Leitartikel

Ein neuer, alter Champion?

Sind die deutschen Banken im internationalen Vergleich ohne Ausnahme hoffnungslos abgeschlagen? Muss selbst eine Deutsche Bank die wirklich "großen Tickets" tatsächlich den ausländischen Instituten überlassen? Oder hat Deutschland, allen Unkenrufen der letzten Jahre zum Trotz, doch wieder einen wirklichen Champion im globalen Bankgeschäft? Zumindest die Antworten auf die beiden in den vergangenen Jahren von Analysten und Medien mit viel spöttischem Beiwerk bejahten Ausgangsfragen werden durch den bisherigen Verlauf der Bilanzberichterstattung 2007 beträchtlich relativiert. Denn die Zahlen der Deutschen Bank und ihrer globalen Mitbewerber für das abgelaufene Geschäftsjahr stützen eindeutig die Vermutung, dass diese deutsche Adresse in Fortschreibung so mancher einschlägiger Rankings weiter in die vorderen Positionen aufrückt.

Anders als früher gründet sich die momentane Stärke der Bank dabei nicht mehr auf die viel zitierten Verbindungen aus der Deutschland AG. Waren es lange Jahre die engen gesellschaftlichen und personellen Verflechtungen mit der deutschen Industrie, die eine sanfte Lenkung oder eine gewichtige Mitsprache in vielen Fragen des deutschen Wirtschaftslebens sicherten, so muss sich die Bank in ihrer Geschäftsanbahnung heute in weit stärkerem Maße auf ihre Leistungsfähigkeit an den internationalen Finanz-, Güter- und Dienstleistungsmärkten verlassen. Natürlich hat sie in der Industrie wie auch im Mittelstand noch gewachsene Geschäftsbeziehungen. Und sicher erleben gerade die ambitionierten Wettbewerber aus dem Ausland die Bank dank ihrer Produktkompetenz vor Ort nach wie vor als harte Barriere in Deutschland. Aber das allein bietet heute keinen wirklichen Schutz mehr, wenn nicht die notwendige Innovationsstärke, ein ausgefeiltes Risikomanagement und das richtige Gespür für globale Marktentwicklungen hinzukommen.

Letztere Aspekte haben die Bank in der Bewältigung der Subprime-Krise und deren bisherigen Folgen an den Finanz- und Kapitalmärkten eindeutig auf die Gewinnerseite geführt. Sie hat das turbulente zweite Halbjahr 2007 mit weitaus weniger Abschreibungen überstanden als ihre teilweise sogar von Verlusten gebeutelten Wettbewerber. Und für das abgelaufene Gesamtjahr präsentiert und übertrifft sie mit ihren 8,749 Milliarden Euro schon heute das Ergebnis vor Steuern, das den mittelfristigen Planungen nach erst im laufenden Jahr erreicht werden sollte. Zwar hat Josef Ackermann angesichts der anhaltend großen Unsicherheiten an den Finanzmärkten und deren möglichen Auswirkungen auf die reale Wirtschaft das ausdrückliche Festhalten an dem angepeilten Vorsteuerergebnis 2008 von 8,4 Milliarden Euro vielleicht zu Recht mit dem Begriff einer "Vision" belegt. Aber auf Basis der vorläufigen Datengrundlage per Ende 2007 hat die Deutsche Bank ihre Marktposition im internationalen Vergleich erst einmal klar gestärkt. Sie heute angesichts ihrer immer noch relativ niedrigen Marktkapitalisierung zu einem möglichen Spielball der Wettbewerber zu erklären, ist mit Blick auf die wirtschaftliche Verfassung einiger potenzieller Aufkäufer wesentlich gewagter als noch vor einem Jahr.

Selbst mit Blick auf diese vermeintlich offene Flanke des Börsenwertes kann Josef Ackermann derzeit aus einer Posit ion der Stärke argumentieren. Die chinesischen und russischen Banken darf er der Ausrichtung und der besonderen Marktbedingungen in diesen Ländern wegen noch außer Betracht lassen. Und im direkten Vergleich zu wichtigen Wettbewerbern aus der Peer-Group, so will er selbstbewusst registriert wissen, hat die Deutsche Bank im vergangenen Jahr an Marktgewicht um bis zu einem Drittel zugelegt. Im Übrigen hält er die Marktkapitalisierung allein ohnehin für wenig aussagefähig. Sie mache die Bank nicht besser, bringe sie nicht weiter und schütze nicht einmal vor Übernahme (siehe ABN Amro - Red.). Dass er das anders als früher sieht und als wahre Kriterien für die gestärkte Wettbewerbsposition seines Hauses viel lieber auf die Eigenkapitalrentabilität, die Risikotragfähigkeit und die strategische Positionierung verweist, mag berechtigt sein, klingt aber ein wenig nach dem Motto: Lobe, was du hast, und trauere nicht dem hinterher, was du nicht hast.

