Banksteuerung und Nachhaltigkeitsrisiken - Herausforderungen für LSIs

Volker Hartke, Foto: Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V

Angetrieben von der Diskussion um das Thema Nachhaltigkeit haben sich auch Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zum Netzwerk NGFS zusammengeschlossen. Es fordert die Einbeziehung klimabezogener Risiken in die Aufsicht. Auch die Bundesbank und die BaFin sind Mitglieder. Daher hat die BaFin ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Laut Autoren werden diese vor allem dann für das Risikomanagement relevant, wenn sich daraus Kredit- oder Investitionsentscheidungen ableiten lassen. Sie raten, frühzeitig das eigene Geschäftsmodell unter Berücksichtigung der neuen Risikotreiber zu evaluieren und eine explizite Strategie zu entwickeln. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass nicht alles neu "erfunden" werden muss. Vor allem genossenschaftliche Institute und Sparkassen würden schon soziale Verantwortlichkeit zeigen. Insgesamt sollte der Prozess konsequent, aber mit Bedacht angegangen werden. (Red.)

Der Artikel thematisiert die neuen aufsichtlichen Anforderungen bezüglich der Risiken, die mit den sogenannten ESG-Kriterien einhergehen. Im Einzelnen geht es darum, den Ursprung der neuen Anforderungen aufzuzeigen und wie sie sich im Rahmen des EU Action Plan auf die deutsche aufsichtliche Tätigkeit auswirken. Am 20. Dezember 2019 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (BaFin-Merkblatt). Die enthaltenen umfangreichen Anstöße zur Umsetzung werden im Folgenden speziell entlang der Herausforderungen für von der BaFin beaufsichtigte Kreditinstitute diskutiert.

Die gegenwärtig unter dem Begriff "Sustainable Finance" geführte Debatte wird speziell auf europäischer Ebene vorangetrieben. Im Dezember 2019 hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) einen konkreten Maßnahmenplan für die Legislaturperiode der Europäischen Kommission vorgelegt.1) Der ebenfalls im Dezember des vergangenen Jahres vorgestellte Green New Deal gibt den regulatorischen Maßnahmen einen politischen Rahmen.2)

Im Kontext globaler Betroffenheit von Nachhaltigkeitsaspekten hat sich ein internationales Netzwerk von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden gebildet. Das als "Network for Greening the Financial System" (NGFS) bezeichnete Netzwerk fordert in seinem Aktionsplan "A call for action" unter anderem die Einbeziehung von klimabezogenen Risiken in die Aufsicht und die Formulierung aufsichtlicher Erwartungen.3) Die Deutsche Bundesbank und die BaFin sind Mitglied der NGFS. Das auf den Aktionsplan des NGFS bezugnehmende BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ist ein weiterer Baustein in der fortschreitenden Implementierung von Nachhaltigkeit als steuerungsrelevanter Aspekt für Unternehmen und Finanzinstitute.4)

Im BaFin-Merkblatt wird auf sogenannte ESG-Risiken zurückgegriffen.5) Diese lassen sich nur etwas ungelenk ins deutsche Übersetzen. Das E (für Environment) soll den Umweltaspekt, speziell den voranschreitenden Klimawandel, deklarieren. Das S (für Social) steht für soziale Aspekte. Damit ist zum einen die soziale Betroffenheit durch nicht nachhaltiges Handeln gemeint. Zum anderen wird eine nachhaltig ausgerichtete Lebens- und Arbeitswelt unterstrichen. Das G (für Governance) verbindet die zuvor genannten Aspekte.

Um die Umwelt nachhaltig zu bewirtschaften und gleichzeitig Arbeits- und Lebensstandards nicht außer Acht zu lassen, ist eine gute Unternehmensführung zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Umsetzung ökonomischer Aktivitäten Dreh- und Angelpunkt.

Unter Nachhaltigkeitsrisiken versteht die BaFin Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen E, S oder G, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können.6) Diese Risiken werden in physische und transitorische Aspekte unterteilt.

