Aufsätze

Die Gewerbesteuer - eine Sonder- und Altlast

Infolge der Unternehmensteuerreform 2008 ist die Belastung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich - zumindest nominell - gesenkt worden. Die reale Entlastung fiel nicht ganz so stark aus, der Grund dafür war die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Wenn auch insgesamt die positiven Effekte der Unternehmensteuerreform 2008 leicht überwiegen mögen, in einem hat sie versagt: bei der Gewerbesteuer. Statt den in der Wissenschaft und seitens der Verbände schon seit Langem geforderten Abbau der Gewerbesteuer zu forcieren, wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 die Bedeutung der Gewerbesteuer für die Unternehmensbelastung sogar noch verfestigt.

Sonderlast Gewerbesteuer

Verschärft wurden nämlich die sogenannten Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer. Gegenstand dieser Hinzurechnungen sind eine Reihe von Betriebsausgaben, insbesondere die Ausgaben für Zinsen, Mieten, Pachten und Lizenzen. Diese Ausgaben werden bei der Ermittlung des einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinns als Betriebsaufwand vom Ertrag abgesetzt, müssen jedoch bei der Ermittlung des gewerbesteuerlichen Ertrags teilweise dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden. Die Gewerbesteuer droht immer weiter zur Substanzsteuer zu werden - unter Umständen bis hin zur Existenzgefährdung von Unternehmen. Die Verschärfung wurde zwar inzwischen von der schwarzgelben Regierung teilweise zurückgenommen, sie bleibt indes bestehen. Neben der sofortigen Korrektur dieser Belastungsverschärfung gehört aber vor allem der Abbau der Gewerbesteuer weiterhin auf die steuerpolitische Tagesordnung.

Denn die Gewerbesteuer ist eine Sonderlast für deutsche Unternehmen. Anders als beispielsweise bei der Umsatzsteuer wird die Ausfuhr von der Gewerbesteuer nicht ent- und die Einfuhr nicht belastet. Dies verstärkt Anreize, die Produktion in gewerbesteuerfreie Nachbarländer zu verlagern. Der Nachteil für den Standort Deutschland kann sogar noch zunehmen, nämlich dann, wenn ausländische Investoren die gewerbesteuerliche Belastung in ihrem Herkunftsstaat nicht anrechnen können. Das hängt von der Ausgestaltung der Doppelbesteuerungsabkommen ab. Der Nachteil kann eigentlich nur durch den vollständigen Einbau der Gewerbesteuer in die Körperschaftsteuer nachhaltig geheilt werden. Hinzu tritt, dass die deutsche Gewerbesteuer in ihrer Gestaltung ziemlich einzigartig auf der Welt ist. Der regelmäßige Hinweis von Befürwortern der Gewerbesteuer, es gäbe im Ausland oftmals "eine Art Gewerbesteuer", verfängt bei genauerem Hinsehen nicht. Nur weil eine Steuer einen regionalen Bezug hat, gleicht sie lange noch nicht der Gewerbesteuer. Entweder werden ganz andere Tatbestände erfasst, und/oder es herrscht ein wesentlich niedrigeres Belastungsniveau.

Altlast

Hinzu tritt, dass im Ausland seit Langem ein Trend zur Vereinfachung der kommunalen Abgaben zu beobachten ist. Die Gewerbesteuer wurde in Österreich bereits 1994 gemeinsam mit der Lohnsummensteuer abgeschafft und durch eine wesentlich einfachere Kommunalsteuer ersetzt. Der Gesetzgeber in Frankreich hat 2010 beschlossen, die "taxe professionelle", das französische Pendant der Gewerbesteuer, in den kommenden Jahren abzubauen. Der Nachteil des Standortes Deutschland wird also noch gravierender.

