Der Einsatz Künstlicher Intelligenz in Banken aus Managementperspektive

Univ.-Prof. Dr. Arnd Wiedemann Foto: A. Wiedemann

Im Rahmen der Digitalisierung im Bankgewerbe erwarten die Autoren nicht zuletzt durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und der Blockchain-Technologie erheblichen Einfluss auf die Geschäftsmodelle und auf die Effizienz der Branche. Sie gehen auf schon praktizierte und sich abzeichnende Ausprägungsformen Künstlicher Intelligenz in der Bank ein, lenken den Blick auf das datenschutzrechtliche Umfeld und verweisen auf den Einsatz der Blockchain-Technologie als Möglichkeit zur Stärkung des Vertrauensschutzes im Umgang mit persönlichen Daten. Als Konzept zur systematischen Erfassung der Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz bringen sie die Risk Governance ins Spiel. (Red.)

Die Digitalisierung führt zu einer Veränderung von Geschäftsmodellen und wirkt sich auf zahlreiche Prozesse innerhalb von Banken aus. Sie bedeutet einen Paradigmenwechsel, denn viele Geschäftstätigkeiten werden von der real-physischen in die virtuelle Welt verlagert.1) Die Digitalisierung ist auch Teil des aufsichtlichen Überwachungsprozesses, denn im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) beurteilen die Aufsichtsbehörden auch das Geschäftsmodell und dessen Zukunftsfähigkeit. Im Extremfall kann ein "anfälliges" Geschäftsmodell zu zusätzlichen Kapitalanforderungen führen.2)

Primär wird die Digitalisierung aber von der Kundenseite getrieben, die die Möglichkeit der digitalen Abwicklung ihrer Bankgeschäfte neben dem klassischen Filialbesuch als selbstverständlich voraussetzen.3) Die veränderten Vorstellungen der Kunden hinsichtlich Service, Qualität, Schnelligkeit und Einfachheit von Bankgeschäften gehen einher mit einer rückläufigen Loyalität der Kunden gegenüber etablierten Instituten. Gerade neu aufkommende Technologien beschleunigen den Umbruch an der Kundenschnittstelle.4) Eine wesentliche Rolle wird hierbei der Künstlichen Intelligenz (KI) zugesprochen, in der gut die Hälfte der Entscheider in Banken großes Potenzial für Anwendungen sehen.5)

Ausprägungsformen Künstlicher Intelligenz in Banken

Obwohl der Einsatz Künstlicher Intelligenz in Banken erst in der jüngeren Vergangenheit an Relevanz gewonnen hat, verfügt die Thematik selbst über eine vergleichsweise lange Historie. Bezeichnend ist auch, dass sich bis heute keine universell geltende Definition durchgesetzt hat.6)

Gemäß McCarthy, der den Begriff erstmals 1956 nutzte, ist das Ziel der Künstlichen Intelligenz, Maschinen zu entwickeln, die sich so verhalten, als würden sie über menschliche Intelligenz verfügen.7) Russel und Norvig definieren Künstliche Intelligenz als ein System, das wie ein Mensch denkt und handelt.8) Die Encyclopedia Britannica beschreibt Künstliche Intelligenz als die Fähigkeit von Computern oder computergesteuerten Robotern, Aufgaben zu lösen, die mit den höheren intellektuellen Verarbeitungsfähigkeiten von Menschen in Verbindung gebracht werden.9) Rich et al. definieren Künstliche Intelligenz als die Forschung, ob und wie Computer Aufgaben übernehmen können, die der Mensch derzeit noch besser kann.10)

Die verschiedenen Definitionen eint, dass die Künstliche Intelligenz sich an der menschlichen Intelligenz orientiert. Dabei werden unter Künstlicher Intelligenz eine Vielzahl von Teildisziplinen zusammengefasst, die sich in unterschiedlichem Ausmaß für den Einsatz in Banken eignen (siehe Abbildung).

Aufgrund ihrer Relevanz für den Einsatz in Banken wird der Fokus im Folgenden auf das Natural Language Processing (NLP) als Teildisziplin des Konnektionismus sowie auf das Maschinelle Lernen und dessen Ausprägungsformen gelegt.

