Aktives versus passives Management - mit langfristigem Denken zu höheren Erträgen

Lars Detlefs Foto: MFS

Die starken Mittelzuflüsse bei Indexfonds und anderen passiven Produkten lassen seit einigen Jahren den Eindruck entstehen, als habe das aktive Fondsmanagement ausgedient. Die Autoren relativieren diese Auffassung. Zwar halten sie ein fundamentales aktives Management für zyklisch, räumen ihm aber langfristig bessere Ertragschancen ein. Kompetente aktive Manager, so ihre Argumentationslinie, können Marktineffizienzen nutzen, aktiv Einzelwerte auswählen und gezielt Risiken eingehen, um mehr langfristigen Wert zu schaffen. (Red.)

1979 rief Businessweek in einer Titelgeschichte den "Tod der Aktie" aus. Das Magazin berichtete ausführlich, wie institutionelle Investoren Aktien nach einem Jahrzehnt mäßiger Erträge durch Edelmetalle, Kunst und selbst Pizza-Hut-und Kentucky-Fried-Chicken-Konzessionen ersetzten. Heute mag diese Titelstory provokant erscheinen, doch damals hatte man für Aktien nicht viel übrig. Sie litten nicht zuletzt unter der immer höheren Inflation, dem enormen Ölpreisanstieg und anhaltend niedrigen Erträgen.

In den Siebzigern boten Anleihen höchster Qualität (AAA) über 11 Prozent Rendite, während man mit Aktien nur 5,85 Prozent jährlich verdiente - und damit deutlich weniger als den Langfristdurchschnitt von 10,42 Prozent.1)

Heute ist die Stimmung ähnlich. Doch statt ganz auf Aktien zu verzichten, verabschieden sich Investoren nur vom traditionellen aktiven Management. Nicht wenige Auguren haben dessen Ende ausgerufen. Sie halten vor allem die fundamentale Einzelwertauswahl für antiquiert, für teuer und wenig zielführend. Die Mittelzuflüsse in Indexfonds und andere passive Produkte schnellen nach oben, während aktiv gemanagte Investmentfonds seit Jahren Abflüsse hinnehmen müssen.

Begünstigung passiver Strategien durch die Hausse

Die Geschichte vom "Tod des aktiven Managements" dürfte sich als genauso falsch erweisen wie 1979 das Gerede vom Ende der Aktie. In den letzten Jahren war das Marktumfeld gut für passive Ansätze, doch wie in den Siebzigern gilt auch heute, dass sich die Finanzmärkte ständig verändern, zyklisch sind und sich kontinuierlich weiterentwickeln. Natürlich lässt sich die Zukunft nicht vorhersagen, aber es ist nicht anzunehmen, dass Marktzyklen und Konjunkturzyklen der Vergangenheit angehören - dem aktiven Management ist daher noch immer Mehrertrag zuzutrauen.

Seit seinem Tiefststand im März 2009, zum Ende der internationalen Finanzkrise, ist der S&P 500 Index um 331 Prozent gestiegen.2) Wer einfach nur mit ETFs oder anderen passiven Vehikeln in den Gesamtmarkt investierte, hat also viel verdient. Die derzeitige Hausse gehört zu den längsten der Geschichte: Im Durchschnitt dauerte eine Hausse fünf Jahre, aber der derzeitige Kursanstieg ist bereits in seinem neunten Jahr - und nichts deutet darauf hin, dass er bald vorbei sein könnte.

Passive Manager haben auf diese Kapitalzuflüsse reagiert und im letzten Jahrzehnt Tausende neuer Produkte aufgelegt. Heute gibt es in den USA mehr Indizes für verschiedenste Assetklassen als börsennotierte Aktien. 3) Seit Januar 2006 haben Investoren über 1,4 Billionen US-Dollar in passive Vehikel investiert und zugleich 1,5 Billionen US-Dollar aus aktiv gemanagten Fonds abgezogen.4) Wenn das so weitergeht, sind 2030 alle börsennotierten Aktien im Besitz passiver Investmentvehikel.5)

Trotz allem scheinen weite Teile der Diskussion über die Vorteile aktiver und passiver Strategien übertrieben und wenig zielführend. Eine friedliche Koexistenz von aktiven und passiven Ansätzen ist möglich, denn sie können sich in jedem Portfolio gegenseitig ergänzen. Aktive Strategien sind ein wichtiger Bestandteil jedes Investmentportfolios, vor allem im derzeitigen Umfeld mit seinen historisch niedrigen Renditen und geringeren Ertragserwartungen. All dies führt dazu, dass Investoren für ihre Anlageziele mehr Risiken eingehen. Alpha wird dadurch wichtiger denn je.

