Versorgungswerke: Ist der Umbruch in der Kapitalanlage abgeschlossen?

Marcus Burkert, Foto: FERI AG

Spätestens seit der Finanzkrise fällt es den Versorgungswerken zunehmend schwerer, ihre Renditevorstellungen in den Grenzen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben beziehungsweise ihren eigenen Risikobudgets umzusetzen. Angefangen von einer Steigerung der Aktienquoten über neue Strategien und Assetklassen bis hin zu Kostensenkungen sehen die Autoren das Potenzial immer mehr ausgeschöpft. Und auch bei der größeren Offenheit gegenüber Alternative Investments halten sie zumindest die klassische Immobilienanlage längst als etabliert und lenken den Blick auf interessante Investitionsmöglichkeiten abseits des Mainstreams. Als attraktive Nischenstrategie im Bereich Private Equity nennen sie beispielsweise sogenannte Rising Manager und als wichtiges Thema nicht nur für Versorgungswerke, sondern für institutionelle Investoren stufen sie in den nächsten Jahren besonders die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage ein, wie sie in Europa und anderswo auf politischer Ebene stark forciert wird. (Red.)

In der Asset-Allokation von Versorgungswerken vollzieht sich spätestens seit dem Ausbruch der Kapitalmarktkrise im Jahre 2008 und der daran anschließenden Niedrigzinsphase ein grundlegender Wandel. Vor der Finanzkrise bestand die Kapitalanlage vieler Versorgungswerke zu 60 bis 80 Prozent aus Anleihen im Direktbestand. Heute findet man häufig nur noch Quoten von 30 bis 50 Prozent vor.

Die frei gewordenen Mittel sind vor allem in Alternative Investments geflossen. Aber auch bei traditionellen Anlageklassen kam es zu großen Verschiebungen. Nachdem ein Zinsanstieg weiterhin nicht absehbar ist und die "neue" Asset-Allokation zunehmend an Grenzen stößt, stellt sich die Frage, in welche Richtung sich die Kapitalanlage der Versorgungswerke in den nächsten Jahren weiter entwickeln wird (Abbildung 1).

Liquide Anlagen als Basisinvestment - niedrigere Kosten als Renditefaktor

Um das Renditepotenzial ihrer traditionellen Vermögensanlagen zu steigern, haben viele Versorgungswerke in den vergangenen Jahren zunächst an verschiedenen Stellen angesetzt: Die Laufzeiten von Anleihen im Direktbestand wurden erhöht, die Sicherheitsanforderungen an die Investitionen abgesenkt oder mehr Mittel im Nachrangbereich investiert. Häufig wurden die Aktienquoten erhöht und weiter ausdifferenziert, etwa durch neue Strategien wie das Factor Investing oder die Berücksichtigung von Sub-Assetklassen wie Emerging Markets. Viele Versorgungswerke stoßen aber mittlerweile an ihre Grenzen: Die aufsichtsrechtlichen Limits oder selbst gesetzte Risikobudgets lassen eine weitere Risikoerhöhung meist nicht mehr zu.

Eine Möglichkeit, die Rendite klassischer liquider Anlagen risikoneutral zu steigern, besteht darin, die Kosten zu senken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es in den Hauptmärkten nur wenigen Fondsmanagern gelingt, dauerhaft den jeweiligen Vergleichsindex zu schlagen. Der Mehrwert eines aktiven Fondsmanagements wird daher immer kritischer hinterfragt. Ein Asset Manager muss heute eine überdurchschnittliche Performance liefern, oder er läuft Gefahr, gegen kostengünstigere Alternativen ersetzt zu werden. Dies gilt insbesondere für Märkte mit einer hohen Effizienz wie etwa im Bereich der Large-Cap-Aktien.

Zukünftig könnten solche "Basisinvestments" über kostengünstige ETFs oder passive Spezialfonds umgesetzt werden. Für die weniger effizienten Märkte könnten dann aktiv gemanagte Fonds eingesetzt werden, die wie Satelliten um das Basisinvestment kreisen. Hier liegt die Kunst darin, Strategien und ineffiziente Märkte zu identifizieren, die das Portfolio hinsichtlich Rendite aufwerten können. Grundsätzlich dürfte der Trend zu kostengünstigen, "passiven" Fondsvarianten oder zur gezielten Kostenreduktion bestehender Vehikel (zum Beispiel Spezialfonds) noch lange nicht beendet sein. Für Letzteres sind eine tief greifende Analyse und umfangreiche Marktkenntnis erforderlich. Der Aufwand kann sich jedoch lohnen, da insbesondere ältere Mandate häufig noch nicht von den gesunkenen Marktkonditionen profitieren.

