Interview

Redaktionsgespräch mit Carl Heinz Daube und Carsten Lehr - "Für die dreißigjährige Laufzeit ist momentan nicht der richtige Zeitpunkt."

Wie fühlt man sich als Geschäftsführer der Finanzagentur? Sind Sie Ihrem Selbstverständnis nach eher Banker oder Mitarbeiter einer politiknahen Institution?

Daube: Vieles in der Finanzagentur läuft wie im elementaren Bankgeschäft, insofern fühle ich mich selbstverständlich als Banker. Refinanzierung, wie ich sie hier verantworte, hat mich im ganzen Berufsleben als Banker begleitet. Nur sind hier die zu refinanzierenden Volumina generell bedeutend höher als im privaten und öffentlichrechtlichen Kreditgewerbe. Und in diesem Jahr sind sie durch die notwendigen Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung noch einmal aufgestockt worden. Als zusätzliches Element meiner Arbeit empfinde ich im positiven Sinne noch den engen Kontakt zur Politik.

Lehr: Das sehe ich nach fast acht Jahren im Haus ganz ähnlich. Unser Geschäft ist zumindest bankähnlich. Und ein vergleichbarer Bezug zur Politik in Form eines tagtäglichen Kontaktes zum Gesellschafterkunden, dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und häufig auch in den politischen Bereich hinein, stellt sich für andere Banker - wenn überhaupt - nur auf der allerobersten Ebene ein. Darüber hinaus bringt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung immer wieder interessante neue Aufgaben mit sich.

Welchen Unterschied zu Ihrem früheren Leben als Banker spüren Sie in der Gestaltungsfreiheit im Amt? Können Sie heute so frei agieren wie Sie es sich wünschen oder fühlen Sie sich manchmal zu stark an das BMF angebunden?

Daube: Die Finanzagentur ist ein Dienstleistungsunternehmen. Sie hat einen Auftrag und verfügt über die Freiheit, Mittel und Wege zu dessen Erreichung vorzuschlagen. Ein konstruktives Verhältnis mit dem Gesellschafter ist dabei sehr wichtig und war für mich von Anfang an Teil meines Engagements bei der Finanzagentur. Es gibt in der Wirtschaft überall gesetzliche Regelungen für Überwachungsfunktionen, selbst bei jeder GmbH. Und auch der Vorstandsvorsitzende einer Bank kann nur so frei agieren, wie ihn der Aufsichtsrat oder andere Kontrollorgane lassen.

Inwieweit können Sie elementare strategische Entscheidungen bestimmen, lenken oder zumindest mit beeinflussen?

Lehr: Denkverbote gibt es nicht, wenn das der Hintergrund der Frage sein sollte. Strategische Ausrichtungen müssen von der Geschäftsführung der Finanzagentur angestoßen und betrieben werden. Und ähnlich wie in einem Unternehmen im Zusammenspiel mit dem Aufsichts- oder Verwaltungsrat fallen sie in der Finanzagentur in enger Abstimmung der Geschäftsführung mit dem BMF. Der Gesellschafter hat dabei immer das letzte Wort. Er muss die strategischen Entscheidungen nach den Erfordernissen des Bundeshaushalts treffen und in diesem Sinne auch gegenüber dem Parlament verantworten.

Wie ist das Schuldenmanagement international geregelt? Steht Ihr Haus in Konkurrenz zu vergleichbaren Institutionen im Ausland? Können Sie vom Ausland lernen?