NLP beschäftigt sich mit Techniken zum Lernen, Verstehen und Erstellen menschlicher Sprachinhalte.11) Die derzeit bekanntesten NLP-Systeme sind Apples Siri und Amazons Echo.12) Anwendungen des NLP im Bereich des Bankings sind häufig Chatbots, die im Kundenservice eingesetzt werden.13)

Chatbots sind Software-Anwendungen, die die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine ermöglichen.14) Sie stellen in erster Linie dialogbasierte Benutzerschnittstellen dar und verknüpfen Suchfunktionalitäten mit Aktionen und Informationen. Sie sollen für den Anwender eine Erleichterung bei der Durchführung von Bankgeschäften bieten. Ihr Erfolg hängt maßgeblich davon ab, welchen Nutzen sie stiften. Gemessen an ihren heutigen Fähigkeiten eignen sich Chatbots insbesondere für Routineaufgaben mit häufig wiederkehrenden Fragestellungen und einem begrenzten Set von Antwortmöglichkeiten.15) Der Nutzer kann mit dem System per Sprachsteuerung oder Texteingabe kommunizieren.16) Laut einer aktuellen Studie sammelt derzeit jede fünfte Bank Erfahrungen mit Chatbots.17)

Natural Language Processing

International nehmen die Bank of America und die Royal Bank of Scotland eine Vorreiterrolle ein. Erstgenannte hat einen Bot mit Namen "Erica" im Einsatz. Der Dialog zwischen Kunde und Bot erfolgt über Text- oder Stimmeingabe.18) Das Ziel ist, dem Kunden eine persönliche Interaktion mit seinem Konto zu ermöglichen.19) Mit Erica kann der Kunde Kontodaten abrufen, Überweisungen tätigen und Termine mit der Bank vereinbaren. Zukünftig sollen die Kunden auch Informationen über anstehende Rechnungen sowie Budgetinformationen erhalten und der Bot soll Empfehlungen über mögliche Einsparpotenziale geben.20)

Die Royal Bank of Scotland hat 2016 den kognitiven Chatbot "Luvo" eingeführt, um den Kundenservice von Routineanfragen zu entlasten. Luvo filtert die Fragen und leitet nur komplexere Fragestellungen an Mitarbeiter weiter. Einfache Fragen werden von Luvo via Chat beantwortet. Zukünftig ist es das Ziel, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz Probleme für Kunden zu identifizieren, bevor sie auftreten, um diese zu vermeiden.21) Der Einsatz von Chatbots in deutschen Instituten ist bisher nicht weit verbreitet, sodass hier noch Nachholbedarf besteht.22)

Bisher überwiegend Routinetätigkeiten

Die Beispiele zeigen, dass im Bereich von NLP bisher überwiegend Routinetätigkeiten übernommen werden, die keinen ausgeprägten Individualisierungsgrad aufweisen. Daraus ergeben sich implizit die Vor- und Nachteile der Anwendung von Chatbots. Sie ermöglichen Kunden unkomplizierten und schnellen Zugriff auf die gewünschten Anwendungen und sind für die Banken kostengünstig in der Nutzung. Ihr Einsatz ist aber auch mit Nachteilen und Risiken verbunden. Der aktuelle Stand der Technik ermöglicht nur die Übernahme von Routinetätigkeiten. Bei komplexeren Fragestellungen kommen Chatbots derzeit noch schnell an ihre Grenzen. Zudem verfügen Chatbots bisher nicht über emotionale Komponenten, die einen wesentlichen Faktor der Kundenkommunikation darstellen. Darüber hinaus müssen große Datenmengen gesammelt werden, um ihre Fähigkeiten zu verbessern und zielgerichtete Antworten geben zu können. Hierbei ist auch der Datenschutz zu berücksichtigen. In jedem Fall müssen die Kunden informiert werden.23)

In Zukunft dürften sich im Bereich des NLP auf Basis einer besseren Datenverarbeitung substanzielle Fortschritte erzielen lassen, insbesondere in Kombination mit den Fortschritten im Bereich des Maschinellen Lernens. Die bestehenden Probleme im Bereich der Semantik, Kontexteinordnung und des Wissens erfordern jedoch noch erhebliche Verbesserungen im Bereich der Linguistik und Schlussfolgerung, sodass in naher Zukunft weiterhin nur Routinetätigkeiten übernommen werden können.24)