Doch auch im nationalen Kontext ist die Gewerbesteuer höchst umstritten. Der Reformbedarf ist nicht neu, der Gesetzgeber hat die Gewerbesteuer in den letzten Jahrzehnten bereits mehrmals erheblich geändert. Nach dem Wegfall der "Lohnsummensteuer" 1980 und der "Gewerbekapitalsteuer" 1998 schien im Jahr 2003 eine grundlegende Reform der verbliebenen Gewerbeertragsteuer greifbar. Die im Frühjahr 2002 von der damaligen Rot-Grünen Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen konnte sich allerdings nicht auf ein abschließendes Reformkonzept einigen, ein Reformversuch der Bundesregierung wurde im parlamentarischen Verfahren abgelehnt. Stattdessen wurde die Verpflichtung zur Erhebung der Gewerbesteuer durch die Gemeinden, ein Mindesthebesatz sowie eine Mindestbesteuerung eingeführt. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn ein Steuerreformversuch letztendlich in der Zementierung der zu reformierenden Steuer endet.

Nach wie vor ist die Gewerbesteuer mit erheblichen Fehlern und Mängeln behaftet. Neben der Hinzurechnung ertragsunabhängiger Ausgaben zum Gewerbeertrag sind dies die hohen Befolgungs-, Ermittlungs- und Entrichtungslasten und die Steuerverwaltungskosten. Auch bezüglich der steuerpolitischen Fundamentalprinzipien, insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der Steuergerechtigkeit und der Steuervereinfachung, sind nach wie vor Defizite zu beklagen. Hervorzuheben sind vor allem der Verstoß der Gewerbesteuer gegen das Nettoprinzip und das Prinzip der Steuervereinfachung sowie die mangelnde Rechtfertigung der Gewerbesteuer nach dem Äquivalenzprinzip.

Nicht zuletzt spricht gegen die Gewerbesteuer, dass sie verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das Bundesverfassungsgericht hat die Gewerbesteuer zwar für zulässig erklärt, weil sie in der Verfassung genannt wird, dies sollte jedoch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ungleichbehandlungen entkräften können, die mit der Gewerbesteuer verbunden sind.

Chance Gewerbesteuerreformkommission

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das oberste deutsche Gericht in einem jüngeren Urteil seine Haltung zur Gewerbesteuer relativiert hat. Mit der Entscheidung vom 27. Januar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem festgestellt, dass der Gesetzgeber nicht von Verfassung wegen verpflichtet ist, die Erhebung der Gewerbesteuer beizubehalten, weder aufgrund der Nennung dieser Steuer in der sogenannten Finanzverfassung (Art. 106 Abs. 6 GG) noch aufgrund der Gewährleistung der Selbstverwaltung, die eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle umfasst (Art. 28 Abs. 2 GG). Der Gesetzgeber darf also durchaus die Gewerbesteuer abbauen, ohne damit gegen die Garantie der Kommunalen Selbstverwaltung zu verstoßen. Die Nennung der Gewerbesteuer in der Verfassung bedeutet nicht, dass diese Steuer eine "Ewigkeitsgarantie" besitzt.

Erfreulicherweise hat auch die amtierende Regierung den Reformbedarf erkannt und Anfang März 2010 eine Gemeindefinanzkommission eingesetzt. Schon im Koalitionsvertrag einigten sich CDU, CSU und FDP auf einen Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Dieser Vorschlag ging als "Prüfmodell" in die Kommissionsarbeit ein.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände legte hingegen ein "Kommunalmodell" vor, das genau das Gegenteil erreichen will: Die Ausweitung der Gewerbesteuer auf die freien Berufe und den weiteren Einbezug von Substanzbestandteilen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stehen sich "Prüfmodell" und "Kommunalmodell" unvereinbar gegenüber. Wie zuletzt 2003, droht auch im Jahr 2011 die notwendige Reform der Gemeindefinanzierung am Widerstand einiger kommunaler Vertreter zu scheitern. Das ist erstaunlich, denn eigentlich müssten die Kommunen der ständig schwankenden Gewerbesteuer längst überdrüssig sein.