Daube: Fast alle entwickelten Staaten verfügen heute über Einrichtungen, die sich mit der Kreditbeschaffung und dem Schuldenwesen befassen müssen. Deren Ausgestaltung ist freilich unterschiedlich. Teils finden sie sich als Organisationseinheit in den Finanzministerien, teils sind sie wie wir selbstständig aufgestellt. Das Aufgabenspektrum variiert dabei ganz erheblich: Die Emissionstätigkeit gehört zum internationalen Standard, das Schuldenmanagement aus einer Hand, wie es die Finanzagentur für den Emittenten Bund gewährleistet, verantworten schon längst nicht alle vergleichbaren Institutionen im Ausland. So wird beispielsweise das Privatkundengeschäft oft getrennt vom institutionellen Geschäft oder gar nicht betrieben. Und einen ganzheitlichen strategischen Ansatz für das Liquiditäts- und Portfoliomanagement, wie er in Deutschland gefahren wird, gibt es vergleichsweise selten. Nimmt man das rege Interesse ausländischer Delegationen am Aufbau und dem Aufgabenspektrum unseres Hauses als Gradmesser, ist die Finanzagentur vorbildlich aufgestellt. Wir sehen uns aber nicht in Konkurrenz zu unseren Mitbewerbern, sondern pflegen vielmehr den intensiven Kontakt und Gedankenaustausch.

Gibt es für Ihr Haus eine Benchmark oder empfinden Sie sich als Benchmark?

Lehr: So einfach wie bei den Bundesanleihen können wir uns insgesamt nicht als Benchmark ansehen. Wir sind in unserer Arbeit als Debt-Ma-nagement-Office sicher mit an der Spitze. Aber wie gesagt, die Aufgaben sind sehr verschiedenartig. Dazu gibt es sicher Elemente in anderen Ländern, die uns noch eine Reihe von Optimierungsmöglichkeiten lassen.

Welches Ansehen genießt die Finanzagentur in der Öffentlichkeit? Streben Sie Ihrem Selbstverständnis nach eine offensivere Wahrnehmung an oder sind Sie mit dem Aufmerksamkeitsgrad zufrieden?

Daube: Es ist nicht unser Ziel und passt auch nicht zu unserem Aufgabenbereich, ständig in den Schlagzeilen zu sein. Mit seinen Finanzmarktaktivitäten ist der Bund in den Fachmedien national wie international gut vertreten. Die "vornehme Zurückhaltung", mit der wir dabei als Unternehmen selbst zu Werke gehen, entspricht grundsätzlich unserem Verständnis als Dienstleister des Bundes. Auch an dieser Stelle pflegen wir die Tugenden ordentlicher Kaufleute.

Wie wirkt sich die Finanzkrise auf die Finanzagentur aus? Ist die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter in den vergangenen knapp zwei Jahren höher geworden?

Daube: Die zunehmende Arbeitsbelastung lässt sich schon im Vergleich der Emissionskalender 2008 und 2009 erkennen. Im vergangenen Jahr wurden in 37 Auktionen 220 Milliarden Euro für den Bund aufgenommen. Dieses Jahr werden wir wohl auf 60 Auktionen kommen, in denen Einmalemissionen über insgesamt 346 Milliarden Euro zu platzieren sind. Die Auswirkungen der Finanzkrise sind aber im gesamten Unternehmen deutlich spürbar, vom Kunden-Service bis zur Abwicklung.

Lehr: Dennoch gehen wir ruhig, sachlich und professionell an die zunehmende Arbeit heran und lassen keine Hektik aufkommen.

Ist wenigstens die personelle Ausgestaltung der Finanzagentur ausreichend?

Lehr: Von unseren 340 Mitarbeitern sind zirka 120 direkt bei der Finanzagentur angestellt. Weitere 220 sind Kolleginnen und Kollegen aus der ehemaligen Bundeswertpapierverwaltung, deren Arbeitsverhältnis über ein Spezialgesetz geregelt ist. Sie sind Angestellte oder Beamte des Bundes und verrichten ihren Dienst hier bei uns. Die Finanzagentur selbst hatte bei ihrer Geschäftsaufnahme im Jahre 2001 klassisch wie ein Start-up-Unternehmen mit 25 Mitarbeitern angefangen. In den Folgejahren entwickelte sich der Personalkörper entsprechend der übertragenen Aufgaben und hat sich seit August 2006 auf dem genannten Niveau verstetigt.

Wie ist der Status der Mitarbeiter, und wie wird vergütet?

