Variable Vergütung und individuelle Differenzierung auf dem Prüfstand

Petra Knab-Hägele, Foto: hkp///group

Unternehmen wie Bosch, Lanxess und zuletzt sogar die Commerzbank lassen für den Großteil ihrer Mitarbeiter eine zentrale Konsequenz des Performance Managements hinter sich: die Verknüpfung der individuellen Leistung der Mitarbeiter mit deren variabler Vergütung. Doch nicht nur in der Commerzbank, auch in anderen Instituten scheinen die nach Leistung einzelner Mitarbeiter differenzierenden Boni zunehmend an Attraktivität zu verlieren. Die Autoren zeigen auf, wie weit dieser Trend schon vorangeschritten ist, welche Hindernisse und Herausforderungen insbesondere in der Finanzbranche bestehen und welche Alternativen es beispielsweise durch den Einsatz wertender Verfahren geben kann. Mit Blick auf die gültigen Regulierungsvorgaben sehen sie in der Finanzbranche bei den sogenannten Risk Takern der Entkopplung der variablen Vergütung von der individuellen Leistung gewisse Grenzen gesetzt. Und auch bei im Ausland angesiedelten Organisationseinheiten erwarten sie Schwierigkeiten bei Abweichungen von der internationalen Marktpraxis. (Red.)

Vereinbarung individueller Ziele zu Jahresbeginn, Boxenstopp Mitte des Jahres, Ermittlung der Zielerreichung Ende des Jahres, Auszahlung des individuellen Bonus auf Basis der Performance wieder im Frühjahr. So oder so ähnlich läuft der klassische Performance-Management-Prozess in vielen Industrieunternehmen und - nicht zuletzt aus regulatorischen Gründen - insbesondere in Banken ab. Üblich ist es inzwischen auch, neben den zu erreichenden Zielen die gewünschten Verhaltensweisen zu berücksichtigen, um so nicht nur das "Was", sondern auch das "Wie" der Leistungserbringung zu erfassen. Ziele und Verhalten werden dabei üblicherweise zwischen Führungskraft und Mitarbeiter abgestimmt und in einem vorgegebenen Format festgehalten, von der Führungskraft beurteilt und abschließend dokumentiert.

Unternehmen verbinden mit der variablen Vergütung auf Basis einer differenzierten Einschätzung eine Vielzahl von Erwartungen: Zunächst soll die individuelle Leistung steigen, da Mitarbeiter für ihren eigenen Einsatz und Erfolg direkt monetär belohnt werden. Dieser Effekt auf Mitarbeiterebene soll in Summe wiederum die Performance des gesamten Unternehmens heben, auch indem die Mitarbeiter sich aufgrund der vereinbarten Ziele stärker mit dem Unternehmen identifizieren.

Individuelle Differenzierung - Unternehmen an ihren Grenzen

In der Praxis haben viele Unternehmen jedoch Probleme, diesen Prozess zielführend umzusetzen. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass Führungskräfte zwischen den Leistungen ihrer Mitarbeiter nur wenig differenzieren. Hintergrund ist die Befürchtung, bei einer stärkeren Spreizung der Beurteilungen zugunsten von Topleistern Frustration bei durchschnittlich oder weniger gut leistenden Mitarbeitern hervorzurufen und so die stabile Gesamtleistung und Harmonie des Teams zu gefährden.

Zudem bewerten Führungskräfte ihre Mitarbeiter im Durchschnitt eher zu gut. Dies führt dazu, dass sich die Evaluation von Hochleistern (High Performer) zu wenig von Geringleistern (Low Performer) abhebt und der Leistungsunterschied damit keinen ausreichenden Niederschlag in den Zielerreichungen findet. Hinzu kommt, dass diese Unterschiede an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt werden, wenn das Unternehmen mehrere Bemessungsebenen verwendet. Werden zum Beispiel auch Unternehmen, Division und/ oder Bereich verwendet, sinkt die Bedeutung der individuellen Komponente für die Höhe des Gesamtbonus. Und so verblasst selbst auf niedrigeren Hierarchiestufen, auf denen der individuellen Anteil zumeist stärker gewichtet ist als die kollektiven Bemessungsebenen, der monetäre Effekt der Differenzierung auch aufgrund verhältnismäßig niedriger Zielwerte.

