Mergers & Acquisitions in disruptiven Zeiten - Chancen für den Mittelstand

Prof. Dr. Philipp Haberstock, Professur für Strategisches Management und Finance, International School of Management (ISM), Hamburg, Partner Steinbeis Consulting Mergers & Acquisitions GmbH, Mannheim

Prof. Dr. Philipp Haberstock, Professur für Strategisches Management und Finance, International School of Management (ISM), Hamburg, Partner Steinbeis Consulting Mergers & Acquisitions GmbH, Mannheim und Prof. Dr. Diethard Simmert, Professur für Finance, International School of Management (ISM), Dortmund, Vorstandssprecher, Institut für Rating und Corporate Finance im Mittelstand (IRCF) - Eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung wird dem deutschen Mittelstand zwar nicht gerade nachgesagt. Dennoch registrieren die Autoren eine hohe Attraktivität deutscher mittelständischer Unternehmen sowie gute Rahmenbedingungen für die verschiedenen Investorengruppen am Transaktionsmarkt. Bei allen Unsicherheiten über die Auswirkungen disruptiver Technologien auf die Weltwirtschaft erwarten sie künftig eine noch aktivere Rolle mittelständischer Unternehmen als Käufer und Verkäufer und somit eine weitere Steigerung der Aktivitäten am Transaktionsmarkt. Den grenzüberschreitenden M&A-Markt schätzen sie trotz erheblicher politischer Unwägbarkeiten als stark ein und rechnen mit kontinuierlich steigenden Bewertungsniveaus. (Red.)

Unsicherheit über politische Entwicklungen, aber auch über die Auswirkungen disruptiver Technologien prägt die Weltwirtschaft. Das macht M&A-Deals derzeit besonders herausfordernd, bietet aber insbesondere dem deutschen Mittelstand einzigartige Chancen.

Viele Unsicherheitsfaktoren

Unsicherheit prägt die globalen Märkte: Wahlen in mehreren europäischen Staaten, eine US-Regierung mit schwer vorhersehbaren politischen und wirtschaftlichen Plänen, der Bruch Großbritanniens mit der EU, die Flüchtlingskrise in Europa, der Nordkorea-Konflikt und viele weitere wirtschaftspolitische Unsicherheitsfaktoren beeinflussen die deutsche Wirtschaft. Die Eskalation der Unsicherheiten im Jahresverlauf fügt sich nicht mehr in den normalen Rahmen: Was eben noch sicher und überschaubar war, wandelt sich und es scheint keine Gewissheiten mehr zu geben.

Dass der deutsche M&A-Markt dennoch nicht an Fahrt verliert, lässt darauf schließen, dass die Akteure die allgemeine Ungewissheit inzwischen als "neue Normalität" ansehen und sich auf die daraus entstehenden Chancen konzentrieren. Denn mutige und entschlossene unternehmerische Maßnahmen können sich in unsicheren Zeiten als besonders erfolgreich erweisen.

Digitalisierung und disruptive Innovationen

Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass der beschleunigte digitale Wandel dem M&A-Markt einen starken Schub geben wird: Insbesondere der deutsche Mittelstand ist branchenübergreifend von der Digitalisierung betroffen. In nie dagewesener Geschwindigkeit entstehen und verbreiten sich technische Innovationen als zentrale Treiber der Digitalisierung: künstliche Intelligenz, Internet of Things, Robotik, Big Data Analytics, Cloud-Computing, 3-D-Druck und Social Networking. Kunden stellen neue Ansprüche an Preis, Service und Qualität. Beschaffungs-, Produktions-, Vertriebs- und Marketingkanäle müssen entsprechend ausgerichtet und den neuen Kundenanforderungen angepasst werden.

Der Umgang mit Daten wird zu einem zentralen Erfolgsfaktor. Alte, bewährte Geschäftsmodelle stehen infrage, neue müssen erdacht werden, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Unternehmen, die die Digitalisierung versäumen, gefährden damit ihre Existenz, selbst wenn sie heute Weltmarktführer in ihrem Bereich sind.