Lehr: Die Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzagentur erfolgt nach dem Tarif des privaten Bankgewerbes oder außertariflich. Wir orientieren uns also an dem am Finanzplatz Frankfurt üblichen Standard.

Auch hinsichtlich der derzeit so heiß diskutierten Boni?

Daube: Wir sind ein Unternehmen im Geschäftsbereich des Bundes! Auch bei uns gibt es ein System der leistungsorientierten Bezahlung, entweder über Zulagen oder erfolgsabhängige Boni, aber alles in einer Größenordnung, die der Bundesfinanzminister guten Gewissens rechtfertigen kann. Mit den Bonusexzessen, die zuletzt in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, sind diese Größenordnungen in keiner Weise vergleichbar.

Welche Abläufe gibt es bei der Formulierung der künftigen strategischen Ausrichtung. In welcher Weise und in welchem Stadium sind Sie in diese Dinge eingebunden? Lässt sich das an Beispielen darstellen?

Daube: Egal, in welchem Geschäftsprozess der Kreditaufnahme oder des Schuldenmanagements des Bundes, der Gesellschafter erwartet von uns in jedem Falle einen strategischen Input. Im Prinzip fungieren wir als Ideengeber, entwickeln Szenarien zur Portfolio-Steuerung, führen Emissionsplanungen durch, schlagen Instrumente vor, die dabei zum Einsatz kommen sollen oder entwickeln diese auch neu. Letztendlich liegt der gesamte Marktauftritt in unserem Verantwortungsbereich.

Alle Prozesse verlaufen in engem Schulterschluss und in ständiger Rückkopplung mit dem Gesellschafter - unabhängig, von welcher Seite die Initiative ausgeht. Meilensteine, die auf dem Weg der strategischen Neuausrichtung des Schuldenwesens des Bundes gesetzt wurden, sind beispielsweise die Verabschiedung eines auf nachhaltige Zinskostenersparnis und Risikooptimierung ausgerichteten Zielportfolios, die Auflegung der ersten US-Dollaranleihe der Bundesrepublik Deutschland, der Aufbau des Marktsegments inflationsindexierter Bundeswertpapiere, der Ausbau der Sekundärmarktaktivitäten des Bundes und die Entwicklung des ersten Produkts für private Anleger seit mehr als 30 Jahren, der Tagesanleihe des Bundes.

Lehr: Die konkrete Produktentwicklung ist bei uns durchaus mit den Abläufen in der Kreditwirtschaft vergleichbar. Die Konzeption, die technische Implementierung, die Emissionsbedingungen, all das wird in einem Team für neue Märkte und neue Produkte dargestellt und auf seine Funktionsweise geprüft. In die notwendigen Schleifen bis hin zur Umsetzung ist unser Gesellschafter immer mit eingebunden. Er ist damit stets Herr des Verfahrens.

Wie kommt der Emissionskalender zustande? Und welche Rolle spielt die Finanzagentur in diesem Prozess?

Daube: Der Emissionskalender entsteht parallel zur Aufstellung des Bundeshaushalts und wird in diesem Verfahren mehrfach adjustiert. Derzeit läuft das beispielsweise für das Jahr 2010. Am Ende des Jahres, im November, mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes, stehen die Einnahmen und Ausgaben und damit auch der Kreditbedarf des Bundes für das kommende Jahr endgültig fest. Darin finden auch die Tilgungen, Zinszahlungen und Anschlussfinanzierungen Eingang. In besonderen Situationen, wie gegenwärtig durch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Finanzkrise, entsteht ein zusätzlicher Kreditbedarf, der über einen Nachtragshaushalt abzudecken ist.

Lehr: Unmittelbar nach Verabschiedung des Bundeshaushalts unterbreiten wir dem Gesellschafter unseren Vorschlag zur Refinanzierung. Dieser wir dann abgestimmt und, so es keinen zusätzlichen Finanzierungsbedarf gibt, in der zweiten Dezemberhälfte veröffentlicht. Für dieses Jahr gab es durch den Nachtragshaushalt und den Liquiditätsbedarf der Sondervermögen des Bundes zur Finanzmarktstabilisierung und Konjunkturbelebung die Aufforderung des Gesellschafters, geeignete Vorschläge zu machen, wie das am geschicktesten beziehungsweise marktschonendsten zu bewerkstelligen ist.