Vor allem spricht für den Abbau der Gewerbesteuer, dass er möglich ist, ohne den Gemeinden zu schaden. Dazu wird ein Ersatz benötigt, der Art. 28 Abs. 2 GG genügt, also vor allem die kommunale Finanzautonomie wahrt. Der im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP genannte Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ist grundsätzlich geeignet, diese Bedingung zu erfüllen. Das Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler hat anhand einer überschlägigen Rechnung gezeigt, dass dieser Weg sehr wohl gangbar ist, und zwar ohne Mehrbelastung der Steuerzahler oder der Gebietskörperschaften.

Zu diesem Zweck sollten die Gemeinden neben verfassungsgesetzlich abgesicherten Beteiligungen an den Erträgen von Ein-kommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer mit Hebesatzrechten auf die Gemeindeanteile von Einkommen- und Körperschaftsteuer ausgestattet werden. Allerdings sollten diese Hebesätze nur in einem begrenzten Rahmen verändert werden dürfen, damit eine Überbelastung der Steuerzahler vermieden wird.

Zum Ausgleich der Steuermindereinnahmen der Gemeinden aus dem Abbau der Gewerbesteuer dürfte zunächst der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer beitragen. Der Abbau der Gewerbesteuer würde nämlich dazu führen, dass das Aufkommen der Einkommensteuer nicht mehr infolge der Anrechnung der Gewerbesteuer geschmälert würde. Zusätzliche Einnahmen sollte auch der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer erbringen. Er beträgt zurzeit 2,2 Prozent des dafür maßgeblichen Umsatzsteueraufkommens. Zum Ausgleich der Mindereinnahmen, die den Gemeinden aus dem Abbau der Gewerbesteuer netto erwachsen, müsste dieser Anteil auf etwa 18Prozent angehoben werden.

Gemeindeanteil an der Körperschaftsteuer

Schließlich sollte auch das Aufkommen der Körperschaftsteuer zum Ausgleich der Mindereinnahmen herangezogen werden, indem ein Gemeindeanteil an der Körperschaftsteuer eingerichtet wird. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts im Bundesstaat müsste allerdings der Steuersatz der Körperschaftsteuer erhöht werden. Zurzeit beträgt dieser Körperschaftsteuersatz 15 Prozent. Hinzu kommt die Belastung mit Gewerbesteuer, sodass sich bei Kapitalgesellschaften die Gesamtbelastung einbehaltener Gewinne auf insgesamt etwa 30 Prozent beläuft. Demgegenüber liegt die tarifliche Belastung einbehaltener Gewinne von Personengesellschaften mit Einkommensteuer bei 45 Prozent (ohne Solidaritätszuschlag), sofern nicht die Begünstigung nach § 34a EStG beantragt wird.

Der Abbau der Gewerbesteuer würde diese rechtsformabhängigen Belastungsunterschiede noch vergrößern. Ein effektiver Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent läge noch deutlicher unter dem Spitzensatz der Einkommensteuer von 45 Prozent, den die Personengesellschaften bei der Thesaurierung von Gewinnen weiterhin in den Fällen anzuwenden hätten, in denen die Begünstigung nach § 34 a EStG nicht von Vorteil ist. Zudem wäre ein Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent einer der niedrigsten Sätze im internationalen Vergleich. Hingegen könnte eine dementsprechende Anpassung des Körperschaftsteuersatzes das Steuersatzgefälle zwischen thesaurierenden Kapital- und Personengesellschaften vermindern, ohne den Standort Deutschland im internationalen Vergleich zu benachteiligen. Eine Anhebung des Körperschaftsteuersatzes auf 28 Prozent dürfte vertretbar sein und dem gesamtstaatlichen Finanzierungsbedarf genügen.

Zu den Mehreinnahmen aus der Körperschaftsteuer kämen Mehreinnahmen, die sich aus dem Wegfall der Gewerbesteuer-Anrechnung bei der Einkommensteuer sowie aus dem Solidaritätszuschlag auf die Mehreinnahmen bei Körperschaftsteuer und Einkommensteuer ergeben dürften. Insgesamt würden sich damit die gesamtstaatlichen Mehreinnahmen aus dem Abbau der Gewerbesteuer und die korrespondierenden Mindereinnahmen in der Höhe praktisch ausgleichen.

