Finanzdienstleister im Bereich des Robo-Advice - Nachfrage und Regulierung

Prof. Dr. Andreas Horsch, Foto: TU Bergakademie Freiberg (Detlev Müller)

Der vorliegende Beitrag ist der zweite Teil eines Beitrags, der den Markt für Robo-Advisory tiefgehend analysiert. Der erste Beitrag in Ausgabe 03/2020 beschäftigte sich mit der Angebotsseite des Marktes. Dieser Teil des Beitrags befasst sich mit der Nachfrageseite und insbesondere mit der Regulierung dieses Segments. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die vielfältigen Arten der RAs eine einheitliche regulatorische Einordnung erschweren. Sie erwarten zudem einen Qualitätsgewinn durch steigende Erfahrung und vermuten dadurch, dass RAs die Bankberatung ergänzen oder gar verdrängen könnten (Red.)

Ungeachtet der dynamischen Entwicklung von Anbieterzahl und Geschäftsvolumina in der internationalen Betrachtung sind Robo-Advisor (RA) in Deutschland unverändert eine Quantité négligeable.1) So gaben 35 Prozent aller Probanden einer von PwC (2016) zum Privatkundengeschäft durchgeführten Studie an, dass sie Robo-Advice noch nie ausprobiert haben. Lediglich 4 Prozent bestätigten Robo-Advice zu nutzen, weitere 12 Prozent möchten es innerhalb eines Jahres testen. Insgesamt verbleiben aus dem Jahr 2016 circa 16 Prozent aller Probanden, welche sich mit dem Thema Robo-Advice bereits auseinandersetzen oder es nachfragen möchten.2)

Diese Situation scheint fortzubestehen: Im Vorfeld dieses Beitrags wurde eine netzgestützte Blitzumfrage mit 130 verwertbaren Datensätzen durchgeführt.3) Eines der Kernergebnisse war, dass lediglich 15 Prozent aller Probanden den Begriff des RA kennen. Die Zurückhaltung der deutschen Privatkunden im Bereich des Robo-Advice korrespondiert mit dem Anlageverhalten, das in Deutschland traditionell eher bank- als kapitalmarktorientiert ist. Auf die phasenweise stärkere Hinwendung der Kunden zu den Wertpapiermärkten folgten in den letzten zwanzig Jahren zwei Finanzmarktkrisen, die das Interesse schädigten und das Gros der Privatkunden erneut in Richtung traditioneller Anlageformen tendieren ließen.4) Dennoch gehen circa 90 Prozent der Banken davon aus, dass Robo-Advice im Rahmen der Kundenberatung stark an Bedeutung gewinnen wird.5)

Je weiter die Nachfrage nach Robo-Advice steigt, desto stärker sind nicht nur die Rückkopplungseffekte auf die Anbieterseite, sondern auch auf die Akteure, die für das Setzen und Durchsetzen von Marktregeln verantwortlich sind. Steigende Nachfrage bedeutet den Einbezug einer zunehmenden Zahl von Menschen, die aus Sicht eines normativen Regulierungsverständnisses schutzwürdig gegenüber etwaigen Missständen sein könnten. In der Folge haben sich in den letzten Jahren auch in Bezug auf die Herausbildung von Marktregeln für Fintechs im Allgemeinen und Robo-Advice-Unternehmen im Besonderen wichtige institutionelle Veränderungen vollzogen.

Regeln werden für klassische Intermediäre gemacht

Während das primäre Geschäftsmodell der RAs in der Erbringung digitaler, algorithmenbasierter Finanzdienstleistungen liegt, sind die geltenden Marktregeln für traditionelle Finanzintermediäre entworfen. Sofern Fintechs und speziell RA hierunter zu rubrizieren sind, gelten diese allgemeinen Regelwerke auch für sie. Hingegen existieren bisher weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene (aufsichtliche) Regelwerke, die speziell für die Geschäftsmodelle von Fintechoder gar Robo-Advice-Anbietern gestaltet wären.