In der aktuellen Emissionsplanung des Bundes ist an verschiedenen Stellen von einer Erhöhung des Emissionsvolumens die Rede. Wieso sind die mit 60 Milliarden Euro angesetzten Volumina im Rahmen der Finanzmarktstabilisierung gesondert ausgewiesen?

Daube: Im Zuge des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes wurde im Herbst vergangenen Jahres der Finanzmarktstabilisierungsfonds eingerichtet und mit einer eigenen Kreditermächtigung ausgestattet. Sie umfasst 70 Milliarden Euro plus weitere zehn Milliarden Euro, denen der Haushaltsausschuss zustimmen muss, also insgesamt 80 Milliarden Euro. Die Finanzagentur wurde in ihrer Zuständigkeit für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes und seiner Sondervermögen aufgefordert, die erforderliche Liquidität zu beschaffen und das Funding unter dem Label Bund sicherzustellen.

Wie haben sich die Refinanzierungsmodalitäten des Bundes in den vergangenen knapp zwei Jahren entwickelt?

Daube: Der Bund profitiert in der aktuellen Marktsituation von seiner erstklassigen Bonität, die er über Jahrzehnte aufgebaut hat. Er zählt zu den verlässlichsten Schuldnern weltweit. Seine Emissionen, die im Rahmen eines äußerst transparenten Auktionsverfahrens über die Bietergruppe Bundesemissionen platziert werden, bieten Investoren eine sichere Planungsbasis und eine gute Möglichkeit zur Diversifizierung ihrer Portfolios. Dieses Verfahren hat sich in der Praxis bewährt. Wir sehen auch in der jetzigen Phase keinen Grund, davon abzuweichen - auch nicht in Zinssenkungsphasen beziehungsweise einem extrem niedrigen Zinsniveau, auf dem wir uns derzeit befinden. Am Zuspruch des Marktes hat sich im Zuge der Krise wenig geändert, im Gegenteil, aufgrund der extrem hohen Sicherheit und der hohen Liquidität gelten Bundeswertpapiere als Benchmark. Institutionelle Investoren und private Kunden aus dem In- und Ausland sind bereit, dafür auf einen Teil ihrer Rendite zu verzichten.

Lassen sich die günstigeren Spreads auch in Basispunkten festmachen? Kann man anhand konkreter Zahlen zeigen, welche Vorteile die Finanzagentur daraus gezogen hat?

Lehr: Wir haben an den Märkten eine deutliche Ausweitung der Spreads gesehen. Es gab bei den Renditen zehnjähriger Anleihen in normalen Marktphasen einen Abstand von deutlich unter zehn Basispunkten zwischen Deutschland und Frankreich. In den vergangenen Monaten lagen die Werte um die 50 Basispunkte. Zu den südlichen Ländern waren es teilweise mehr als ein Prozent. Allerdings gehen wir davon aus, dass sich bei Beruhigung der Märkte wieder eine Normalisierung einstellen wird.

Was waren die Hauptgründe für die Einführung der inflationsindexierten Bundeswertpapiere?

Daube: Die Finanzagentur hat das Mandat, für den Bund eine Zinskostenersparnis zu erwirtschaften, die letztlich dem Steuerzahler zugute kommt. In bestimmten Marktlagen macht es Sinn, zu diesem Zweck spezielle Refinanzierungsinstrumente, wie realverzinsliche Wertpapiere einzusetzen. Darüber hinaus dienen diese Produkte zur Diversifizierung des Portfolios und zur Verbreiterung der Investorenbasis, insbesondere auf der institutionellen Seite. Man muss an dieser Stelle im Auge haben, dass sich der Bund nicht nur in Deutschland verschuldet, sondern auch ausländische Investoren anspricht. Dieses Produkt wird insbesondere von Pensionsfonds nachgefragt.

