Aufsätze

Sparkassenfusionen aus Erlös- und Kostensicht - Konsolidierung als Werttreiber?

Ein Jahr nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers sieht sich der deutsche Bankenmarkt weiterhin mit großen Herausforderungen konfrontiert. Auch die wirtschaftlich vergleichsweise robuste Lage für die Sparkassen erscheint durchaus trügerisch. Die Institute laufen unter anderem Gefahr, vom Eigenkapitalbedarf der Landesbanken betroffen und infolgedessen zu massiven Einlagenerhöhungen und Beteiligungswertabschreibungen gezwungen zu werden, wie unlängst bei der Sparkasse Südholstein zu beobachten war. Diese Sparkasse war aber bereits zuvor durch eine Fusion zur Existenzsicherung eines Nachbarinstituts in eine schwierige Lage gekommen, sodass hier auch ein öffentliches Bild vom Misserfolg bei Sparkassenfusionen geprägt wird, auf das auch Elsas (2004) eingeht.

Forderung nach einem beschleunigten Konsolidierungsprozess

Nichtsdestotrotz kommt gerade in der aktuellen Krisensituation wieder besonders stark die Forderung nach einem beschleunigten Konsolidierungsprozess als vermeintlichem Lösungsweg auf. Dabei wird diese medienträchtige Hervorhebung von Fusionslösungen durch entsprechende Strukturdaten insoweit gestützt, als dem deutschen Bankenmarkt allgemein ein (vergleichsweise) niedriger Konzentrationsgrad bescheinigt wird. Auch für den Sparkassensektor im Besonderen werden Fusionen als elementarer Bestandteil der künftigen Ausrichtung gesehen und ihnen teilweise sogar eine höhere Bedeutung als Kooperationen im Verbund zugesprochen.1)

Der weiterhin unterdurchschnittliche Konzentrationsgrad und der damit unterstellte geringere Effizienzgrad wird vor allem auf den hohen Staatsanteil und die fortdauernde "Zersplitterung" der Bankenlandschaft in die drei rechtlich streng abgegrenzten Säulen zurückgeführt.2) Diese Argumentation täuscht jedoch darüber hinweg, dass auch im öffentlich-rechtlichen Sektor in den letzen Jahren eine erhebliche Konsolidierung stattgefunden und sich die Zahl der Sparkassen allein im Zeitraum 1993 bis 2003 von 703 auf 489 reduziert hat.3) Als wesentlicher Treiber für diesen Trend jenseits der aktuellen Finanzkrise wird seit Langem eine kritische Kombination aus sinkenden Erträgen und steigenden Kosten gesehen,4) die bei den Sparkassen bereits in den Jahren vor der Krise zu einer deutlichen Rentabilitätsverschlechterung geführt hat.

Aufgrund des nachhaltigen Rückgangs der Zinsspanne, der die Sparkassen wegen der hohen Bedeutung des Einlagengeschäfts überproportional getroffen hat, versuchten die Institute verstärkt, die Erträge aus dem zinsunabhängigen Provisionsgeschäft nachhaltig zu erhöhen. Der Auf- und Ausbau von Kompetenz in wachstumsträchtigen, zinsunabhängigen Geschäftsfeldern setzte jedoch hohe Investitionen in die Neuausrichtung und Ausweitung der Vertriebswege voraus, die sich für die Sparkassen nur bei einer entsprechenden Kapazitätsauslastung amortisieren. Diese Problematik wird durch die immer strikteren und umfassenderen Regelungen des Bankaufsichtsrechts in zunehmendem Maße verschärft.

Betriebswirtschaftliche Effizienz im Fokus

Angesichts der zukünftigen Herausforderungen drängt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) auf eine nachhaltige Stärkung der betriebswirtschaftlichen Effizienz seiner Mitgliedsinstitute. So sollen die deutschen Sparkassen mittelfristig eine Eigenkapitalrentabilität von mindestens 15 Prozent und eine Cost Income Ratio (CIR) von unter 60 Prozent erreichen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.5) Diese Ziele scheinen jedoch für viele Sparkassen aus eigener Kraft unerreichbar. Laut einer Studie der Unternehmensberatung A. T. Kearney ist lediglich einer von zehn Sparkassenvorständen davon überzeugt, diese vorgegebenen Erfolgsziele eigenständig, das heißt allein durch institutsinterne Rationalisierungsmaßnahmen, erreichen zu können.6)