In der Tat kann die Deutsche Bank just diese drei Aspekte seit dem Amtsantritt ihres heutigen Vorstandsvorsitzenden im Frühjahr 2002 als kontinuierlichen Pfad des Erfolges seiner Management-Agenda präsentieren. Eine Steigerung der Eigenkapitalrendite vor Steuern von rund 10 Prozent auf die öffentlichkeitswirksam kultivierte Zielmarke von 25 Prozent, die Rückführung der Aufwand- Ertrag-Relation von 82 Prozent auf 70 Prozent und der Problemkreditquote von 4,5 Prozent auf 1,6 Prozent, die Stabilität der Kernkapitalquote bei 8,6 Prozent, der Anstieg der unrealisierten Gewinne auf Industriebeteiligungen von 1,4 auf 3 Milliarden Euro und nicht zuletzt die stetige Aufstockung der Dividende der Aktie von 1,5 Euro auf die jetzt vorgeschlagenen 4,5 Euro sind schlagkräftige Nachweise einer gestärkten Marktposition. Stetigkeit und Klarheit zeigt in der bisherigen Amtszeit Josef Ackermanns auch die strategische Positionierung. Es gab weder spektakuläre Akquisitionen noch grundsätzliche Restrukturierungen der Geschäftsbereiche oder Änderungen an der Spitze der Führungsmannschaft. Die Kontinuität reicht bis hin zu vermeintlichen Kleinigkeiten wie dem Slogan "Passion to perform". Bei der Präsentation seiner Bilanzzahlen durfte der Vorstandsvorsitzende damit ein gleichermaßen stolzes wie unaufgeregtes Resümee seiner bisherigen Arbeit ziehen. Wer heute auf der Welt bei großen Finanzgeschäften dabei sein will, kommt um die Deutsche Bank nicht herum.

Ein nationaler Champion, wie er immer noch einigen deutschen Politikern und teilweise auch der deutschen Sparkassenorganisation vorschwebt, will und kann die Deutsche Bank längst nicht mehr sein. Dieses Relikt aus der Zeit der Deutschland AG hat sie abgestreift. Die hiesige Wirtschaft von der Großindustrie bis zum deutschen Mittelstand in ihren Auslandsgeschäften zu begleiten, kann für die Bank ein angenehmer Nebeneffekt sein, ist aber ausdrücklich nicht ihr Hauptzweck. Bei ihrer Positionierung im Inland hat es ihr zwar noch nie an gesunder Darstellungskraft der eigenen Stärke gefehlt. Die deutsche Bankenszene ist für ihr Geschäft und ihre Wettbewerbsposition aber in der Praxis immer unbedeutender geworden. Die wahre Peer-Group hat sich vielmehr spätestens mit dem massiven Einstieg ins Investmentbanking über Morgan Grenfell als Übungsfeld und dann Bankers Trust als ernst zu nehmende strategische Neuorientierung immer mehr auf die internationale Ebene verlagert. Und mit dem Übergang zu Josef Ackermann wird das auch auf der bankpolitischen Szene des Inlands deutlich. In die Niederungen der Auseinandersetzungen um strukturelle Fragen des deutschen Bankensektors verirrt sich der Chef der Deutschen Bank nur ganz selten. Sein Fokus gilt allenfalls den gemeinsamen, möglichst gruppenübergreifenden Initiativen für den Standort Deutschland.

Folgt man dieser Art der Neuinterpretation der wahren Stärke eines internationalen Champions, bedeutet das indirekt einen klaren Dämpfer für jegliche Ambitionen beziehungsweise Träume der S-Gruppe, selbst einen nationalen Champion zu schaffen. Schiere Größe der Bilanzsumme, wie sie rein rechnerisch beispielsweise eine Zusammenführung der Landesbanken bringen könnte, wäre derzeit nicht im Entferntesten in der Lage, diesen Kriterien gerecht zu werden. In der bisherigen Aufstellung und der strategischen Ausrichtung könnte die Institutsgruppe weder die international geforderte Eigenkapitalrendite erreichen noch die erforderliche Qualität des Risikomanagements darstellen. Und wie will man die vielen Spitzenkräfte, die man als wirklich ambitioniertes Haus im Investmentbanking braucht, im Entlohnungsgefüge des Sparkassensektors unterbringen? Nicht zuletzt würde es einem solche Gebilde in allen Belangen an der Breite des Geschäftes sowie an den notwendigen Volumina fehlen, wie sie die Deutsche Bank in den letzten zwei Jahrzehnten mühsam aufgebaut hat.