Wachstum durch M&A

Unternehmen versuchen, ihr traditionelles Geschäft vor disruptiven Innovationen zu schützen und gleichzeitig die Chancen zu ergreifen, die ihnen neue technologische Möglichkeiten bieten. Diese Dynamik zwingt Unternehmen, sich innovationsgetriebenes Wachstum auch mithilfe von M&A zu erschließen. Auch deutsche Unternehmen beschleunigen den Ausbau digitaler Geschäftsmodelle, indem sie innovative Technologien und Firmen erwerben. So hat sich M&A zu einem wirkungsvollen strategischen Mittel entwickelt, um Wachstumschancen zu nutzen: 2016 investierten Unternehmen weltweit 291 Milliarden Dollar in M&A-Deals, die im Zusammenhang mit disruptiven Innovationen standen - vier Mal so viel wie 2012! Wichtigster Bereich ist dabei das "Internet der Dinge", das bis 2020 weltweit bis zu 50 Milliarden Geräte vernetzen könnte und die Potenziale neuer Dienstleistungen und "Smarter Services" realisieren soll (Prakash 2017, Seite 4, Abbildung 1).

Technologieorientierte Start-ups sind in diesem Zusammenhang wichtig, weil sie neue Ideen entwickeln und damit etablierten Unternehmen helfen können, schnell auf disruptive Innovationen zu reagieren. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group wurden 2016 zirka 30 Prozent der insgesamt 26 000 Transaktionen im Technologiesektor abgeschlossen und umfassten ein Gesamtvolumen von über 700 Milliarden US-Dollar. Alleine in Deutschland gibt es jährlich zirka 400 Transaktionen mit einem Digital- oder Tech-Bezug. Oftmals handelt es sich dabei um kleinere Deals unter einer Milliarde Dollar, die aber im Schnitt deutlich mehr Wert für die Aktionäre schafften als große Akquisitionen. Die Käufer sind oftmals technologieferne Unternehmen, die mit einem Zuwachs von 9 Prozent seit 2012 mittlerweile einen Anteil von 70 Prozent aller Technologietransaktionen ausmachen. Die Gefahr ist groß, bei digitalen Technologien den Anschluss zu verlieren, und vielen Unternehmen fehlt es an Geschwindigkeit, Know-how und "digitalen Talenten". Immer mehr von ihnen versuchen daher, durch Zukäufe Technologiekompetenz aufzubauen, die sie nicht selber entwickeln können (Kegelbach 2017, Seite 4 ff.; Köhler/Landgraf 2017, Seite 30).

Als wesentlicher Faktor der Innovationsstrategie vieler Unternehmen hat sich dabei Corporate Venturing erwiesen, das sich auch in Deutschland mit enormem Tempo entwickelt. Nicht nur zahlreiche Konzerne wie SAP, Siemens, Deutsche Telekom oder Axel Springer, sondern auch viele Mittelständler haben sehr aktive Wagniskapital-Einheiten gegründet, die sich auf Small- und Mid-Cap-Transaktionen konzentrieren. Gleichzeitig entstehen immer mehr strategische Allianzen und Netzwerke, wie sie zum Beispiel Bosch oder Continental erfolgreich als sogenannte "Ecosystems" aufbauen. Entsprechend sind in den kommenden Monaten viele kleinere strategische Deals zu erwarten, die neue Marktangebote schaffen, den Wettbewerb umgestalten und Branchen wie Technologie, Finanzen, Gesundheit, Konsum und produzierendes Gewerbe zusammenwachsen lassen (Prakash 2017, Seite 1 ff.).

Ausverkauf der deutschen Wirtschaft?

Auch im ersten Halbjahr 2017 hat sich der deutsche M&A-Markt weiterhin sehr positiv entwickelt. Gemessen am Transaktionsvolumen kam es laut Mergermarket zu einem Anstieg von 47,7 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016. Dabei hat insbesondere der Linde-Praxair Megadeal dazu beigetragen, dass der Wert der Zukäufe im ersten Halbjahr um 170 Prozent auf 59,8 Milliarden Euro gestiegen ist - der höchste Wert der von Mergermarket seit Beginn der Aufzeichnung in 2001 gemessen wurde. Diese Entwicklung wird insbesondere von der hohen Liquidität im Markt sowie einem robusten Finanzierungsumfeld für M&A-Transaktionen getrieben (Klonowski 2017, Seite 2 ff.).

Deutsche Unternehmen stehen im Ausland hoch im Kurs: Der Standort Deutschland im Allgemeinen sowie Small- und Mid-Cap-Unternehmen im Speziellen rücken zunehmend in den Fokus internationaler Investoren, auf die in H1 2017 89,9 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens entfielen. So stiegen zum Beispiel die Direktinvestitionen von US-Investoren selbst ohne den Linde-Praxair Deal im ersten Halbjahr um 136 Prozent im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr (Klonowski 2017, Seite 2; Abbildung 2).

