Mobile Payment

"Das Fahrzeug wird zur digitalen Brieftasche" - Interview mit Ernst Ohmayer

Dr. Ernst Ohmayer
Quelle: Volkswagen Financial Services AG

Der Volkswagen-Konzern hat in Luxemburg eine eigene Tochtergesellschaft für das Thema Payment gegründet. Das ist durch die Digitalisierung wichtig, meint Ernst Ohmayer. Zum einen werden Fahrzeuge künftig nicht mehr vor dem Kauf, sondern in Teilen erst danach konfiguriert. Und wenn "Functions on demand" gebucht werden, dann braucht es dazu auch eine Bezahllösung. Damit wird das Auto zur digitalen Brieftasche, über die auch weitere Services wie etwa Parkgebühren abgerechnet werden. Sukzessive will der Konzern darum herum ein Plattformgeschäft aufbauen. In vier bis fünf Jahren soll dies den Massenmarkt erreichen. Red.

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Welche Bedeutung hat das Thema Payment heute im Vergleich zu früher für Volkswagen Financial Services?

Natürlich hat Payment für den Volkswagen-Konzern auch in der Vergangenheit schon eine hohe Bedeutung gehabt. Durch die Digitalisierung ändert sich nun aber einiges. Es entstehen im Konzern neue digitale Dienstleistungen, die einfach, sicher und komfortabel bezahlt werden. Dadurch gewinnt das Thema Zahlungen ordentlich an Bedeutung.

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Dennoch: Wozu braucht der Finanzdienstleister eines Automobilkonzerns einen eigenen Geschäftsbereich Payment?

Die Digitalisierung ist momentan in aller Munde. Für einen Autokonzern hat das Thema eine besondere Bedeutung, weil die Digitalisierung für den Endkunden in kaum einer Branche so klar erkennbar ist wie in der Mobilität. Denn es ändern sich nicht nur Geschäftsprozesse, sondern die Produkte und Services, die der Kunde im täglichen Leben kauft und nutzt. Die Dienste, die man im Auto wahrnimmt, werden damit künftig andere sein. Das beginnt bei der Bestellung und Konfiguration von Autos, geht über die Art, wie man das Auto fährt, parkt und betankt, bis hin zum Carsharing. Deshalb hat sich der Konzern entschieden, auch die Zahlungsdienste rund um die Mobilität selbst in die Hand zu nehmen. Denn wir glauben, dass zu den Services auch die richtige Zahlungsabwicklung gehört und eine nahtlose Integration für unsere Kunden wichtig ist.

Ein Beispiel: Derzeit bringen wir den digitalen Marktplatz ins Auto. Wenn man etwas aus dem Auto heraus kauft oder das Fahrzeug dies automatisch tut, dann liegt es auf der Hand, dass die Zahlung nahtlos integriert sein muss.

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Welche Aufgaben werden bei der neuen Gesellschaft in Luxemburg gebündelt?

Wir bauen dieses Geschäftsfeld mit zwei Gesellschaften auf. Das Electronic Money Institute in Luxemburg ist gewissermaßen die "Digitale Bank". Die Entwicklung der Produkte und Services kommt von der Tochterfirma Contoworks in München

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Warum der Standort in Luxemburg?

Luxemburg ist ein Standort, der sich auf Electronic Money Institute spezialisiert hat. Derzeit gibt es fünf solcher Institute in Luxemburg - Tendenz steigend. Hier ist viel Know-how im Markt zu Themen wie E-Money, Wallets, Payments oder digitalem Banking. Das ist ein gutes Umfeld.

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Welche Bedeutung hat das Internet der Dinge bei Ihrem Ansatz?

Eine große. Man muss sich das so vorstellen. Es gibt künftig viele digitale Dienstleistungen rund um die Mobilität. Auch heute funktioniert vieles davon schon auf dem Computer oder dem Smartphone. Wir als Automobilhersteller bringen diese Dienstleistungen aber auf ein neues Device, nämlich das Auto, den Lkw und den Bus. Das unterscheidet uns von den heutigen Marktplätzen. Das Fahrzeug wird damit zur digitalen Brieftasche.