Maschinelles Lernen

Eine Schnittstelle zum NLP stellt das Maschinelle Lernen dar. Diese Teildisziplin der Künstlichen Intelligenz verzeichnet aktuell die bedeutendsten Fortschritte. Maschinelles Lernen ist ein multidisziplinäres Feld, welches das Ziel verfolgt, dass ein Programm seine Leistungsfähigkeit durch zunehmende Erfahrung verbessert.25) Maschinelles Lernen basiert auf Algorithmen, die das Generieren von Wissen aus Daten ermöglichen.26) Aufbauend auf diesem Wissen verfolgt das Maschinelle Lernen das Ziel, zukünftige Daten vorherzusagen beziehungsweise als Unterstützung für die Entscheidungsfindung unter Unsicherheit zu dienen. 27) Die Einsatzmöglichkeiten des Maschinellen Lernens in Banken sind vielfältig. Sie erstrecken sich über den algorithmenbasierten Handel mit Wertpapieren, die Betrugserkennung, die Risikoeinschätzung und Genehmigung von Krediten bis hin zur "Robo-Beratung".28)

Der algorithmenbasierte Handel mit Wertpapieren ermöglicht zum Beispiel die effiziente Abwicklung großer Handelsaufträge, sodass die Kosten sinken und die potenzielle Quantität der Handelsaktivitäten zunimmt.29) An der Deutschen Börse wurden alleine im Oktober 2017 über zehn Millionen Aktientransaktionen im elektronischen Orderbuch ausgeführt. Solche Volumina wären im manuellen Handel nicht zu bewältigen.30) Ein wesentlicher Vorteil wird auch in der effizienten Preisgestaltung von Wertpapieren gesehen. Der algorithmenbasierte Handel reduziert die Arbitragemöglichkeiten und verbessert so die faire Preisfindung. 31) Kritisch wird allerdings gesehen, dass der algorithmenbasierte Handel zu einer Verstärkung kurzfristiger Markttrends und damit zu einer erhöhten Volatilität führen kann.32)

Das Maschinelle Lernen ermöglicht darüber hinaus auch, dass mit geringem Ressourcenaufwand Unregelmäßigkeiten in Zahlungsprozessen, zum Beispiel bei Kreditkartenabrechnungen, aufgedeckt werden können. Die Vorhersagemodelle erhöhen die Trefferquote in der Betrugserkennung.33) Maschinelles Lernen kann ebenfalls in Complianceprozessen genutzt werden. Eine optimierte Mustererkennung von Geldwäsche durch überwachtes Lernen erfolgt anhand historischer, begründeter Verdachtsmitteilungen, auf deren Basis der Algorithmus trainiert wird. Die Maschine lernt von unterschiedlichen Mitarbeitern, wie Geldwäschemuster in den Daten erkannt werden können.34) Eine Vorreiterrolle hat hier die britische HSBC inne, die ein solches System bereits zur Erkennung und Verhinderung von Geldwäsche nutzt.35) Dabei ist sicherzustellen, dass die im Rahmen des gesetzlichen Auftrags der Geldwäscheprüfung genutzten und gewonnenen Daten keine anderweitige Verwendung finden und dass Banken nicht auf Daten außerhalb ihres Verantwortungsbereiches zurückgreifen.36)

Entwicklung verbesserter Risikoindikatoren

Darüber hinaus kann Maschinelles Lernen dazu beitragen, verbesserte Risikoindikatoren, beispielsweise im Bereich des Kreditrisikomanagements, zu entwickeln.37) Auf Basis historischer Kundendaten ist es mithilfe des Maschinellen Lernens möglich, die Kreditwürdigkeit von neuen Kunden zu prognostizieren und Vorhersagemodelle für Kreditausfallwahrscheinlichkeiten zu optimieren.38) Der Einsatz Künstlicher Intelligenz kann allerdings zur Benachteiligung einzelner Kunden führen, da eine individuelle Betrachtung in weiten Teilen des Kreditprozesses noch nicht umsetzbar ist.39)

Ein weiteres Anwendungsfeld des Maschinellen Lernens ist die Robo-Beratung. Robo-Berater stellen eine vollautomatisierte Kundenschnittstelle dar, die auf Basis der Kundenangaben Portfoliozusammensetzungen per Algorithmus erstellen und gegebenenfalls verwalten.40) Diese Systeme eignen sich zur digitalen Vermögensverwaltung, die neben dem Portfoliomanagement auch den Bereich der Wertpapierberatung umfasst.41) Je nach individueller Risikoneigung, finanzieller Situation und Anlagewunsch des Investors kalibriert der Robo-Berater auf Basis eines Algorithmus Anlage- und Portfoliostrategien.42) In Kombination mit einem digitalen Vertrieb sinken die Beratungskosten im Vergleich zur Betreuung durch einen Anlageberater, sodass damit auch Anleger Zugang erhalten, für die bisher aufgrund ihrer Anlagevolumina die Kosten zu hoch waren.43)