In Deutschland wird die Erbringung von Finanzdienstleistungen (unabhängig davon, ob ein analoger oder digitaler Vertriebsweg vom Anbieter genutzt wird oder ob ausschließlich automatisierte Prozesse eingesetzt werden) vornehmlich durch das Kreditwesengesetz (KWG) sowie das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geregelt. Eine rechtliche Einordnung konkreter RA-Dienstleistungen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben gestaltet sich allerdings vor dem Hintergrund der in der Praxis vorzufindenden Vielfalt und Komplexität der verschiedenen RA-Geschäftsmodelle schwierig.6)

Trotz konkreter Einordnungsprobleme dürfte für den Großteil der RAs die Beantragung einer entsprechenden aufsichtsrechtlichen Erlaubnis des Geschäftsbetriebs nötig sein. Diese kann je nach konkreter Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs des RA entweder aufsichtsrechtlicher oder gewerbsmäßiger Natur sein.

Die aufsichtsrechtliche Erlaubnis nach § 32 KWG liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und ist, angelehnt an die Komplexität und den Umfang der erbrachten Dienstleistungen, mit einem quantitativ sowie qualitativ strengeren Pflichtenkatalog als die Gewerbeerlaubnis nach den Anforderungen in §§ 34 f, 34h Gewerbeordnung (GewO) versehen. Die Erlaubnis wird hierbei von den zuständigen Gewerbeämtern beziehungsweise Industrie- und Handelskammern der Bundesländer vergeben.7)

Definitionen zur besseren Einteilung

Eine Erlaubnis durch die BaFin ist - rechtsformunabhängig - immer dann erforderlich, wenn eine Finanzdienstleistung erbracht oder ein Bankgeschäft betrieben wird, die im Geltungsbereich des KWG entweder gewerbsmäßig8) oder alternativ in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb bedarf, durchgeführt wird (§ 32 I S. 1 KWG).9) Die Regelung des § 32 I KWG unterscheidet dabei i.V.m. § 1 Ia KWG vier wesentliche Anbieter- beziehungsweise Angebotsformen, die sich auf den Tätigkeitsbereich der RAs anwenden lassen, namentlich die Abschluss- und Anlagevermittlung, die Anlageberatung sowie die Finanzportfolioverwaltung10) , wobei für jede Kategorie gesonderte gesetzliche Anforderungen gelten.

Daneben gibt es auch RAs, die vollkommen unregulierte Tätigkeitsbereiche bedienen oder aber mit erlaubnispflichtigen Kreditinstituten kooperieren. Für die Zuordnung des konkreten RA-Geschäftsmodells zu einer der zuvor genannten Kategorien sind die folgenden Definitionen maßgeblich:11)

a. Abschlussvermittlung: Die Abschlussvermittlung nach § 1 Ia S. 2 Nr. 2 KWG umfasst die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Voraussetzung ist die Abgabe einer eigenen Willenserklärung als Vertreter des Kunden.

b. Anlagevermittlung: Demgegenüber steht die Anlagevermittlung gemäß § 1 Ia S. 2 Nr. 1 KWG, die sich durch reine Vermittlung von Finanzinstrumenten ohne direktes Handeln für den Kunden auszeichnet. Die Vorschläge des RA dienen der zielgerichteten Abschlussförderung, werden aber ohne konkrete Prüfung der individuellen Umstände des Kunden erarbeitet, sodass der RA lediglich eine Transferoberfläche bereitstellt und basierend darauf (als Bote) die Willenserklärung des Kunden weiterleitet. Werden Anleger und potenzielle externe Vertragspartner zwecks Vertragsschluss zusammengeführt, können (A) Abschluss- oder (B) Anlagevermittlung vorliegen. Entscheidend für die Einordnung ist, ob der RA eine eigene Willenserklärung als Kundenvertreter abgibt (A) oder als Bote für die des Kunden agiert (B).

