Anforderungen der BaFin an die Qualifikation von Aufsichtsräten in den Verbünden

Raimund Röseler, Exekutivdirektor, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Frankfurt und Bonn

© Schafgans DGPh / BaFin

Raimund Röseler, Exekutivdirektor, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Frankfurt und Bonn - Mit der Veröffentlichung ihres Leitfadens zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit von Leitungsorganen im Mai dieses Jahres hat die Europäische Zentralbank diese bekannte Diskussion hierzulande wieder neu belebt. Insbesondere in den beiden deutschen Verbundgruppen gibt es die Befürchtung, bei der Gremienbesetzung mit schwierigeren Bedingungen zurechtkommen zu müssen. Aus Sicht der hiesigen Aufsicht sieht der Autor in wesentlichen Punkten eine Übereinstimmung mit der bisherigen deutschen Verwaltungspraxis. Im Zuge einer weiteren Harmonisierung der Bankenaufsicht in Europa rechnet er aber damit, dass die EZB auch Impulsgeber für die Verwaltungspraxis der nationalen Aufsichtsbehörden bei der direkten Aufsicht über die weniger bedeutenden Institute sein wird. Den Sparkassen sowie Volk- und Raiffeisenbanken bescheinigt er bei der Bestellung von neuen Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitgliedern eine gute Arbeit. (Red.)

Eine wirksame Überwachung der Geschäftsleitung durch das Kontrollorgan in Kreditinstituten ist wesentlich für die Stabilität und Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft. Die ausreichende Qualifikation der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen ist dabei von entscheidender Bedeutung und unterliegt der bankaufsichtlichen Kontrolle.

Mitglieder von Veraltungs- und Aufsichtsorganen müssen nach § 25d des Kreditwesengesetzes (KWG) über ausreichende Sachkunde verfügen, zuverlässig sein und ihrer Aufgabe ausreichend Zeit widmen. Die aufsichtlichen Anforderungen haben ihre Grundlage in der sogenannten Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV - CRD IV)1) und sind ein wesentlicher Baustein der europäischen Harmonisierung aufsichtsrechtlicher Vorschriften.

Die Anforderungen des KWG im Kontext europäischer Regulierung

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) haben am 28. Oktober 2016 einen gemeinsamen Entwurf von Leitlinien zur Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane2) veröffentlichet. Die neuen Leitlinien konkretisieren die Anforderungen der europäischen Richtlinie und entwickeln die bereits 2012 veröffentlichten EBA-Leitlinien3) weiter. Im Entwurf der Leitlinien werden fünf Dimensionen unterschieden, anhand deren die Eignung einer Person und des Gremiums zu beurteilen sind: zeitliche Verfügbarkeit; Höchstmandatszahl; Aufrichtigkeit, Integrität und Unvoreingenommenheit; Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung; Diversität des Gremiums.

Nach der Veröffentlichung der Leitlinien ist es Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, die hiesigen gesetzlichen Regelungen gegebenenfalls anzupassen. Ebenso wird die BaFin ihre Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Empfehlungen der Leitlinie überprüfen. Da der Entscheidungsprozess in den Gremien der EBA und der ESMA noch nicht abgeschlossen ist, lassen sich noch keine konkreten Aussagen über eine nationale Umsetzung und Anwendung treffen.

Seit November 2014 werden die bedeutenden deutschen Kreditinstitute und Institutsgruppen4) unmittelbar vom einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism - SSM) unter Leitung der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt. Die BaFin ist als Teil des SSM an dieser Aufsicht beteiligt. Die sogenannten weniger bedeutenden Institute5) - also die breite Mehrzahl der öffentlich- rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstitute - stehen weiter unter der direkten Aufsicht der BaFin. Die EZB hat im Mai 2017 einen "Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit" veröffentlicht. Die Europäische Zentralbank wendet bei der Eignungsbeurteilung das jeweilige nationale Recht an und hat aus den Gemeinsamkeiten der zum Teil recht unterschiedlichen Regelungen eine einheitliche Verwaltungspraxis entwickelt.

Aus deutscher Sicht ist festzustellen, dass diese in wesentlichen Punkten mit der bisherigen deutschen Verwaltungspraxis übereinstimmt. Der Leitfaden gilt für die Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter und Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen der unter der direkten Aufsicht der EZB stehenden Institute sowie für alle Institute, was Inhaberkontroll- und Erlaubnisverfahren angeht. Im Zuge der weiteren Harmonisierung der Bankenaufsicht in Europa wird es jedoch nicht ausbleiben, dass die EZB auch Impulsgeber für die Verwaltungspraxis der nationalen Aufsichtsbehörden bei der direkten Aufsicht über die weniger bedeutenden Institute sein wird.