Im Fokus der derzeitigen Generation der Robo-Berater stehen kostenminimierende Lösungen und eine vereinfachte Vermögensverwaltung.44) Entsprechend weisen die generierten Portfolios nur einen geringen Individualisierungsgrad auf.45) Die nächste Generation von Robo-Beratern könnte bereits aufwendigere Lösungen bieten, in denen im Rahmen des vollautomatisierten Beratungsprozesses individuelle Wünsche der Kunden stärker in die Lösungsfindung des optimalen Anlageportfolios integriert werden.46)

Generell hängt die Qualität der Ergebnisse des Maschinellen Lernens von der Qualität der Inputdaten ab. Ohne adäquate Datenqualität lernt die Maschine falsch und generiert fehlerhafte Ergebnisse.47) Die Methoden des maschinellen Lernens bergen zudem die Herausforderung, dass sie für den Anwender in vielerlei Hinsicht nicht nachvollziehbar sind. Sie gelten als Black Boxes, da der Anwender keine direkte Möglichkeit hat, zu erfahren, warum beziehungsweise wie der Algorithmus seine Entscheidung getroffen und das Ergebnis generiert hat.48) Hauptursache dafür ist, dass die Ein- und Ausgabewerte stark nichtlinear und auf sehr komplexe Weise miteinander verknüpft sind.49) Die Methoden des Maschinellen Lernens sind zudem nur so gut wie der menschliche Anwender, der die notwendige Expertise und Beurteilungsfähigkeit der Ergebnisse aufweisen muss.50)

Datenschutzrechtliche Implikationen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz

Im Zentrum der Nutzung Künstlicher Intelligenz in Banken steht die Verwendung von Kundendaten.51) Entsprechende Voraussetzung zur Nutzung dieser Kundendaten ist die Einhaltung rechtlicher Datenschutzvorgaben.52) Der Datenschutz regelt neben der Zulässigkeit der Datenerhebung auch deren Verarbeitung und die Nutzung personenbezogener Daten und soll vor Datenmissbrauch schützen.53)

Vor dem Hintergrund der 2018 eingeführten Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird deutlich, dass sich der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Individualisierung bewegt. Zwar wird der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der DSGVO nicht explizit geregelt, jedoch finden sich Regelungen zu automatisierten Einzelentscheidungen, die auch den Umgang mit "Profiling" regeln. 54) Diese Regelungen werden in Artikel 22 DSGVO ausgeführt. Dabei liegt Profiling dann vor, wenn eine natürliche Person einer Entscheidung unterworfen wird, die ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruht und die eine rechtliche Wirkung für die betroffene Person entfaltet oder sie in ähnlicher Weise beeinträchtigt, wie die automatische Ablehnung eines Online-Kreditantrags. Ausgenommen sind lediglich Verarbeitungen, die nach Unionsrecht ausdrücklich zulässig sind.55) Profiling ist also gegeben, wenn anhand von personenbezogenen Daten eine Kategorisierung vorgenommen wird und auf Basis dieser Kategorisierung Entscheidungen getroffen werden.56)

Als darüber hinaus problematisch für den Einsatz Künstlicher Intelligenz kann sich Artikel 5 Abs. 1c DSGVO herausstellen, da personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen. Diese "Datenminimierung" steht konträr zur Idee des Maschinellen Lernens, das auf eine möglichst große Datenmenge zugreifen möchte, um die Qualität der Ausgabewerte zu verbessern. Je mehr Daten als Basis zur Verfügung stehen, desto umfangreicher sind die Möglichkeiten, neue Informationen und Zusammenhänge aus diesen Daten zu ermitteln und zu verarbeiten.57)

