Mit einer ganzheitlichen Plattform den Kunden in den Mittelpunkt stellen

Franz-Theo Brockhoff Foto: Finanz Informatik

In der Modernisierung und Standardisierung der IT sieht der Autor für die Sparkassenorganisation günstige Voraussetzungen dem technologiegetriebenen Wettbewerb im Finanzsektor Paroli zu bieten und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Die Schaffung eines zentralen IT-Dienstleister und einer gruppenweiten Anwendung verbunden mit einem beträchtlichen jährlichen Budget zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Basissysteme wie auch der Kundenschnittstellen wertet er dabei als gute Ausgansposition zur Entwicklung innovativer Produkte mit guten Chancen auf eine hohe Akzeptanz bei den Kunden. (Red.)

Innovative digitale Finanz- und Versicherungsangebote verändern die Erwartungshaltung der Kunden an ihre Sparkasse. Dabei stehen auf der einen Seite die Fintechs, die mit smarten Ideen einzelne Banking-Services für digitalaffine Kunden entwickeln. Dazu gehören im weiteren Sinne auch die zahlreichen Vergleichsportale wie Check 24. Im Wettbewerb um die breite Masse der Kunden - und auch die Erträge - sind jedoch die Bestrebungen der großen Bigtechs wie die GAFA-Gruppe - Google, Apple, Facebook, Amazon - sowie insbesondere die großen chinesischen Player wie Tencent oder Alibaba. Sie bieten Finanzdienstleistungen als komplementäre Services an, um die Bindung ihrer Kunden zu erhöhen. Mit ihren Ökosystemen und Plattformen - wie Android, iOS, Amazon Prime - sitzen sie bereits direkt an der Endkundenschnittstelle und können sich in Finanzangelegenheiten zwischen Bank und Kunde schieben.

Weltweite Bewegung im Zahlungsverkehr

Dies lässt sich insbesondere im Zahlungsverkehr bereits weltweit beobachten. Die Budgets, die diese Unternehmen einsetzen, um ihre Plattformen auszubauen und neue Märkte zu erschließen, können enorme Ausmaße im sieben- oder achtstelligen Bereich annehmen. Ihre eigenen Ökosysteme schotten sie ab oder öffnen sie nur nach ihren Spielregeln, wie bei der NFC-Schnittstelle im iPhone oder der Nichtzulassung von Banking Skills bei Amazon Alexa. Dagegen stehen ihnen beim Eintritt in den Markt für Finanzdienstleistungen viele Wege und Schnittstellen offen, nicht zuletzt "dank" der PSD2.

Dass der Markt für digitale Finanzdienstleistungen aus diesen zwei Richtungen nun so in Bewegung gekommen ist, stellt aber große Chancen für die deutschen Institute dar. Der Kunde ist - auch dank der Bigtechs, die in seinem Leben eine große Rolle spielen - an digitalen Angeboten interessierter denn je. Gleichzeitig verfolgt er auch die Debatte um Datenschutz, Datensicherheit und Datenhoheit. Die deutsche Finanzwirtschaft kann jetzt das digitale Banking von morgen gestalten. Dieses wird nicht mehr nur "klassische" Bankdienstleistungen umfassen, sondern zielt auf einen ganzheitlichen Ansatz, der es Privat- und Firmenkunden ermöglicht, ihre Finanzen, aber auch ihre digitalen Assets und Identitäten zentral und aktiv zu verwalten.

Weitsichtige Entscheidungen

Das digitale Banking von Morgen gestalten zu wollen, setzt Gestaltungsfreiheit und entsprechende Ressourcen voraus. Als klassische Hemmnisse für eine solche weitere Digitalisierung der Finanzwirtschaft gelten heute gemeinhin veraltete Kernbanksysteme, IT-Silos mit vielen Abhängigkeiten und Medienbrüchen sowie ein zu großer Fokus auf "Quick Wins" und aktuelle Hype-Themen. Für viele etablierte Akteure der Finanzwirtschaft ist allein die kontinuierliche Konsolidierung, Modernisierung und Modularisierung ihrer Systeme eine Herkulesaufgabe. Daneben noch eine langfristig angelegte Innovationsarbeit in Richtung der Kunden zu leisten, fällt ihnen oft schwer.

