Internationales Immobiliengeschäft

Keine Steuer auf Scheingewinne und andere Obskuritäten

Henning-Günther Wind, Ebner Stolz Mönning Bachem, Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart

Quelle: Ebner Stolz

Der deutsche Immobilienmarkt ist momentan "Everybody's Darling". Gerade ausländische Investoren schätzen in politisch unruhigen Zeiten die hierzulande anzutreffenden stabilen Rahmenbedingungen und investieren fleißig. Worüber sich viele von ihnen dabei wohl nicht immer ausreichend im Klaren sind: Das deutsche Steuerrecht weist einige gewöhnungsbedürftige Besonderheiten auf, mit denen man sich im Idealfall bereits vor einem Engagement vertraut machen sollte. Schonungslos und dabei nicht ganz frei von Ironie gewährt der Autor des folgenden Beitrags Einblicke in einige der kontroversesten immobilienrelevanten Steuersachverhalte Deutschlands. Sein Fazit ist klar: Ein Standort, dessen wesentliche steuerliche Belastungen von ungewissem Richterrecht abhängen, stellt kein attraktives Investitionsumfeld dar. Red.

Nicht zuletzt seit den täglichen Twitter-Nachrichten aus dem Weißen Haus und dem bevorstehenden Brexit kommt Deutschland zunehmend wieder in den Fokus ausländischer Investoren. In einer zweifelsohne globalisierten Welt suchen sich Kapitalströme die scheinbar einfachsten und im Idealfall lukrativsten Wege, protektionistische Strömungen vermögen allenfalls Investmententscheidungen zu verlagern, nicht aber diese zu verhindern. Dies gilt insbesondere auch für Immobilieninvestments. Etliche ausländische Investoren, welche sich zu Zeiten der Bankenkrise in Deutschland gehörig die Finger verbrannt haben, schauen derzeit wieder mit Interesse auf den Standort Deutschland. In Zeiten des Negativzinses allüberall versprechen deutsche Anlagen stabile Renditen sowie Zugang zu attraktiven Projektentwicklungen und deutschem Engineering.

Allerdings werden Vermieter und Entwickler im Gespräch mit ausländischen Investoren schnell auf eines der Kernprobleme des deutschen Steuerrechts stoßen - seine Archaik. Die Finanzverwaltung versucht mit "ständigen Rechtsprechungsgrundsätzen" fußend auf Urteilen des Reichsfinanzhofes modernen Umständen Herr zu werden. Zu solchen Obskuritäten des deutschen Steuerrechts, welche Auslandsinvestoren schwer zu vermitteln sind, gehören neben der möglichen Gewerbesteuer auf Immobilienerträge, auch das Schreckgespenst möglicher Steuern auf Scheingewinne, die sich aus typischen Gesellschafterfremdfinanzierungsszenarien ergeben können.

Sonderbarkeiten des deutschen Steuerrechts

Über einen solchen Fall der Steuern auf Scheingewinne hatte das höchste deutsche Steuergericht, der Bundesfinanzhof (BFH) in München jüngst zu entscheiden (siehe BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016, Aktenzeichen I R 76/14). Im zu entscheidenden Fall hatte eine luxemburgische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Société à responsabilité limitée (S.à.r.l.), die in Luxemburg ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung hatte und in Deutschland über keine feste Geschäftseinrichtung verfügte, ein im Inland belegenes Grundstück für rund 90 Millionen Euro erworben.

Dieses Grundstück stellte das einzige Sachanlagevermögen der Gesellschaft dar und wurde zur Erzielung von Mieteinnahmen genutzt. Die Finanzierung des Grundstückserwerbs erfolgte größtenteils durch die Gewährung von Darlehen von verbundenen Unternehmen, darunter eines in Höhe von zirka 8,4 Millionen Euro. Die S.à.r.l. veräußerte das Grundstück schließlich für etwa 72 Millionen Euro. Aus dem Erlös konnte das vorbezeichnete Darlehen nicht vollständig getilgt werden. Aufgrund der Verlustsituation verzichtete die nahestehende Darlehensgläubigerin auf eine Darlehensforderung in Höhe von insgesamt rund 7,1 Millionen Euro.

