Redaktionsgespräch mit Alexander Bethke-Jaenicke

"In Krisensituationen muss aufgeräumt werden"

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke, Foto: Horn & Company (Christian Holthausen)

Die Banken haben sich in der Corona-Krise bislang als Teil der Lösung bewiesen und schnell und pragmatisch auf die Nöte ihrer Kunden reagiert, indem beispielsweise in kürzester Zeit Zugang zu Corona-Soforthilfen ermöglicht wurde. Es wurden gezwungenermaßen Prozesse vereinfacht und die Digitalisierung vorangetrieben. Das zeigt das große Potenzial der Kreditwirtschaft, aus der Not eine Tugend zu machen, also Geschäftsprozesse zu überdenken und zu optimieren, so der Autor. Das Homeoffice für Mitarbeiter in Zentralfunktionen werde zwar nicht zum präferierten Regelmodell werden, allerdings sei die persönliche Beratung und enger Kundenkontakt nicht nur durch eine Filiale abbildbar. Die Banken stehen im Hinblick auf die Zeit nach Corona vor diversen Herausforderungen, da auch die Institute nicht so einfach zurück zur Tagesordnung übergehen könnten. Welche Projekte sich hierbei als Chancen erweisen könnten, um endlich eine bessere Performance zu erzielen, zeigt der Autor im Folgenden auf. (Red.)

Die Banken tragen in Zeiten der Corona-Pandemie eine besonders große Verantwortung bei der Versorgung der Wirtschaft mit Überbrückungsliquidität, sei es mit eigenen Krediten, sei es mit dem Durchleiten von staatlichen Hilfskrediten. Wie schlagen sich die deutschen Banken Ihrer Meinung nach dabei?

Eindeutig sehr gut. Nachdem die Banken in der Finanzkrise 2008/2009 als "Krisenverursacher" einen schweren Stand hatten, nehmen sie diesmal die Rolle des aktiven Krisenbewältigers ein und das Seite an Seite mit den Kunden. Einerseits mussten in kürzester Zeit Notfallpläne umgesetzt werden, um ein Operating Model aufzusetzen, das den Kunden ein Banking auch in Zeiten von Covid-19 uneingeschränkt ermöglicht. Zweitens übernehmen die Banken eine wichtige Rolle im Rahmen der Umsetzung von Corona-Notmaßnahmenprogrammen der Bundesund Landesregierungen. Die Banken haben in aller Regel sehr pragmatisch Tausenden von Geschäfts- und Firmenkunden in kürzester Zeit den dringend benötigten Zugang zu KfW-Notfallkrediten ermöglicht, oft sogar vergleichsweise komfortabel über digitale Prozessstrecken und wenig Bürokratie oder unnötige Komplexität. Die Banken haben also geliefert. Aber natürlich geht Covid-19 auch an den Banken nicht spurlos vorbei. Zur Tagesordnung kann man also nicht übergehen.

Es herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass Corona alles verändert. Das gilt für alle Bereiche der Gesellschaft, aber wohl auch für die Banken. Horn & Company hat einen Fünf-Punkte-Plan erarbeitet, wie sich Kreditinstitute auf die Zeit danach einstellen können. Wie sieht der aus?

Wenn Sie so fragen: vor allem unaufgeregt und absolut praxisnah, nur das hilft jetzt. Jeder erfahrene Topmanager weiß, dass in Krisensituationen aufgeräumt werden muss. Oder anders ausgedrückt: Wenn nicht jetzt, wann dann? Und aufzuräumen gibt es - ganz unabhängig von Covid-19 - für Finanzdienstleister sicherlich weiterhin genug. Zum Beispiel im Hinblick auf die Digitalisierung, Multikanäle oder auch Customer-Centricity, wo wir noch lange nicht am Ziel sind. Das wurde in diesen Zeiten deutlicher, als es vermutlich vielen Bankern lieb war. Deshalb muss man den Blick jetzt zügig wieder nach vorne richten, mutig die Herausforderungen benennen, einen kühlen Kopf bewahren, die Ärmel hochkrempeln und angehen, was anzugehen ist. Unser Fünf-Punkte-Plan ist damit in erster Linie eine Art systematische Konsolidierung zusammengestellt aus verschiedenen Projekten, die sich bereits mit der Zeit nach Covid-19 auseinandersetzen.

Was ist der erste Punkt in diesem Plan?