Eine datenschutzadäquate Nutzung von Kundendaten

Eine datenschutzadäquate Nutzung von Kundendaten kann die Pseudonymisierung ermöglichen. Diese ist gemäß Artikel 25 Absatz 1 DSGVO dazu geeignet, die Datenminimierung wirksam umzusetzen und die Rechte der betroffenen Personen zu schützen. Als Ausprägungsform bietet sich das Privacy-Preserving Data Mi ning an. Dabei werden pseudonymisierte beziehungsweise anonymisierte Daten kreiert, die Anwendungen Künstlicher Intelligenz auch ohne den Rückgriff auf persönliche Daten ermöglichen.58) Der Unterschied zwischen pseudonymisierten und anonymisierten Daten besteht darin, dass erstere durch Hinzuziehung gesondert aufbewahrter Informationen wieder Rückschlüsse auf individuelle Personendaten zulassen. Dies ist bei anonymisierten Daten nicht möglich.59) Bedeutend in diesem Kontext ist mit Blick auf die Analyse von Daten durch Algorithmen der Erwägungsgrund 26 der DSGVO. Wenn ursprünglich personenbezogene Daten durch die irreversible Entfernung des Personenbezugs anonymisiert werden, fallen diese Daten nicht in den Geltungsbereich der DSGVO.60)

Es bleibt somit abzuwarten, ob die Künstliche Intelligenz zukünftig verstärkt in der überarbeiteten DSGVO Beachtung finden wird und dieser angemessen Rechnung trägt.61) Bis dahin bewegt sie sich weiter im Spannungsfeld zwischen Individualisierung zur optimierten Datenverarbeitung und Anonymisierung im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen, da nicht alle im Rahmen der Kundenbeziehung verfügbaren sowie zusätzlichen externen Daten ohne die Einwilligung des Kunden verwendet werden dürfen, was die Umsetzung von Lösungen Künstlicher Intelligenz in Banken erschwert.62) Eine Möglichkeit zur Stärkung des Vertrauensschutzes im Umgang mit persönlichen Daten kann der Einsatz der Blockchain- beziehungsweise Distributed-Ledger-Technologie bieten. 63) 64)

Funktionsweise der Blockchain-Technologie

Die Blockchain-Technologie kann als eine chronologische Datenbank von Transaktionen betrachtet werden.65) Gemäß der Bezeichnung werden einzelne Transaktionen in Blöcken strukturiert gespeichert und mit einer kryptografischen Signatur, dem sogenannten "Hash" versehen.66) Die Blockchain basiert dabei auf einem Peerto-Peer-Netzwerk gleichberechtigter Mitglieder.67) Speicher- und Rechnerkapazitäten der Blockchain befinden sich entsprechend nicht auf einem zentralen Rechner beziehungsweise einer zentralen Datenbank, sondern verteilen sich auf die teilnehmenden Rechner.68) Jeder Rechner stellt eine Schnittstelle zum Netzwerk der Blockchain dar, die als "Node" bezeichnet wird und jede Node enthält eine vollständige Kopie der gesamten Blockchain.69)

Die Datenbank der Blockchain kann nur durch Hinzufügen von gesammelten, validen Transaktionen verändert werden.70) Jeder neue Block referenziert auf den vorherigen und ist erst dann validiert, wenn sämtliche Nodes im Netzwerk einen Konsens über die Gültigkeit der Transaktion erzielt haben.71) Dieser Konsens kann nur erreicht werden, wenn der neue Block die jeweils aktuellen Transaktionen sowie den korrekten Hash-Algorithmus des Vorgängerblocks beinhaltet.72) Der neue Block wird daraufhin mit einem Hash-Algorithmus vor Veränderungen geschützt und mit dem Hash-Wert des vorherigen Blocks verbunden. Der neu entstandene und geprüfte Block wird an alle Nodes des Netzwerkes verteilt. Eine nachträgliche Manipulation ist nur unter exorbitantem Aufwand möglich, wohingegen die Teilnehmer des Netzwerkes mit geringem Aufwand prüfen können, ob die Lösung korrekt ist und eine valide Blockchain vorliegt.73)

Für die Finanzbranche eröffnet die Blockchain-Technologie unterschiedliche Potenziale. Die Nutzung der Blockchain-Technologie bringt zum einen Kosteneinsparungen mit sich.74) Bei Zahlungsverkehrslösungen, die auf der Blockchain-Technologie basieren, können die Transaktionskosten deutlich gesenkt werden, da ihr Einsatz weniger ressourcenintensiv ist.75) Hinzu kommt, dass durch die kürzeren Abwicklungszeiten eine höhere Prozesseffizienz erreicht und das Kontrahenten- und Wechselkursrisiko minimiert wird.76) Die Technologie ermöglicht durch ihre systemimmanente Bestätigung von Transaktionen den direkten Handel zwischen zwei Parteien, ohne dass es einer zentralen Institution zur Abwicklung bedarf.77)