Die Stimmung im deutschen Beteiligungsmarkt erreicht deshalb einen neuen Rekord. Mit 65,2 Punkten kletterte das von der Förderbank KfW und dem Branchenverband BVK erstellte "German Private Equity Barometer" im zweiten Quartal 2017 auf einen neuen Höchststand. Trotz des Unmuts über hohe Preise beurteilen die Finanzinvestoren sowohl die Lage als auch die Aussichten für die kommenden Monate erneut besser (Metzger 2017, Seite 1; Abbildung 3).

Mehr Transaktionen durch ausländische Firmen

Die Zahl der Fusionen, Übernahmen und Beteiligungen mit internationaler Beteiligung hat sich im vergangenen Jahr mehr als vervierfacht. Insgesamt 1 707 solcher Transaktionen durch ausländische Firmen zählte die für das Standortmarketing der Bundesrepublik zuständige Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI). 2015 waren es lediglich 413 (Bozoyan 2017, Seite 3 ff.).

Deutschland ist hochattraktiv und das beliebteste Ziel in Europa für ausländische Investoren, insbesondere aus den USA, UK und China. Aixtron, Kuka oder Osram zeigen: Investoren aus dem Reich der Mitte nehmen viel Geld in die Hand, um sich bei deutschen Unternehmen einzukaufen. Sie streben nach der Marktführerschaft bei Themen wie etwa Robotik und suchen internationale Präsenz, da die eigene Wirtschaft abflaut. In Deutschland finden sie stabile Rahmenbedingungen, eine gute Binnenkonjunktur - der ifo Geschäftsklimaindex stieg im Juli mit 116,0 Punkten auf den dritten Rekordwert in Folge (Fuest 2017, Seite 1) -, Zugang zum großen deutschen und europäischen Markt, qualifizierte Arbeitskräfte, Technologieführerschaft und das Qualitätsversprechen "Made in Germany".

So sind bei Zukäufen chinesischer Investoren 2016 nahezu 13 Milliarden US Dollar auf Deutschland entfallen - mehr als in den vergangenen zehn Jahren zusammengerechnet. Auch wenn die Transaktionstätigkeit seit November letzten Jahres aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen der chinesischen Regierung deutlich zurückgegangen ist, wird sich der Trend fortsetzen. Während private chinesische Unternehmen wie Fosun oder Anbang zur Begrenzung des Devisenabflusses unter Beobachtung der chinesischen Regierung stehen, werden Staatskonzerne weiter aktiv bleiben, um die industriepolitischen Ziele von China zu erreichen. So sind relativ große Transaktionen wie zuletzt die acht Milliarden Dollar schwere Übernahme von Oriental Overseas durch die chinesische Reederei Cosco auch in Zukunft zu erwarten.

Beäugten deutsche Unternehmen Investoren aus China in der Vergangenheit oft skeptisch, so sind sie heute gern gesehen. Bei vielen deutschen Mittelständlern ist die Angst vor einem massiven Know-how-Verlust verflogen: Chinesische Investoren lassen den deutschen Unternehmen oft wesentlich mehr Freiheiten als zum Beispiel Investoren aus Nordamerika.

Obwohl selbst die Übernahme eines Dax-Konzerns durch einen ausländischen Investor in Zukunft nicht auszuschließen ist, liegt der Schwerpunkt der Transaktionstätigkeit auf dem Small- und Mid-Cap-Bereich. Für den Mittelstand ist das eine gute Nachricht, denn viele, vor allem familiengeführte Unternehmen sind auf der Suche nach Investoren, um zum Beispiel die Firmennachfolge zu regeln oder Geld für weiteres Wachstum zu bekommen. Trotz erheblicher politischer Unwägbarkeiten bleibt der grenzüberschreitende M&A-Markt stark und Käufer zum Beispiel aus den USA, China, UK oder Japan bieten deutschen Mittelständlern interessante Exit- und Wachstumsoptionen.