Alternative Investments als feste Portfoliogröße

In den vergangenen Jahren haben sich Alternative Investments als fester Bestandteil in den Portfolios vieler Versorgungswerke etabliert. Immer größere Teile des Anlagevermögens von Versorgungswerken setzen sich heutzutage aus illiquiden Assets wie Beteiligungen, Immobilien, Private Debt, Private Equity und Infrastrukturinvestitionen zusammen.

Diese Veränderungen führen dazu, dass das Volatilitätsrisiko durch ein Illiquiditätsrisko ersetzt wird, um die entsprechende Prämie zu vereinnahmen. Die Kapitalanlage wird damit nicht nur vielseitiger, sondern auch komplexer und anspruchsvoller.

Angefangen hat diese Entwicklung mit Anlagen in Immobilien. Das niedrige Zinsniveau machte einerseits Investitionen in diese Sachwerte attraktiver als viele Staatsanleihen, andererseits ermöglichte es auch äußerst günstige Finanzierungskonditionen für Immobilienprojekte. Beides zusammen sorgte dafür, dass die Nachfrage und die Kaufpreise in die Höhe schnellten. Die Mietrenditen wurden dabei auf ein historisches Tief gedrückt. Mittlerweile ist der Immobilienmarkt in einigen Bereichen allerdings stark ausgereizt und viele Investoren stoßen aufgrund interner oder aufsichtsrechtlicher Vorgaben an ihre Anlagegrenzen.

Vor allem Core-Immobilien, also hochwertige Immobilien in guten Lagen in den großen Städten, bieten heute wegen der gestiegenen Preise eine geringere laufende Rendite und weniger Potenzial für künftige Wertsteigerungen als in der Vergangenheit. Laut einer Scope-Erhebung aus dem Frühjahr 2018 waren dennoch 86 Prozent der in Deutschland aufgelegten Immobilienfonds im Bereich Core und Core plus investiert.

Handlungsoptionen bei Immobilien-Investments und Private Equity

Eine interessante Alternative gegenüber Core-Immobilien bieten vor allem Value-Add-Strategien. Dabei werden fundamental gute Bestandsimmobilien, bei denen sich jedoch zum Beispiel ein Investitionsstau gebildet hat, durch aktives Immobilienmanagement aufgewertet und mit Gewinn weiterverkauft. In diesem weniger wettbewerbsintensiven Bereich war der Preisanstieg nach 2008 deutlich moderater als bei Core-Immobilien. Dadurch ist das Rendite-Risiko-Verhältnis interessanter. Renditen von mehr als 10 Prozent pro Jahr sind dort auch aktuell noch realistisch (Abbildung 2).

Auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten wendeten sich institutionelle Investoren auch verstärkt privaten Beteiligungsmodellen zu. Dies führte dazu, dass sich das Vermögen, das weltweit in Private Equity verwaltet wird, in den vergangenen zehn Jahren von gut 1,5 Billionen US-Dollar auf weit über drei Billionen US-Dollar mehr als verdoppelt hat (Abbildung 3). Die gute Entwicklung der Aktienmärkte und das starke Interesse der Investoren an Private Equity, bei gleichzeitig begrenztem Angebot an Unternehmensverkäufen, hat jedoch auch hier die Preise getrieben und die Renditen nach unten gedrückt (Abbildung 4).

Attraktive Investments zu finden, ist schwieriger geworden, unmöglich ist es jedoch nicht. Der Markt entwickelt spannende Investmentideen heute vor allem in der Nische. Eine attraktive Nischenstrategie im Bereich Private Equity sind sogenannte "Rising Manager", die mit großem persönlichem Engagement erstmals einen Beteiligungsfonds anbieten oder zumindest in einer Frühphase ihrer Geschäftsentwicklung sind. Dabei handelt es sich meist um erfahrene, erfolgreiche Fondsmanager aus größeren Private-Equity-Häusern, die mit ihrem bestehenden Team oder anderen Partnern eine eigene Fondsgesellschaft gründen.