Nachhaltigkeitskriterien in der Risikosteuerung

Physische Risiken ergeben sich sowohl im Hinblick auf einzelne Extremwetterereignisse und deren Folgen als auch in Bezug auf langfristige Veränderungen klimatischer und ökologischer Bedingungen. Daraus können sich indirekte Folgen oder rechtliche Konsequenzen ergeben.7) Transitorische Risiken ergeben sich aus der Transformation hin zu einer Wirtschaftsform mit wesentlich geringeren oder keinen Treibhausgasemissionen.8) In diesem Kontext können politische Entscheidungen oder Nachfrageänderungen dazu führen, dass gegenwärtig profitable Geschäftsmodelle im Lichte ihrer umweltbezogenen Auswirkungen durch erweiterte Anforderungen unattraktiv werden. Physische und transitorische Risiken können zeitgleich auftreten und sich gegenseitig verstärken.9)

Als globaler Maßstab nachhaltiger ökonomischer Aktivitäten sind die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen10) und hinsichtlich des Klimaschutzes die Ziele der Pariser Klimavereinbarung11) anleitend. Die im Rahmen des EU Action Plan eingesetzte Expertengruppe hat zur Einordnung ökonomischer Aktivitäten in Bezug auf Umweltbelange eine Taxonomie vorgeschlagen.12) Hiermit soll sogenanntes "Green Washing" - lediglich dargestellte, aber nicht wirksame nachhaltigkeitsbezogene Maßnahmen - verhindert und Finanzflüsse in klimaschonende beziehungsweise treibhausgasreduzierende Aktivitäten gefördert werden.13)

Im Kontext des Risikomanagements wird die Klassifizierung ökonomischer Aktivitäten anhand von Nachhaltigkeitskriterien relevant, wenn sich daraus Kreditoder Investitionsentscheidungen ableiten lassen. Sollte es sich weiter erhärten, dass derart selektierte ökonomische Aktivitäten tatsächlich geringeren Risiken ausgesetzt sind, leistet die Taxonomie einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigkeitsbezogenen Optimierung des Risikomanagements. Eine kontinuierliche Ausweitung der Taxonomie auf weitere ökonomische Aktivitäten und eine Detaillierung der Anforderungen für soziale Belange ist mittelfristig zu erwarten.

Während die Diskussion zu Sustainable Finance bisher vor allem europäische Regulatoren beschäftigte, hat sich nun die BaFin aufgemacht, um für die von ihr direkt beaufsichtigten Banken (die Less Significant Institutions oder LSIs) Vorgaben zu machen. Schon jetzt werfen die im BaFin-Merkblatt adressierten Handlungsfelder gerade für kleine und mittlere Banken umfangreiche Umsetzungsfragen für die Banksteuerung auf.

Strategische Auseinandersetzung mit den Risiken erforderlich

Das BaFin-Merkblatt stellt anspruchsvolle Anforderungen an die beaufsichtigten Institute. Es wird erwartet, dass sich die beaufsichtigten Institute mit den entsprechenden Risiken strategisch auseinandersetzen.14) Die BaFin hebt den anleitenden und unterstützenden Charakter der in ihrem Merkblatt aufgeführten Best Practices hervor. Sie unterstreicht, dass die einzelnen Aspekte innerhalb des Merkblatts selbst noch keine prüferischen Anforderungen darstellen.15) Die MaRisk bleiben von den Ausführungen daher zunächst unberührt.16) Gleichwohl kann aufgrund des Umfangs und des Detailcharakters des BaFin-Merkblatts vermutet werden, dass darin aufgeführte Aspekte in kommende aufsichtlich bindende Vorgaben einfließen und damit prüferisch in den Fokus rücken können. Die BaFin weist speziell darauf hin, dass entsprechende Vorgaben durch die Umsetzung europäischer Verordnungen, Richtlinien und Leitlinien auf die Institute zukommen werden.17)

Um eine frühzeitige Einschätzung über die Tragweite des Themas für die Geschäftsstrategie und das Risikomanagement zu erhalten, ist es von grundlegender Bedeutung, das eigene Geschäftsmodell in geeigneter Weise unter Berücksichtigung der neuen expliziten Risikotreiber zu evaluieren und sukzessive weiterzuentwickeln. Zeitnah sind Nachhaltigkeitsaspekte in die Unternehmens- und Risikokultur einzubinden, die fachliche Bedeutung auf unterschiedlichen Unternehmensebenen zu platzieren und letztendlich Prozesse, Methoden und Verfahren fortzuschreiben beziehungsweise aufzubauen, die - gemessen an der institutsspezifischen Lage - geeignet sind, die Implikationen von Nachhaltigkeitsrisiken insgesamt einschätzen zu können.