Wir sind vergleichsweise spät mit den inflationsindexierten Produkten an den Markt gegangen. Die Erstplatzierung, die 2006 über ein Syndikat erfolgte, war ein voller Erfolg. Auch die nachfolgenden Emissionen, die dann schon im Auktionsverfahren über die Bietergruppe Bundesemissionen begeben wurden, waren stark nachgefragt und zeigten eine gute Performance.

Als dann im August 2008 nahezu von einem auf den anderen Tag Inflation kein Thema mehr war, haben wir diese Art der Refinanzierung zunächst in unseren Emissionsvorhaben nicht mehr weiterbetrieben. In der Jahresvorschau 2009 haben wir angekündigt, dass dieses Programm je nach Marktgegebenheiten mit sechs bis zehn Milliarden Euro fortgesetzt werden könnte. Es ist nach wie vor langfristiges Ziel, bis zu fünf Prozent des jährlichen Emissionsvolumens über inflationsindexierte Papiere abzudecken und dabei eine komplette Kurve aufzubauen, wie sie andere Länder schon haben. Wir haben aktuell zwei Fälligkeiten, 2013 und 2016.

Und was ist mit einer dreißigjährigen Laufzeit?

Daube: Die haben wir bisher noch nicht. Zu einer kompletten Kurve gehört aber auch das lange Ende.

Wenn es dem Bund einen Refinanzierungsvorteil bringt und auch eine entsprechende Investorennachfrage da ist, werden wir das zu gegebener Zeit prüfen. Momentan ist dafür aber nicht der richtige Zeitpunkt.

Bedarf es aus Ihrer Sicht eines Sondervermögens, um die möglichen Belastungen aus diesem Instrument aufzufangen - wie ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung von Mitte März das vorsieht?

Daube: Inflationsindexierte Anleihen funktionieren international nach dem gleichen Prinzip. Sie haben einen gegenüber nominalverzinslichen Anleihen deutlich niedrigeren Kupon. Er erhöht sich aber wie der Nennwert durch die Bewertung mit einem Referenzindex, der die aktuelle Inflationsentwicklung widerspiegelt. Dadurch entsteht selbst bei ein oder zwei Prozent Inflation am Ende ein vergleichsweise hoher Rückzahlungsbetrag. Der Verlauf ist ähnlich wie bei der Null-Kupon-Anleihe. Vereinfacht gesagt müssen wir deshalb eine Möglichkeit schaffen, für den Rückzahlungsbetrag anzusparen, also quasi eine Rückstellung bilden.

Das ist in der Kreditwirtschaft doch ein ganz normaler Vorgang, für solche absehbaren Zahlungsverpflichtungen Vorsorge zu treffen ...

Lehr: Das ist richtig und muss im Haushalt entsprechend berücksichtigt werden. Der Bund hat bekanntlich eine kamerale Buchführung und keine kaufmännische wie die Banken. Insofern war man lange Zeit auf der Suche, wie man diese Form der Vorsorge für eine Mehrausgabe beziehungsweise Belastung künftiger Haushalte abbildet. Und letztendlich hat man sich für die Auflegung eines Sondervermögens entschieden. Das entsprechende Gesetz bildet die Grundlage für inflationsindexierte Anleihen des Bundes in den nächsten Jahren. Der Inflationsausgleich für inflationsindexierte Wertpapiere, der Jahr für Jahr berechenbar ist, wird in ein Sondervermögen eingestellt. Das wirkt wie eine Rückstellung. In der Meldung zum Schuldenstand für das Jahresende 2008 sind beispielsweise 1,335 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten aus der Kapitalindexierung inflationsindexierter Bundeswertpapiere angesetzt.

Wieso wird in dieser Schuldenstandsmeldung der Finanzmarktstabilisierungsfonds mit 8,2 Milliarden Euro gesondert aufgeführt?