Demerger und agile Holdingstrukturen

Flexibilität ist das neue Zauberwort in der deutschen Wirtschaft und erfordert neue Organisationsstrukturen, wenn Unternehmen in Zeiten der Digitalisierung und sich wandelnder Geschäftsmodelle agiler und schneller werden wollen. Komplexe Reporting-Ketten und lange Entscheidungswege vom Vorstand in die operativen Einheiten stellen für viele Unternehmen Hindernisse dar. Auch deutsche Unternehmen delegieren daher zunehmend mehr Verantwortung an die dezentralen Einheiten. Ähnlich wie Alphabet - ehemals Google - hat beispielsweise Daimler seine Sparten als Tochtergesellschaften rechtlich verselbstständigt. Viele andere Konzerne wie zum Beispiel Siemens, Eon, Metro, Bayer oder Linde tendieren in diese Richtung. Neben der Stärkung der dezentralen Kompetenz können neue Geschäftsfelder leichter integriert oder abgestoßen werden.

Der Trend zu weiteren Ausgliederungen ist offensichtlich: Konglomerate sind so verschrien wie lange nicht mehr und "Pure Plays" sind die neuen Lieblinge der Börse - je reiner und je größer, desto profitabler und beliebter. Es ist ein drastischer Kulturwandel, der sich damit manifestiert: In den 1980er- und 1990er-Jahren waren Konglomerate für Investoren sehr attraktiv, da sie als deutlich weniger krisenanfällig galten und sich Geschäftsteile gegenseitig absichern sollten. Heute favorisieren Investoren fokussierte Geschäftsmodelle und diversifizieren ihre Portfolios selbst.

Eine aktuelle Studie belegt, dass "desinvestierende Unternehmen", die Konzernteile verkaufen, über einen Zeitraum von zehn Jahren eine 15 Prozent höhere Aktienrendite erzielen als weniger aktive Wettbewerber. Konzerne, die nicht nur desinvestieren, sondern auch Akquisitionen tätigen, schnitten demnach noch besser ab und übertrafen die Aktienrendite der passiven Konkurrenten um fast 40 Prozent (Wininger/Rujana 2017, Seite 1 ff.).

Deutschland hat traditionell viele Konglomerate, deren einzelne Teile oft mehr wert sind als der Konzern in der Gesamtbetrachtung. Um diesen Konglomeratsabschlag zu vermeiden, ist die Gelegenheit aktuell günstig, Konzernteile zu verkaufen. In den kommenden Monaten ist daher bei guter Konjunktur mit zunehmenden Demerger-Aktivitäten von Konzernen zu rechnen und auch im deutschen Mittelstand gewinnen fokussierte Geschäftsmodell an Bedeutung. Abspaltungen werden zunehmen und für Anleger interessante Optionen darstellen.

Interesse an Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe

Finanzinvestoren schwimmen im Geld: Private Equity ist über die Jahre zu einer stillen Macht in der deutschen Wirtschaft aufgestiegen. Die Finanzinvestoren sind mittlerweile an rund 5 000 Unternehmen beteiligt und fast eine Million Beschäftigte und 179 Milliarden Euro Umsatz hängen von ihnen ab. (Ribbentrop/Hodenberg 2017, Seite 5) Immer mehr Milliarden sammeln die Private-Equity-Investoren für ihre Fonds ein und die Angriffe streitlustiger "Aktivisten" wie zum Beispiel bei Nestlé nehmen zu.

Auch in Deutschland sammeln Finanzinvestoren Rekordsummen ein, doch attraktive Übernahmeobjekte werden rarer und die Einstiegspreise steigen. Trotz drängender Nachfolgefragen wissen viele deutsche Unternehmer in der aktuellen Niedrigzinsphase nicht, wie sie den Verkaufserlös zu attraktiven Konditionen anlegen sollen und halten sich deshalb mit dem Verkauf ihrer Firmen zurück. So zeigt auch das German Equity Barometer, dass die Zufriedenheit der Investoren mit den Einstiegspreisen auf einen Tiefpunkt gesunken ist (Metzger 2017, Seite 3).