Nachhaltigkeitsrisiken stellen keine eigene Risikoart dar, sondern können sich sowohl in den unterschiedlichen Risikoarten als auch in deren Zusammenwirken äußern. Nachhaltigkeitsrisiken sind daher bei der Betrachtung der jeweiligen Risikoarten zu berücksichtigen.18) Für das Kreditrisiko kann sich dies durch gehäufte, durch den Klimawandel bedingte Ausfälle innerhalb besonders betroffener Branchen auswirken. Das Marktrisiko kann sich durch Bewertungsanpassungen aufgrund verbraucherbezogener oder regulatorischer Veränderungen zeigen. Wie sich Nachhaltigkeitsrisiken im Einzelnen herausbilden und wo sich für Banken Handlungszwänge ergeben, hängt stark von der speziellen Ausgestaltung des Geschäftsmodells einschließlich des Portfolios und der damit einhergehend finanzierten Lieferketten ab. Unter anderem sind folgende Punkte zu betrachten: Welche Nachhaltigkeitsaspekte sind bei Vertrieb, Beratung, Ausschlüssen und Controlling von Bedeutung? Erzeugen die Standards und Prozesse zur Kreditvergabe strukturelle Nachhaltigkeitsrisiken im Kreditportfolio? Sind die Nachhaltigkeitsrisiken innerhalb der Eigenanlagen für das Institut transparent?

Die BaFin orientiert sich eng an MaRisk-Vorgaben

Eine erfolgreiche Implementierung eines nachhaltigkeitsbezogenen Risikomanagements setzt eine konsistente Kommunikationsstrategie gegenüber Mitarbeitern und Stakeholdern voraus. Letztendlich liegt es auch nahe, dass sich auch Kunden mit der Nachhaltigkeit im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen beschäftigen und hiernach ihre Bankverbindung beurteilen.

Die Implementierung von ESG-Risiken in das Risikomanagement ist ein ganzheitlicher Prozess. Das veröffentlichte BaFin-Merkblatt setzt dabei sehr eng auf den Vorgaben der MaRisk auf. In einem ersten Schritt dürfte im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung der Geschäfts- und Risikostrategien die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten erfolgen beziehungsweise eine gesonderte Nachhaltigkeitsstrategie zu erstellen sein. Diese Nachhaltigkeitsaspekte sind dabei nicht ausschließlich auf die sehr stark im Fokus stehende Klimathematik (physische und transitorische Risiken), sondern auch im Hinblick auf soziale Herausforderungen und die Unternehmensführung zu betrachten.

Das Rad muss jedoch nicht immer neu erfunden werden. Genossenschaften sind bereits "Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern ..." (§ 1 Abs. 1 GenG). Sparkassen weisen ähnliche soziale Komponenten in ihrem Geschäftsmodell auf. Beide Institutsgruppen engagieren sich grundsätzlich in der beheimateten Region, indem beispielsweise durch Sponsoring, Gewinnsparvereine oder Stiftungen soziale, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte gefördert werden.

Neben den vorgenannten sozialen Aspekten ist die Unternehmensführung (Governance) einzubeziehen. Es gilt, die internen Prozesse in Bezug auf die gesetzten Anreize bei der Entlohnung, speziell der Führungsebene, hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten zu hinterfragen.

Anpassungsbedarf des Geschäftsmodells kann entstehen

Der Geschäftsleitung kommt eine zentrale Stellung zu. Ihr obliegt die Verantwortung für die Geschäfts- und Risikostrategie (Risikokultur) sowie deren Kommunikation und Umsetzung.19) Dabei sind im Rahmen der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken sämtliche Geschäftsbereiche inklusive der besonderen Funktionen20) einzubeziehen. Unter Berücksichtigung der Proportionalität ist auch die Schaffung einer speziellen Nachhaltigkeitseinheit denkbar.21)