Kostenmanagement und Performanceverbesserung müssen konzentriert angepackt werden. Schon vor dem Shutdown wurden vielerorts Kostenstellhebel identifiziert. Diese sollten im Jahresablauf sukzessive GuV-wirksam realisiert werden. Auf dem Kessel ist jetzt aber definitiv mehr Dampf, denn die vertrieblichen Ziele absolut plangemäß zu erreichen, fällt aktuell schwer. Da wird Kostenmanagement einmal mehr zur Topantwort der Stunde. Der zur Verfügung stehende Spielraum ist in Zeiten von Covid-19 eher größer geworden. Es ist ja aktuell zu sehen, dass ein wirklicher Quantensprung im Bereich der Effizienzsteigerung durch Prozessvereinfachungen und -verschlankungen möglich ist.

Viel Komplexität, die man sich bisher geleistet hat, musste kurzfristig einem Pragmatismus weichen, um überhaupt operativ handlungsfähig zu bleiben. Und siehe da, es hat trotzdem funktioniert - manches sogar besser als davor. Die Digitalisierung wird dabei zunehmend zum Enabler für eine bessere Performance. Und auch digitale Analysemethoden wie Process-Mining helfen, um in Geschäftsprozessen bestehende Potenziale transparent zu machen, weil Abweichungen zum Soll-Prozessablauf, Endlosschleifen und Kapazitätsfresser präzise erkannt und in ihrer Wirkung quantifiziert werden können. Nun kann man sie auflösen. Nicht getrieben von anekdotischer Evidenz, sondern von harten, quantifizierbaren Fakten.

Kostenmanagement ist ein Punkt, der doch schon vorher ganz oben auf der Agenda der Banken stand. Was ist daran jetzt Corona-bezogen?

Die grundsätzlichen Möglichkeiten und Stellhebel zur Kostensenkung haben sich durch Covid-19 auch nicht verändert. Was sich aber ändert, ist die Bewertung der Maßnahmen, die Einschätzung ihrer Effektivität und auch die interne und externe Akzeptanz. Lassen Sie es mich beispielhaft erläutern: Vieles in Banken ist immer noch unnötig komplex und kompliziert.

Trotz bester Absichten sind die Institute getrieben von der Idee, dass nur so der Kundenbedarf idealtypisch befriedigt oder Regularien optimal entsprochen werden könne. Möglicherweise kann jetzt ein Umdenken im Hinblick auf diese Handlungsweise stattfinden, da sich gezeigt hat, dass die bankfachlich getriebene Komplexität aus interner Sicht vielleicht schön ist, aber im Ergebnis nicht zwingend zu einer positiven Customer Experience für die Kunden führt. Oder weil die Verantwortlichen spätestens jetzt zugeben müssen, dass die Performance einzelner Geschäftsfelder unter den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen - richtig gerechnet - inakzeptabel ist. All diese Erkenntnisse können sich auf das Management positiv auswirken. Kosten senken zu müssen tut immer weh, Covid-19 hat aber - um im Bild zu bleiben - häufig das Schmerzempfinden signifikant verändert, das gilt es zu nutzen.

Also was schlagen Sie ganz konkret vor, um die Kosteneinsparungen zu intensivieren?

Das muss natürlich von Haus zu Haus individuell geplant werden. Erst einmal gilt es, ein sauberes Zielbild zu zeichnen, das aus strategischer Sicht verfolgt wird. Wie stelle ich mir mein Ziel-Geschäftsystem vor? Womit verdienen wir morgen Geld? Wieviel Filialen brauche ich dafür? Wieviel Multikanal? Wie besetzen wir die Kundenschnittstelle? Was mache ich selbst? Was kaufe ich von Dritten ein? Was will ich im Ziel wie digitalisieren? Wo starte ich Kooperationen? Wo baue ich eine Plattform, ein Ökosystem? Wodurch generiere ich zukünftig relevanten USP?

Mit Blick auf die Kostenseite gilt es dann Transparenz über den Status quo zu schaffen, um darauf aufbauend das angestrebte Zielbild auch quantitativ zu unterlegen. Aus den Schritten vom "Ist" zum Ziel leitet sich eine Maßnahmenmatrix ab: Auf der einen Seite wird nach Kostenarten differenziert, auf der anderen Seite die kurz-/mittel- und langfristige Umsetzungsperspektive unterschieden. Ziel ist es, dass sich das Management ein ganzheitliches Bild darübermachen kann, was zur Zielerreichung beitragen könnte und welche Maßnahmen oder Stellhebel erforderlich sind. Letztlich besteht die Herausforderung darin, eine Abschichtung und Systematisierung der Möglichkeiten vorzunehmen, die man als Management in den kommenden Monaten hat, um auf Entwicklungen reagieren zu können.