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist hier in einer anderen, besseren Ausgangsposition. Sie hat früh weitsichtige Entscheidungen getroffen, indem sie ihre IT grundlegend modernisiert und standardisiert hat. Mit der Finanz Informatik (FI) als ihrem zentralen IT-Dienstleister und OS-Plus als zentrale Anwendung für den gesamten Verbund ist sie sehr gut aufgestellt, um sich auch im digitalen Leben der Kunden dauerhaft zu verankern und Marktführer für Finanzdienstleistungen zu bleiben. Eine gut austarierte Governance stellt dabei sicher, dass die FI das bankfachliche Lösungsportfolio und die IT-Architektur im Sinne ihrer Kunden weiterentwickelt und nachhaltig in IT investiert wird.

So fließen allein über die FI rund 200 Millionen Euro jährlich in die Weiterentwicklung sowohl der Kundenschnittstelle und Frontends als auch der Basissysteme der Sparkassen. Dazu kommen erhebliche Investitionen der Verbundunternehmen in die IT. Durch seine modulare Architektur lässt sich OS-Plus über Schnittstellen wie die Banking API und die Prozess-Engine sehr flexibel anpassen und erweitern. So wurde binnen weniger Wochen mit der Sparkasse Banking Action für Google Assistant ein komplett neuer Voice-Banking-Kanal für die Kunden entwickelt und produktiv genommen.

Am Frontend können durch die flexible Architektur neue Kundenanforderungen kurzfristig bedient und smarte Produktideen der Institute - wie sie beispielsweise auch im Sparkassen-Innovation-Hub entstehen - zügig umgesetzt werden. Darüber hinaus stellt ein rollierender Fünfjahresplan sicher, dass die funktionale und architektonische Weiterentwicklung von OS-Plus und der IT-Landschaft insgesamt nachhaltig die strategischen Ziele der Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt. So verfügt die Sparkassen-Finanzgruppe über eine IT der zwei Geschwindigkeiten, die sowohl kurzfristige agile Entwicklungen entlang der Marktanforderungen als auch langfristige strategische Entwicklungslinien ermöglicht.

Vom Onlinebanking zur ganzheitlichen digitalen Plattform

Dazu ist die Gruppe inzwischen mit dem Integrierten Datenhaushalt in der Lage, mittels Data Analytics umfassende Erkenntnisse aus den Daten von mehr als 50 Millionen Kunden zu gewinnen und zum Wohle der Kunden und Institute einzusetzen. Insgesamt ist die Sparkassen-Finanzgruppe also aus technologischer Sicht in einer guten Ausgangsposition, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, dem technologiegetriebenen Wettbewerb Paroli zu bieten und ihre marktführende Stellung auch bei Angeboten für das digitale Finanzmanagement zu verteidigen. Sie kann dabei sowohl in ihrem Finanzverbund als auch im Zusammenspiel mit den anderen Säulen der Deutschen Kreditwirtschaft die entsprechenden Skalen realisieren, die heute benötigt werden, um wettbewerbsfähige digitale Angebote zu etablieren.

Wie aber kann eine langfristige Weiterentwicklung im digitalen Bereich aussehen? Sie wird wohl eher kontinuierliche Evolution und weniger Disruption sein - so wie sich aus dem klassischen Onlinebanking der Sparkassen mit beschränktem Funktionsumfang die heutige Internetfiliale und die S-Apps entwickelt haben. Sie decken heute alle wesentlichen Produkt- und Serviceangebote der Sparkasse und zunehmend auch des Verbundes der Sparkassen ab und gehören mit 48 Millionen freigeschalteten Onlinebanking-Konten, mehr als 20 Millionen aktiven Onlinebanking-Kunden und über sechs Millionen aktiven App-Nutzern zu den erfolgreichsten digitalen Angeboten im Finanzbereich in Deutschland.

Wesentlich ist dabei die Verzahnung dieser Angebote mit den stationären Angeboten in der Filiale über das Vertriebs-Frontend OS-Plus-neo. Diese Möglichkeit, bei Beratung und Kundenservice über alle Kanäle hinweg zu agieren und jederzeit stationär und persönlich in den Dialog zu gehen, stellt einen enormen USP (Unique Selling Point - Alleinstellungsmerkmal) der Sparkassen dar, gerade gegenüber den neuen Wettbewerbern, die ausschließlich digital/online operieren. Auf der Basis von OS-Plus-neo unterstützt die FI auch die Nutzung von OS-Plus im Verbund - bei der Integration von Verbundangeboten und Services in die Internetfiliale, die S-App und den stationären Vertrieb oder bei der Nutzung des E-Postfachs beziehungsweise zukünftig des elektronischen Safes.