Potenziale der Blockchain-Technologie in Banken

Der Einsatz der Blockchain-Technologie bietet auch vielversprechende Potenziale im Bereich des Handels mit Wertpapieren.78) Analog zum Zahlungsverkehr erfolgt auch hier die Abwicklung der Transaktionen innerhalb kürzester Zeit, wodurch operationelle, Kredit- und Ausfallrisiken minimiert werden.79) Der Wegfall einer zentralen Clearingstelle führt ebenfalls zu einer Komplexitäts- und Kostenreduktion.80) Bei vollständiger Nutzung der Blockchain-Technologie könnten im Wertpapiergeschäft die Handels-, Clearing- und Settlement-Funktionen komplett entfallen.81)

Generell steigt durch die Blockchain-Technologie die Transparenz, da im Trans aktionsbuch alle getätigten Transaktionen gespeichert werden.82) Durch die Verteilung auf dezentrale Nodes entsteht eine redundante Datenbank, die auch dann funktionsfähig bleibt, wenn ein einzelner Node ausfällt. Außerdem stellt die Technologie sicher, dass die Datenbank eine rückwirkende Unveränderbarkeit aufweist.83)

Smart Contracts

Weiteres Nutzungspotenzial bieten "Smart Contracts". Smart Contracts sind selbstausführende Verträge und zeichnen sich durch drei Eigenschaften aus: Sie sind autonom, autark und agieren dezentralisiert.84) In Smart Contracts agiert die Maschine in der Blockchain ohne menschliches Eingreifen.85) Die Vertragsparteien legen die Vertragsbedingungen mithilfe eines Softwarecodes fest. Sobald die im Vertrag festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, wird automatisch die vertraglich vereinbarte Aktion durchgeführt, ohne dass eine menschliche Handlung notwendig ist.86) Diese Autonomie und die dezentrale Anwendung im Netzwerk der Blockchain führt dazu, dass die Vertragsparteien durch fehlende Intermediäre Kosten sparen.87)

Aber auch die Nutzung der Blockchain-Technologie kann sich durch datenschutzrechtliche Vorgaben als problematisch erweisen. In Verträgen muss die Nachverfolgbarkeit einer Person in der Regel möglich sein. Bei anonymen Blockchain-Systemen wäre dies nicht gegeben. Gängigerweise werden Identitäten in der Blockchain jedoch pseudonymisiert, sodass eine Zuordnung der Daten möglich ist.88) Bei Pseudonymität ist allerdings eine Einwilligung der Kunden zur öffentlichen Hinterlegung der Daten erforderlich. Für diesen Fall besteht das Risiko, dass die Identität zum Beispiel durch Hackerangriffe aufgedeckt wird.89)

Zusätzliche Beachtung muss auch Artikel 17 DSGVO finden. Dieser Artikel räumt das Recht ein, personenbezogene Daten zu löschen, wenn diese zur Zweckerreichung nicht mehr notwendig sind. Dies steht jedoch im Widerspruch zur rückwirkenden Unveränderbarkeit der Blockchain. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive positiv zu bewerten ist die Möglichkeit der Partizipation der Aufsicht als Kontrollorgan in Form eines Node im Netzwerk.90) Der Einsatz der Blockchain-Technologie bietet viele Potenziale, den Wandel in der Finanzbranche anzutreiben.91) Neben den datenschutzrechtlichen Unwägbarkeiten muss allerdings angemerkt werden, dass die Nutzung der Blockchain-Technologie mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden ist, der sowohl aus Kosten- als auch aus Umweltperspektive kritisch zu beurteilen ist.92)

Für eine umfassende und abschließende Beurteilung des Einsatzes von Verfahren der Künstlichen Intelligenz und der Blockchain-Tech nologie im Speziellen eignet sich in besonderen Maße das Risk-Governance-Konzept.93)

