Gute Gründe für eine strategische Allokation in Schwellenländeranleihen

Lars Detlefs, Foto: MFS Investment Management

Schwellenländerleihen sind für die Autoren keineswegs nur taktische Handelsinstumente, sondern eine langfristige strategische Allokation als Kernbestandteil eines gut diversifizierten Portfolios. Als Begründung nennen sie nicht zuletzt tendenziell verbesserte Fundamentaldaten der Schwellenländer, positive Effekte durch wirtschaftliche Fortschritte, höhere Erträge, die wiederum mehr und beständigere Investoren anlockten und sinkende Risikoprämien durch die Erschließung neuer Finanzierungsquellen. Den Wachstumsvorsprung der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern stufen sie als nachhaltig ein und erwarten sowohl vom Wirtschaftswachstum wie der zunehmenden Beschäftigungszahl eine steigende Produktivität. Ihre These: Politische Fortschritte, stabile Erträge, wachsendes Investoreninteresse und ein immer größeres Anlageuniversum brachten die Assetklasse nicht zuletzt deshalb nach vorn, weil sich all diese Faktoren gegenseitig verstärkten. (Red.)

In Zeiten volatiler Märkte kommt es vor, dass Anleger Zweifel hinsichtlich ihres Engagements in bestimmten Anlageklassen hegen, insbesondere den Klassen, die sie als taktische Schachzüge in einem risikofreudigen Umfeld wahrnehmen. Die im vergangenen Jahr verschärfte Finanzlage, die sich zuspitzenden Handelskonflikte und das langsamere globale Wachstum dämpften die Begeisterung der Anleger für Schwellenländeranleihen. Ab dem zweiten Quartal verzeichneten auf Privatkunden fokussierte Strategien für Schuldtitel aus Schwellenländern - wenn auch nur geringfügige - Verluste, während sich die institutionellen Marktteilnehmer im Allgemeinen gut hielten.

Kernbestandteil eines Portfolios

Aus heutiger Sicht erscheint die Entscheidung, dieser Anlageklasse im letzten Jahr den Rücken zu kehren, ein wenig kurzsichtig: Die Anlageklasse hat die Verluste des vergangenen Jahres weitgehend wieder aufgeholt, da der Gegenwind (insbesondere die restriktive Politik der US-Notenbank) nachgelassen hat. Das soll nicht heißen, dass von nun an alles glatt laufen wird. Es wird mit ziemlicher Sicherheit Phasen der Volatilität geben, wenn die An leger versuchen zu erkennen, ob ein "Goldlöckchen"-Szenario mit langsamerem globalen Wachstum und niedriger Inflation noch einige Zeit andauern kann oder ob es zu einem Ende des Zyklus und damit einhergehenden Turbulenzen kommt.

Das Konzept, dass Schwellenmarktanleihen am besten als taktische Handelsinstrumente zu verstehen sind, ist jedoch infrage zu stellen. Schwellenmarktanleihen sind vielmehr eine langfristige strategische Allokation, die einen Kern-/Grundbestandteil eines gut diversifizierten Portfolios darstellen sollten. Wieso darf man so sicher sein, dass Schwellenmarktanleihen eine strategische Allokation verdienen? Hierbei sind einige Punkte zu beachten.

Entwicklung stabiler Anlegerbasis

Früher galten Schwellenmarktanleihen als Satelliteninvestment und nicht als eine strukturelle Kernposition, zumal die Assetklasse noch neu und recht klein war, die Schwächen einzelner Länder für Volatilität sorgten und die Investoren sehr kurzfristig dachten. Diese taktische Herangehensweise bestätigte sich in gewisser Weise selbst: Es kam zu Dominoeffekten mit unterschiedslosen Verkäufen, etwa beim Zahlungsausfall Russlands und dem Debakel von Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998. Für viele Anleger gab es nur zwei Extreme: investieren oder nicht investieren, je nach der aktuellen Risikoeinschätzung.

Als sich die Fundamentaldaten der Schwellenländer dann aber verbesserten, verstärkten sich auch die positiven Effekte gegenseitig. Wirtschaftliche Fortschritte führten zu höheren Erträgen, die wiederum mehr und beständigere Investoren anlockten. Die Risikoprämien gingen zurück und für die Schwellenländer und ihre Unternehmen öffneten sich neue Finanzierungsquellen. All dies führte zu mehr Wachstum und steigenden Einkommen - und damit zu mehr Unterstützung für solide Wirtschaftspolitik. Politische Fortschritte, stabile Erträge, wachsendes Investoreninteresse und ein immer größeres Anlageuniversum brachten die Assetklasse nach vorn, da sich all diese Faktoren gegenseitig verstärkten.