Wird der zunehmende Kostendruck der Banken zu einem noch stärkeren Filialsterben führen? Ist zudem auch mit stärkeren Stellenstreichungen zu rechnen als ohnehin schon geplant?

Es wäre wohl kaum der Königsweg, wenn all die gemachten Erfahrungen der letzten Wochen dann nach Abschluss der Krise wieder ad acta gelegt und das gesamte Filialnetz in voller Blüte wieder in den operativen Betrieb zurückgeführt würde. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Persönlicher Kontakt und Beratung ist nicht nur über die Filiale abbildbar. Gerade über Telefonie haben viele Institute aktuell gute Erfahrungen gemacht und vertrieblich erfolgreich agiert. Insbesondere, da erkannt wurde, dass Kunden aktuell durchaus auch mal einen Outbound-Call erwarten und diesen positiv wahrnehmen.

Für den Vertrieb heißt das, dass er sich unabhängig vom Kanal weg vom oft eher passiven Agieren in der Filiale hin zu einer aktiven und systematischen Ansprache des Kunden bewegen muss. Das muss durch Smart Data und Data Analytics für die professionelle Lead-Generierung unterstützt werden. Also nicht Musterkunden-Portfolio abgleichen, wenn der Kunde mal vorbei kommt, sondern Customer-DNA ermitteln, Bedarfslücken erkennen, Orientierung geben, Lösungsoptionen aufzeigen und so dem Kunden gezielten Mehrwert stiften.

Ich sag das mal so: Die Filiale kann als Arbeitsplatz von Teilen der Vertriebsorganisation sicher weiter Bestand haben. Warum auch nicht? Aber sie ist lediglich eine mögliche Begegnungsstätte für die Interaktion mit dem Kunden. Die Diskriminierung der nichtstationären Kanäle, die heute zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass viele Leistungen noch immer exklusiv nur über die Filiale bereitgestellt werden, ist keine adäquate Vertriebsstrategie für die Zukunft.

Ermöglicht wird das natürlich auch durch die Digitalisierung, die durch Corona ja einen ungeahnten Schub erfahren hat. Wie sollten die Institute in der Nach-Corona-Zeit hier ihre Strategie anpassen?

Spätestens jetzt sind wir beim zweiten Punkt unsers "After-Covid-19-Masterplans": Digitaler Umbau im Vertrieb, Realisierung Multikanal und absolute Kundenzentrierung. Der digitale Schub ist also, genau wie Sie es sagen, definitiv da, aber man muss damit umgehen können. Ich will nur zwei Aspekte hervorheben: Erstens darf Digitalisierung nicht als das Riesenprojekt des Jahrhunderts aufgesetzt werden. Diese Bestrebungen - und es gibt viele Beispiele dafür - scheitern oft. Man muss den Elefanten zerlegen. Es macht also Sinn, die digitale Agenda in viele operationalisierbare Unterpunkte zu zerteilen.

Ich will hier bestimmt nicht den Agilitäts-Papst spielen, das überlasse ich gern anderen. Aber das Denken in Minimum Viable Products ist bei Digitalisierung nicht von der Hand zu weisen und erweist sich regelmäßig als vorteilhaft. Bankvorstände sollten ihre digitalen Vorhaben von heute an stets so aufsetzen, dass nach spätestens drei Monaten eine spürbare Verbesserung für den Kunden erreicht werden muss, die umsetzbar und erlebbar ist. Ein solcher Anspruch verändert den Blick auf die digitalen Projekte, löst Denkprozesse aus und justiert das Portfolio erheblich. Mindestens genauso wichtig ist aber, dass nichts digitalisiert werden sollte, das schon offline suboptimal ist. Wird ein schlechter Prozess oder Workflow digitalisiert, hat man bestenfalls am Ende weiterhin einen schlechten digitalen Prozess. Wenn Banken für ein zu komplexes Produkt eine digitale Online-Produktabschluss-Strecke bauen, stellen sie am Ende in aller Regel ihrem Kunden keine Customer-Journey zur Verfügung, die dieser gut findet oder mit Abschluss honoriert. Das kann man sich auch sparen.

Glauben Sie, dass gerade die Menschen, die bisher nicht so digitalaffin waren und aufgrund der Pandemie dazu derzeit quasi genötigt werden, nach Corona weiterhin diese Kanäle nutzen werden?