Risk Governance als stakeholderorientiertes Konzept

Mit Risk Governance wird das Ziel verfolgt, die Interessen sämtlicher relevanter Stakeholder in der Geschäftsstrategie abzubilden und ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu implementieren.94) Dabei wird das Geschäftsmodell laufend auf Risikobedrohungen überprüft, die sich aus Umweltveränderungen ergeben können, um es auf diese Weise nachhaltig risikorobust aufzustellen.95) Die Digitalisierung stellt eine solche Umweltveränderung dar. Durch die umfassende Antizipation potenzieller Risikobereiche für das unternehmerische Geschäftsmodell und eine Abschätzung der mit ihnen verbundenen Risikofolgen trägt das Konzept der Risk Governance dazu bei, ausbalancierte Entscheidungen zu treffen und auf Veränderungen frühzeitig und insbesondere ganzheitlich unter Abwägung der Interessen aller Stakeholder zu reagieren.96)

Aus der internen Perspektive der Bank ergeben sich insbesondere Kosten- und Effizienzvorteile. Das Interesse der Kunden besteht wie aufgezeigt in verbessertem Service, Qualität, Schnelligkeit und Einfachheit der angebotenen Produkte.97) Darüber hinaus erwarten Kunden einen vertrauensvollen Umgang mit ihren persönlichen Daten. Die Relevanz des Verbraucherschutzes wird im Zuge der Digitalisierung weiter zunehmen und Banken dazu zwingen, diesen in ihre Unternehmens- und Risikokultur zu integrieren.98) Diesen Fokus setzt auch der Gesetzgeber, der in Form der DSGVO einen Rechtsrahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten geschaffen hat. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber in der Pflicht, einen geeigneten Kontrollrahmen für Verfahren der Künstlichen Intelligenz festzulegen.

Ausblick

Das Konzept der Risk Governance zeichnet sich durch seine systematische Verbindung zur Risikokultur aus. Im Rahmen seiner Aufgaben wird unter anderem explizit die Funktion der Forschung und Entwicklung und die Beratung der Geschäftsleitung mit besonderem Fokus auf Chancen und Risiken gelegt. Diese Aufgaben (und weitere) werden in der Risk-Governance-Effektivität gebündelt und mit der Risikokultur zur Unternehmenseffektivität zusammengeführt. Damit steht ein Rahmenkonzept zur Verfügung, das gerade diejenigen Risiken systematisch ins Blickfeld rückt, die im Rahmen des operativen und damit eher mechanistischen Risikomanagements, das sehr stark auf standardisierte Modelle und Prozesse abstellt, nicht oder nur am Rande betrachtet werden.

Die Digitalisierung und ihre Ausprägungsformen führen zu einem Paradigmenwechsel in der Finanzbranche. Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz und der Blockchain-Technologie im Speziellen er schließen sich für Banken neue Potenziale. Anwendungen der Künstlichen Intelligenz können bereits heute standardisierte Prozesse übernehmen und diese kosteneffizienter gestalten. Gleiches gilt für die Blockchain-Technologie, die neben Komplexitäts- und Kostenreduktion auch zu Effizienzverbesserungen führen kann.

Neben der technologischen Fortentwicklung gilt es zukünftig verstärkt auch eine managementorientierte Perspektive für den Einsatz von Verfahren und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in den Fokus zu nehmen, um frühzeitig Chancen und Risiken systematisch zu evaluieren. Mit seinem expliziten Bezug auf die Stakeholder und das Geschäftsmodell erscheint das Konzept der Risk Governance in besonderem Maße geeignet, diese Aufgabe übernehmen und ausfüllen zu können.

Fußnoten

1) Loebbecke 2006, S. 359.

2) European Banking Authority 2014, S. 182 ff.

3) Dapp 2015, S. 3 f.; Arts 2016, S. 17.

4) Beimborn/Wagner 2016, S. 171 f.

5) Krah 2017, S. 1.

6) National Science and Technology Council 2016, S. 5.

7) McCarthy 1998, S. 2.

8) Russell/Norvig 2009.

9) Ertel 2016, S. 2.

10) Rich et al. 2014.

11) Hirschberg/Manning 2015, S. 261.

12) Dapp 2015, S. 17.

13) Gentsch 2018, S. 32.

14) Kusber 2016, S. 232 f.

15) Henrich 2017, S. 73 f.

16) Betsche/Canstein 2018, S. 27.

17) Krah 2017.

18) Hudson 2018.

19) Kusber 2016, S. 240.

20) Hudson 2018.

21) Intelligent Business Machines 2016.

22) Leichsenring 2017.

23) Dietrich 2018.

24) Hirschberg/Manning 2015, S. 265 f.