Tragende Komponenten dieses Abbau- und Ersatzmodells sind die konsequente Beteiligung der Gemeinden an den Staatssteuern, die Wahrung der Hebesatzkompetenzen der Gemeinden, die bessere Absicherung der kommunalen Einnahmen gegenüber konjunkturellen Schwankungen des Steueraufkommens, der Ausschluss einer Kreditfinanzierung des Gewerbesteuerabbaus sowie die Vermeidung zusätzlicher Belastungen der Steuerzahler. Das Beispiel kann insofern Hilfestellung leisten bei der optimalen Gestaltung des Gewerbesteuerabbaus.

Vorteile des Gewerbesteuerabbaus

Die Sonderlast Gewerbesteuer würde durch eine solche Reform obsolet, für die im Inland tätigen Unternehmen träte eine deutliche Vereinfachung ein, denn sie müssten nicht mehr neben der Körperschaft- beziehungsweise Einkommensteuer eine zusätzliche Ertragsteuer mit abweichender Bemessungsgrundlage berücksichtigen. Das hat vor allem gesamtwirtschaftlich günstige Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung.

Zu berücksichtigen sind ferner die kommunalpolitischen Vorteile des Gewerbesteuerabbaus, denn sie machen den Weg frei für eine Gemeindefinanzierung, die nicht nur den Anforderungen der kommunalen Selbstverwaltung entspricht, sondern auch eine stabile Finanzierung der kommunalen Haushalte in Aussicht stellt. Schließlich würde die Reform die demokratische Teilhabe an der Kommunalpolitik deutlich attraktiver machen. Denn durch die gestiegene Äquivalenz von Einnahmen und Ausgaben würde das Interesse an kommunalen Belangen schlagartig zunehmen. Die Bürger würden viel direkter als bisher spüren, wenn ihre Wohnsitzgemeinde beispielsweise kostspielige Projekte finanzieren will und dafür die Hebesätze erhöht. Es darf spekuliert werden, ob nicht hier der wahre Grund für den Widerstand so mancher Vertreter der Städte und Gemeinden liegt.

Widerstände überwinden, Abbau vollenden

Es ist sehr wohl möglich, die Gewerbesteuer abzuschaffen und den Gemeinden gleichwertige Finanzierungsmöglichkeiten einzuräumen. Die Möglichkeit, wie die Gewerbesteuer zu ersetzen ist, ohne die Finanzierung und die Besteuerungskompetenzen der Gemeinden zu schwächen, wurde oben skizziert. Die Vorteile einer solchen Reform liegen auf der Hand: Die Unternehmer und Unternehmen werden von einer überholten, ungerechten und aufwendigen Steuer befreit, die Gemeinden können anstelle des unzuverlässigen Gewerbesteueraufkommens über hinreichende und stabile Einnahmen verfügen und die Steuerzahler werden nicht zusätzlich belastet.

Für die neue Regierungskommission gilt es, diese Vorteile einer Gemeindefinanzreform aufzuzeigen. Vor allem muss es gelingen, die fast schon reflexartigen althergebrachten Bedenken mancher kommunaler Würdenträger zu entkräften, die schon wieder geäußert wurden, noch bevor die Kommission ihre Arbeit überhaupt richtig aufgenommen hat. Eine Reform der Gemeindefinanzierung ist lange überfällig. Wenn es dabei gelingt, endlich auch die altbackene Gewerbesteuer zu beseitigen, dann wäre viel erreicht.

Bibliografie

Däke, Karl Heinz/Schemmel, Lothar (2004), Internationale Bezüge des Gewerbesteuerabbaus, in: Döring/Kußmaul (Hrsg.), Spezialisierung und Internationalisierung, München, Seiten 449-475.

Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (2002). Kommunale Steuerautonomie und Gewerbesteuerabbau, Heft 94 der Schriftenreihe, Wiesbaden. Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (2008). Existenzgefährdende Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer entschärfen! , Sonderinformation Nr. 55, Berlin.

Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (2010). Aktuelle Empfehlungen zu Abbau und Ersatz der Gewerbesteuer, Sonderinformation Nr. 60, Berlin.

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