Im Ergebnis führen die skizzierten Entwicklungen dazu, dass Mitarbeiter, deren Leistung unterhalb der Erwartungen liegt, von konsequenten Führungskräften zwar eine schlechtere Bewertung bekommen, gleichzeitig jedoch keine signifikante Auswirkung in den Auszahlungen der variablen Vergütung spüren - die Botschaft verwässert. Andererseits stellt sich bei High-Performern mit positivem Feedback Ernüchterung ein, wenn Leistung und Erfolg nicht entsprechend in barer Münze spürbar sind.

Ende des klassischen Prozesses in der VUCA-Welt

Neben diesen unternehmensinternen Herausforderungen gewinnen zunehmend auch solche an Bedeutung, die durch veränderte Rahmenbedingungen ausgelöst werden. Heute bewegen sich Finanzdienstleister in einer Umwelt, die sich grundlegend von der durch Sicherheit und Beständigkeit geprägten Vergangenheit unterscheidet. Die durch Digitalisierung, Robotisierung und Globalisierung ausgelöste Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA - Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) sind nicht mehr nur Stichworte aus Management-Seminaren, sondern bestimmen heute den Arbeitsalltag auch bei Finanzdienstleistern. Sie führen dazu, dass sich Prozesse, Organisationsstrukturen und ganze Geschäftsmodelle fortlaufend ändern.

Unternehmen, die nicht in der Lage sind, disruptive Veränderungen selbst anzustoßen, verordnen sich häufig strikte Schlankheits- und Agilitätskuren. Die so entstehenden agilen Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht mehr an klassische Hierarchien, vorgegebene Arbeitsabläufe und ex ante definierte, unverrückbare Zeitplanungen gebunden sind. Damit durchlaufen aber nicht nur die Unternehmen als Ganzes eine Transformation. Auch die Aufgaben und Arbeitsbedingungen der Abteilungen und mit ihnen die Mitarbeiter verändern sich.

Im Zuge dieser Veränderungen stellen viele Unternehmen ihre Incentivierungsmodelle und insbesondere die variable Vergütung auf den Prüfstand. Denn wenn Innovationszyklen nur noch Monate betragen und permanent neue Strategien implementiert, neue Projekte bewältigt und neue Lösungen entwickelt werden müssen, haben langfristige oder Jahresziele, die die klassische Leistungsbeurteilung maßgeblich bestimmen, häufig keinen Bestand mehr. Eine Verknüpfung dieser Ziele mit der variablen Vergütung kann die Leistung der Mitarbeiter in derartigen Fällen nicht mehr fördern.

Neue Ansätze der variablen Vergütung

Um den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen, entkoppeln mehr und mehr Unternehmen die variable Vergütung von der individuellen Performance. Damit ermöglichen sie die notwendige unterjährige Flexibilität: Ziele können unkompliziert angepasst werden, da mit ihnen keine unmittelbare Konsequenz für die individuelle Vergütung verbunden ist.

Diese Entwicklung hat im deutschen Industriesektor ihren Anfang genommen, wo Bosch, Lanxess oder auch Infineon entsprechende Veränderungen vollzogen haben. Mittlerweile haben andere große Organisationen wie Daimler, SAP, Telekom und Covestro nachgezogen. Bemerkenswert: Dieser Trend beschränkt sich auf keine Branche, sondern manifestiert sich breit und macht auch vor Banken und anderen Finanzdienstleistern nicht Halt. So hat die Commerzbank 2018 beschlossen, wesentliche Teile der Belegschaft zukünftig nicht mehr auf Basis individueller Leistung zu vergüten, sondern variable Vergütung nur noch auf Grundlage des Unternehmens- und des Bereichserfolgs zu ermitteln. Und auch die Deutsche Bank hat bereits auf ein System umgeschwenkt, in dem die meisten Mitarbeiter zwar noch immer variabel vergütet werden, der regelmäßige Bonus jedoch keine individuelle Leistung mehr berücksichtigt.