Aufgrund der günstigen Entwicklung der Assetklasse wuchs auch das Interesse institutioneller Investoren, sodass die Volatilität zurückging. Dass institutionelle Investoren eine Assetklasse stabilisieren, hat mehrere Gründe: Dazu zählen etwa ihr längerer Anlagehorizont (Pensionspläne betreiben Asset-Liability Matching), die Genehmigung der strategischen Asset-Allokation öffentlicher und privater Pensionspläne durch ein Board, die recht seltenen Veränderungen der Asset-Allokation und die disziplinierte Umschichtung der Portfolios. Vor allem aber haben die besseren Kreditkennziffern, die nachlassende Volatilität und das wachsende Anlageuniversum das Anlegervertrauen gestärkt.

Weil die Kursschwankungen nachließen, wurden Schwellenländeranleihen immer mehr als strukturelle Portfolioposition akzeptiert. So haben die Zuflüsse in institutionelle Schwellenländeranleihestrategien die Abflüsse aus Publikumsfonds in den letzten Jahren mehr als wettgemacht.

Wachsender Investorenkreis und bessere Fundamentaldaten

Schwellenländeranleihen wurden zu einem immer wichtigeren Teil des internationalen Anlageuniversums. Heute wird stark nach Emittenten, aber auch nach den Anleihearten differenziert. Dies sorgt für eine große Ländervielfalt in den vier Marktsegmenten: Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Lokalwährungstitel und Währungen. Die Assetklasse bietet auch eine Vielzahl von Kreditqualitäten und Laufzeiten. Wichtig ist dabei die große Vielfalt der Fundamentaldaten, die oft zu einer starken Streuung der Wertentwicklung führt. Wer während des gesamten Marktzyklus in Emerging-Market-Anleihen investiert, kann dem Beta nicht entgehen. Eine sorgfältige Einzelwertauswahl bietet aber die Chance auf Alpha und die Begrenzung der Verlustrisiken.

Schwellenländeranleihen entwickelten sich zu einer stabileren Assetklasse, da die Kreditkennziffern der Länder - die Indikatoren für Staatsfinanzen und Leistungsbilanzen - zuletzt stabil waren oder sich aufgrund einer klugen Politik sogar verbessert haben. Viele Länder können durch den Wechsel von Währungsanbindungen zu flexiblen Wechselkursen jetzt besser mit Marktverwerfungen umgehen. Eine marktwirtschaftlichere Politik mit flexiblen Wechselkursen hat die Volkswirtschaften stabilisiert. In gewisser Weise sind die Fundamentaldaten der Schwellenländer jetzt attraktiver als die der Industrieländer. So ist das Wirtschaftswachstum höher, die Schuldenstandsquoten sind oft niedriger.

Oft haben bessere Kreditkennzahlen das Risiko von Dominoeffekten verringert, also das Risiko umfassender unterschiedsloser Verkäufe bei Problemen in nur einem Land. Zwar führten die Währungskrisen in Argentinien und der Türkei 2018 auch zu begrenzten Verkäufen von Wertpapieren aus anderen Ländern, doch hielten sie sich in begrenztem Rahmen. Die Spreads der krisenanfälligsten Länder weiteten sich am stärksten aus. Analysen zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen der Spreadausweitung und dem externen Finanzierungsbedarf eines Landes in Relation zu den Währungsreserven. Bei echten Dominoeffekten werden alle Titel unterschiedslos verkauft und die Korrelationen zwischen ihnen nehmen zu. Doch wie bereits erwähnt haben die Erträge der Schwellenländerstaatsanleihen in dieser Zeit stärker gestreut. Offensichtlich differenzieren die Investoren.

Das Wirtschaftswachstum der Emerging Markets bleibt langfristig hoch und die Assetpreise steigen. Es kann der Wertentwicklung von Staats- und Unternehmensanleihen helfen. Das führt zu Mittelzuflüssen und weiteren Kursgewinnen. Der Wachstumsvorsprung gegen über den Industrieländern ist nachhaltig. Sowohl Wirtschaftswachstum wie zunehmende Beschäftigungszahl sorgen für steigende Produktivität. Die bessere Demografie hilft den Emerging Markets, und die allmählichen Fortschritte ihrer Corporate Governance sowie wirtschaftsfreundliche Reformen lassen die Produktivität steigen.

Die Renditen von Schwellenländeranleihen waren regelmäßig höher als die von anderen Anleihearten - und das könnte auch in Zukunft so sein. Das Kreditrisiko hat unabhängig vom Zinsumfeld höhere Renditen bewirkt. Interessant ist die Renditedifferenz aber gerade im aktuellen Umfeld: Wenn, wie zu erwarten, das niedrige Wachstum und die geringe Inflation die Zinsen weiter dämpfen, führt dies zu Finanzierungsrisiken für Pensionspläne mit festen Leistungszusagen. Sie können ihre Zusagen nur dann halten, wenn sie höhere Risiken eingehen. Mit Emerging-Market-Anleihen lässt sich dies recht gut erreichen. Trotz traditionell höherer Volatiltität boten sie langfristig eine attraktive risikoadjustierte Performance über viele Marktzyklen.