Sachkunde

Sachkunde im Sinne des Kreditwesengesetzes bedeutet, dass ein Mitglied eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans fachlich in der Lage ist, die Geschäftsleiter seines Instituts angemessen zu kontrollieren und zu überwachen. Dazu muss die Person die vom Unternehmen getätigten Geschäfte verstehen und deren Risiken beurteilen können und mit den für das Unternehmen wesentlichen gesetzlichen Regelungen vertraut sein. Die BaFin hat in ihrem die aufsichtlichen Anforderungen erläuternden Merkblatt6) verschiedene Fallgruppen veröffentlicht, bei denen sie regelmäßig von einer ausreichenden Sachkunde ausgeht. Dies sind zum Beispiel "geborene" Verwaltungsratsmitglieder, wie der Bürgermeister einer Kommune, und Arbeitnehmervertreter.

An diese Personen werden jedoch keine geringeren Anforderungen gestellt; es geht lediglich darum, die Prüfung der Sachkunde in diesen Fällen zu erleichtern. Die betreffenden Personen müssen nach dem Merkblatt nachweislich einschlägige Erfahrungen aus ihrer bisherigen Tätigkeit mitbringen, die die Vermutung rechtfertigen, dass sie über die erforderliche Sachkunde verfügen, um ihre Aufsichtsfunktion angemessen ausüben zu können. Weiterhin ist es grundsätzlich möglich, die erforderlichen Kenntnisse nach der Bestellung durch Fortbildung zu erwerben.

Zuverlässigkeit

Der EZB-Leitfaden und der EBA/ESMA-Leitlinienentwurf listen eine Reihe von Themenbereichen auf, in denen ein Mandatsträger über theoretische Kenntnisse verfügen sollte. Dies ist jedoch nicht als strenge Anforderung formuliert, sondern als aufsichtliche Erwartung und stellt keine Angleichung an die höheren fachlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter dar. Sowohl der EZB-Leitfaden als auch der EBA/ESMA-Entwurf betonen die proportionale Anwendung der Eignungskriterien - was bedeutet, dass die Sachkundeanforderungen sich nach dem Umfang und der Komplexität der von dem Institut betriebenen Geschäfte bemessen.

Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen von Kreditinstituten müssen zuverlässig sein. Die Zuverlässigkeit braucht nicht positiv nachgewiesen zu werden. Daher wird Zuverlässigkeit unterstellt, wenn keine Tatsachen erkennbar sind, die Unzuverlässigkeit begründen. Unzuverlässigkeit ist anzunehmen, wenn persönliche Umstände nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme rechtfertigen, dass diese die sorgfältige und ordnungsgemäße Tätigkeit als Mitglied eines Organs beeinträchtigen können. Berücksichtigt wird dabei das persönliche Verhalten sowie das Geschäftsgebaren des Mitglieds eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans hinsichtlich strafrechtlicher, finanzieller, vermögensrechtlicher und aufsichtsrechtlicher Aspekte.

Ein nicht unwesentlicher Aspekt der Zuverlässigkeit sind Interessenkonflikte, denen ein Mitglied möglicherweise ausgesetzt ist. Interessenkonflikte sind dann gegeben, wenn persönliche Umstände oder die eigene wirtschaftliche Tätigkeit geeignet sind, die Unabhängigkeit des Mitglieds eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans in seiner Kontroll- und Überwachungsfunktion zu beeinträchtigen. Die BaFin erwartet, dass ein Gremium angemessen mit möglichen Interessenkonflikten seiner Mitglieder umgeht. Die Art und Weise des Umgangs mit einem Interessenkonflikt unterliegt grundsätzlich der Eigenverantwortung des Instituts; die BaFin gibt hierfür keine konkreten Handlungen vor.

Auch der hohe politische Einfluss eines Mitglieds kann einen Interessenkonflikt auslösen. Dem Verwaltungsrat eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts gehören in der Regel Personen an, die als Vertreter des Trägers des Instituts ein politisches Mandat haben, wie zum Beispiel der Bürgermeister der Trägerkommune.

Der Aspekt des potenziellen Interessenkonflikts wegen hohen politischen Einflusses knüpft jedoch nicht an die Eigenschaft als Vertreter des Trägers des Instituts an, sondern an die ihm aufgrund der politischen Funktion zustehenden Rechte und Pflichten, die gegebenenfalls einer Mandatsausübung im Sinne des Instituts entgegenstehen. Diese Fallgestaltung ist daher auch nicht auf Institute in öffentlicher Trägerschaft beschränkt, auch wenn sie dort aufgrund der besonderen organisatorischen Strukturen eher schlagend werden dürfte.