Aufgrund der regulatorischen Anforderungen ist die Entkopplung der Vergütung auf Basis individueller Performance zwar nur für die Belegschaft nicht bedeutender Institute möglich oder für die sogenannten Non-Risk Taker beziehungsweise Mitarbeiter in Kontrolleinheiten bedeutender Institute. Da in vielen Banken aber weniger als zehn Prozent der Mitarbeiter als Risk Taker identifiziert sind, kann diese Maßnahme für das Gros der Belegschaft grundsätzlich umgesetzt werden (vergleiche Abbildung 1).

Es ist jedoch ein Trugschluss, dass Unternehmen, die Boni nicht mehr auf Basis individueller Leistung zahlen, diese gar nicht mehr berücksichtigen. Vielmehr stellen diese Unternehmen schnell fest, dass sie andere Wege finden müssen, um zwischen Low- und High-Performern zu differenzieren und insbesondere Topleistung spürbar zu honorieren. Alternativ zum Bonus wird größeres Augenmerk auf die jährliche Überprüfung der Grundvergütung gelegt, über Spot-Boni und Special Awards diskutiert und auch Nebenleistungen und Arbeitsbedingungen rücken in diesem Zusammenhang in den Blickpunkt (vergleiche Abbildung 2).

Allerdings sind auch diese Mittel und Wege nicht unproblematisch: So können Spot-Boni in regulierten Instituten nur eingeführt werden, wenn trotzdem die Voraussetzungen der Institutsvergütungsverordnung eingehalten werden. Schließlich dürfen auch Grundvergütungserhöhungen - auf den ersten Blick unkompliziert umzusetzen - nicht als Ersatzvehikel für entgangene variable Vergütung dienen. Sie haben zudem den Nachteil, bei einem Absinken der Leistung nicht mehr ohne Weiteres zurückgenommen werden zu können.

Und auch die regulatorischen Anforderungen an die Klassifizierung von Nebenleistungen als fixer oder variabler Vergütungsbestandteil ermöglichen keine simple Anwendung. Selbst nicht monetäre Incentives über Arbeitsbedingungen, wie Entsendungen, Sabbaticals, die Teilnahme an speziellen Trainings oder interne Auszeichnungen, müssen gut dokumentiert sein. Sie werden von Mitarbeitern auch nicht gleichermaßen als Anerkennung wahrgenommen.

Volatilität, Unsicherheit und Komplexitätsreduktion

In den vergangenen Jahren haben Unternehmen vielfach alternative Ansätze entwickelt, auch in einem volatilen und unsicheren Umfeld die Leistung von Mitarbeitern zu erfassen und mit der variablen Vergütung zu verknüpfen. So besteht eine naheliegende Lösung darin, die Feedbackzyklen zu verkürzen, beispielsweise indem die Führungskraft quartalsweise eine Einschätzung der Leistung vornimmt und mit dem Mitarbeiter bespricht. Dies ermöglicht eine detailliertere Berücksichtigung der Performance im Zeitverlauf und damit eine höhere Validität der Aussagen. Gleichzeitig geben die kürzeren Zyklen auch Gelegenheit, auf sich ergebende Veränderungen zu reagieren. Ziele können unterjährig angepasst werden.

Dieses Vorgehen kann zudem durch ein Multi-Feedback ergänzt werden: So können neben der Führungskraft auch Teamkollegen beziehungsweise Mitarbeiter auf der gleichen hierarchischen Ebene ihre Einschätzung zu Leistung und Verhalten eines Mitarbeiters abgeben (360- Grad-Feedback). Im Ergebnis steht die Leistungsbewertung auf einer breiteren Basis; ihre Validität und Objektivität steigt - und damit auch die Akzeptanz von Prozess und Ergebnis.

