzen von Stopp-Loss-Limits - je nach Risikoneigung aggressiver oder eher konservativ. Auch Wiedereinstiegssignale gehören dazu.

Anfang 2012 haben wir nach knapp einem Jahr Entwicklungszeit ein Tool mit dem Namen Anlageplaner live geschaltet, der von den Kunden sehr gut angenommen wird. Damit kann der Kunde mit Schieberegler drei Anlageparameter einstellen: die Geldsumme, zeitlicher Anlagehorizont und seine Risikopräferenz. Daraus ergibt sich dann eine Anlageempfehlung mit konkreter Wertpapierkennnummer. Das geht deutlich über bloße allgemeine Allokationshinweise hinaus. Meines Wissens sind wir die einzigen, die in Deutschland so etwas anbieten.

Der Anlageplaner ist aber keine Beratung nach MiFID. Denn der Kunde wird darauf hingewiesen, dass diese Empfehlung ohne Kenntnis seiner persönlichen Situation erfolgt. Und es wird eine telefonische Beratung angeboten. So gesehen hat sich Cortal Consors gewandelt: vom reinen Discount Broker in Richtung Direktbank mit Beratung. Das wird auch ein großes Thema für das laufende Jahr sein.

Ihre Kunden, die diese Tools nutzen, sind ja bereits wertpapieraffin. Wie sprechen Sie erweiterte Zielgruppen an?

Ich glaube nicht so stark an die Zukunft von Filialbanken. Vielen Kunden ist durchaus bewusst, dass Service und Beratung in ihrer Bank so toll gar nicht sind. Der erste Schritt ist dann das Online-Banking. Der Weg zu einer richtigen Direktbank ist für viele Kunden dennoch noch ein großer Schritt. Die Frage ist, wie können wir ihn ermöglichen?

Unser Produkt für den Einsteigerkunden ist unser Tagesgeld, das wir mit einem attraktiven Zins für ein Jahr anbieten. In diesem einen Jahr versuchen wir, mit dem Kunden zu arbeiten und ihn mit Tools wie dem Anlageplaner oder auch der telefonischen Beratung an das Wertpapiergeschäft heranzuführen. Eine gute Möglichkeit ist dabei das Co-Browsing.

Schwierig ist es, wenn der Kunde mit Fragen zu Produkten anruft. Da kommt man relativ schnell in die Beratung hinein. Hier muss man ganz deutlich machen, dass die Auskünfte nur Produktinformationen sein können, aber keine Beratung, für die der Kunde bei einem Erstprofilierungsgespräch schon mit einer Dreiviertelstunde rechnen müsste und die dann auch dokumentiert werden muss.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Beratungsprotokoll?

Für uns als beratende Bank mit schlanken Prozessen ist die Regulierung der Beratung eine Chance. Bei uns wird jedes Gespräch aufgezeichnet - wogegen sich die Filialbanken gewehrt haben. Die große Herausforderung bei MiFID war für uns die Dokumentation. Nach der Beratung stellen wir dem Kunden das Beratungsprotokoll kurzfristig im Online-Archiv zur Verfügung. Wir haben uns jedoch entschieden, mit der Ausführung des Auftrags nicht zu warten, bis der Kunde dies geprüft hat. Dabei tragen wir das Risiko, dass der Kunde nach Einsicht in die Dokumentation von dem Auftrag zurücktritt.

Wie oft kommt es tatsächlich vor, dass ein Kunde nach Einsicht in das Beratungsprotokoll doch noch vom Auftrag zurücktritt?

Ich habe noch von keinem Fall gehört. Uns ist natürlich sehr wichtig, dass sich die Dokumentation mit der Beratung deckt. Dazu gehört auch, dass man Kosten transparent ausweist - nicht nur in Prozent, wie es der Gesetzgeber verlangt, sondern in konkreten Euro-Beträgen.

Hat die Nachfrage nach Beratung bei Ihnen zugenommen?

Ja. Die Nachfrage nach Beratung nimmt zu, aber immer noch auf einem niedrigen Niveau. Aktuell haben wir von 640 000 Kunden rund 13 000, die einen festen Beratungsvertrag haben. Das sind sehr gute, loyale Kunden. In der Honorarberatung nähern wir uns der Zahl von 2 000 Kunden.

Wie ist die Nachfrage nach Videotelefonie?

Das bieten wir an, aber die Nachfrage ist nicht sehr groß. Trotzdem ist es auch dem Kunden im Internet wichtig, zu wissen, dass hinter der Bank Menschen stehen. Deshalb stellen wir Bilder unserer Berater ein - mit einer Verlinkung auf Xing. So wissen die Kunden über ihren Berater mehr als über einen Berater, dem sie in der Bankfiliale gegenüber sitzen

Versteht der Kunde den Unterschied zwischen Information und Beratung?

Der echte Beratungskunde schon. Wir haben aber auch rund 50 000 Kunden, die ab und zu an mit Fragen zu bestimmten Produkten anrufen. Das ist rechtlich gesehen keine Beratung. Der Kunde empfindet es aber sehr wohl als solche. Für die Kunden geht Beratung deutlich über das hinaus, was durch MiFID als Beratung definiert wird. Die Trennung ist vor allem eine juristische. Ein Tool wie unser Anlageplaner ist für den Kunden eine Beratung - auch wenn es juristisch keine ist.

Was wird sich durch den Trend zu mobilen Geräten ändern?

Die Zukunft der Bankdienstleistungen wird sich auf mobilen Endgeräten wie Tablets oder Smartphones abspielen. Wir haben mittlerweile etwa 150 000 Downloads für unsere Apps. Das ist für eine Bank unserer Größe schon sehr ordentlich.

Das Nutzungsverhalten ist ein anderes als beim PC: Smartphones sind sehr transaktionsbezogen, Tablets eher informationsbezogen. Das i-Pad wird abends auf dem Sofa genutzt. Damit verändern sich auch die Erwartungen an die zeitliche Verfügbarkeit - auch bei der Beratung.

Hinzu kommt: Wir Banken müssen dafür sorgen, dass unsere Angebote auf allen Endgeräten funktionieren. Wir werden deshalb im Frühjahr dieses Jahres eine neue Website live nehmen, die zum einen weniger komplex ist als bisher, zum anderen Cross-Device. Heute wird eine Website auf kleinen Smartphone- oder Tablet-Bildschirmen schlicht verkleinert. Moderne Seiten passen sich automatisch auf die Größe des jeweiligen Bildschirms an und blenden Inhalte, die nicht darauf passen, aus.

Was für Konsequenzen hat der Trend zum Mobile Banking für die Sicherheit?

Es gibt immer auch eine Mitwirkungspflicht der Kunden. Kunden, die unsere i-Phone-Applikation benutzen, bekommen keine mobile TAN auf ihr i-Phone, weil wir nicht ausschließen können, dass sie das gleiche Gerät für Transaktionen benutzen und dann die Kanaltrennung nicht mehr gewahrt ist. Dafür bekommen wir zwar auch Kritik, weil es natürlich schön bequem wäre. Hier geht die Sicherheit aber vor Bequemlichkeit.

Bei der i-Pad-Applikation ist das anders, weil man auf das Gerät keine SMS empfangen kann. Nach heutigem Stand ist das sicher. Seit wir die unsicheren Verfahren wie die TAN-Liste abgeschaltet haben, hatten wir keinen einzigen Schadensfall mehr.

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