c. Anlageberatung: Die Kombination aus beiden Formen findet sich in der Anlageberatung (§ 1 Ia S. 2 Nr. 1a KWG) wieder. Hierbei gibt der RA in der Regel eine nicht öffentliche Empfehlung unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen ab. Bei der Erstellung dieser persönlichen Empfehlung für den Kunden werden wertende Meinungselemente12) in die Auswahl der Finanzinstrumente einbezogen. Damit geht die Anlageberatung über die reine Information des Kunden hinaus. Zudem übernimmt der RA auch Rechtsgeschäfte zur Umsetzung der Finanztransaktionen im Auftrag des Kunden. Das vom RA vorgeschlagene Produktportfolio muss dabei den persönlichen Kundenumständen13) entsprechen.

d. Finanzportfolioverwaltung: Anders als die vorherige RA-Kategorie umfasst die Finanzportfolioverwaltung nach § 1 Ia S. 2 Nr. 3 KWG die Verwaltung einzelner Vermögen im Auftrag des Kunden, die auf Dauerhaftigkeit und Regelmäßigkeit der fortlaufenden Anlageentscheidungen und -transaktionen ausgerichtet ist. Der RA führt dabei alle Handlungen im Auftrag des Kunden und nicht auf eigenen Namen oder eigene Rechnung aus. Die zu verwaltenden Einzelkunden- und Gemeinschaftsdepots müssen zumindest Finanzinstrumente i. S. d. § 1 XI KWG enthalten.

Ermessensspielraum für RA spielt eine Rolle

Die Auswahl der Anlagestrategie erfolgt durch den Kunden, ihre Umsetzung dagegen eigenständig durch den RA, der bei der Depotverwaltung von Kundenanweisungen unabhängig ist. Für die Weisungsunabhängigkeit ist ein minimaler Ermessensspielraum des RA ausreichend, der bereits gegeben ist, wenn der Kunde Finanzinstrumente und deren Gewichtung vorgibt, aber dem RA die freie Umschichtung einräumt. Gleiches gilt, wenn der Kunde ein Vetorecht besitzt, der RA aber die Anlageentscheidung bindend ausführen kann, sollte der Kunde nicht rechtswirksam widersprechen. Hängt die wirksame Umsetzung von der ausdrücklichen Zustimmung des Kunden ab, muss das Vorliegen eines Ermessensspielraumes des RA verneint werden, es liegt dann keine Finanzportfolioverwaltung vor.

e. Vertraglich gebundene Vermittler: Dieser handelt gemäß § 2 X S. 1, 2 KWG auf Rechnung und unter Haftung eines mit diesem vertraglich verbundenen und inländisch tätigen Capital Requirements Regulation-(CRR)-Kreditinstituts oder Wertpapierhandelsunternehmens. Das RA-Unternehmen agiert damit innerhalb der vorhandenen Haftungsdachstruktur seines Kooperationspartners. Das haftende Partnerunternehmen ist zur Anzeige der eingegangenen Kooperation mit dem RA bei der BaFin verpflichtet. Die BaFin-Aufsicht erstreckt sich dann nur auf das anzeigende Unternehmen, nicht jedoch auf den RA. Erlaubniserfordernisse und rechtliche Pflichtenkataloge sind vom Partnerunternehmen einzuhalten. Im Rechtsverkehr aber bleibt der RA eigenständiger Anbieter.

f. Unregulierte Formen: Unregulierte RAs können in keine der vorgenannten Kategorien eingeordnet werden. Hierunter ist zum Beispiel die "intelligente" Produktsuche einzuordnen, bei der Suchergebnisse nur als unverbindliche Musterportfolios ausgegeben werden. Da derartige RAs nicht selbst einem Regulierungsrahmen unterliegen beziehungsweise sich aufsichtsrechtliche Anforderungen wie im vorherigen Fall des Vermittlers nicht an den RA richten, werden diese beiden RA-Formen in den folgenden Betrachtungen vernachlässigt.

Abhängig vom Geschäftsmodell eines RA gelten für ihn unterschiedliche Erlaubniserfordernisse sowie laufende Pflichten, die durch die folgenden europäischen und nationalen Rechtsvorschriften normiert sind.