Einen ähnlichen Ansatz stellt auch die Objectives & Key Results-Methode (OKR) dar. Die Objectives sind dabei ambitionierte Ziele, die über den Weg der klar messbaren Key Results erreicht werden sollen. Im Gegensatz zu klassischen Ansätzen ist die Erreichung dieser OKRs jedoch nicht mit der variablen Vergütung verknüpft und die Ziele werden nicht einseitig top-down formuliert, sondern umfassen auch Bottom-up-Ansätze. Die einem Mitarbeiter beziehungsweise einem Team vorgegebenen OKRs sind zudem für die gesamte Organisation sichtbar. Die höhere Transparenz stellt dabei sicher, dass Mitarbeiter darüber informiert sind, an welchen Themen andere arbeiten. Damit werden Zusammenarbeit und Kommunikation unter Mitarbeitern und deren Teams gefördert.

Verschlankung der Dokumentation

Eine weitere vielfach zu beobachtende Maßnahme adressiert die Reduktion des administrativen Aufwands, der vor allem durch die Vorgabe der rechnerischen Verknüpfung von Zielerreichung und tatsächlicher Auszahlung sowie die interne Kaskadierung der Ziele entsteht. Derzeit sind Performance-Management-Prozesse in der Regel an strikte Vorgaben gebunden, was die Form der Vereinbarung der Ziele sowie die Dokumentation zu deren Erreichung betrifft. Viele Unternehmen verschlanken die Dokumentation mittlerweile radikal oder reduzieren diese bürokratische Hürde, zum Beispiel über sogenannte "Freedom within a Frame"-Ansätze.

In deren Rahmen wird der vorgegebene Prozess lediglich als Orientierungshilfe verwendet; nur wenige Vorgaben sind unveränderbar. So müssen zwar nach wie vor Fristen für die Dokumentation der Zielerreichung eingehalten werden, da diese für die Ermittlung des auszuzahlenden Bonus notwendig ist. Was vor dieser gesetzten Frist passiert, liegt jedoch im Ermessen der Führungskraft. So könnten beispielsweise in Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ziele für einzelne Quartale definiert werden, verknüpft mit einer quartalsweisen Überprüfung der Zielerreichung. Auch könnten Feedback-Termine flexibilisiert werden, sodass neben dem Abschlussgespräch jederzeit Termine zur Besprechung des aktuellen Stands der Zielerreichung vereinbart werden können.

Variable Vergütung für Risikoträger unumgänglich

Mit Blick auf die angerissenen Veränderungen in der variablen Vergütung gerade bei den größten deutschen Banken ist allerdings zu erwarten, dass sich weitere Institute dem generellen Industrietrend anschließen und die variable Vergütung von der individuellen Leistung entkoppeln werden, anstatt zusätzliche Instrumente einzuführen - zumal Finanzdienstleister schon stark von disruptiven Veränderungen betroffen sind, nicht zuletzt durch das Aufkommen von Fintechs, die innerhalb weniger Jahre etablierten Banken zur ernsten Konkurrenz geworden sind. Und auch in Zeiten geringer Profitabilität aufgrund niedriger Zinsen sind Banken gezwungen, schnellstmöglich auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Performance-Zyklen, die Abweichungen von fix definierten Jahreszielen kaum möglich machen, bieten dabei nicht die erforderliche Anpassungsfähigkeit.

Bei aller Gemeinsamkeit von Industrieunternehmen und Banken in puncto variabler Vergütung existiert jedoch ein wesentlicher Unterschied: Vergütungen in Unternehmen, die am Finanzmarkt aktiv sind, unterliegen einer umfangreichen Regulierung. Ein zentraler Punkt dabei ist die Sicht der Aufsichtsbehörden, dass variable Vergütung einen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten von Mitarbeitern und insbesondere der Risk Taker hat.