In diesem Jahr haben Finanzinvestoren in Deutschland laut Dealogic rund 13,7 Milliarden Dollar in 30 Deals untergebracht und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht, denn die institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen suchen händeringend nach Renditen (o.V. 2017, Seite 6 ff.). Der Investitionsdruck ist sehr hoch und es ist sehr viel Geld im Markt. In Deutschland gibt es aber nur maximal 20 große Deals in der Größenordnung ab 500 Millionen Dollar. Daher prüfen die Beteiligungsmanager Unternehmen aus der zweiten und dritten Börsenreihe sowie insbesondere innovative Mittelständler. Da Überhitzungstendenzen gerade bei Großübernahmen zu erwarten sind, konzentrieren sich viele Beteiligungsgesellschaften nun auf kleine und mittelgroße Unternehmen und erwarten in diesem Segment in den nächsten Jahren positive Renditen auf Zielfondsebene von zehn bis zu 15 Prozent (Renné 2017, Seite 1).

Familienunternehmen - das am stärksten wachsende Segment

Aktuelle Studien zeigen, dass Transaktionen bis 50 beziehungsweise 100 Millionen Euro Transaktionsvolumen - zum größten Teil Familienunternehmen - das am stärksten wachsende Segment darstellen (Huth, Christof et al. 2017, Seite 14, Abbildung 4).

Hinzu kommt als neue Herausforderung, dass die Private-Equity-Fonds heute immer stärker mit den Family Offices der wohlhabenden Familien konkurrieren müssen. Die neue Konkurrenz punktet vor allem im deutschen Mittelstand mit dem Versprechen als langfristiger Partner, während angelsächsische Private-Equity-Adressen oftmals bereits nach nur drei oder vier Jahren wieder aussteigen und ihre Beteiligungen weiterverkaufen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Venture-Capital-Einheiten sowie Pensionskassen und Versorgungswerke, die direkt in Unternehmen investieren wollen.

Umkämpfter Mittelstand und hohe Kaufpreise

Das sogenannte "Dry Powder", das für Fonds reserviert ist, die sich auf Übernahmen spezialisiert haben, hat sich mittlerweile weltweit auf schwindelerregende 613 Milliarden Dollar erhöht - allein 2016 wuchs der Betrag um 13 Prozent auf selbst vor der Finanzkrise 2008 nicht gekannte Dimensionen (Elvin 2017, Seite 10; Köhler/ Landgraf 2017, Seite 4). Zusammen mit Fremdkapital von Banken und privaten Kreditfonds können so Transaktionen in Höhe von rund einer Billion Dollar gestemmt werden. Kein Wunder also, dass der Wettbewerb um die relativ wenigen attraktiven Deals zu stark steigenden Preisen für die Objekte der Begierde führt. Gemessen an den Kaufpreisen im Verhältnis zu den operativen Jahresergebnissen der übernommenen Firmen bewegen sich die Bewertungen heute auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren.

Dank der starken Nachfrage sind die Firmenbewertungen auf ein neues Rekordniveau geklettert. Laut aktueller Untersuchungen ist der Kaufpreis, den Finanzinvestoren für gefragte Zielunternehmen im Durchschnitt aufbringen müssen, in Europa von 2012 bis 2016 um fast ein Fünftel und in den USA um fast 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist auch der Verschuldungsgrad bei Buy-outs gestiegen: Aktuell liegt das Verhältnis von Brutto-Fremdkapital zu EBITDA bei knapp dem Sechsfachen. Das ist mehr als in jedem Jahr außer den Jahren 2005 bis 2007 (Bamberg 2017, Seite 1).

Prominente Beteiligungsfonds wie CVC, EQT, Advent, Bain oder KKR sind sicher prädestiniert für große Deals. Doch daneben tummeln sich Hunderte von Fonds, die im Moment hohe dreistellige Millionenbeträge erhalten. Damit schließen sie heute Deals ab, von denen sich bei steigenden Zinsen und einer abkühlenden Konjunktur viele nicht mehr rechnen werden. Gerade bei Firmen, die zum dritten oder vierten Mal von einem Finanzinvestor an den nächsten weitergereicht werden, wächst die Gefahr von Fehlschlägen. Der turbulente Übernahmeversuch unter dem Projektnamen "Saturn" zeigt, wie die Private-Equity-Häuser Bain und Cinven in einem Bietergefecht den Preis beim Arzneimittelhersteller Stada hochgetrieben haben.