Welche Dimensionen und welche geografische Bandbreite das Geschäft der Deutschen in dieser Zeit erreicht hat, zeigt der Blick auf deren Segmentberichterstattung. Obwohl sich das Ergebnis vor Steuern im Berichtsjahr 2007 gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent verringerte, sieht die Bank im Investmentbanking ihren Platz unter den ersten zwei der Welt mit den erreichten 4,2 Milliarden Euro mehr als gefestigt an. Zusammen mit dem Transaktion Banking, dem eine Marktposition ganz vorne bescheinigt wird, wurde damit im Konzernbereich Corporate & Investmentbanking insgesamt ein Ergebnis von 5,1 Milliarden Euro erreicht. Mit welchen Volumina der Konzernbereich Private Clients and Asset Management inzwischen operiert, wird nicht zuletzt an den Nettomittelzuflüssen deutlich. Sie erreichen mit 59 Milliarden Euro im Berichtsjahr einen Wert, den zumindest in Deutschland gar nicht so viele Banken überhaupt im Bestand haben. Als Ergebnis vor Steuern allein für den Konzernbereich PCAM wurden zusammen rund 2,1 Milliarden Euro generiert, ein Betrag, der hierzulande ebenfalls kaum erreicht wird.

Erzielt werden diese Gesamterfolge freilich nur noch zu geringen Teilen in Deutschland. 80 Prozent des Ergebnisses vor Steuern wurden schon im Jahre 2006 den Auslandsaktivitäten zugerechnet. Und trotz der Akquisitionen von Berliner Bank und Norisbank im Inland hat sich auch im vergangenen Jahr an dieser Grundausrichtung wenig geändert. Im Gegenteil, auf Basis ihres globalen Netzwerkes in 76 Ländern in allen Kontinenten will die Bank überall neue Filialen eröffnen, Vertriebskooperationen eingehen oder Beteiligungen erwerben, wo die Wachstumsaussichten gut sind. In wichtigen asiatischen Märkten strebt sie ausdrücklich die Position als führender internationaler Finanzdienstleister an. Diese bewusst globale Ausrichtung relativiert zwangsläufig das Interesse am deutschen Bankenmarkt. Wenn die Bank den Einsatz ihrer Eigenkapitalressourcen unter Ertrags- und Risikoaspekten steuert, steht Deutschland weniger im Fokus. Diese Normalität im Umgang mit dem Standort Deutschland korrespondiert im Übrigen mit der betont unaufgeregten Interessenbekundung für den Erwerb der Postbank. Die stabilen Geschäftsfelder PCAM und Global Transaktion Banking sollen ausgebaut werden. Natürlich ist es da selbstverständlich, auch die Möglichkeiten am Heimatmarkt auszuloten.

Mit Blick auf die Wettbewerbsverhältnisse im Inland wirkt die traditionell gepflegte Rivalität der Sparkassenorganisation zu der Deutschen Bank als längst überholt. Die Geschäftsmodelle sind in den letzten 20 Jahren einfach zu weit auseinander getriftet, um sich allzu sklavisch aneinander zu messen. Wieso geht der Sparkassensektor in seiner Positionierung nicht viel offensiver seinen eigenen Weg? Mit der derzeit politisch gewünschten Anbindung der Kommunen an die Sparkassenbasis ist eine Fokussierung auf das Breitengeschäft in der Region vorgegeben. Darüber hinaus kann die Gruppe zusammen mit einem bereinigten Landesbankensektor als professioneller Dienstleister ihrer Unternehmenskunden im In- und Ausland gewiss einen wichtigen flankierenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft leisten. Und vielleicht mündet dieses begrenzte Geschäftsmodell in seiner Endstufe sogar einmal in eine Art nationalen Champion. Die Deutsche Bank hingegen muss sich aus eigener Kraft als Champion besonderer Art bewähren - in der vollen Band breite des internationalen Geschäftes und hoffentlich noch lange von ihrer Heimatbasis Deutschland aus. Mo.

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