Demnach erlaubt variable Vergütung beispielsweise, die Strategie des Instituts über die Unternehmens-, Bereichs- und individuellen Ziele für alle Mitarbeiter zu operationalisieren und deren Verhalten entsprechend auf die Erreichung dieser Ziele auszurichten. Dies gilt analog für das gewünschte Risikoverhalten, das durch Ziele und deren Risikoadjustierung gesteuert werden kann. Weiterhin ermöglicht eine Verknüpfung von individueller Leistung und Bonuszahlung auch die Sanktion unerwünschten Verhaltens, indem auf individueller Ebene negative Beiträge den Bonus reduzieren.

Aus dieser grundlegenden regulatorischen Sicht resultieren vielfältige Anforderungen, die in der Institutsvergütungsverordnung erfasst sind. So ist für Risk Taker - also alle Personen, deren Einfluss auf das Risikoprofil der Bank als wesentlich eingeschätzt wird - eine Ermittlung der Leistung auf den drei Ebenen Institut/Gruppe, Organisationseinheit und Individuum vorzunehmen. Wesentliche Teile der Belegschaft bedeutender Institute sind damit von der Option, variable Vergütungen nicht mehr individuell zu bemessen, ausgenommen. Eine Ausnahme besteht lediglich für Mitarbeiter von Förderbanken, sofern gänzlich darauf verzichtet wird, variable Vergütung zu bezahlen.

Augenmerk auf Transparenz

Neben der Bemessung bleiben für Risk Taker die mit der individuellen Leistung verknüpften Anforderungen hinsichtlich der Dokumentation auf jeden Fall bestehen. Aber auch für Non-Risk Taker sind die entsprechenden Vorgaben anzuwenden, sofern diese eine variable Vergütung auf individueller Ebene erhalten. So sind zu Beginn des Bemessungszeitraums Ziele zu vereinbaren, die unterjährig nicht verändert werden dürfen und deren Erreichung am Ende des Bemessungszeitraums umfangreich dokumentiert werden muss. Dabei wird von den Aufsichtsbehörden besonderes Augenmerk auf Transparenz gelegt: Die ermittelten Zielerreichungsgrade müssen für Dritte verständlich und auf Basis der vereinbarten Ziele nachvollziehbar beschrieben werden. Daraus entstehen erhebliche Dokumentationsaufwände, die gerade im Vergleich mit nicht regulierten Unternehmen als unverhältnismäßig erlebt werden. Der Ausschluss von Anpassungen der vereinbarten Jahresziele erschwert für Risk Taker zudem die Reaktion auf unterjährige Veränderungen - wobei dies nicht bedeutet, dass Institute diese unterjährigen, informellen Ziele bei der Ermittlung der Zielerreichung außer Acht lassen.

Als Alternative zu diesem Prozess, der auf Zielvereinbarungen und der Ableitung einer Zielerreichung auf Basis dieser Vorgaben basiert, können Banken wertende Ansätze nutzen, bei denen die Höhe der variablen Vergütung nicht auf Basis vereinbarter Ziele und der entsprechenden Zielerreichung streng rechnerisch ermittelt wird. Vielmehr werden bei der Anwendung wertender Ansätze Leistung und Verhalten des Mitarbeiters gesamthaft betrachtet. Durch ein solches wertendes Verfahren lassen sich qualitative Ziele besser berücksichtigen, da gerade bei Zielen, die nicht quantitativ messbar sind, oft nur schwer eine nachvollziehbare Zielerreichung zu ermitteln ist. Auch unterjährig aufkommende Projekte oder organisatorische Veränderungen können durch wertende Ansätze erfasst werden, während klassische Zielvereinbarungsmodelle hier in der Regel keine Anpassung erlauben.