Im Hinblick auf institutsübergreifende Lösungen wurden bereits klassische Kooperationen (zum Beispiel in Form von gemeinsamen Rechenzentren oder Zahlungsabwicklungsgesellschaften) in den letzten Jahren zahlreich umgesetzt.7) Das Potenzial dieser Maßnahmen ist jedoch begrenzt, denn Führungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse sind aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen praktisch gar nicht, Marktprozesse nur begrenzt auslagerbar.8) Synergieeffekte in diesen zunehmend komplexen und damit kostenintensiven Bereichen erscheinen deshalb nur im Rahmen von weiteren Sparkassenfusionen realisierbar.

Obwohl mit den realisierbaren Umsatz- und Kostensynergien betriebswirtschaftliche Vorteile der Konsolidierung scheinbar auf der Hand liegen, gibt der Blick auf den Erfolg zurückliegender Sparkassenfusionen Anlass zur Skepsis. Sparkassenfusionen mögen sich in vielen Fällen zumindest kurzfristig sogar negativ auf die Profitabilität ausgewirkt zu haben.9) Diese zumindest wahrgenommene schwache Performance vieler zurückliegender Zusammenschlüsse hat auch das Stimmungsbild in der Praxis nachhaltig verschlechtert. So sahen vor einigen Jahren gerade einmal 15 Prozent der Sparkassenvorstände in weiteren Fusionen einen wesentlichen Hebel zur Ergebnisverbesserung.10)

Relevante Erfolgsfaktoren für Fusionen

Auch die hohe in der Vergangenheit realisierte und künftig zu erwartende Anzahl von Fusionen belegt nicht, ob und unter welchen Bedingungen solche Zusammenschlüsse einen ökonomischen Mehrwert geschaffen haben beziehungsweise schaffen werden. Dafür bedarf es einer umfassenden quantitativen Analyse des Fusionserfolgs sowie einer Erfassung relevanter Fusionserfolgsfaktoren, um ein besseres Verständnis für Sparkassenfusionen zu entwickeln und ökonomisch relevante Stellhebel für künftige Transaktionen abzuleiten. Mit Unterstützung und auf Basis von Daten der Deutschen Bundesbank und Auskünften zahlreicher Vertreter aus der Sparkassenorganisation wurde Anfang 2009 an der European Business School eine umfassende Langzeitanalyse des Konsolidierungsprozesses im öffentlich-rechtlichen deutschen Bankensektor abgeschlossen, die den vordergründigen Widerspruch zwischen Fusionsaktivität und dokumentiertem Fusionsmisserfolg aufklärt. Die Ergebnisse werden nachfolgend vorgestellt.

Die zwei großen Monographien von Haun (1996) und Gold (1997) zum Erfolg deutscher Sparkassenfusionen berichten beide ein negatives Gesamtergebnis. Haun (1996) untersucht den Erfolg von allen (24) westdeutschen Sparkassenfusionen der Jahre 1979 bis 1988 anhand von 68 Kennzahlen. Dabei weisen die analysierten Sparkassenvereinigungen eine signifikante Verschlechterung der Rentabilität im Fusionsverlauf auf. Als Hauptursache für dieses negative Ergebnis wird eine signifikante Erhöhung des Verwaltungsaufwands identifiziert, die nicht durch entsprechende Ertragssteigerungen ausgeglichen wird.

Das negative Gesamtergebnis ist jedoch differenziert zu betrachten. So stellt Haun (1996) fest, dass fusionierende Sparkassen mit einer branchenunterdurchschnittlichen Performance im Vorfusionszeitraum von einer relativ erfolgreichen Fusion ausgehen können. Im Gegensatz dazu fallen Vereinigungen von Sparkassen, die schon vor der Fusion insgesamt ein überdurchschnittliches Wachstum von Bilanzsumme und Gesamterträgen aufweisen, im Fusionsverlauf durch eine unterdurchschnittliche Entwicklung der Eigenkapitalrentabilität auf. Zu inhaltlich ähnlichen, statistisch jedoch kaum signifikanten Ergebnissen kommt Gold (1997) im Rahmen seiner Analyse von 31 Sparkassenfusionen, die in den Jahren 1972 bis 1979 in Bayern stattgefunden haben.