Steuerzahlung trotz Verlustgeschäfts?

Aus diesem Wegfall der Verbindlichkeit bei der investierenden Immobiliengesellschaft, wollte die deutsche Finanzverwaltung einen steuerpflichtigen Gewinn konstruieren. Man lasse sich die Situation einmal auf der Zunge zergehen - ein ausländischer Investor kauft in Deutschland ein Grundstück, muss dies aufgrund der Marktsituation nach Lehman unter seinem Einstandspreis verkaufen, realisiert also wirtschaftlich einen deutlichen Verlust und soll dann auf die Darlehensforderung, die er nicht bedient bekommt, auch noch Steuern bezahlen. Ein Irrwitz, getrieben durch eine deutsch-buchhalterische Betrachtungsweise eines wirtschaftlich reinen Verlustgeschäftes. Dies verbunden mit der nur sehr eingeschränkten Verrechenbarkeit etwaiger Verlustvorträge führt zu einer Substanzbesteuerung, welcher durch den Wegfall zum Beispiel der Vermögensteuer oder der Gewerbekapitalsteuer gerade ein Riegel vorgeschoben werden sollte.

Glücklicherweise ist der BFH dieser Ansicht im vorgenannten Urteil deutlich entgegengetreten. Technisch ergibt sich diese Rechtsprechung aus dem Umstand, dass ein ausländischer Investor nur mit seinen inländischen Einkünften zur Steuer herangezogen werden kann. Hierzu gehören expressis verbis nur Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung oder der Veräußerung von inländischem Grundbesitz, nicht jedoch (Schein-)Erträge aus dem Wegfall einer Verbindlichkeit. Die Finanzverwaltung hatte hier mit bilanziellen Grundsätzen argumentiert, nämlich das buchhalterisch der Wegfall einer Verbindlichkeit zu einem steuerpflichtigen Ertrag führe. Dies allerdings mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass ausländische Investoren ohne inländische Betriebsstätte gerade keine inländische Bilanz aufstellen, sondern lediglich eine Gewinnermittlung eigener Art im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht durchführen.

Und hier steckt der Teufel im Detail. Verfügt die ausländische Immobiliengesellschaft über inländische Büroräume oder über inländische Entscheidungsstrukturen, die beispielsweise im Rahmen eines Property Management, Asset Management oder Investment Management, rechtlich oder de facto dazu führen, dass die Entscheidungen des Tagesgeschäftes in Bezug auf die Immobilie in Deutschland getroffen werden (etwa über ein Outsourcing solcher Entscheidungen auf einen inländischen Dienstleister), dann kann auch der technische Kniff des BFH nicht mehr helfen, dann unterliegt der Gewinn aus dem Wegfall einer Verbindlichkeit in Deutschland der Steuer.

Grenzen des BFH-Urteils

Sprechen wir über Körperschaft- und Gewerbesteuer, so macht dies je nach Standort in Summe gut und gerne eine Steuerbelastung von 30 bis 32 Prozent auf das nicht zurückgezahlte Darlehen aus. Womit wir beim Stichwort Gewerbesteuer wären. An sich möchte der Gesetzgeber Grundeigentümer nicht mit Gewerbesteuer belasten, solange sie ihren eigenen Grundbesitz halten und verwalten. Kurz gesagt: Wer vermietet, soll keine Gewerbesteuer zahlen. Rein technisch wird das erreicht, indem die Mieteinnahmen aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage herausgekürzt werden (sogenannte "erweiterte gewerbesteuerliche Grundstückskürzung"). Sollte es Zinsen auf dem Mieteingangskonto geben, so sind diese zwar unschädlich für die Kürzung, werden aber mit Gewerbesteuer belastet. Die Besteuerung von Zinsen auf dem Mieteingangskonto, welche im Verhältnis zu den Mieteinnahmen in der Regel verschwindend gering sind, ist ein erstes Beispiel für die Detailverliebtheit im deutschen Recht.