Nur Gewinner an Märkten wie diesen

Zu den aktuellen Herausforderungen für aktive Manager zählen die niedrige Volatilität und die geringe Streuung der Erträge. In den letzten Jahren hat der Markt kaum zwischen Aktien mit hoher und mit niedriger Qualität differenziert. Fast alle Kurse legten zu, und wer dabei war, hat gewonnen.

Was bedeutet dies? Weil Unternehmensgewinne eine wichtige Voraussetzung für Kursgewinne sind, erwarten Investoren, dass Aktien von Unternehmen mit Gewinnen jene Aktien von Unternehmen mit Verlusten auf Dauer hinter sich lassen. Genau das geschah im letzten Jahrzehnt, und zwar mit großem Abstand: Insgesamt verloren von 2006 bis 2016 die Aktien unrentabler Unternehmen 54,8 Prozent, während die Aktien rentabler Unternehmen 106,6 Prozent zulegten. Doch in den letzten fünf Jahren war deren Wertentwicklung ähnlich, was passive Ansätze in letzter Zeit so erfolgreich machte. Es lohnte sich nicht mehr, bestimmte Unternehmen anderen vorzuziehen. Es reichte, einfach nur mit einem passiven Vehikel in "den Markt" zu investieren. Interessanterweise hat sich die Entwicklung dann 2017 umgekehrt. Von Januar bis August lagen Unternehmen mit Gewinnen wieder vor Unternehmen mit Verlusten.

Warum waren qualitätsschwache Aktien in den letzten Jahren so erfolgreich? Ein denkbarer Grund ist die großzügige und günstige Kreditvergabe auch an Unternehmen, denen der Kapitalmarktzugang nicht immer leichtfällt. Außerdem nutzten Unternehmen ihre gut gefüllten Kassen, um höhere Dividenden zu zahlen und in noch nie da gewesenem Umfang Aktien zurückzukaufen - für insgesamt 3 Billionen US-Dollar seit 2009. All dies könnte zum Anstieg vieler Aktienkurse beigetragen haben, auch von mittelmäßigen Unternehmen, und das ganz ohne Wachstum, höhere Margen und steigende Umsätze. Das ist aber ein zyklisches, vorübergehendes Phänomen. Die Geschichte lehrt, dass es nicht von Dauer ist: Wenn die Zeit der günstigen Kredite vorbei ist, dürfte manches schwache Unternehmen in Schwierigkeiten geraten.

Bedeutung dauerhafter Unternehmensgewinne

Unternehmensspezifische Fundamentaldaten wie Rentabilität und freier Cashflow werden wieder wichtig. Geduldige Investoren werden dann dafür belohnt, dass sie über lange Zeit an Qualitätstiteln festgehalten haben. Auf Dauer zählen die Unternehmensgewinne und nicht das Kursmomentum. Denn Unternehmen mit hohen Gewinnen können leichter Dividenden zahlen und erhöhen, Investitionen tätigen, Schulden zurückzahlen, auf externe Finanzmittel verzichten, mit einer schwachen Branchenkonjunktur zurechtkommen und einen Abschwung überstehen.

Außerdem kann ein Investmentansatz, der auf Unternehmen mit nachhaltigen langfristigen Wettbewerbsvorteilen setzt, zur Maximierung der Langfristerträge beitragen. Im Rahmen eines solchen Ansatzes ist die Berücksichtigung von Umwelt-und Sozialfaktoren sowie der Corporate Governance (ESG-Faktoren) im fundamentalen Research wichtig, um die gewünschten Erträge zu erzielen, denn gerade diese Themen haben oft große Auswirkungen auf den lang fristigen Unternehmenswert.

Die überzeugtesten Verteidiger des aktiven Managements verweisen oft auf die Wertentwicklung im Abschwung. Denn bislang führte aktives Management zu Mehrertrag, wenn die Märkte fielen oder volatiler wurden (Abbildung 1).

Aktive Manager können aber nicht nur im Abschwung Alpha liefern. Wichtig ist gerade die Möglichkeit, über einen vollen Marktzyklus investiert zu sein, seinen Überzeugungen treu zu bleiben und einer Anlage auch die Zeit zur Bewährung zu geben.