Einschlägige Vorgaben auf europäischer Ebene

Je nach konkretem (fachlichem) Tätigkeitsfeld unterliegen RAs - wie auch traditionelle Finanzdienstleistungsanbieter - bestimmten europäischen Rahmenwerken. RAs, deren Dienstleistungsangebot den Bereich des Anlagegeschäftes berührt, haben sich nach den Anforderungen der MiFID II beziehungsweise MiFIR14) zu richten. Für RA-Angebote im Bereich von Kreditgeschäften und Bankdienstleistungen sind zudem die Bestimmungen der CRR sowie CRD15) und ihre korrespondierenden nationalen Umsetzungsregelwerke einschlägig. Beim Anbieten von Verbraucherkredit bezogenen Rechtsgeschäften müssen zusätzlich europäische und nationale Verbraucherschutznormen berücksichtigt werden.

Für Dienstleitungen im Versicherungs-16) und Zahlungsdienstleistungsbereich gelten darüber hinaus Spezialvorschriften.17) Gleiches gilt beim Angebot digitaler Dienste.18) Außerdem kann die Erfüllung der Informationspflichten aus der PRIIP-Verordnung19) relevant für RAs sein. Da Finanzdienstleistungen in der Regel nicht nur für inländische Kunden erbracht werden, müssen RAs bei der Erbringung von grenzüberschreitenden Tätigkeiten ein sogenanntes EU-Pass-Verfahren ("Inbound-Verfahren") durchlaufen, das ihnen die entsprechende Erlaubnis auf europäischer Ebene erteilt. Daneben erfordert die Errichtung einer EU-Zweigniederlassung eines Robo-Advice-Unternehmens (per "Out bound-Verfahren") eine spezielle europäische Zulassung.20)

Erlaubnispflicht nicht immer gegeben

Wie eingangs beschrieben, gilt die allgemeine Erlaubnispflicht nach § 32 I S. 1 KWG nur für RAs, wenn ein gewerbsmäßiger, inländischer Betrieb von Bankgeschäften oder gleichgeartete Erbringung von Finanzdienstleistungen vorliegen. Dann muss der RA zur Aufnahme seiner Tätigkeiten eine entsprechende schriftliche Erlaubnis der zuständigen Aufsichtsbehörde (BaFin) einholen. Die Aufsicht der Einhaltung der mit der Zulassung einhergehenden Pflichten erfolgt durch die BaFin nach §§ 6 ff. KWG.

Allgemeine Erlaubnisvoraussetzungen nach §§ 32, 33 KWG i.V.m. 14 AnzV21) betreffen unter anderem Kompetenzen des Geschäftsleiters sowie der bedeutenden Beteiligungsinhaber beziehungsweise -vertreter, den inländischen Unternehmenssitz, die Unternehmensstruktur, den Geschäftsplan und die Angabe von Unternehmensbeziehungen. Als besondere Erlaubnisvoraussetzungen nach §§ 32, 33 KWG i.V.m. 14 AnzV werden zudem das Vorhandensein der zum Geschäftsbetrieb notwendigen Mittel beziehungsweise des Anfangskapitals geprüft, welches in der Regel mindestens 50 000 Euro betragen sollte.

RAs, die als Wertpapierdienstleistungsunternehmen22) zu qualifizieren sind, müssen zusätzlich die allgemeinen Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 f. WpHG (i. V. m. den Regelungen der Delegierten VO (EU) 2017/565) befolgen. Diese Regelungen beinhalten primär Anforderungen hinsichtlich des Handelns im Kundeninteresse sowie des Umgangs mit Interessenkonflikten und Informationspflichten (unter anderem über Produktinformationsblätter).