Aber damit nicht genug. Zur Vermeidung von "Missbrauch" und Abgrenzung gegenüber klassischen Gewerbebetrieben hat der Gesetzgeber strenge Anforderungen an die Gewerbesteuerfreiheit gestellt. So erhält nur derjenige die Steuerfreiheit, der "ausschließlich" "eigenen" Grundbesitz nutzt und verwaltet. Neben dem Ausschluss der Fremdverwaltung durch das kleine Wörtchen "eigener" ist das Kriterium der Ausschließlichkeit ein ernst gemeinter harter Brocken. Wird nur in geringem Umfang eine andere Tätigkeit ausgeübt als die Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes, ist es aus mit der Gewerbesteuerfreiheit. Dazu gehört etwa die Mitvermietung von sogenannten steuerlichen Betriebsvorrichtungen. Zum Bespiel Photovoltaikanlagen und die damit verbundene Einspeisung von Strom in das Netz sind in diesem Sinne schädlich.

Strenge Anforderungen an Gewerbesteuerfreiheit

Betroffen sind aber auch Mitvermietungen von beweglichen Wirtschaftsgütern, wie Möbel, Lampen, Büroausstattung und sogar Fußabtretermatten in Bürogebäuden oder Einkaufszentren. In Bezug auf Letztere war im vergangenen Jahr ein Aufatmen in der Immobilienbranche zu vernehmen. So hieß es in mehreren Publikationen plakativ "Keine Gewerbesteuer für Shoppingcenter". Eine Aussage, die in dieser Allgemeinheit schlichtweg nur als falsch bezeichnet werden kann. Auslöser dieses Aufatmens war das begrüßenswerte Urteil des BFH vom 14. Juli 2016 (Aktenzeichen IV R 34/13). Hier hatte der BFH einen Fall zu beurteilen, in welchem Immobilieneigentümer und Nutzer einen großen strukturellen Aufwand betrieben, um keine Gewerbesteuer auf die Mieteinnahmen eines Einkaufscenters zahlen zu müssen.

Zum ersten Mal überhaupt erkannte das Finanzgericht an, dass es auf die objektbezogenen Besonderheiten nach Art der Immobilie ankommt, wenn unterschieden werden soll, ob ein zur Gewerbesteuerpflicht führender Gewerbebetrieb oder eine nicht zur Gewerbesteuerpflicht führende reine Vermögensverwaltung vorliegt. Laut BFH muss geprüft werden, ob die vom Vermieter erbrachten Leistungen noch üblich, mithin gebräuchlich und verbreitet sind. Bei der Vermietung einer gewerblichen Großimmobilie sei das zumindest dann nicht anzunehmen, wenn die Sonderleistung in jedenfalls überwiegendem wirtschaftlichem Interesse des Vermieters erbracht würde und nicht wirtschaftliche Interessen des Empfängers im Vordergrund stünden.

Rechtsprechung im Sinne der Vermieter ...

Die Kunden eines Einkaufszentrums betrachten ein solches Objekt nicht allein als Summe der dort angesiedelten Händler und Dienstleister. Vielmehr schafft ein Einkaufszentrum typischerweise eine spezifische Situation, die sich durch eine bewusste Mischung des Angebots an Handel und Dienstleistungen, eine leichte, typischerweise fußläufige Erreichbarkeit der einzelnen Shops unter Ausschaltung des störenden Straßenverkehrs und der Witterung, einheitliche Ladenöffnungszeiten sowie oft auch unterhaltender oder informierender Programme für die Kundschaft und eine einheitliche Werbung auszeichnet. All diese Faktoren hätten zumindest in ihrer Gesamtheit nach bisherigem Verständnis dazu geführt, dass im entschieden Fall Gewerbesteuer zu zahlen gewesen wäre. Insofern können sich Vermieter über diese Entscheidung freuen.

Nicht vergessen werden darf in dem Zusammenhang, dass im entschiedenen Fall viel Strukturierungsaufwand betrieben worden war, um keine Gewerbesteuer auszulösen. Angefangen bei der Rechtsformwahl als GmbH & Co. KG über die dann stattgefundene steuerliche "Entprägung", also des Anscheins einer vermögensverwaltenden Gesellschaft, bis zum Vermeiden einer Betriebsaufspaltung sowie dem Verzicht der Erbringung von Dienstleistungen an Dritte außerhalb des Vermietungsverhältnisses, wurden zahlreiche Vorkehrungen getroffen.