Diese Fonds erzielen nachweisbar bessere Renditen als etablierte Manager, die bereits mehrere Vehikel auf den Markt gebracht haben. Eine empirische Auswertung zeigt den Zusammenhang: Mit zunehmender Fondsgeneration geht die erzielte Rendite zurück (Abbildung 5).

Ein Grund für diese Differenz ist unter anderem, dass sich das verwaltete Vermögen von Fondsgeneration zu Fondsgeneration bei den einzelnen Private Equity Managern stark erhöht. Als Investor muss man sich fragen, ob der Fondsmanager seine Anlagestrategie, die bei geringeren Fondsgrößen sehr gut funktioniert hat, auch mit deutlich größerem Volumen umsetzen kann. Denn schließlich kann der Manager mit wachsender Größe nicht mehr so selektiv vorgehen wie bei seinen früheren Investments.

Diese vorgenannten Beispiele verdeutlichen, dass es für institutionelle Investoren auch im illiquiden Bereich interessante Investitionsmöglichkeiten abseits des Mainstreams gibt. Allerdings ist die Investition in solche Strategien aufwendiger. Die Auswahl und der Zugang sind schwieriger und bei der Analyse müssen die Schwerpunkte anders gesetzt werden als bei klassischen Produkten. Beides erfordert daher größere Ressourcen und spezielles Know-how.

Megatrend Nachhaltigkeit

Ein weiteres Thema, das institutionelle Investoren in den nächsten Jahren besonders beschäftigen wird, ist die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage. Die EU arbeitet derzeit an einer Taxonomie-, Benchmark- und Offenlegungsverordnung, die noch 2019 konkrete Anforderungen diesbezüglich mit sich bringen soll. Es ist durchaus denkbar, dass dies erst der Beginn einer Entwicklung ist, an deren Ende sich eine neue Form von Regulierung etabliert, die umfangreiche und konkrete Vorgaben zu Investitionen und Reporting beinhaltet.

Neben dieser aufsichtsrechtlichen Dynamik kommt hinzu, dass auch die Mitglieder der Versorgungswerke zunehmend eine klare Haltung der Einrichtung zu dem Thema einfordern könnten.

Institutionelle Investoren, die Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage umsetzen wollen, müssen sich über eine sinnvolle Definition des Themas Gedanken machen und Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln, die sowohl mit den Unternehmenszielen übereinstimmen als auch von den Mitgliedern des Versorgungswerks akzeptiert werden (Abbildung 6).

In weiteren Schritten muss anschließend das Portfolio mit den Nachhaltigkeitszielen in Einklang gebracht werden. Die Möglichkeiten zur Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien im Investmentprozess sind vielfältig: Man kann dies mittels Negativkriterien, Positivkriterien oder auf dem Wege des Impact Investings erreichen. Dabei müssen die Besonderheiten der jeweiligen Assetklasse berücksichtigt werden. Während es bei liquiden Anlagen, Immobilien- oder Infrastrukturinvestments bereits praktikable Ansätze zur Einbeziehung von Nachhaltigkeit gibt, ist die Umsetzung bei Private-Equity-Investments weitaus schwieriger.

Komplexere Kapitalanlage

Mit der Veränderung des regulatorischen Rahmens (Nachhaltigkeit) und der Verschiebung des Fokus weg von klassischen Investments hin zu komplexeren, intransparenteren und illiquideren Anlagen steigen die Herausforderungen an die Kapitalanlage auch in Zukunft weiter an. Diese Herausforderungen können jedoch auch Chancen bieten. In jedem Fall werden Versorgungswerke ihr Know-how und ihre personelle Ausstattung in den nächsten Jahren anpassen oder externe Ressourcen nutzen müssen, wenn sie den weiteren Umbruch in der Kapitalanlage aktiv gestalten wollen.

Marcus Burkert Geschäftsführer Investment Consulting, FERI Trust GmbH, Bad Homburg
Ahmet Peker CAIA, Direktor Institutionelle Kunden, FERI Trust GmbH, Bad Homburg
Marcus Burkert , Geschäftsführer Investment Consulting, FERI Trust GmbH, Bad Homburg
Ahmet Peker , CAIA, Direktor Institutionelle Kunden, FERI Trust GmbH, Bad Homburg

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