Daneben besteht die Verpflichtung zur Durchführung eines Angemessenheitstestes gemäß § 63 X WpHG i.V.m. Art. 56 Delegierte VO (EU) 2017/565. Setzen die RAs bei ihren Beratungsleistungen Fernkommunikationsmittel ein, muss ein Exante-Kostenausweis i. S. d. § 63 VII WpHG i. V. m. Art. 50 Delegierte VO (EU) 2017/ 565 erstellt werden. Dieser erfordert, dass dem Kunden die Summe der Produkt- und Servicekosten als absolute und relative Größe vor der Dienstleistungserbringung in Form eines dauerhaften Datenträgers (zum Beispiel grafisches Datenfenster) kenntlich gemacht wird. Werden zusätzlich Kundenaufträge vom RA ausgeführt oder zu diesem Zweck an Dritte weitergeleitet, müssen die RAs die beste Auftragsausführung (nach § 82 WpHG i.V.m. Art. 64-66 Delegierte VO (EU) 2017/565 und deren Konkretisierungen im Modul BT 4 der Ma-Comp23) ) garantieren.

Anforderungen hängen von der Einteilung ab

Kommt es zudem zu einem Transfer von Kundengeldern, muss eine Erlaubnis nach § 1 I S. 2 Nr. 6 i.V.m. § 10 ZAG für ein sogenanntes Finanztransfergeschäft vorliegen. Für RAs, die zum Zweck der Annahme beziehungsweise Weiterleitung von Zahlungsströmen mit lizenzierten Zahlungsdienstleistern oder Kreditinstituten kooperieren, entfällt in der Regel diese Prüfungsnotwendigkeit.

Neben den angebotsunabhängig für RAs geltenden Vorschriften folgen aus der vorangegangen Einteilung der RAs gemessen an ihrem Leistungsangebot gesonderte, kategoriespezifische regulatorische Anforderungen.

Eine erleichterte regulatorische Behandlung betrifft aufgrund des sehr eingeschränkten Tätigkeitsbereichs nur in der Abschlussvermittlung operierende RAs, für die die Verhaltensvorschriften unter anderem in §§ 16 ff. FinVermV relevant sind, nicht jedoch die Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 f. WpHG.

RAs in der Anlagevermittlung, Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung brauchen in der Regel die umfangreichere Pflichten umfassende BaFin-Erlaubnis; mit Ausnahme von Finanzanlagenvermittlern, denen als Sonderfall erleichterte gewerberechtliche Erlaubniserfordernisse nach §§ 34 f oder 34 h Gewerbeordnung (GewO) eingeräumt werden. Innerhalb der Anlagevermittlung unterscheidet der Gesetzgeber zwischen sogenanntem reinem Ausführungs-24) und beratungsfreiem Geschäfte, die regulatorisch unterschiedlich behandelt werden. Dabei sind beratungsfreie Geschäfte mit einem höheren Pflichtenkatalog versehen, da sie die Anforderungen der § 63 X WpHG i.V.m. § 16 FinVermV (das heißt etwa die Durchführung einer Angemessenheitsprüfung) zu erfüllen haben.

Höhere regulatorische Anforderungen treffen auch die Anlageberater- und Finanzportfolioverwalter-RAs. So nimmt das WpHG eine Unterscheidung in Anlageberatung und unabhängige (Honorar-) Anlageberatung25) vor, die für RAs eine eindeutige Informationspflicht, um welche Beratungsleistung es sich handelt, vor Abschluss des Beratungsvertrages und Beginn der Beratungsleistung zur Folge hat. Zudem müssen beide RA-Kategorien einen Geeignetheitstest ihrer Kundenempfehlungen nach § 64 III WpHG i.V.m. Art. 54 und 55 Delegierte VO (EU) 2017/565 durchführen. In Ergänzung hat der Anlageberater auch eine Geeignetheitserklärung i. S. d. § 64 IV WpHG auszustellen.

Für das Tätigkeitsprofil unter anderem der Abschlussvermittlung und Finanzportfolioverwaltung wird zudem die Einhaltung von Eigenkapitalanforderungen26) gefordert.

RAs aller Formen können durch Ausnutzung der Bereichs- und Teilausnahmen der BaFin-Erlaubnispflicht gemäß § 2 VI S 1 Nr. 8, VIII oder VIIIb KWG regulatorische Erleichterungen erfahren, sodass sie zum Teil von bestimmten organisatorischen Pflichten und Eigenkapitalanforderungen entbunden, aber dann zum Teil zur Einholung einer gewerberechtlichen Erlaubnis verpflichtet sind.