Fundamentaldaten immer noch ausschlaggebend

Die Alpha-Formel ist einfach: Erfolg = Kompetenz x Marktbreite. Ein kompetenter aktiver Manager braucht eine große Marktbreite, um Erfolg zu haben - also eine große Streuung der Einzelwerterträge. Die Streuung nimmt zu, wenn Fundamentaldaten wie Wachstum, Rentabilität und Cashflow die Aktienkurse erneut bestimmen. Weil umstritten ist, wie man Kompetenz im aktiven Management misst, wird zunächst auf diesen Punkt eingegangen. Dazu werden die Erträge der letzten 25 Jahre betrachtet. Es zeigt sich, dass die 25 Prozent besten aktiven Manager Mehr wert geschaffen haben, vor allem, wenn die Einzelwerterträge stärker streuten. Wie Abbildung 2 zeigt, haben die aktiven Manager aus dem obersten Quartil den Median-Manager in Phasen mit stärker streuenden Einzelwerterträgen um 500 Basispunkte übertroffen. Bei einer geringeren Streuung war der Mehrertrag deutlich niedriger.

Statt mit dem Vergleich der Aktienerträge von Unternehmen mit Gewinnen und mit Verlusten kann man auch anhand der Streuung der Einzelwerterträge messen, wie stark der Markt differenziert. Am Beispiel des MSCI World Index zeigt sich etwa, wie sehr der Abstand zwischen den höchsten und niedrigsten Einzelwerterträgen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Abbildung 3 zeigt die durchschnittliche Sechsmonatsdifferenz zwischen den höchsten und den niedrigsten Einzelwerterträgen des Index. Sie liegt schon seit einiger Zeit beharrlich unter ihrem Langfristdurchschnitt.

Die Marktbreite, also die Streuung der Einzelwerterträge, ist ein zyklischer Faktor, der im Laufe der Zeit steigt und fällt. Sie ist in den letzten Monaten gestiegen, sodass sich die Bedingungen für aktive Manager verbessert haben. Es gibt Anzeichen dafür, dass Investoren wieder stärker zwischen Titeln mit höherer und geringerer Qualität differenzieren. Ein Teil der zunehmenden Streuung hat mit der beschleunigten Digitalisierung zu tun, der kreativen Zerstörung und der Entwertung vieler geistiger Eigentumsrechte.

Die kreative Zerstörung oder Innovation hat zugenommen und sie stellt viele bislang rentable Unternehmen infrage. Sehr konkret wird dies beim Onlinehandel, der den klassischen Einzelhandel in seiner Existenz bedroht. Immer mehr Ladengeschäfte müssen schließen. Die Aktienkurse des Sektors haben diese Entwicklung in den letzten 18 Monaten nachvollzogen, wie Abbildung 5 zeigt. Der Wechsel zum Onlineshopping ist nicht grundsätzlich neu, hat aber in den letzten Monaten einen kritischen Punkt überschritten - und die Investoren haben es registriert.6) Amazon, der wichtigste Onlinehändler für Millionen von Kunden, hat in den letzten anderthalb Jahren seine Wettbewerber deutlich hinter sich gelassen. Dies zeigt, dass sich nicht alle Aktien im Gleichschritt entwickeln.

Elektronische Handelsplattformen und die weitverbreitete Digitalisierung entwerten geistige Eigentumsrechte. Die massiven Zuflüsse in passive Investmentstrategien zeigen aber, dass viele Investoren die Märkte für strukturell effizient und dauerhaftes Alpha für eine Illusion halten. Allerdings ist im Leben fast nichts von Dauer und an den Finanzmärkten noch viel weniger. In Zukunft wird man mit anderen geistigen Eigentumsrechten Cashflows erzielen. Es wird Gewinner und Verlierer geben und wer in der derzeitigen Hausse vorn liegt, wird enttäuscht sein, wenn die Zeiten härter werden. Gewinnmargen, Wachstum und Gewinne werden sich verschieben, von den aktuellen Platzhirschen zu anderen Unternehmen. Dies sorgt für große Alphachancen für aktive Manager. Es geht nicht nur darum, Innovatoren und Disruptoren zu finden. Man muss auch erkennen, welche Aktien ihren Zenit überschritten haben, sodass die Gewinnmargen wieder fallen könnten. Und man muss in Unternehmen investieren, die sich neu erfinden und wieder wettbewerbsfähig werden können.

Der aktive Zyklus

Heute ist bekannt, dass die Businessweek mit ihrer Prognose zu Aktien falsch gelegen hat. Wer am 13. August 1979 in US-Aktien 10 000 US-Dollar investiert hätte, hätte am 31. Juli 2017 ein Vermögen von 674 470 US-Dollar gehabt. Das entspricht einem jährlichen Ertrag von 11,73 Prozent (annualisiert).7) Für einen Investor aus dem Jahr 1979 wäre eine solche Entscheidung angesichts von Herausforderungen wie der enormen Inflation, dem Ende des Goldstandards und den Ölkrisen aber vielleicht unplausibel gewesen.

Eines kann man aus solchen Erfahrungen lernen: Es gibt Zyklen, die die Märkte und das Denken der Investoren wesentlich beeinflussen können. In der Investorenumfrage 2016 von MFS Investment Management meinten die meisten institutionellen Investoren und Berater, dass ein voller Marktzyklus mindestens sieben Jahre dauert.