Im Zuge der ganzheitlichen Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken und dem stärkeren Nachhaltigkeitsbewusstsein bei Geschäftspartnern kann sich in der Geschäftsstrategie ein Anpassungsbedarf des Geschäftsmodells der Bank ergeben. Eine derartige Neuausrichtung kann sich im Zuge der Kalibrierung von Nachhaltigkeitsfiltern im Eigen und Kundengeschäft konkret ausgestalten. Zielkonflikte bei der Berücksichtigung von ESG-Kriterien - etwa soziale Rückwirkungen klimapolitischer Unternehmungen - gilt es zu moderieren, transparent dazustellen sowie Sachgerechte Priorisierungen und Mischungen zu definieren. Folgende Fragen können als eine erste Anleitung zur konzeptuellen Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements zur Ausgestaltung des avisierten Geschäftsmodells dienen:

- Welcher Maßstab kann zur Identifikation von Branchen mit erhöhten ESG-Risiken angelegt werden (etwa durch Anwendung der Taxonomie)? Welchen Unternehmen kommt innerhalb einer identifizierten Branche eine zentrale Rolle für die Reduktion von ESG-Risiken zu (etwa durch treibhausgasreduzierende Maßnahmen)?

- Welche Geschäftsmodelle haben angesichts erhöhter ESG-Risiken unter Umständen eine zeitlich begrenzte Profitabilität (etwa durch steigende Kosten für CO2 -Emmissionen)?

Die derzeitige Risikomessung erfolgt auf Basis der "Aufsichtlichen Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung ("ICAAP") - Neuausrichtung". Ausgehend von einer aufsichtlich geforderten statischen Betrachtungsweise werden zwar Risiken aus der Totalperiode berücksichtigt, Investitionen - etwa sukzessive Investitionen in energetische Modernisierungen zur Werterhaltung von Immobiliensicherheiten - bleiben jedoch außen vor.

Sofern Institute die noch zulässige Sicherstellung der Risikotragfähigkeit im Rahmen des Annexes als "Going-Concern-Ansatz alter Prägung" verwenden, geht dieser Ansatz von einem Betrachtungszeitraum des aktuellen Jahres und des Folgejahres aus. Aufgrund der Wirkungsweisen von physischen und transitorischen Risiken erscheint eine Einbindung aufgrund der kurzen zeitlichen Perspektive derzeit noch schwierig, weshalb in diesen Fällen der ökonomischen Kapitalplanung eine besondere Bedeutung zukommt.

Nachhaltigkeit soll in Stresstests eingebunden werden

Neben der ökonomischen Perspektive ist eine normative Betrachtung aus dem ICAAP heraus vorzunehmen. Bei einer Betrachtungsdauer von mindestens 3 bis 5 Jahren haben die Institute die Möglichkeit, die Wirkung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Kapitalplanung einzubeziehen. Aufgrund einer fehlenden Historie der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken ist eine Betrachtung im Risikoszenario sehr annahmebehaftet. Hier müssen sich noch entsprechende Umsetzungsstandards gerade für mittelständische Institute etablieren.

Bereits jetzt lassen sich verschiedene Szenariobetrachtungen als adverses Szenario beziehungsweise Stresstest formulieren, die sowohl in der Sicherstellung der Risikotragfähigkeit als auch in der mehrjährigen Kapitalplanung Anwendung finden können:

- Zur Messung von Adressrisiken im Kundenkreditgeschäft könnten ländlich orientierte Kreditinstitute physische Risiken durch die Annahme anhaltender Dürreperioden berücksichtigen. Bei städtisch geprägten Instituten mit einem hohen Anteil an Immobilienfinanzierungen oder wachsenden Immobilienportfolios ist die Einführung gesetzlich geforderter ambitionierterer energetischer Standards denkbar, die zu weiteren Investitionen führen.

- Nachhaltigkeitsrisiken bei den Eigenanlagen können durch gut begründete Filter entlang bestehender ESG-Kennzahlen berücksichtigt werden. Neben den weiteren wesentlichen Risikoarten (operationelle Risiken und Liquiditätsrisiken) rücken Reputationsrisiken weiter in den Vordergrund. Die zunehmende Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten22) geht auch mit erhöhten Ansprüchen an die Dienstleister einher. Auch "Green Washing" kann sich negativ auswirken. Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich durch die sozialen Medien schnell auf kritisches Verhalten sowohl bei ESG-relevanten Unternehmungen als auch bei deren Finanzierung.