... die schon bald anders ausfallen könnte

Scheitert nur eine dieser Stellschrauben, so läge auch im entschiedenen Urteilsfall nach Auffassung des entscheidenden Senats ohne Frage ein Gewerbebetrieb vor. Ungemach droht hier insbesondere bei dem Gestaltungselement der Entprägung. Hierzu wird in der Praxis in nahezu allen Fällen eine GmbH als Kommanditist einer GmbH & Co. KG neben der Komplementärin zur Geschäftsführung berufen.

Diese allgemein anerkannte Praxis der "kapitalistischen Entprägung" widerspricht laut Auffassung eines Vorsitzenden Richters am Bundesfinanzhof dem Sinn und Zweck der Entprägung, da sämtliche zur Geschäftsführung berufene Personen als GmbH selbst nur beschränkt haften und gerade keine Erweiterung des Haftungskreis auf eine unbeschränkt haftende Person erfolgt. Hier ist zu erwarten, dass der erste dem entsprechenden Senat des BFH vorgestellte Sachverhalt, welcher entscheidungserheblich das Element der Entprägung in sich trägt, zum Anlass genommen werden wird, hier eine Rechtsprechungsänderung herbeizuführen. Diese hätte zur Folge, dass das vorgenannte Shoppingcenter-Urteil ebenfalls zu einer Gewerbesteuerpflicht kommen würde. In diesem Fall würde nur noch die vorgenannte erweiterte Grundstückskürzung helfen und hier stellt sich abermals die Frage, ob das deutsche Steuerrecht flexibel genug ist, auf moderne Entwicklungen auf den Immobilienmärkten einzugehen. Denn was ist, wenn eine Leistung noch gar nicht "üblich" sein kann, weil die Technologien hierzu zu neu sind, die Entwicklungen zu rasant, das Vorkommen am Markt zu diversifiziert? Was ist, wenn neben der Überlassung von Raum durch unzählige Sensoren Unmengen von Daten gesammelt und den Mietern oder Dritten zur Verfügung gestellt werden?

Steuerrecht beeinflusst Attraktivität des Standorts

Was ist, wenn neue Formen des Zusammenlebens und -arbeitens neue Wohn- und Arbeitskonzepte erfordern, wenn neben Arbeitsraum auch gleichzeitig Serviceleistungen rund um ein junges Unternehmen wie etwa Lohnabrechnungen, Buchhaltungs- und andere administrative Services, Essenslieferungen, et cetera angeboten werden. Und was ist, wenn das exakt die Erwartungshaltung der Kunden von neuen Mixed-Use-Konzepten ist? Reicht das aus, um "üblich" zu sein, wie es das Finanzgericht nunmehr fordert, um vermögensverwaltend zu sein?

Ein Steuerrecht, welches sich auf die Beurteilung weicher Kriterien wie "wann ist etwas üblich" verlässt, wird mit modernen Entwicklungen nicht schnell genug standhalten können. Es ist ohnehin grundsätzlich nicht einsichtig, warum die Vermietung von Grundbesitz überhaupt zu einer Gewerbesteuerpflicht führen soll. Das wird den Anforderungen an ein modernes Steuerrecht nicht gerecht. Zu begrüßen ist der Mut der BFH-Richter, in den entschiedenen Fällen konsequent geschriebenes Recht anzuwenden und neue Wege zu beschreiten.

Allerdings stellt ein Investitionsstandort, dessen wesentliche steuerliche Belastungen von ungewissem Richterrecht abhängen, kein attraktives Investitionsumfeld dar. So ist zum einen die Weiterentwicklung des Steuerrechts hin zu verlässlichen gesetzlichen Regelungen angesichts der Herausforderungen und Chancen, die sich derzeit für den Standort Deutschland ergeben, dringend anzuraten. Zum anderen sollte aber auch jeder Investor eigene Vorsorge betreiben und bestehende Investitionsstrukturen auf ihre steuerliche Robustheit hin überprüfen.

Der Autor Henning-Günther Wind, Ebner Stolz Mönning Bachem, Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart
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