Stärkere Regulierung zu erwarten

Bereits diese grundlegende Bestandsaufnahme der Regulierung von RAs27) verdeutlicht, dass sie heute einerseits verschiedensten Einzelregularien unterworfen, gleichzeitig aber - je nach konkretem Geschäftsmodell und tatsächlich vorhandenem Funktionsumfang - von zentralen Bereichen des traditionellen Aufsichtsrechts über Finanzintermediäre wie Eigenkapitalbelastungsregeln ausgenommen sind. Bis dato rührt unter anderem daher der Wettbewerbsvorteil dieser Fintech-Unternehmen gegenüber traditionellen Finanzintermediären. Dass diese Regulierungsdifferenz durch Deregulierung der Letztgenannten abgebaut wird, erscheint im aktuellen Zeitalter der Reregulierung unrealistisch.

Wahrscheinlicher ist, dass die Regulierung von Fintechs und damit gegebenenfalls auch von RAs als Spezialfall im Zeitablauf intensiviert wird. Bestrebungen auf europäischer Ebene zur Anpassung einiger EU-Rahmenwerke (wie etwa MiFID II/ MiFIR, PDS2 oder CRR/CRD) lassen eine Fülle an neu umzusetzenden regulatorischen Anforderungen an innovative, technikgestützte Geschäftsmodelle, das heißt vor allem RA-Anbieter, vermuten. Neben "traditionellen" Regelwerken der Regulierung von Finanzinstituten stehen Bereiche wie die passgenaue Adressierung der IT-Risiken beziehungsweise -Sicherheit und Datenschutz bezogene Rechtsfragen derzeit im Fokus der europäischen Regel(durch)setzer.28) Der Einsatz von KI könnte zudem neue Rechtsunsicherheit erzeugen (beispielsweise hinsichtlich Haftungsfragen beim Einsatz von selbstlernenden Systemen und neuronalen Netzen) und damit regulatorischen Handlungsbedarf induzieren.29)

Auch die Transparenz, Offenlegung und das Verständnis der von RAs verwendeten Algorithmen dürfte von regulatorischer Bedeutung sein. Schließlich besteht die Gefahr, dass der Einsatz ähnlicher Programmcodes fallspezifisch gleichgerichtete Anlageentscheidungen der RAs erzeugt und damit eine Vielzahl an homogenen Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt hervorruft ("Herding").30) Dies birgt ökonomische Risiken sogar für die Systemstabilität. Es besteht daher Forschungsbedarf, inwieweit sich die derzeit am Markt eingesetzten RA-Algorithmen technisch und in ihrem Ausgabeergebnis unterscheiden und ob sich die zuvor beschriebene Gefahrenlage bestätigt und kritischen Einfluss auf die Systemstabilität haben kann.

RA könnte Bankberatung ergänzen oder gar verdrängen

Erstrebenswert ist, dass entsprechende, an den zuvor beschriebenen Themen ansetzende Regulierungskonzepte auf ökonomisch haltbaren Regulierungsbegründungen ruhen. Vorstellbar ist indes, dass traditionelle Intermediäre ihren Einfluss auf regel(durch)setzende Instanzen nutzen, um diese zu einer restriktiveren Behandlung der neuen Konkurrenz zu bewegen.

Regulierungsmodellen im Gegenzug, die zugunsten der Innovationsförderung nicht dem "Same-business-, Same-rules-Leitmotiv" beziehungsweise "Level-playing-field-Gedanken" folgen, wie etwa "regulatorische Sandkästen" oder erleichterte Anforderungen an Banklizenzen (wie im Bankengesetz der Schweiz) für Fintechs allgemein und RAs im Besonderen, stehen deutsche Institutionen überwiegend kritisch gegenüber.31) Wahrscheinlicher ist, dass erst bei neuerlichen Krisenprozessen eine weitere Runde krisengetriebener Regulierung speziell die (neuartigen) RAs betreffend eingeleitet wird.