Unbedingt. Das gilt insbesondere für die Schnittstelle zum Kunden. Das im Rahmen von Covid-19 Erlernte wird auch nach der Krise Bestand haben. Meine 77-jährige Mutter, die zwar topfit und jung geblieben ist, aber seit jeher jegliche Bargeldlogistik ausschließlich über die Kasse gemacht hat, nutzt seit neustem wie selbstverständlich Geldautomaten und berichtet davon, wie praktisch das ist. Natürlich ist das nur ein Beispiel, aber in diesem Sinne bedeutet Corona echten Wandel beim Konsumenten, ganz praktisch und real - gerade auch bei den weniger digitalaffinen Kunden.

Vor diesem Hintergrund muss es das Ziel sein, die Schnittstelle zum Kunden viel stärker zu digitalisieren. Es werden leistungsfähige Kundenportale benötigt, die es dem Kunden zum Beispiel durchgängig ermöglichen, seine von der Bank benötigten Unterlagen zu fotografieren und auf digitalem Weg zur Verfügung zu stellen. Das gilt für das gewerbliche Kreditgeschäft genauso wie für die private Baufinanzierung. Und für die Bank genauso wie für den Kunden. Eigentlich unfassbar, dass im Jahr 2020 im Regelfall viele Unterlagen noch immer in Papierform bereitgestellt werden - ja, eigentlich werden müssen.

Glauben Sie, dass virtuelle Formen der Zusammenarbeit - also Videokonferenzen, Homeoffice et cetera - auch nach Corona ihren Siegeszug fortsetzen werden?

In der Krise machen viele die Erfahrungen, dass auf Präsenztermine und Dienstreisen auch mal verzichtet werden kann und der Verzicht nicht nur Zeit und Kosten spart. Virtuelle Formen der Zusammenarbeit wie Telefon- und Videokonferenzen werden vielfach sogar als kürzer, prägnanter und ergebnisorientierter wahrgenommen. Insofern glaube ich schon, dass Videokonferenzen an Bedeutung gewinnen werden, auch in der Interaktion mit dem Kunden. In Bezug auf das Homeoffice bin ich da skeptischer.

Ich denke, um ehrlich zu sein, nicht, dass Homeoffice insbesondere in den Zentralfunktionen zum präferierten Regelmodell werden wird. Die aktuelle Diskussion ist mir tendenziell zu oberflächlich und geht teilweise sicher auch am Bedarf der Mitarbeiter vorbei. Der Trend hin zu agileren Arbeitswelten in den Zentralbereichen hingegen dürfte sicher seine Fortsetzung finden: Keine festen Büros mehr, flexiblere Flächengestaltung und Möblierung und Creative-Workspaces.

Als dritten Punkt des Fünf-Punkte-Plans nennen Sie "Daten, Daten, Daten". Was konkret meinen Sie damit?

Das Thema "Daten" ist sicher vielschichtig, aber in erster Linie geht es uns um die Steuerung des Unternehmens. Die Aufgaben für das Management in diesen Zeiten sind beachtlich angesichts des starken Wellengangs. Das Management braucht die richtigen Steuerungsinstrumente an die Hand, um zielsicher in den Hafen zu kommen. Ein angenehmer Nebeneffekt der Digitalisierung ist, dass definitiv viel mehr Daten zur Verfügung stehen. Kunden hinterlassen schließlich Spuren, wenn sie mit ihrer Bank oder Sparkasse in Kontakt treten. Aber auch intern gibt es viel mehr Daten, zum Beispiel Produktivitäts- und Auslastungsdaten der Marktfolge, Real-Time-Daten aus Process Mining zur Prozessperformance, Statusdaten zu unserem Projektportfolio und auch Daten zu aktuellen Wettbewerberkonditionen oder zum Krankenstand der Mitarbeiter. Alle diese Daten schlummern irgendwo in den Systemen der Bank. Die schlechte Nachricht ist, bisher bekommt man alle diese Datentöpfe kaum sinnvoll miteinander vernetzt.