Gleichung mit vielen Unbekannten

Das laufende Jahr wird sicherlich kein leichtes werden für die Finanzinvestoren: Unternehmen in begehrten Branchen wie der Spezialchemie sind Finanzinvestoren mehr als das Zehnfache des jährlichen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen wert. Für Unternehmen mit besonders stabilen Erträgen, zum Beispiel die Ablesedienste Techem und Ista, kann sogar das 15-Fache fließen. Tipico bewertete CVC gar mit dem 16-fachen Gewinn. Den Kauf des Zahlungsdienstleisters Concardis ließen sich Bain und Advent unbestätigten Branchenschätzungen zufolge sogar das 20-Fache kosten (Köhler/Landgraf 2017, Seite 1). Vor einigen Jahren galt noch der Faktor acht als sehr ordentlich. Finanzinvestoren müssen sich deshalb genau überlegen, wie sie einen Mehrwert schaffen können. Schließlich geht jede gute Konjunktur einmal zu Ende und früher oder später wird es zu einer Bewertungskorrektur kommen müssen.

In Zukunft ist in Deutschland neben weiter steigenden Bewertungs-Multiples mit einer stärkeren Fokussierung auf den Small und Mid-Cap-Bereich zu rechnen, in dem auch immer stärker Private Equity finanzierte MBOs und MBIs zum Tragen kommen. Den rasanten Boom zum abrupten Ende bringen könnten jedoch die Notenbanken: Erhöhen sie die Zinsen, könnten einige der oft mit hohen Schulden finanzierten Übernahmen ins Wanken geraten und damit die Fondsrenditen ruinieren (Köhler/Landgraf 2017, Seite 5).

Die hohe Attraktivität deutscher mittelständischer Unternehmen sowie die guten Rahmenbedingungen für die verschiedenen Investorengruppen werden den Transaktionsmarkt auch künftig weiter treiben. Es ist davon auszugehen, dass künftig die mittelständischen Unternehmen eine aktivere Rolle als Käufer und Verkäufer einnehmen werden und somit zu einer weiteren Steigerung der Aktivitäten am Transaktionsmarkt beitragen werden. Trotz erheblicher politischer Unwägbarkeiten bleibt der grenzüberschreitende M&A-Markt stark und die starke Wettbewerbssituation zwischen den potenziellen Investoren hat kontinuierlich steigende Bewertungsniveaus zur Folge. Unsicherheit über politische Entwicklungen, aber auch über die Auswirkungen disruptiver Technologien auf die Weltwirtschaft machen M&A-Deals derzeit besonders herausfordernd.

Literatur

Bozoyan, Thomas: FDI Report 2016; Germany Trade and Invest (GTAI), Berlin 2017.

Bamberg, Florian: Private Equity zahlt Rekordpreise für Firmen; Finance Magazin 2017.

Elvin, Christopher: Preqin Quarterly Private Equity Update Q2 2017, New York 2017.

Fuest, Clemens: Ergebnisse der ifo Konjunkturumfragen im Juli 2017 - ifo Geschäftsklimaindex auf Rekordhoch; ifo Institute, München 2017.

Huth, Christof et al.: European Private Equity Outlook 2017; Roland Berger, München 2017.

Kegelbach, Jens et al.: The 2017 M&A Report - The Technology Takeover; Boston Consulting Group, München 2017.

Klonowski, Jonathan: Regional Overview DACH - Trend Report H1 2017; Mergermarket, London 2017. Köhler, Peter; Landgraf, Robert: Angriff der Firmenjäger; in: Handelsblatt Nr. 153, 10. August 2017, Seiten 1, 4-5.

Köhler, Peter; Landgraf, Robert: Digitalisierung als Treiber; in: Handelsblatt Nr. 186, 26. September 2017, Seite 30.

Metzger, Georg: German Private Equity Barometer: 2. Quartal 2017 - Geschäftsklima klettert weiter; KfW Research, Frankfurt 2017.

o.V.: Quarterly Markets Review: First Half 2017 - Europe, the Middle East, and Africa (EMEA); Dealogic, London 2017.

Prakash, Sriram: Dealing with the future; Deloitte M&A Index - Outlook for 2017, London 2017.

Renné, Marcel: Viel Bewegung im Markt für Private Equity-Beteiligungen, Pressemitteilung, Feri, Bad Homburg 2017.

Ribbentrop, Joachim von; Hodenberg, Wilken: Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt 2016 und Ausblick auf 2017; Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), Berlin 2017.

Wininger, Jim; Rujana, Jorge: Everybody Wins in Divestitures; Bain & Company; Atlanta 2017.

Prof. Dr. Diethard B. Simmert , Studiengangsleiter Finance & Management , International School of Management (ISM), Dortmund, Frankfurt am Main

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