Ein Beispiel: Wenn Sie heute ein Auto kaufen, dann konfigurieren Sie sich das Fahrzeug. Künftig wählt der Kunde nur noch die eigentliche Hardware, wie Farbe oder Sitze aus. Daneben gibt es künftig "functions on demand". Der Kunde muss sich dann nicht mehr festlegen, welches Navigationssystem er benutzen wird oder ob er eine Sitzheizung haben möchte oder nicht.

Solche Funktionen werden nach Bedarf aktiviert und bezahlt. Das ist nicht nur für den Neukauf wichtig. Kauft man ein solches Fahrzeug künftig gebraucht, hat man deutlich mehr Möglichkeiten, das Auto individuell zu konfigurieren. Ferner wird der Kunde in Zukunft alle laufenden Services mit unserer Wallet bezahlen können.

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Wird diese digitale Brieftasche offen sein für alle Karten?

Unser Ziel ist, den Service für den End kunden kostenlos anzubieten, um viele Kunden für unsere Produkte zu gewinnen. Damit wird unsere Dienstleistung für Marktplatzbetreiber und Merchants rund um die Mobilität attraktiv, sodass unsere Dienstleistung darüber abgerechnet werden kann.

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Wird die Hinterlegung von Karten für die jeweils ausgebende Bank kostenpflichtig sein wie bei Apple?

Unser Ziel ist, den Service für den Endkunden kostenlos anzubieten, um viele Kunden für unsere Produkte zu gewinnen. Damit wird unsere Dienstleistung für Marktplatzbetreiber und Merchants rund um die Mobilität attraktiv, sodass unsere Dienstleistung darüber abgerechnet werden kann.

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Inwieweit lässt sich durch die neuen Dienste auch das eigene Kartengeschäft beflügeln?

Mit der Wallet kann der Kunde auf digitalen Marktplätzen bezahlen, kann Loyality-Systeme benutzen, kann einer anderen Person Geld übertragen und vieles mehr. Damit ist eine Wallet schon ein ziemlich mächtiges Instrument.

Wir wollen unseren Kunden möglichst umfangreiche Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Hier arbeiten wir mit der Volkswagen Bank im Konzern zusammen, um uns anzuschauen, wie man die Wallet mit anderen Dienstleistungen so kombinieren kann, dass der Kunde mit uns möglichst viele Produkte, an möglichst vielen Stellen einfach, sicher und komfortabel bezahlen kann.

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Machen Sie also den Hausbanken Konkurrenz?

Ja und nein. Es ist ein anderes Geschäftsmodell. Durch das "Device" Fahrzeug öffnen wir neue Möglichkeiten. Das Bankkonto bleibt immer im Hintergrund bestehen. Aber die neuen Services und die Wallet laufen über uns.

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Übernehmen Sie die Aufgaben eines Payment Service Providers, eines Marktplatzbetreibers oder beides?

Derjenige, der die Dienstleistung verkauft, ist Händler und damit Ansprechpartner für unsere Kunden. Marktplatzbetreiber kann beispielsweise je nach Produkt und Service der Autohersteller oder auch der lokale Importeur in dem jeweiligen Land sein. Wir sind dafür der Payment Service Provider. Es bleibt aber alles in der Gruppe.

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Wann können neue Bezahlszenarien, die sich durch das vernetzte Auto ergeben, eine nennenswerte Rolle spielen?

Die Infrastruktur für diese Dienstleistungen ist vorhanden - die haben wir bereits gebaut. Diese Infrastruktur wird momentan ins Fahrzeug gebracht. Die ersten Fahrzeuge werden nächstes Jahr auf den Markt kommen. Das beinhaltet Dienstleistungen rund ums Fahrzeug oder Parken, die die Gruppe selbst anbietet.

Die Infrastruktur ist so ausgelegt, dass auch externe Merchants freigeschaltet werden können. Dazu gibt es momentan aber noch keine Entscheidungen. Als größter Fahrzeughersteller der Welt mit über 10 Millionen Fahrzeugen im Jahr haben wir alleine schon eine ordentliche Schwungmasse. Insofern gehe ich davon aus, dass der Massenmarkt relativ schnell erreicht wird und in vier bis fünf Jahren ein breites Angebot flächendeckend verfügbar sein wird.

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Wie kann die Bezahlung der neuen Dienste beim Carsharing geregelt werden?