Hohe Konsolidierungsdynamik

Jüngere Evidenz von Drees et al. (2006) berichtet für vier Fallstudien dagegen recht positive Zahlen, aber insgesamt ist der Kenntnisstand zum Erfolg von Sparkassenfusionen noch überschaubar. Dabei mangelt es nicht an Anschauungsbeispielen (siehe Tabelle 1). Im Zeitraum 1993 bis 2006 gab es 226 Fusionen zwischen Sparkassen. Die Unterschiede in der Anzahl der aufnehmenden und aufgenommenen Institute begründen sich dabei durch multiple Fusionen, das heißt die Vereinigung einer aufnehmenden mit zwei oder mehr aufgenommenen Sparkassen zu einem Zeitpunkt. Durchschnittlich weist der Sparkassensektor also eine bemerkenswert hohe Konsolidierungsdynamik auf: 6,5 Prozent der Sparkassen waren pro Jahr an Fusionen beteiligt. Das Gesamtvolumen aller Fusionen über den Untersuchungszeitraum umfasst bei den akquirierten Aktiva 172 Milliarden Euro, durchschnittlich 763 Millionen Euro je Fusion.

Negativeffekte nur kurzfristig

Zur Messung des Fusionserfolgs werden rechnungslegungsbasierte Daten und spezifisch von der Deutschen Bundesbank errechnete Kennzahlen verwendet. Die zwei nachfolgend genutzten Erfolgskennzahlen sind inputorientiert die Cost Income Ratio (CIR) zur Abbildung der Kosteneffizienzentwicklung und outputorientiert der Return on Risk Weighted Assets (RORWA) zur Messung der Profitabilitätseffekte, wobei jeweils fusionierende und nicht fusionierende Institute im Jahr des Zusammenschlusses sowie in den vier Nachfusionsjahren auf Basis eines panelregressionsanalytischen Modells verglichen werden.

Die Ergebnisse stehen im Widerspruch zum öffentlichen Bild der Misserfolge von Bankzusammenschlüssen (siehe Tabelle 2). Im Fusionsjahr weisen fusionierende Sparkassen zwar deutlich schwächere Erfolgskennzahlen aus als nicht-fusionierende. Dieser kurzfristig negative Effekt schwächt sich über die Zeit aber ab und wird schließlich überkompensiert. Im dritten und vierten Nachfusionsjahr (M3 und M4) lässt sich ein signifikant positiver langfristiger Effekt in beiden Erfolgskennzahlen nachweisen: eine geringere CIR geht mit einem erhöhten RORWA einher.

An die Erfolgsanalyse schließt sich die Frage an, welchen Voraussetzungen im Sinne der Vorfusionsstrukturen eine besondere Erfolgsrelevanz zuzuschreiben ist. Die Analyse dieser sogenannten strukturellen Erfolgsfaktoren zeigt im Einklang mit anderen Studien, dass Fusionen überwiegend nicht dann erfolgreich sind, wenn sie als Instrument gut positionierter Institute zum Ausbau ihrer Marktposition eingesetzt werden. Fusionen sind überwiegend ein defensives Mittel und führen vor allem dort zu messbaren Erfolgen, wo Institute mit vergleichsweise schwachem Finanzprofil an ihnen beteiligt sind. Die Zusammenschlüsse sind folglich mehrheitlich als Reaktion auf vergangene Fehlentwicklungen beziehungsweise als Ausweg aus der (latenten) Krise und proaktive Antwort auf künftige Herausforderungen zu interpretieren. Ein Katalysator kann in der krisenbedingt hohen Restrukturierungsbereitschaft (finanz)schwacher Institute gesehen werden.

Daraus sollte jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass Fusionen zwischen stark positionierten Sparkassen nicht von Erfolg gekrönt sein können. Hier führen insbesondere die Zusammenschlüsse zum Erfolg, die einen relativ starken Größenunterschied zwischen aufnehmendem (großem) und aufgenommenem (kleinem) = Fusionspartner aufweisen. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt in der vergleichsweise geringeren Komplexität der Integration der beiden Institute in einer solchen Konstellation.