- Nachhaltigkeitsrisiken können sich auch in Bezug auf Auslagerungsunternehmen ergeben und sind im Rahmen der Risikoanalyse und regelmäßigen Überprüfung einzubeziehen. Wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken sollten in den Auslagerungsstrategien beschrieben und die im Institut vorherrschenden Standards auf die Insourcer vertraglich übertragen werden.23)

Transparenz ist ein wichtiger Faktor

Die Aufsicht geht in dem Merkblatt davon aus, dass die Institute neben individuellen Stresstests zu den Nachhaltigkeitsrisiken neue beziehungsweise unternehmensindividuelle Stresstests ableiten werden. Insbesondere sind längerfristige Szenarioanalysen angedacht. Im Rahmen des Network for Greening the Financial System" (NGFS) erarbeiten Aufsichtsbehörden derzeit Szenarien zur Einbindung von Nachhaltigkeitsrisiken in die aufsichtlichen Stresstests. Auch hieraus werden sich Anhaltspunkte für die Ausgestaltung unternehmensindividueller Stresstests ergeben.24)

Eine öffentliche zugängliche Nachhaltigkeitsberichterstattung macht die eigenen Nachhaltigkeitsanstrengungen transparent und ist ein wesentliches Element zur Bewältigung des Übergangs zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft.25) Durch die bereits zugänglichen Berichte zeigt sich, dass es Unternehmen gelingt, ihre langfristige Rentabilität mit Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit zu verbinden.26) Unternehmen können sich durch eine kontinuierliche Erweiterung der Berichterstattung nicht nur über ihre gegenwärtigen Fehlstellen bewusst werden, sondern sie schärfen auch die internen Prozesse für Maßnahmen und Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit. Der Nachhaltigkeitsbericht ist damit ein Werkzeug der geschäftsstrategischen Ausrichtung, erwirkt anleitend für eine konsistente Vermittlung der Werte und Ziele des berichtenden Instituts und stellt auch ein wesentliches Marketinginstrument zur Kunden- und Mitarbeiterakquise dar.

Zur Nachhaltigkeitsberichterstattung mit gesetzlichen Vorgaben sind große Kreditinstitute im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB mit mehr als 500 Arbeitnehmern bereits jetzt verpflichtet. Ein Erfahrungsbericht der EU-Kommission hierzu steht noch aus. Aufgrund des zunehmenden Informationsbedarfs zur nachhaltigkeitsbezogenen Einschätzung von ökonomischen Aktivitäten bei gleichzeitig aktuell unzureichender Datenlage ist eine Ausweitung der Berichtspflicht zu ESG Faktoren in Unternehmen und Lieferketten absehbar.

Für die Berichterstattung existiert eine Vielzahl von Rahmenwerken.27) In Deutschland sind insbesondere der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) der Bundesregierung und die vom Global Sustainablity Standards Board (GSSB) herausgegebenen GRI-Standards (GRI-SRS) bekannt. Speziell der DNK wurde bei der Einführung der gesetzlichen Pflichtberichterstattung von Bankenverbänden empfohlen.28)

Externe Prüfung erhöht Glaubwürdigkeit

Der DNK besteht aus 20 Kriterien, die sich in "Strategie" (4 Kriterien), Prozessmanagement (6 Kriterien), Umwelt (3 Kriterien) und Gesellschaft (7 Kriterien) unterteilen. Die Berichterstattung erfolgt nach dem Comply-or-Explain-Prinzip. Die GRI-SRS bestehen aus drei universellen Standards (100er-Reihe) plus themenspezifischen Standards zu Ökonomie (200er-Reihe), Ökologie (300er-Reihe) und Soziales (400er-Reihe). Bei den themenspezifischen Standards kann der Berichterstatter zwischen einer umfassenden oder eingeschränkten Berichterstattung wählen.

Sowohl der DNK als auch die GRI-SRS ermöglichen den Anwendern, sich strukturiert mit individuellen nachhaltigkeitsbezogenen Aspekten auseinanderzusetzen und sich sukzessive in die Thematik einzuarbeiten. Eine unabhängige externe Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einen (genossenschaftlichen) Prüfungsverband erhöht die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die internen und externen Adressaten des Berichts haben so eine fundierte Grundlage zur Einschätzung der unternehmerischen Ausrichtung zu Nachhaltigkeitsaspekten auch im Kontext einer gesteigerten öffentlichen und aufsichtlichen Aufmerksamkeit.