Besondere Vertrauensstellung

wahren So gibt es heute im digitalen und stationären Multikanal bereits ein breitgefächertes Angebotsportfolio von Sparkassen, Versicherungen, Landesbausparkassen und Spezialinstituten wie der Deka, das sämtliche Aspekte eines digitalen Finanzmanagements abdeckt. Durch eine noch engere digitale Verzahnung im Verbund lässt sich die ganze Leistungsstärke der Sparkassen-Finanzgruppe auch über eine digitale Finanzplattform für Privat- und Firmenkunden ausspielen. Eine solche One-Single-Plattform bedeutet, dass möglichst alle Daten, Services und Informationen für die gesamte Gruppe verwaltet und gesteuert werden. Dann muss der Kunde nicht mehr an verschiedenen Stellen suchen, sondern hat alle Informationen und Leistungen an einem Ort.

In den "klassischen" Geschäftsbereichen der Sparkassen - Kontoführung, Kredit, Zahlungsverkehr, Vermögensbildung - ist weiteres Wachstum jedoch schwierig - auch angesichts des schon skizzierten Wettbewerbs durch neue Marktteilnehmer. Den Sparkassen eröffnet sich aber mit einer solchen Plattform die Chance, im digitalen Raum eine zentrale Stellung für ihre Kunden einzunehmen, die über klassische Bank- und Finanzdienstleistungen hinausgeht. So entwickeln sich die Internetfiliale und die Apps sukzessive zu einem Ökosystem weiter, über das der Kunde eine Vielzahl von Leistungen und Services nutzen kann - auch jenseits des klassischen Leistungsportfolios der Sparkassen-Finanzgruppe. Diese Plattform profitiert von der besonderen Vertrauensstellung der Sparkassen im Leben ihrer Kunden.

Eine solche "One-Single-Plattform" zu etablieren und mit Mehrwertdiensten weiterzuentwickeln, ist ein ehrgeiziges Ziel, das aber ein immenses Potenzial für den größten Finanzverbund der Welt bietet - und dazu beiträgt, die Kern werte der Sparkassen-Finanzgruppe zu stärken. Ihre Systeme und Daten optimal miteinander zu vernetzen und in die Plattform einzubinden, wird eine wesentliche Aufgabe der nächsten Jahre sein.

Über den Verbund hinaus

Ein attraktives digitales Ökosystem zu schaffen, über das die Kunden ihr komplettes Finanzmanagement betreiben und ihre digitalen Vertrauensdienste führen können, ist eine große Chance. Der Vertrauensvorschuss, den die Geldinstitute bei ihren Kunden genießen, bietet hier eine ideale Ausgangsposition - 44 Prozent der Kunden haben ein sehr großes oder großes Vertrauen in ihre Sparkasse. Ein sehr guter Wert im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Institutionen. Paradoxerweise nutzen viele dennoch aus Bequemlichkeit oder aus Gruppenzwang heraus oft Dienste, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen. Viele Nutzer sind aber durch Datenschutzskandale, wie aktuell bei Facebook, inzwischen verunsichert. Sie wissen, dass sie sich auf die Werte der Sparkassen-Finanzgruppe auch in der digitalen Welt verlassen können.

Dieses Vertrauen eröffnet neue Geschäftsfelder, für die schon konkret Produkte in der Umsetzung sind: In diesem Jahr startet bereits der elektronische Safe für die sichere digitale Aufbewahrung von Dokumenten und Daten in der Internetfiliale als Ergänzung zum E-Postfach. Mit Yes etablieren die Sparkassen einen Vertrauensdienst für die Nutzung von E-Commerce-Diensten und mit Sam ist eine Lösung in Arbeit, die den Kunden lebenslangen Zugriff auf Dokumente, Accounts und Passwörter ermöglicht und eine Antwort auf die Fragen des digitalen Nachlasses ermöglicht.