Traditionell sorgen Schwellenländeranleihen für Diversifikation. Oft verbessern sie das langfristige Risiko Ertrag Profil eines Portfolios und diversifizieren Anlagen in Industrieländer Staatsanleihen. Die Effizienzlinie in der Abbildung verdeutlicht dies: In den letzten zehn Jahren hätte man den optimalen risikoadjustierten Ertrag (also eine höhere Sharpe Ratio) dann erreicht, wenn man einem Industrieländer-Staatsanleihen-Portfolio 30 Prozent Emerging- Market-Staatsanleihen beigemischt hätte. Bei lediglich 35 Basispunkten mehr Risiko hätte man 141 Basispunkte mehr Ertrag erzielt (Abbildung 1, Seite 45).

Strategische Anlagen in Schwellenländeranleihen sind natürlich nicht ohne Risiko. Wer den ganzen Marktzyklus über in diese Assetklasse investiert, kann aber Schwächephasen ausgleichen. Trotz kürzerer Schwächephasen in der Vergangenheit haben Investoren langfristig meist eine ordentliche Performance erzielt. Ein gutes aktives Management auf Basis eines researchintensiven und alphaorientierten Investmentansatzes kann die Volatilität dämpfen.

Strategische Investitionen in Emerging-Market-Anleihen

Eine strategische Investition in Schwellenländeranleihen kann sich für Investoren eignen, die einen langfristigen Horizont haben und vorübergehende Schwächephasen akzeptieren können, überdurchschnittliche Renditen für ihre langfristigen Zahlungsverpflichtungen benötigen, Diversifikation schätzen, auch um das Risiko Ertrag Profil des Portfolios zu verbessern. Wenn man strategisch in diese Assetklasse investiert, kann man zugleich taktische Chancen nutzen. Durch die Entwicklung liquider Teilmärkte lässt sich der strategische Ansatz um eine gewisse taktische Asset-Allokation ergänzen.

Unterschiedliche Ertragsfaktoren und die damit einhergehende Streuung der Erträge zwischen Fremd- und Lokalwährungsanleihen beziehungsweise Staatsund Unternehmensanleihen verschaffen langfristigen Emerging-Market-Investoren Chancen auf zusätzliches Alpha und geringere Volatilität - durch Investitionen in Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Lokalwährungstitel und Währungen zum jeweils passenden Zeitpunkt.

Abbildung 2 zeigt, dass die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Marktsegmente für Alphachancen sorgt. Zwar sind sie miteinander korreliert, doch kann es in jedem Kalenderjahr große Performanceunterschiede geben. Insbesondere können die Erträge von Fremdwährungstiteln stark von denen von Lokalwährungstiteln abweichen. Vor allem Schwellenländerwährungen können stark auf das internationale Finanzumfeld reagieren, sodass die Performance dann oft deutlich schwankt. MFS setzt bei wichtigen Einzelwert- und Allokationsentscheidungen sowohl auf Makro- als auch auf Einzelwertanalysen. Indem mit Alphaentscheidungen Mehrertrag angestrebt wird, soll auch das Konjunktur- und Marktrisiko für das Portfolio verringert werden.

Die zunehmende Reife der Assetklasse, ihre höhere Rendite und die gute risikoadjustierte Performance aufgrund besserer Fundamentaldaten sprechen für eine strategische Allokation in Schwellenländeranleihen. Die erfahrungen aus dem Management von Schwellenländeranleihen-Portfolios seit über 20 Jahren haben gezeigt, wie wichtig es ist, investiert zu bleiben. Der Schlüssel zu langfristigem Erfolg in dieser Assetklasse mit ihrem hohen Langfristpotenzial - aber gelegentlichen Problemen in einzelnen Ländern und den unvermeidbaren Kreditereignissen - ist ein researchintensiver alphaorientierter Investmentansatz. Dabei sollte man weltweit nach Mehrwertchancen Ausschau halten und zugleich die Verlustrisiken konsequent und diszipliniert managen.

Kaufgelegenheiten nicht versäumen

Langfristiges Investieren bedeutet aber mehr, als einfach nur turbulente Marktphasen in der Hoffnung auf eine spätere Stabilisierung auszusitzen. Ein erfolgreicher Investor muss internationale Konjunkturrisiken ebenso im Blick haben wie länder- und einzelwertspezifische Risikofaktoren - und er muss das Portfolio entsprechend anpassen. Es gilt die Verlustrisiken der Portfolios in turbulenten Zeiten so zu steuern und sie dann so positionieren, dass sie neue Kaufgelegenheiten nutzen können. Ziel sind gute risikoadjustierte Ergebnisse durch ordentlichen Mehrertrag, in guten wie in schlechten Marktphasen.

Lars Detlefs CEFA, Geschäftsführer Deutschland, MFS Investment Management, Frankfurt am Main
 
Robert M. Hall Institutional Fixed Income Portfolio Manager, MFS Investment Management, Boston
Lars Detlefs , Senior Managing Director, Head of Institutional Sales – EMEA , MFS Investment Management, Frankfurt am Main
Robert M. Hall , Institutional Fixed Income Portfolio Manager, MFS Investment Management, Boston

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