Angemessener Umgang mit Interessenkonflikten

Sowohl in dem EZB-Leitfaden als auch in dem EBA/ESMA-Leitlinienentwurf wird die Vermutung eines Interessenkonflikts aus politischen Gründen explizit angesprochen. Dies schließt jedoch Personen mit hohem politischem Einfluss nicht generell von der Wahrnehmung von Mandaten in Verwaltungs- und Aufsichtsorganen aus. Wie in anderen Fallgestaltungen, in denen ein Interessenkonflikt besteht oder bestehen könnte, verpflichten EZB-Leitfaden und EBA/ESMA-Leitlinienentwurf die Organe nur dazu, den Einzelfall besonders sorgfältig zu prüfen und soweit erforderlich erkannten Konflikten entgegenzuwirken. Auch bei kommunalen Vertretern kann die Möglichkeit von Interessenkonflikten nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. So können Entscheidungen zu treffen sein, bei denen gegenläufige Interessen (politisches versus institutsbezogenes Interesse) in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Daher erscheint es aus aufsichtlicher Sicht notwendig, dass sich auch öffentliche Institute mit dem Umgang potenzieller Interessenkonflikte auseinandersetzen.

Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen müssen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausreichend Zeit widmen. Dies bedeutet, dass das Mitglied unter Berücksichtigung seiner beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nach allgemeiner Anschauung in der Lage sein muss, für das einzelne Mandat ausreichend Zeit aufzubringen. Insbesondere bei Personen, die eine Vielzahl von Mandaten innehaben, hat es sich in der Praxis bewährt, der BaFin zur Beurteilung der ausreichenden zeitlichen Verfügbarkeit den geschätzten Zeitaufwand nicht nur insgesamt, sondern auch bezogen auf das einzelne Mandat zu übermitteln.

Bewährte Praxis

Unabhängig von dem Erfordernis der ausreichenden zeitlichen Verfügbarkeit dürfen Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitglieder nur eine bestimmte Anzahl von Leitungs- und Kontrollmandaten gleichzeitig innehaben. Wer ein Mandat in einem CRR-Institut von erheblicher Bedeutung7) bekleidet, darf maximal ein Leitungs- und zwei Kontrollmandate oder vier Kontrollmandate einnehmen. Wer nur Mandate in anderen Instituten wahrnimmt, darf maximal fünf Kontrollmandate gleichzeitig inne haben. Der Gesetzgeber hat die Besonderheiten der öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstitute berücksichtigt, indem mehrere Mandate in Unternehmen, die demselben institutsbezogenen Sicherungssystem angehören, als eines gezählt werden dürfen.

Soweit ein kommunaler Hauptverwaltungsbeamter kraft kommunaler Satzung oder kraft gesetzlicher Regelung zur Wahrnehmung von Mandaten in Verwaltungs- und Aufsichtsorganen in einem kommunalen Unternehmen oder einem kommunalen Zweckverband verpflichtet ist, zählen diese Mandate nicht mit. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass unabhängig von den Mandatsbeschränkungen für jedes einzelne Mandat ausreichend Zeit verbleiben muss.

2016 wurde der BaFin die Bestellung von rund 1 600 neuen Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitgliedern angezeigt, zwei Drittel in Kreditgenossenschaften und Sparkassen. In vielen Fällen werden die neuen Mitglieder für ihre Aufgabe geschult und nur selten muss die BaFin eine fehlende Eignung feststellen. Die aufsichtlichen Anforderungen an Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitglieder haben sich bewährt. Es gelingt den Instituten immer besser, durch eine intensive Überprüfung der vorhandenen Kompetenzen innerhalb des Verwaltungs- oder Aufsichtsrates und eine gezielte Steuerung der Nachbesetzung mit qualifizierten Mitgliedern die verantwortungsvolle Aufgabe der Kontrolle und Überwachung der Geschäftsleitung nachzukommen.

Fußnoten

1) Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen vom 26. Juni 2013.

2) Joint EBA/ESMA Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2014/36/EU and Directive 2014/65/EU.

3) EBA-Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselfunktionen (EBA/GL/2012/06) vom 22. November 2012.

4) Significant Institutions (SIs).

5) Less Significant Institutions (LSIs).

6) Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs-und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB vom 4. Januar 2016, zuletzt geändert am 31. Januar 2017.

7) Institut von erheblicher Bedeutung nach § 25d Abs. 3 Satz 8 KWG: - die Bilanzsumme erreicht oder überschreitet im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre 15 Milliarden Euro oder - es wird nach Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63) von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt oder - es wurde als potenziell systemgefährdend im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 3 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes eingestuft oder - es ist ein Finanzhandelsinstitut im Sinne des § 25f Abs. 1 KWG.

Raimund Röseler , Exekutivdirektor Bankenaufsicht , Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
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