Lehr: Sondervermögen des Bundes gehen betragsmäßig in die Höhe der Bundesschuld ein, werden als Fonds mit eigener Kreditermächtigung aber getrennt ausgewiesen. Welchen Anteil halten inländische und ausländische Investoren derzeit an den Emissionen des Bundes? Und gibt es dafür eine (ökonomisch erstrebenswerte) Zielgröße?

Daube: Der ganz überwiegende Teil der Emissionen des Bundes wird von in- und ausländischen europäischen Investoren gehalten. Etwa 30 Prozent entfallen auf den asiatischen Raum, ein kleinerer Teil auf den mittleren Osten und den transatlantischen Bereich.

Was hält die Finanzagentur von einer verfassungsmäßig eingebauten Schuldenbremse wie sie die Politik für notwendig hält?

Daube: Deutschland hat in den vergangenen Jahren eine disziplinierte Haushaltspolitik betrieben, auch wenn manche sagen mögen, man hätte noch ein bisschen mehr tun müssen. Im vergangenen Jahr hatten wir eine Nettokreditaufnahme von 18 Milliarden Euro. Dieses Jahr hätten es eigentlich zehn Milliarden Euro sein sollen, 2010 nur noch sechs Milliarden Euro, und für 2011 war der ausgeglichene Haushalt im Visier. Das ist im internationalen Vergleich sehr gut. Es ist ein positives Signal, wenn man heute schon entsprechende Mechanismen einbaut, mit denen man die wachsende Nettokreditaufnahme begrenzen und wieder zurückfahren kann. Im Grundsatz ist das aber eine politische Frage, die von der Bundesregierung entschieden wird.

Aber Sie sind doch bestimmt dazu gefragt worden?

Lehr: Nein, solche Fragen gehören nicht zum Dienstleistungsauftrag der Finanzagentur. Die Entscheidung hierüber liegt bei der Bundesregierung, beim Bundestag und Bundesrat.

Welche Kontrollmechanismen und Kontrollinstanzen gibt es für die Finanzagentur?

Lehr: Die Finanzagentur hat interne und externe Kontrollinstanzen. Das fängt an mit den Prozessinstanzen, von der Eigenkontrolle der Mitarbeiter bis hin zu der klassischen Abwicklungskontrolle jedes Einzelgeschäftes mit der finalen Freigabe. Nachgelagert haben wir das hauseigene Risikocontrolling. Natürlich gibt es auch die Interne Revision, die prozessunabhängig eher mit Stichproben operiert und die internen Kontrollmechanismen unter die Lupe nimmt, etwa für das operative Geschäft, aber auch für alle anderen Bereiche.

Der Jahresabschluss der Finanzagentur wird von einem Wirtschaftsprüfer geprüft. Wir unterliegen als Unternehmen natürlich allen anderen Kontrollen und Prüfungen, etwa durch das Finanzamt. Als Bundesbeteiligung stehen wir im Blick des Bundesrechnungshofs mit seinem weitgehenden Prüfungsrecht. Nicht zuletzt unterliegen wir der Fach- und Rechtsaufsicht durch den Gesellschafter.

Eine besondere Kontrollfunktion übt der Bundestag wegen der strategischen Bedeutung des Schuldenwesens des Bundes über das sogenannte Bundesfinanzierungsgremium, ein spezieller Unterausschuss des Haushaltsausschusses, aus. Das Kontrollnetz ist also recht umfangreich und gewährleistet ein permanentes Monitoring aller Geschäftsprozesse und eine regelmäßige Berichterstattung über die Auslastung der Kreditermächtigungen des Bundeshaushalts und seiner Sondervermögen.

Daube: Viele dieser Dinge werden auf täglicher Basis mit hohem Detailgrad berichtet, um die Risikoposition des Bundes aufzuzeigen. Das Reporting ist in seinem Umfang und der Frequenz anspruchsvoller als in vielen Banken. Im Rahmen unseres täglichen Marktpreisrisikoberichts weisen wir eine tägliche Mark-to-Market-Bewertung der entsprechenden Volumina auf. Selbstverständlich sind als qualitative Kontrollinstanz die MaRisk einzuhalten.