Es ist zu erwarten, dass sowohl Umfang als auch Qualität der digitalen Beratungsangebote in den nächsten Jahren ansteigen, da Wissen und Erfahrungen aufgebaut sowie Hard- und Softwarekomponenten verbessert werden. Dieser Qualitätszugewinn könnte die Akzeptanz von Robo-Advice bei Bankkunden und damit die Ergänzung beziehungsweise Verdrängung traditioneller Bankberatung durch diese Newcomer fördern.

Es bleibt indes abzuwarten, inwieweit die letztliche Regulierung sowie etwaige Störungen der Marktprozesse diesen innovativen Typus eines Finanzintermediärs begünstigen, be- oder verhindern.

Finanzintermediäre, die bis dato auf traditionelle Angebotskonzepte im Bereich der Vermögensanlageberatung setzen, müssen diese Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse sorgfältig abwägen, um angemessen reagieren zu können. Das strategische Spektrum reicht von einer entgegengesetzten Fokussierung auf Konzepte, die Robo-Advice bewusst aussparen und dieses Geschäftsfeld den Wettbewerbern überlassen, über Kooperationen, strategische Allianzen, Mergers & Acquisitions bis hin zu Stand-Alone-Lösungen, die Robo-Advice dem eigenen Geschäftsfeldportfolio hinzufügen. Wenngleich an sich neu, reiht sich die Herausforderung, die RAs für traditionelle Finanzintermediäre darstellen, damit ein in die Reihe der fundamental alternativen Konzepte der Marktbearbeitung, welche nicht nur in der Kredit- und Finanzwirtschaft regelmäßig zu beobachten waren und sind.

Fußnoten

1) Vergleiche weiterführend Gast et al. (2020).

2) Vergleiche PwC (2016).

3) Die Probanden wurden über eine zufällige Stichprobe auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen ausgewählt.

4) Vergleiche v. Lüde (2013).

5) Vergleiche Bartz/Kühne (2018); Brühl (2017); Przewloka (2017); Smolak (2018).

6) Vergleiche Bundesverband deutscher Banken e.V. (2017).

7) Vergleiche BaFin (2017c); BaFin (2017d).

8) In der Regel liegt der gewerbsmäßige Betrieb beim gleichzeitigen Betreiben mehrerer Bankgeschäfte beziehungsweise bei Durchführung von mehr als 25 Einzeltransaktionen (pro Monatsdurchschnitt bezogen auf einen Zeitraum von 6 Monaten) vor. Ausschlaggebend ist das Ergebnis einer Einzelfallbetrachtung.

9) Vergleiche Deutsche Bundesbank (2018).

10) Vergleiche für deren zahlenmäßige Repräsentanz in Deutschland Gast et al. (2020).

11) Die Zusammenstellung der regulatorischen Vorgaben basiert auf Grundlage von BaFin (2014); BaFin (2016a); BaFin (2017a); BaFin (2017b); BaFin (2017c); BaFin (2017d); BaFin (2019); BaFin und Deut sche Bundesbank (2019); Deutsche Bundesbank (2018) sowie Loff (2018).

12) Bereitstellung eines Online-Fragebogens durch den RA, auf dessen Basis eine Empfehlung erfolgt (Meinungselement).

13) Ausreichend ist das Abfragen eines persönlichen Umstandes (insbesesondere Kenntnisse, Erfahrungen, Anlageziele und -horizont, finanzielle Verhältnisse, Risikobereitschaft, Verlusttragfähigkeit, Alter und ehelicher Güterstand; nicht jedoch nur Anlagebetrag oder monatliche Sparrate).

14) Richtlinie (im Folgenden RL) 2014/65/EU (MIFID II); Verordnung (im Folgenden VO) (EU) 600/2014 (MIFIR).

15) VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR); RL 2013/36/EU (CRD).

16) RL 2014/65/EU; RL 2016/97/EU.

17) RL 2015/2366/EU (PSD2).

18) RL 2019/770/EU, dazu näher Spindler/Sein (2019).

19) VO (EU) 1286/2014 (PRIIP).

20) In beiden Fällen Beachtung von kundenbezogenen Wohlverhaltenspflichten und zivilrechtlichen Vorgaben des jeweiligen EU-Staaten; Letzteres auch beim Leistungsangebot in (Nicht-EU-)Drittstaaten.