Bietet heute jemand sein Auto zum Carsharing an, funktioniert das im Prinzip wie wenn man bei Ebay etwas verkauft. Der Kunde zahlt an den Marktplatz(betreiber) und dieser transferiert das Geld zu dem Verkäufer - vereinfacht gesprochen. Mit der Wallet wird dies deutlich komfortabler und flexibler. Das wird aber erst ein zweiter Schritt sein.

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Ist die Authentifikation bei Transaktionen im Fahrzeug eine besondere Herausforderung? Der Fahrer soll ja so wenig wie möglich vom Verkehr abgelenkt werden ...

Hier gibt es unterschiedliche Ansätze. Derzeit prüfen wir, welche Transaktionen überhaupt wie zu autorisieren sind. So versuchen wir zum Beispiel die Autorisierung wiederkehrender Transaktionen oder Transaktionen zu vereinfachen, die immer an einen bekannten Merchant gehen.

Wir sind dazu auch mit den Kollegen von der Fahrzeugherstellung im Gespräch, welche Lösungen dem Kunden den größten Komfort und die höchste Sicherheit versprechen. Dabei sind modernste biometrische Verfahren im Gespräch.

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Wird es auch Anwendungen mit automatischen Bezahlvorgängen ohne Authentifikation geben – beispielsweise für Maut oder Parkgebühren?

Das hängt davon ab, welche der erwähnten Ausnahmen wir genehmigt bekommen. Darauf basierend werden wir dann Lösungen für automatisierte Zahlungen und Kleinbetragszahlungen auf den Markt bringen. Hier sind wir aktuell dabei zu klären, wie wir das lösen. Denn natürlich versuchen wir, es dem Kunden so einfach wie möglich zu machen.

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Welche Rolle werden die Captives künftig im Payment-Ökosystem spielen?

Die Mobilität ist für jeden Menschen ein wichtiges Thema. Damit sind wir in einer sehr guten Ausgangsposition, die kommenden Veränderungen mit zu gestalten.

Die neuen Produkte und Ser vices wird der Kunde jeden Tag benutzen. Es wird jeden Tag "Touchpoints" mit uns geben. Damit verändert sich das Geschäftsmodell und die Rolle der Captives. Durch die neuen Services kommt für die Captives neues Geschäft hinzu.

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Und wie verändert sich durch den neuen Ansatz die Rolle der Captive im Konzern?

Die grundsätzliche Bedeutung der Captives bleibt die gleiche. Schon immer war neben der Absatzförderung auch die Kundenbindung eine wesentliche Aufgabe der automobilen Finanzdienstleister.

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Mit welchem Investitionsaufwand ist das alles verbunden?

Volkswagen Financial Services investiert bis 2020 zusätzlich 500 Millionen Euro für die Digitalisierung der Geschäftsprozesse aus. Davon sind wir ein Teil. Das umfasst den Aufbau der Plattform für den Zahlungsverkehr ebenso wie die Übernahme und der Ausbau von Contoworks.

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Planen Sie in Zukunft weitere Akquisitionen?

Im Moment sind wir gut aufgestellt, müssen aber natürlich weiter investieren. Dabei konzentrieren wir uns in den nächsten ein bis zwei Jahren zunächst einmal darauf, das fertigzustellen, was wir begonnen haben: gute Produkte für unsere Kunden anzubieten. Deshalb halte ich weitere Akquisitionen in diesem Zeitraum für unwahrscheinlich. Später ist es durchaus vorstellbar, weiter zuzukaufen.

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Wen sehen Sie als die wichtigsten Wettbewerber?

An den digitalen Services im Fahrzeug arbeiten aktuell natürlich alle. Beim Zahlungsverkehr sehe ich jedoch nicht so viele Autobauer als Wettbewerber, weil nicht alle den Weg so konsequent verfolgen, dass sie den Zahlungsverkehr selbst anbieten wollen.

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Wäre Payment somit auch als Dienstleistung für andere Autohersteller denkbar?

Man soll niemals nie sagen. Für die Zukunft will ich es deshalb nicht ausschließen. Zunächst sind wir im Konzern gut beschäftigt, mit unseren Marken die entsprechenden Use Cases zu entwickeln.

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