Mindestens 70 Prozent der befragten Investoren waren aber höchstens drei Jahre lang bereit, Minderertrag zu akzeptieren.8) Da sich das Umfeld für aktive Investoren im Marktzyklus immer wieder ändert, wie Abbildung 4 zeigt, vergibt man bei einer Neuausrichtung des Portfolios nach weniger als drei Jahren möglicherweise Chancen - weil man nicht wartet, bis sich die Erkenntnisse der Portfoliomanager durchsetzen und auszahlen.

Das Problem ist, dass kurzfristiges Denken in der Investmentbranche immer mehr zur Regel wird und Mindererträge immer seltener akzeptiert werden. Dabei müssen selbst kompetente, langfristig erfolgreiche Manager immer wieder Mindererträge hinnehmen. Abbildung 6 zeigt die Wertentwicklung der A-Anteile von Berkshire Hathaway. Man sieht, wie sehr sich langfristiges Denken für Investoren auszahlt, die bereit sind, auch einmal kurzfristigen Minderertrag zu akzeptieren. Denn genau diese Bereitschaft - man mag sie Mut zur Gegenposition nennen - kann am Ende zu mehr Wertschöpfung und besseren Langfristergebnissen führen.

Alpha ist ebenso zyklisch wie der Markt. Investoren sollten daher Geduld haben und abwarten, bis sich eine Investmenthypothese auszahlt. Kurzfristig sind Märkte oft irrational und die Kurse können auf irrelevante Faktoren wie Wahlen und das Wetter reagieren. Aber all das hat nur selten Auswirkungen auf die Fundamentaldaten oder die langfristigen Wachstumsaussichten eines Unternehmens. Irgendwann im Konjunkturzyklus bilden die Kurse dann aber ab, was wirklich zählt: Wachstum, Cashflows und Gewinne.

Kompetentes aktives Management: Geduld haben, bis die Chancen reifen

Genau deshalb erfüllen kompetente aktive Manager die Langfristziele eines Investors am besten. Ein aktiver Manager ist dann gut, wenn er mit einem hohen Active Share und langen Haltedauern demonstriert, wovon er wirklich überzeugt ist. Und wenn er in volatilen Marktphasen Mehrwert schaffen kann und seine Anlageentscheidungen im Team trifft. Ein solcher Manager geht nicht immer das volle Marktrisiko ein - denn genau das führt bei passiven Strategien zu hohen Verlusten, wenn der Markt fällt. Kompetente aktive Manager können Marktineffizienzen nutzen, aktiv Einzelwerte auswählen und gezielt Risiken eingehen, um mehr langfristigen Wert zu schaffen. Passive Manager können einfach nur dem Markt folgen, egal ob er steigt oder fällt.

Ein solcher Ansatz, konsequent verfolgt über den ganzen Marktzyklus, ist unumgänglich, um die besten Anlagechancen zu finden, aber auch, um Risiken zu steuern und weniger erfolgreiche Unternehmen zu meiden. Langfristig denkende Manager - die bereit sind, die besten Ideen zu nutzen - haben die beste Chance auf höhere Langfristerträge.

Fußnoten

1) Quelle: Morningstar. Annualisierter Gesamtertrag des S&P 500 Index vom 1. Januar 1970 bis 31. Dezember 1979. Der S&P 500 Index bildet den US-Aktienmarkt umfassend ab.

2) Quelle: Morningstar. Kumulierter Ertrag des S&P 500 Index, 9. März 2009 bis 7. August 2017.

3) Daten von Strategas Research Partners über Bloomberg LP und Sanford C. Bernstein, Stand 31. März 2017.

4) Quelle: Strategas Research Partners, Stand Mai 2017.

5) "The hidden dangers of passive investing", Financial Times, 30. Mai 2017.

6) Mehr zu diesem Thema in "Tipping Point? How Apparel Inflation Could Accelerate the Decline of At-Risk US Retailers", einer Studie der MFS-Aktienanalystin Maile Clark, CFA.

7) Quelle: Morningstar, auf Basis täglicher Gesamtertragsdaten des S&P 500 Index.

8) Quelle: 2016 MFS Active Management Sentiment Study: Global Insights.

Michael W. Roberge CFA, Chief Executive Officer, President, Chief Investment Officer, MFS Investment Management, Boston
Lars Detlefs CEFA, Geschäftsführer Deutschland, MFS Investment Management, Frankfurt am Main
 
Lars Detlefs , Senior Managing Director, Head of Institutional Sales – EMEA , MFS Investment Management, Frankfurt am Main

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