Und genau an dieser Stelle setzt unser Plan an und führt diese Daten zusammen. Es kann zukünftig in der Steuerung doch nicht mehr nur darum gehen, mit Zeitverzug die bereits aufgetretenen GuV-Planabweichungen zu erkennen, um dann, dem individuellen Bauchgefühl folgend, einen potenziellen Schuldigen zu suchen. Vielmehr muss es der Anspruch sein, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im operativen Geschäftssystem nachzuvollziehen, besser zu verstehen und für die Entscheider transparent zu machen. Damit bringen wir das Management in die Situation, schon bei sich abzeichnenden Abweichungen von geplanten Ergebnissen die Ursachen frühzeitig zu erkennen. Maßnahmen können systematisch geplant und deren Auswirkungen im Modell simuliert werden

Meinen Sie nicht, dass insbesondere kleinere Institute mit einer solchen Datenflut eher überfordert sein könnten, als dass sie einen Nutzen daraus ziehen?

Ich würde erstmal die These wagen, dass kleinere Institute auch heute in der Steuerungsaufgabe nicht unterfordert sind. Status quo sind in der Regel zentimeterdicke, oft eher unübersichtliche Reports mit umfassenden Tabellenkalkulationen in kleiner Schriftgröße und Datenwüsten und Datenfriedhöfen. Viele Reports werden zudem nur noch "für den Schrank" erstellt, weil die aufsichtsrechtlich anerkannten Methodenvorgaben zum Beispiel zur Ermittlung des Zins-Konditionen-Beitrags Passiv so weit weg von der Realität sind, dass eine Beachtung der damit generierten Steuerungsinformationen in jedem Fall irreführend wäre und betriebswirtschaftlich betrachtet tendenziell falsche Steuerungsimpulse setzt.

Von daher werden auch kleinere Institute davon profizieren, wenn sie bessere Steuerungsinformationen zur Verfügung haben. Über den Aufbau von virtuellen Data Warehouses sind die Institute auch in kleinem Stil sehr professionell und mit minimalem Aufwand in der Lage, deutlich aussagekräftigere Steuerungsinformationen zu erstellen. Und dafür benötigt man oft nur wenige Tage. Aber Ihr Hinweis ist trotzdem richtig: Gerade mit Blick auf den genossenschaftlichen Sektor oder auch bei den Sparkassen wäre es sicher anzustreben, wenn die entsprechenden Zentralinstitutionen die Aufgabe übernehmen oder eben die großen Häuser vorangehen, Lösungen zu erarbeiten, die multiplizierbar sind.

Was ist der nächste Punkt in Ihrem Strategieplan?

Punkt 4 befasst sich direkt mit der Change-the-Business-Perspektive und dementsprechend mit der Re-Priorisierung des aktuellen Projektportfolios. Diese muss in jedem Fall neu bewertet, adjustiert und GuV-fokussiert ergänzt werden. Das gilt sowohl mit Blick auf die Frage: "Was ist jetzt wichtig?", als auch im Hinblick auf die Kapazitätsplanung. Covid-19 hat viele laufende Projekte in Bezug auf die Zeitachse und Kapazitätsverfügbarkeit ein wenig durcheinander geschüttelt. Jetzt muss also so oder so ein Re-Planning gestartet werden, was für viele Institute eine gute Gelegenheit darstellen könnte, die Prozesse rund um das Projekt-Portfolio-Management weiterzuentwickeln. Wir setzen hierfür bei unseren Klienten standardisierbare und primär zahlengetriebene Verfahren ein. Das versachlicht die Diskussion im Fokus erstmal um die Fragen: Was bringt uns die Maßnahme oder das Projekt? Welche Ertrags-, Kapazitäts- oder Kostenwirkung erzielen wir damit wann? Dabei sind Strategie- und Regulatorikprojekte natürlich anders zu behandeln als Effizienz- und Wachstumsthemen.

Als zweites ist der Aufwand zu planen, also insbesondere die Frage zu beantworten, welche Ressourcen, vor allem welche Skills, benötigt werden, um das Projekt erfolgreich umzusetzen. So lässt sich eine Priorisierung der Projekte durchführen. Wenn man dann noch seitens der die Kapazitäten bereitstellenden Bereiche Informationen erhält, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt welche Ressourcen für die Projekte bereitgestellt werden können, sind wir imstande quasi auf Knopfdruck das Projektportfolio zu planen und mit den jeweils passenden Mitarbeitern im Zeitablauf zu besetzen.

Welche Projekte sollten in der Post-Corona-Zeit nun eher erst mal hinten anstehen und welche sollten nach vorne in der Prioritätenliste rücken?

