Kreditwesen aktuell

IWF-Jahresversammlung 2017 - Aufschwung entschlossen nutzen

Dr. Andreas Dombret
Bild: Frank Rumpenhorst, Deutsche Bundesbank

Es ist schon längst eine feine Tradition, dass Andreas Dombret der Redaktion eine Bilanz des Jahrestreffens von IWF und Weltbank liefert. In diesem Jahr warnt er davor, die kurzfristig zweifellos guten Aussichten für die Weltwirtschaft überzubewerten und dabei die langfristigen Risiken, die unter anderem aus der demografischen Entwicklung, den geopolitischen Unsicherheiten, dem Klimawandel und der digitalen Herausforderung resultieren, zu unterschätzen. Jetzt sei der Moment, der für umfassende Strukturreformen genutzt werden müsse, gekommen, so sein Appell. Hinsichtlich der diskutierten 15. Allgemeinen Quotenüberprüfung werde sich die Bundesbank einer möglichen Quotenerhöhung nicht verschließen. Und mit Blick auf die Diskussionen um die Vollendung von Basel III macht er nach den Gesprächen in Washington Hoffnung: Eine Fertigstellung sei in Reichweite. (Red.)

Die Finanzminister und Notenbankgouverneure aus aller Welt haben bei der Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom 12. bis 15. Oktober 2017 turnusgemäß über die Lage der Weltwirtschaft und den hieraus resultierenden politischen Handlungsbedarf diskutiert. Grundlage für die Diskussionen bildeten die vom IWF veröffentlichten Berichte World Economic Outlook und Global Financial Stability Report sowie die Global Policy Agenda der Geschäftsführenden Direktorin des IWF, Christine Lagarde.

Nach den Projektionen des IWF verfestigt sich der aktuelle globale Aufschwung und wird über den Prognosezeitraum auch zunehmend an Dynamik gewinnen. Der IWF setzte seine Wachstumsprognosen für den Euroraum, die USA, Japan sowie für mehrere Schwellenländer herauf, mehrere fortgeschrittene Volkswirtschaften werden oberhalb ihres Trendwachstums expandieren. Die Bundesbank teilt diese Einschätzung.

Langfristige Herausforderungen im Blick behalten

Damit ist der kurzfristige Blick nach vorne positiv. Allerdings stellen Faktoren wie der demografische Wandel, geopolitische Unsicherheiten, das schwache Produktivitätswachstum und auch zunehmend der Klimawandel eine Belastung für die mittel- bis längerfristigen Wachstumsaussichten vieler Länder dar. Deshalb ist es gerade jetzt so wichtig, die günstige konjunkturelle Situation für Strukturreformen zu nutzen. So kann mittelfristig das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaften gestärkt und die wirtschaftliche Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten gefördert werden. Dazu gehört auch der Abbau der derzeit in vielen Ländern besorgniserregend hohen Schuldenstände, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu verbessern und die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften nachhaltig zu erhöhen.

Zudem gilt es, sich den Herausforderungen des technologischen Wandels und der zunehmenden Digitalisierung zu stellen. Auch wenn die Risiken einer zunehmend protektionistischen Politik derzeit weniger akut erscheinen als noch vor einigen Monaten, sollten alle wirtschaftspolitischen Akteure konsequent für ein offenes und regelbasiertes System der Weltwirtschaft eintreten. Daher ist es erfreulich, dass die Schlussfolgerungen des G20-Gipfels im Juli in Hamburg zum Thema Welthandel bei der Tagung des IWF bekräftigt wurden. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen für die Volkswirtschaften wurde der Fonds durch seine Mitglieder bestärkt, die makroökonomischen Auswirkungen dieser Entwicklungen intensiv zu beleuchten.

Einsatz makroprudenzieller Instrumente

Fortschritte wurden in dem noch recht neuen Feld der makroprudenziellen Maßnahmen erzielt, die Auswirkungen auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber volatilen Kapitalströmen und auf den freien Kapitalverkehr haben können. Hier hat der IWF erheblichen Aufwand betrieben, um konzeptionell zu klären, wann der Einsatz von makroprudenziellen Maßnahmen aus Gründen der Finanzstabilität berechtigt ist und wann er zu einer unlauteren Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs führen kann. Da die empirische Datenlage in diesem Bereich noch recht dünn ist, hat der IWF - auf Initiative der Bundesbank - begonnen, systematisch den Einsatz von makroprudenziellen Maßnahmen in einer Datenbank zu erfassen. Dies wird zukünftig gesichertere Rückschlüsse in dieser komplexen Materie erlauben.