Positiveres Licht

Ungeachtet des Größenverhältnisses haben Interviews mit fusionserfahrenen Experten aus dem Sparkassensektor und darüber hinaus gezeigt: ohne das Wissen um die integrationsrelevanten Erfolgsfaktoren und deren Berücksichtigung kann das Zusammenwachsen der Institute nicht optimal gelingen und der größtmögliche Fusionserfolg nicht erreicht werden. Als Ergebnis zeichnet sich ein Bezugsrahmen zur Integration mit sechs relevanten Erfolgsfaktorenfeldern ab (siehe Abbildung): Integrationsvorbereitung, technische, organisatorische, personalwirtschaftliche und kommunikative Integrationsmaßnahmen sowie Integrationsumsetzung. Die empirisch fundierten, aber an den praktischen Integrationsherausforderungen orientierten Inhalte je Erfolgsfaktorenfeld können als komprimierte Orientierung für das Management fusionierender Institute einen praktischen Mehrwert schaffen.

Im Vergleich zur bislang vorliegenden Evidenz, die fast ausnahmslos den Misserfolg von Sparkassenfusionen feststellt, wirft diese Untersuchung ein deutlich positiveres Licht auf die Zusammenschlüsse, ohne die Bedeutung außerökonomischer, politischer oder auch irrationaler Einflüsse auf unternehmerische Entscheidungen in Abrede zu stellen. Die vorliegenden Untersuchungsbefunde zeigen, dass im Schnitt sowohl kosten- als auch erlösseitig mit der hohen Fusionsaktivität im Sparkassensektor die Effizienz signifikant gesteigert wurde.

Literaturverzeichnis

A. T. Kearney (2002): "Wenn's ums Geld geht" - Wege zur Ergebnisverbesserung deutscher Sparkassen, , Abrufdatum: 10. Februar 2005.

Bundesverband deutscher Banken (2004c): Banken 2004 - Fakten, Meinungen, Perspektiven, Berlin.

DIW (2004): Untersuchung der Grundlagen und Entwicklungsperspektiven des Bankensektors in Deutschland (Dreisäulensystem), Berlin.

Drees, Friedel/Keisers, Max/Schiereck, Dirk (2006): Zum Erfolg von Sparkassenfusionen - Aktuelle kasuistische Evidenz, Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 29. Jahrgang, Seiten 24 bis 49.

DSGV (2002): Strategie der Sparkassen-Finanzgruppe - Strategische Leitlinien und konkrete Handlungsfelder, Berlin.

Elsas, Ralf (2004): Preemptive distress resolution through bank mergers, in: Working Paper Series Finance and Accounting 137, Department of Finance, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

Gold, Christoph (1997): Gebietsreformbeeinflußte Fusionen bayrischer Sparkassen, Diss., Göttingen.

Haasis, Heinrich (2002): Fusionen zur Gestaltung eines zukunftsfähigen Sparkassensektors - Notwendigkeit und Grenzen, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Nr. 1/2002, Seiten 29 bis 35.

Hackethal, Andreas/Schmidt, Reinhard H. (2005): Structural Changes in the German Banking System, Working Paper Series: Finance & Accounting, No. 2005/147, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

Haun, Burkhard (1996): Fusionseffekte bei Sparkassen, Diss., Wiesbaden.

International Monetary Fund (2003): Germany: Article IV Consultation - Staff Report; Staff Supplement; and Public Information Notice on the Executive Board Discussion. IMF Country Report No. 03/341, Washington.

Morgan Stanley (2004): German banks - a guide to consolidation and structural change, London.

O. V. (2001a): Bildung von Ballungsraumsparkassen wahrscheinlich, in: Handelsblatt, Nr. 164, 27. August 2001, Seite 19.

Wolfers, Benedikt/Kaufmann, Marcel (2004): Öf-fentlich-rechtliche Rahmenbedingungen und Umstrukturierungsmodelle für Landesbanken und Sparkassen, in: Fischer, Matthias (Hrsg.): Handbuch Wertmanagement in Banken und Versicherungen, Wiesbaden, Seiten 201 bis 214.

Christoph Auerbach , Personalleiter, HypoVereinsbank - UniCredit Bank AG, München
Prof. Dr. Dirk Schiereck , Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinan­zierung , Technische Universität Darmstadt
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