Viele Unternehmen der Finanzbranche haben "on-the-fly" bereits sehr pragmatisch erste Repriorisierungen vorgenommen. Auf der einen Seite wurde vielfach das Thema Kosten, in welcher Form auch immer, als zusätzliches Teilprojekt in bestehenden Projektstrukturen ergänzt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass Digitalisierungsaufgaben wichtiger geworden sind und eher schneller denn langsamer realisiert werden müssen. Das umfasst auch Aufgaben im Kontext neue Formen der innerbetrieblichen Zusammenarbeit sowie alle Themen rund um die digitale Transformation des Geschäftsmodells. Hier gilt es zu vermeiden, dass ein Weniger an Kosten nicht zu einem Weniger an Geschwindigkeit führt.

Nun fehlt nur noch ein Punkt des Strategieplans. Was müssen die Banken denn noch tun, um sich gut für die Zeit nach der Pandemie aufzustellen?

Der letzte Punkt im Fünf-Punkte-Plan ist das Thema Kulturwandel, der ein wenig die verbindende Klammer zwischen allen zuvor adressierten Aufgaben bildet. Covid-19 zwingt uns zur Fokussierung und einer Kultur des "getting things done". Wer im Regelbetrieb gewohnt ist, alles mehrfach zu prüfen und zu beleuchten, um Fehlentscheidungen unter allen Umständen zu vermeiden, braucht oftmals zu lange, um am Puls der Zeit zu bleiben. Das rächt sich gerade im Krisenmodus. Positiv stellt sich jedoch in jedem Fall die Frage, wie es gelingen kann, die Geschwindigkeit von Entscheidungen in der Krisenzeit für die Normalität zu sichern. Diesen neu erlebten Pragmatismus und die Schnelligkeit gilt es zu erhalten und als Kultur zu etablieren. Gerade die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat vielerorts in der Krise gut funktioniert, ob - wohl die Rahmenbedingungen durchaus schwierig waren. Vielfach wurden hier Elemente gelebt, die für agile Organisationen typisch sind. Umgekehrt hat sich aber bei bereits überwiegend agil aufgestellten Organisationen auch gezeigt, wo die Grenzen agiler Organisation liegen. Denn wer in außergewöhnlichen Situationen bestehen will, schnell entscheiden muss und Rückhalt und Stabilität vermitteln möchte, braucht manchmal keinen agilen Coach, sondern vielmehr Persönlichkeit und Leadership.

Grundsätzlich wäre das zu begrüßen. Aber die erhöhte Entscheidungsgeschwindigkeit lag zum Teil auch an temporären regulatorischen Erleichterungen. Diese werden in der Nachkrisenzeit wieder zurückgenommen werden. Wie soll es da gelingen, daraus eine neue Unternehmenskultur abzuleiten?

Sie werten die regulatorischen Erleichterungen in ihrer Wirkung höher ein, als ich diese wahrgenommen habe. Aber klammern wir das aus: Es gelingt, indem Banken die Krise als Chance begreifen, so abgedroschen es klingt. Jedes Haus hat nun die Möglichkeit, die eigene spezifische Unternehmenskultur weiterzuentwickeln. Die unfreiwillig gewonnenen Erfahrungen in außergewöhnlichen Situationen liefern wichtige Erkenntnisse über Stärken, aber auch Schwächen und Entwicklungsbedarfe von Mitarbeitern sowie Teile der Organisation und Formen der Zusammenarbeit. Trotz aller operativen Hektik sollte das Management hier die Ruhe finden, die richtigen Schlüsse für die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur zu ziehen.

Glauben Sie, die Banken als Branche werden gestärkt aus der Krise hervorgehen?

Auf jeden Fall, aber es muss die Bereitschaft vorhanden sein, etwas dafür zu tun. Das Management weiß in der Regel doch ganz genau, was zu tun ist. Man muss jetzt nur die Kraft aufbringen, die Dinge auch konsequent aufzugleisen. Wichtig wird sein, eine Art Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Dann kann es in jedem Fall gelingen, die bestehenden Strukturen des Geschäftsmodells aufzubrechen und die eingefahrenen Denkhürden zu überspringen. Die fünf Punkte in unserem Masterplan können hierfür den Weg weisen. Wenn man sie geschickt spielt, begünstigen sie sich gegenseitig. Das ist die eigentliche Idee. Die Devise heißt also: Mutig sein und entschlossen die Weichen für die Zukunft stellen, trotz aller Unsicherheit über die Details der weiteren Entwicklung.

Dr. Alexander Bethke-Jaenicke Geschäftsführender Partner, Horn & Company GmbH, Düsseldorf
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