25) Mitchell 1997, S. 2.

26) Jordan/Mitchell 2015, S. 255.

27) Murphy 2012, S. 1.

28) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 27.

29) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 150; Hendershott et al. 2011, S. 31.

30) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 147.

31) Chaboud et al. 2014, S. 2075; Brogaard et al. 2014, S. 2303.

32) Chaboud et al. 2014, S. 2075; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 152.

33) CyberSource 2016, S. 6.

34) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 88.

35) Irrera 2018.

36) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 90.

37) Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik 2018, S. 66.

38) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 63.

39) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 84.

40) Hölscher/Nelde 2018, S. 14; Gomber et al. 2017, S. 549.

41) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 140.

42) Fischer 2017, S. 185.

43) Dapp 2016, S. 2; Fischer 2017, S. 193.

44) Sironi 2016, S. 23.

45) Hölscher/Nelde 2018, S. 18.

46) Jung et al. 2018, S. 85.

47) CyberSource 2016, S. 7.

48) Dreyer/Schulz 2018, S. 45.

49) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 37.

50) CyberSource 2016, S. 7.

51) Klein 2018, S. 24; Militzer 2018, S. 21.

52) Leonhardt 2017, S. 53 f.

53) Neckel/Knobloch 2015, S. 121.

54) BITKOM 2017, S. 133.

55) vgl. Erwägungsgrund 71 (Die Erwägungsgründe stellen zwar selbst keine Regelungen dar, beinhalten aber die Motive zur und Gründe für die Einführung der entsprechenden Artikel und helfen bei der Auslegung der Artikel).

56) Goodman/Flaxman 2017, S. 3.

57) Hartmann 2018, S. 233.

58) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 184.

59) Bundesministerium des Innern 2017, S. 12.

60) BITKOM 2017, S. 132.

61) Conrad 2017, S. 743.

62) Leonhardt/Wiedemann 2017, S. 169 f.

63) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, S. 184.

64) Die Blockchain ist eine Variante der Distributed-Ledger-Technologie. Im weiteren Verlauf wird der Terminus Blockchain synonym für die Distributed-Leger-Technologie verwendet.

65) Peters/Panayi 2016, 242.

66) Buhl et al. 2017, S. 597.

67) Dixon 2016, S. 218.

68) Bornemann/Brandes 2018, S. 400.

69) Deubel et al. 2017, S. 830.

70) Wright/Filippi 2015, S. 6 f.

71) Holotiuk et al. 2017, S. 914.

72) Pilkington 2016, S. 5.

73) BITKOM 2016, S. 13.

74) Guo/Liang 2016, S. 5.

75) Buhl et al. 2017, S. 598 f.

76) Deubel et al. 2017, S. 840 f.; Schatt et al. 2016, S. 27.

77) Geiling 2016, S. 30.

78) BITKOM 2016, S. 53.

79) Condos et al. 2016, S. 15; Peters und Panayi 2016.

80) Holotiuk et al. 2017, S. 921; Reidel 2018, S. 157.

81) BITKOM 2016, S. 61.

82) Mills et al. 2016, S. 19.

83) Buhl et al. 2017, S. 599.

84) Romano/Schmid 2017, S. 3 f.

85) Wright/Filippi 2015, S. 10.

86) Pilkington 2016, S. 20.

87) Romano/Schmid 2017, S. 3.

88) Schatt et al. 2016, S. 35.

89) BITKOM 2016, S. 42 f.

90) BITKOM 2016, S. 61.

91) Mills et al. 2016, S. 34; Guo und Liang 2016, S. 11.

92) Schatt et al. 2016, S. 36.

93) Stein/Wiedemann 2016, www.riskgovernance. de.

94) Wiedemann/Stein 2017, S. 237 f.

95) Stein/Wiedemann 2016, S. 813 ff.

96) Stein/Wiedemann 2016.

97) Beimborn/Wagner 2016, S. 171 f.

98) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie et al. 2017, S. 15 f.; Verbraucherzentrale Bundesverband 2014.

Ein umfassendes Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag können Sie hier abrufen.

Univ.-Prof. Dr. Arnd Wiedemann Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement und Gründungsvorstand der Universität Siegen Business School, Sprecher der Forschergruppe "Risk Governance" Universität Siegen
Julian Quast Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement, Universität Siegen
Univ.-Prof. Dr. Arnd Wiedemann , Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement , Universität Siegen

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