Als wichtiges geschäftspolitisches Thema des IWF steht nun die 15. Allgemeine Quotenüberprüfung wieder auf der Agenda. Hierbei handelt es sich um ein technisch komplexes und politisch kontroverses Paket, das die Finanzausstattung des Fonds sowie die Struktur der Finanzierungs- und Stimmenanteile im IWF umfasst. Eine angemessene Finanzausstattung des Fonds ist aber wichtig, damit er sein Mandat erfüllen kann.

Eine Anpassung der Quotenstruktur soll dazu beitragen, dass die sich verändernde wirtschaftliche Stärke der einzelnen Länder in der Weltwirtschaft angemessen im IWF abgebildet wird. Wirtschaftlich dynamische Länder würden einen Anstieg ihrer jeweiligen relativen Quotenanteile er fahren, während weniger dynamische Volkswirtschaften an Einfluss verlieren. Dies stärkt auch die Legitimität und Akzeptanz des IWF.

Quotenerhöhung: USA hat Sperrminorität

Derzeit verfügt der Internationale Währungsfonds mit seinen Quotenmitteln und den Neuen Kreditvereinbarungen, den NKV, über eine komfortable Ressourcenausstattung. Die dem IWF zusätzlich im Verlauf der globalen Finanzkrise von einigen Mitgliedern, darunter auch die Bundesbank, bereitgestellten temporären bilateralen Kreditlinien für besondere Krisensituationen mussten bislang nicht aktiviert werden. Sie laufen 2019 bis 2020 aus. Falls der IWF mittelfristig mehr Ressourcen zur Erfüllung seines Mandats benötigt, müssten diese vorzugsweise über eine Aufstockung seiner Quotenmittel oder der NKV aufgebracht werden.

Bei der Ermittlung des Finanzbedarfs des IWF muss auch berücksichtigt werden, dass das globale Finanzsicherheitsnetz in den letzten Jahren erheblich ausgebaut wurde. Besonders zu erwähnen sind hier neue und vergrößerte regionale Finanzbeistandsabkommen, wie der Stabilitätsmechanismus ESM in Europa oder die Chiang Mai Initiative Multilateralization in Asien, mit denen der IWF künftig stärker zusammenarbeiten will.

Die Bundesbank wird sich konstruktiv an den anstehenden Diskussionen zur Quotenüberprüfung beteiligen, die bis zum Jahr 2019 abgeschlossen werden sollen. Wir sind bereit, auf Basis plausibler Szenarien eine Quotenerhöhung zu prüfen und eine Verschiebung von Quotenanteilen zugunsten wirtschaftlich dynamischer Mitglieder zu ermöglichen. Allerdings ist für eine Quotenerhöhung auch die Zustimmung der USA erforderlich, die dabei eine Sperrminorität haben und deren Zustimmung als eher ungewiss einzuschätzen ist.

Vor der IWF-Jahresversammlung in Washington fand zudem das letzte Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure der G20 unter deutscher Präsidentschaft statt. Im Zentrum standen die Widerstandsfähigkeit von Volkswirtschaften und Finanzsektoren und die Frage, wie diese gesteigert werden kann.

Wichtige Erfolge der deutschen Präsidentschaft sind unter anderem der beschlossene Prinzipienkatalog der G20 zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und das FSB-Rahmenwerk zur Evaluierung der globalen Finanzmarktregulierung. Mit dem Rahmenwerk wurde die Grundlage geschaffen, künftig strukturiert zu untersuchen, wie effektiv und effizient die Finanzmarktreformen sind.

Fertigstellung von Basel III ist in Reichweite

Des Weiteren wurden in Washington intensive Gespräche geführt, um einen Durchbruch bei der finalen Kalibrierung von Basel III zu erreichen. Nach wie vor sind wesentliche Details der Kapitalanforderungen zu klären, und dies sollte nicht überhastet geschehen. Andererseits würde eine baldige Einigung dazu beitragen, die regulatorische Unsicherheit der Banken zu beenden. Mein Eindruck ist, dass alle Vertreter im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mit Nachdruck und Umsicht an einem Abschluss von Basel III arbeiten und auch bereit sind, im Interesse des Ganzen Kompromisse einzugehen.

Vor diesem Hintergrund ist eine Fertigstellung in Reichweite. Von größter Bedeutung ist dann aber, dass alle Teile des Basel-III-Pakets von allen Mitgliedern des Baseler Ausschusses gleichermaßen umgesetzt werden. Nur dann ergibt ein internationaler Standard auch Sinn. Die Bundesbank fordert insbesondere von den USA, Basel III komplett und als Paket umzusetzen - sonst wird es keine Zustimmung der Bundesbank zu einem Kompromiss geben.

Dr. Andreas Dombret , Global Senior Advisor , Oliver Wyman GmbH, München (und Vorstand i.R., Deutsche Bundesbank)
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