In diesem Jahr erwartet die Aufsicht, dass sich die beaufsichtigten Institute mit dem Merkblatt auseinandersetzen und ihre Aktivitäten dokumentieren. Durch ein Projekt mit entsprechenden Projektverantwortlichen können die Voraussetzungen zu einem adäquaten Umgang mit den Anstößen des Merkblatts geschaffen werden. Dies kann einem fundierten Austausch mit der Aufsicht und der Vorbereitung auf weitere regulatorische Vorgaben dienen.

Im doppelten Sinne nachhaltig

Auf Basis der Anstöße aus dem BaFin-Merkblatt sowie der weiteren Veröffentlichungen von BaFin und EBA bietet das Jahr 2020 den - wenn auch knapp bemessenen - Zeitraum, um sich auf verpflichtende Anforderungen vorzubereiten. Als ein wertvolles Instrument zur konzeptionellen und fundierten Vorgehensweise können dabei ein (erweitertes) Nachhaltigkeitsmanagement und die Nachhaltigkeitsberichterstattung dienen.

Nachhaltigkeitsrisiken und die damit einhergehenden Handlungsfelder werden von Kreditinstituten ein grundlegendes Überdenken des gegenwärtigen Geschäftsmodells erfordern. Bei der gesamtunternehmerischen Umsetzung müssen Kunden, Mitarbeiter, Stakeholder und Aufsichtsrat einbezogen und auch der Führungsstil des Unternehmens hinterfragt werden. Dieser Prozess sollte mit Bedacht, aber konsequent angegangen werden, um Institute im doppelten Sinne nachhaltig auszurichten.

Fußnoten

1) Vgl. EBA Action Plan on Sustainable Finance, 6. Dezember 2019 (EBA Action Plan).

2) Vgl. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de; zuletzt abgerufen am 6. Januar 2020.

3) Vgl. A call for action, April 2019, S. 22.

4) Vgl. Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, 20. Dezember 2019, S. 7 (BaFin-Merkblatt).

5) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 10 f.

6) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 11.

7) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 11.

8) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 11.

9) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 11 f.

10) https://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf (Deutsche Übersetzung); zuletzt abgerufen am 7. Januar 2020.

11) Siehe Übersichtsseite der Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC): https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement; zuletzt abgerufen am 7. Januar 2020.

12) Vgl. Taxonomy Technical Report, June 2019 (Taxonomie), S. 14.

13) Vgl. Taxonomie, S. 11 und BaFin, Merkblatt, S. 15.

14) Vgl. Anschreiben zur Veröffentlichung des Ba-Fin-Merkblatts.

15) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 6.

16) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 7.

17) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 7.

18) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 15.

19) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 18.

20) Zur Definition siehe AT 4.4.1 Tz. 1 der MaRisk.

21) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 20.

22) Vgl. BaFin, Perspektiven - Ausgabe 2 | 2019, S. 11.

23) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 32.

24) Vgl. BaFin-Merkblatt, S. 30 ff. m. w. N.

25) Vgl. Erwägungsgrund 3 der RL 2014/95/EU ("CSR-Richtlinie").

26) Vgl. Erwägungsgrund 3 der RL 2014/95/EU ("CSR-Richtlinie").

27) Vgl. Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen der EU Kommission, (2017/C 215/01).

28) https://bankenverband.de/newsroom/presseinfos/private-banken-und-rat-fur-nachhaltige-entwicklung-arbeiten-zusammen/ (Abruf: 4. Januar 2020); https://www.forum-csr.net/default.asp?News=7760 (Abruf: 4. Januar 2019); BVR, Rundschreiben vom 3. August 2017 (downloadbar im Mitgliederbereich der Website des BVR).

Volker Hartke Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Referent Grundsatzfragen Rechnungslegung und Praxisorganisation, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Hannover
Matthias Kuhn Spezialist Gesamtbanksteuerung, Awado GmbH, Hannover
Dr. Benjamin Wilhelm Referent Gesamtbanksteuerung, Awado GmbH, Düsseldorf
Volker Hartke , Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Referent Grundsatzfragen Rechnungslegung und Praxisorganisation, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Hannover
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