Rechtsfragen

Sparkassen: Negativzinsen für Einleger aus rechtlicher Sicht

Wer noch vor zehn Jahren eine Dissertation oder einen Fachaufsatz zu dem Thema geschrieben hätte: "Ist die Weitergabe von Negativzinsen an Sparkasseneinleger zulässig?", wäre als grauer Theoretiker milde belächelt worden. Tempora mutantur! Dieses Thema ist jetzt der Aufmacher-Artikel einer der jüngsten Ausgaben der renommierten "ZIP -Zeitschrift für Wirtschaftsrecht" (Heft 28/2016 vom 15.7. 2016, Seiten 1309 ff.), verfasst vom Tübinger Rechtsprofessor Jens-Hinrich Binder und seiner Doktorandin Christiane Hellstern. Das Thema ist inzwischen "hochaktuell" geworden.

Für die privatrechtlich organisierte Kreditwirtschaft bestehen (aus Sicht der Kunden: erfreulich!) zwar wettbewerbliche Hemmschwellen gegen die Weitergabe der ihr von der EZB abverlangten Negativzinsen an die Einleger. Gesetzliche oder vertragsrechtliche Schranken gibt es für sie aber nach herrschender Rechtsmeinung nicht, allenfalls (behebbare) Probleme aus dem AGB-Bereich. Für den Sparkassensektor (sowie den Genossenschaftssektor) wurde diese Frage allerdings zunächst kontrovers diskutiert. Zweifel resultierten aus den Sparkassengesetzen der Länder mit der verpflichtend bestimmten Funktion der Sparkassen, "Möglichkeiten zur Ersparnisbildung" bereitzustellen. Ihr "gesetzlicher Zweck (werde) verfehlt, wenn eine Sparkasse mit der Festlegung von Negativzinsen die Ersparnisbildung im Wege der klassischen Spareinlage quasi konterkariere". Satzungsklauseln ähnlichen Inhalts nährten solche Zweifel auch für den Geno-Bereich.

Die beiden Autoren kommen in ihrer sehr gründlichen und alle juristischen Aspekte erfassenden Analyse zu dem Ergebnis, dass das Sparkassengeschäft heute nach der Beseitigung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung kein "Bankgeschäft sui generis" sei, auch wenn diese Institute mit Blick auf die "öffentlich-rechtliche Präformation" traditionell als "Sonderform" einer Bank eingestuft würden. "Es (unterliege) grundsätzlich denselben wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie das Geschäft der privatrechtlich oder genossenschaftlich verfassten Kreditinstitute". Sparkassen seien auch nicht gesetzlich zu einem Verhalten gezwungen, das sie nicht im Wettbewerb bestehen ließe und das die Erfüllung ihrer Aufgaben unter Umständen überhaupt nicht mehr zuließe. Auch soweit der traditionelle Zweck der Förderung der Ersparnisbildung noch als Hauptaufgabe einer Sparkasse definiert werde, spreche weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck für die Annahme eines Verbots der Weitergabe von Negativzinsen an ihre Geschäfts- oder Privatkunden.

Der öffentliche Auftrag einer Sparkasse könne nur im Rahmen mindestens kostendeckender Geschäftspolitik erfüllt werden. Solange daher Gewinnorientierung zur Sicherstellung der gemeinnützig orientierten Aufgabenerfüllung angestrebt werde, sei die damit verbundene Geschäftspolitik der Sparkassen mit den Landessparkassengesetzen vereinbar. Ceterum censeo also: Die Sparkassen sind nicht gezwungen, auf die Weitergabe des Marktzinses im Passivgeschäft zu verzichten; sie seien auf sie angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein solcher Verzicht sei "weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Sparkassenrechte begründbar". Dieser eindeutigen Schlussfolgerung ist aus rechtlicher Sicht nichts hinzuzufügen; aus praktischer Sicht darf aber die Ergänzung nicht fehlen, dass nicht alles, was nicht verboten ist, gut und daher grenzenlos erlaubt sei. Dass Sparförderung auch "Verminderung" des Guthabens durch Negativzinsen einschließen darf, wird vielen Kunden nur schwer verständlich zu machen sein. Schließlich rechnen sie mit dem ihnen bekannten "Normalfall", wonach ihr erspartes Geld der Refinanzierung von Krediten an andere Kunden dient, die dafür in jedem Fall "positive" Zinsen" zu zahlen haben. Für die "refinanzierenden" Sparer wäre es wie eine "verkehrte Welt", wenn ihre Sparkasse (oder Bank) neben den "positiven" Zinsen der Kreditnehmer von ihnen auch noch "negative" Zinsen erheben wollte.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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