Wie reagieren Politiker derzeit, wenn sie das Wort Derivate hören? Ordnen diese das Instrument sachgerecht ein?

Lehr: Unbedingt! Die Derivate, mit denen wir operieren, sind meist klassische Zinsswaps beziehungsweise Zinswährungsswaps, also allesamt Plain-Vanilla-Produkte. Wir haben die Politiker davon überzeugt, dass wir unser Geschäft verstehen. Insofern beurteilen sie den Einsatz der Zinstauschprodukte sachkundig und unaufgeregt.

Welche Risikopositionen müssen Sie zurzeit besonders im Auge haben?

Lehr: Das größte Risiko ist natürlich das Zinsänderungsrisiko und damit das über die Geschäftspartner inhärente Adressenausfallrisiko. Als Refinanzierer haben wir anders als die Banken kein klassisches Kreditrisiko. Hinzu kommt übergeordnet natürlich noch das Liquiditätsrisiko, denn am Ende haben wir dafür zu sorgen, dass der Bund in jedem Falle zahlungsfähig bleibt.

Sind in der Krise starke Anpassungen vorgenommen worden?

Daube: Ja, wir haben unsere Kon-trahenten-Limitsysteme angepasst. Wie viel Geschäft wir mit welcher Adresse machen, haben wir uns seit Sommer letzten Jahres sehr gut überlegt. Täglich haben wir beide zusammengesessen und gemeinsam entschieden, die eine oder andere Adresse prophylaktisch auf Null zu setzen, manchmal auch gegen die Empfehlungen des Fachbereichs. Die Methodik, die dahintersteckt, haben wir zuvor mit dem Gesellschafter abgestimmt. Wenn notwendig, wurde noch einmal adjustiert.

Stichwort Fremdwährungsanleihen: Hat die Finanzagentur außer US-Dollar andere Währungsanleihen in der Pipeline?

Daube: Die US-Dollaranleihe wird im kommenden Jahr fällig. Im Vordergrund standen auch bei diesem Produkt die Refinanzierungskosten, die sich im Jahre 2005 in einem schmalen Zeitfenster aufgrund des damals aktuellen Wechselkurses zwischen dem Dollar und dem Euro gegenüber einer gleichlaufenden eurodenominierten Bundesanleihe als günstig dargestellt haben. Eine Reihe von Investoren haben mit dieser Anleihe der Bundesrepublik Deutschland ihr Engagement im Dollar diversifiziert. Die Risiken für den Bundeshaushalt haben wir mit Swap-Operationen eliminiert. Das Produkt hat eine echte Zinskostenersparnis und damit Vorteile für den Steuerzahler erwirtschaftet. Wir beobachten den Markt auch weiterhin. Sollte sich eine derartige Situation im US-Dollar-Markt oder einer anderen Weltreservewährung ergeben, werden wir genau prüfen, ob sie sich für die Refinanzierungsbedürfnisse des Bundes nutzen lässt.

War es notwendig gewesen, auch die Bundeswertpapierverwaltung unter das Dach der Finanzagentur zu bringen? Gibt das zusätzliche Synergien?

Lehr: Genau zu diesem Ergebnis kam eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Unternehmensstudie. Die Frage der Neuordnung des Bundesschuldenwesens wurde 1999 im Ergebnis dieser Studie von der Bundesregierung entschieden. Damit verbunden war auch der Auftrag, in einem schrittweisen Prozess Schnittstellen zwischen den am Schuldenmanagement des Bundes beteiligten Institutionen, dem BMF, der Bundesbank und der damaligen Bundesschuldenverwaltung (später Bundeswertpapierverwaltung) zu verringern. Im Ergebnis sind seit August 2006 unter dem Dach der Finanzagentur alle wesentlichen Funktionalitäten für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes vereint.

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