Anbindung von finanznahen Leistungen von außerhalb

Diese Lösungen werden für die Sparkassen entwickelt - aber sie werden teilweise nicht Sparkassen-exklusiv bleiben. Denn zur Etablierung eines Ökosystems, welches den Kunden mit seinen Bedürfnissen noch stärker in den Mittelpunkt stellt, müssen die Verbünde der Kreditwirtschaft sowohl eigene Impulse setzen als auch an geeigneten Stellen im Schulterschluss mit anderen agieren: So lassen sich Standards etablieren, können Skalen gehoben und Kosten gesenkt werden. So wie es vor vielen Jahren beispielsweise mit Fin-TS schon einmal gelungen ist oder wie es bei der PSD2-Schnittstelle der Berlin Group der Fall sein wird. Kwitt ist als institutsübergreifender Standard für Handy-zu-Handy-Zahlungen eine aktuelle Erfolgsgeschichte auf Produktebene, die durchaus als Blaupause dienen kann, um für die Mehrheit der Bevölkerung relevant zu sein.

Auch darf es keine Scheuklappen geben, wenn es darum geht, finanznahe Leistungen auch von außerhalb des Verbunds an eine solche Finanzplattform anzubinden. Dort wo die Finanzgruppe kein eigenes Angebot hat oder der Kunde eine breitere Auswahl erwartet, werden Dritte das Angebot komplettieren und attraktiv machen. Genauso wird es Bereiche geben, wo der Kunde auf einer anderen Plattform interagieren will - beispielsweise über die Einbindung eines individualisierten Finanzierungsmoduls seiner Sparkasse bei einem Autoportal.

Auch im Firmenkundenumfeld ist es schon heute nötig, sich eng an die IT anzubinden, die der Kunde einsetzt - beispielsweise ERP- und CRM-Systeme. Langfristig wäre auch vorstellbar, dass die Institute auf kommunaler und regionaler Ebene gemeinsam mit ihren Trägern den Bürgern und Unternehmen attraktive Leistungen anbieten und beispielsweise E-Government-Initiativen unterstützen. An der Schnittstelle zum Kunden entwickeln die Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe innovative Produkte, die sehr gut angenommen werden. Sie bedienen die emotionalen und menschlichen Entscheidungsebenen, sind "cool" und in den unterschiedlichsten Lebenssituationen der Kunden relevant. Damit digitale Finanzprodukte vom Nutzer dauerhaft angenommen werden, stellt dieser hohe Anforderungen an Technik, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Nur wenn diese Faktoren nachweislich stimmen, entstehen Akzeptanz und Vertrauen für innovative Lösungen.

Innovative Produkte mit Akzeptanz

Die digitale Plattform wird daher eine Schlüsselrolle in der Beziehung zwischen Sparkassen und ihren Kunden spielen. Überall dort, wo der Kunde in der digitalen Welt einen festen Bezugspunkt sucht, wo es um Identität und Sicherheit im digitalen Austausch geht, hat sie eine enorm gute Ausgangsposition. Funktionen wie das E-Postfach, elektronischer Safe und die Multibankenfähigkeit ermöglichen den Kunden schon heute eine ganzheitliche Sicht auf ihre Finanz- oder Versicherungsprodukte und weitere finanznahe Unterlagen. Dieser Zugang zum Kunden sowie die große technische Verfügbarkeit und Sicherheit macht die Sparkassen als Kooperationspartner sehr attraktiv, auch jenseits der klassischen Finanzbranche und verwandter Mehrwertdienste.

Eine One-Single-Plattform für die Sparkassen-Finanzgruppe als technologischer Schulterschluss, der die Leistungen der Sparkassen und des Verbunds in einer professionellen Hand bündelt, kann eine technische Grundlage für ein digitales Ökosystem sein, über das die Sparkassen-Finanzgruppe ihren Kunden ein umfassendes Management ihres digitalen Lebens ermöglicht.

Franz-Theo Brockhoff Vorsitzender der Geschäftsführung, Finanz Informatik, Frankfurt am Main
 
Innovationen 2018 bei den Sparkassen 2018 kommen zahlreiche digitale Produktinnovationen für die Sparkassen: Das Handy-zu-Handy-Bezahlen "Kwitt" kann inzwischen auch mit Kunden der Genossenschaftsbanken genutzt werden. Seit dem Frühjahr bieten Sparkassen Voice Banking über Google Home und mit dem elektronischen Safe eine Langzeitablage für digitale Dokumente. Seit Ende Juni ist das Onlinebanking in der Internetfiliale Multibankenfähig und seit dem 10. Juli bieten alle Sparkassen Instant Payment an, also Überweisungen in Echtzeit. Im August folgt dann mobiles Bezahlen per Smartphone.

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