21) VO über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz (AnzV).

22) Wertpapier(neben)dienstleistungen gemäß § 2 VIII, IX WpHG, die durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 2 X WpHG erbracht werden.

23) Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion (Ma-Comp), zum Inhalt des Moduls BT 4 Vergleiche BaFin (2018a).

24) I.S.d. § 63 XI WpHG i.V.m. § 16 V FinVermV, bei dem keine Exploration von umfänglichen Kundendaten, Angemessenheits- oder Geeignetheitstests erforderlich sind.

25) Hierfür besondere Vorschriften unter anderem in § 64 V, VI, IX Nr. 4 WpHG unter Verweis auf Art. 53 Delegierte VO (EU) 2017/565; als Spezialfall: Honorar-Finanzanlagenberater i.S.d. § 2 VI Nr. 8 KWG i.V.m. § 34h GewO.

26) Unter anderem Erfüllung von Kapitalquoten gemäß Art. 92 I CRR sowie Vorhalten von anrechenbaren Eigenmitteln nach Art. 92, 95 II und 97 CRR und ihre Umsetzungen im KWG und SolvV.

27) Für eine ausführlichere Darstellung der Regulierung von RAs Vergleiche Weber/Baisch (2016).

28) Mögliche Überarbeitung des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP), der RL 2015/849/EU und der VO (EU) 2016/679, Vergleiche Exxeta (2018).

29) Vergleiche allgemein zum Einsatz von KI BaFin (2018b), zur Konzipierung von Zertifizierungen von KI-Anwendungen BaFin (2019b), zu haftungsrechtlichen Fragen beim KI-Einsatz siehe Zech (2019) sowie zum Entwurf der Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI Dettling/Krüger (2019).

30) Vergleiche grundlegend zu irrationalem Verhalten von Marktteilnehmern und dem Herdentrieb unter anderem Shiller (2005).

31) Vergleiche stellvertretend mit dem Hinweis auf Fehlen ihres Mandates zur Wirtschafts- und Innovationsförderung sowie der Gefahr von Interessenkonflikten durch regulatorische Sandkästen BaFin (2016b); mit dem Verweis auf die Notwendigkeit einer "symmetrischen Regulierung" Deutsche Bundesregierung (2018), S. 4 sowie mit Bedenken hinsichtlich der Förderung von Regulierungsarbitrage durch Einführung von Sandboxen FintechRat/Bundesfinanzministerium (2017), S. 1 f., sodass ihre Umsetzung höchstens auf EU-Ebene - innerhalb einer "EU-Sandbox", Vergleiche Ringe/Ruof (2019) oder einer "Global Sandbox", Vergleiche FCA (2018) - denkbar scheint. Ein vollständiges Verzeichnis der zitierten Literatur kann über www.kreditwesen.de unter Eingabe des Titels und/oder des Autoren namens abgerufen werden.

Prof. Andreas Horsch Lehrstuhlinhaber ABWL, Schwerpunkt Investition und Finanzierung, TU Bergakademie Freiberg
Anja Eickstädt Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für ABWL, Schwerpunkt Investition und Finanzierung, TU Bergakademie Freiberg
Martin Oehmichen Lehrstuhl für ABWL mit dem Schwerpunkt Baubetriebslehre, TU Bergakademie Freiberg
Marcus Gast Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für ABWL, Schwerpunkt Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche Steuerlehre, TU Bergakademie Freiberg
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Prof. Dr. Andreas Horsch , Lehrstuhlinhaber ABWL, Schwerpunkt Investition und Finanzierung , TU Bergakademie Freiberg
Anja Eickstädt , Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für ABWL, Schwerpunkt Investition und Finanzierung, TU Bergakademie Freiberg
Martin Oehmichen , Lehrstuhl für ABWL mit dem Schwerpunkt Baubetriebslehre, TU Bergakademie Freiberg
Marcus Gast , Lehrstuhl für ABWL, TU Bergakademie Freiberg

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