Bei wertenden Verfahren ist jedoch eine besonders sorgfältige Dokumentation unerlässlich, da der Verlust der rechnerischen Verknüpfung von Zielerreichung und variabler Vergütung die Transparenz reduziert. Der damit verbundene Aufwand liegt üblicherweise über jenem von Zielvereinbarungssystemen. Der Rückgriff auf diese Ansätze ist dabei unabhängig davon, ob die Bank ein Zielwertoder Bonuspoolverfahren einsetzt, da beide Verfahren sowohl das klassische Performance Management als auch die wertenden Ansätze ermöglichen. Zu den zeitlichen Anforderungen und den entsprechenden Dokumentationserfordernissen kommt hinzu, dass auch für den Fall, dass die variable Vergütung auf individueller Ebene für Non-Risk Taker abgeschafft wird oder wertende Ansätze genutzt werden, negative Erfolgsbeiträge festzustellen sind, um die Auszahlung der variablen Vergütung zu reduzieren. Diese Malus- und gegebenenfalls Clawback-Prozesse werden von vielen Instituten aber heute schon getrennt vom Performance Management betrachtet und stehen der Entkopplung der variablen Vergütung von der individuellen Leistung damit nicht im Weg.

Wie viel Abweichung von der internationalen Marktpraxis?

Regulierte Finanzdienstleister können im aktuellen Stand nicht vollumfänglich dem Markttrend zur Entkopplung von Performance Management und variabler Vergütung folgen. Jedoch ist in vielen Instituten lediglich ein einstelliger Prozentsatz der Belegschaft als Risk Taker identifiziert - für den Großteil der Mitarbeiter lassen sich also durchaus die beschriebenen Maßnahmen mit dem Ziel zur Entkopplung von Performance und Vergütung realisieren.

Die aktuelle Stimmungslage aus Projekten bei Finanzdienstleistern reflektierend, sind bei Instituten und Mitarbeitergruppen, für die eine Berücksichtigung der individuellen Leistung nicht regulatorisch vorgegeben ist, weitere Schritte in diese Richtung zu erwarten. Anders bei der Gruppe der Risk Taker: Hier sind derzeit keine Änderungen in der entsprechenden nationalen wie europäischen Regulatorik absehbar.

Abzuwarten bleibt, ob der Trend der Entkopplung von individueller Performance und variabler Vergütung auch dann noch anhält, wenn sich die wirtschaftliche Lage eintrübt und mit ihr die Unternehmensergebnisse der Banken sinken. Da die individuelle Leistung nur selten deutlich negativ von der 100 Prozent-Marke abweicht, diente diese Komponente - zumindest in additiven Bonusmodellen - bisher oft als "Anker", der die variable Vergütung auch dann noch auf einem akzeptablen Niveau hält, wenn die Zielerreichungen des Instituts oder der Organisationseinheit schon sinken. Werden variable Vergütung und individuelle Leistung entkoppelt, fehlt dieser Ausgleich und die Auszahlung der variablen Vergütung ist stärkeren Schwankungen unterworfen.

Ein weiteres Argument, das gegen die zunehmende Entkopplung spricht, ergibt sich zudem bei einem Blick in die internationale Marktpraxis. Hier ist variable Vergütung auch auf individueller Basis ein wichtiger Standard im Performance Management. Daher ist zumindest für deutsche Tochtergesellschaften internationaler Banken - wie auch für internationale Töchter deutscher Institute - davon auszugehen, dass dieser deutsche Trend nicht vollumfänglich umgesetzt wird.

Petra Knab-Hägele Senior Partnerin, hkp///group, Frankfurt am Main
Florian Hauser Senior Analyst, hkp///group, Frankfurt am Main
Isabel Jahn Senior Managerin, hkp///group, Frankfurt am Main
Petra Knab-Hägele , Senior Partnerin , hkp Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Florian Hauser , Senior Analyst, hkp///group, Frankfurt am Main
Isabel Jahn , Partner , hkp/// group, Frankfurt am Main

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