Strategie im Wandel: Beim "Sustainable Investing" braucht es den nächsten Schritt

Sonja Kimmeskamp, Foto: HSBC Deutschland

Die Wertentwicklung einer Kapitalanlage hängt mit der Nachhaltigkeit der Unternehmen zusammen, in die investiert wird. Die vielerorts von der Politik geforderten einheitlichen Standards für nachhaltige Geldanlagen entlassen aber weder Anleger noch Finanzinstitute aus ihrer Verantwortung. Doch dabei sollte nicht auf einzelne Faktoren geschaut werden. Laut den Autorinnen kann das Hervorheben einzelner Aspekte irreführend werden. Ein kritischer Punkt ist auch, dass einzelne Ausschlusskriterien oft auf die Vergangenheit der Unternehmen abzielen und zu wenig mögliche Weiterentwicklungen berücksichtigen. Es ist daher nach Meinung von Kimmeskamp und Terhardt an der Zeit, einen integrierten Nachhaltigkeitsansatz zu entwickeln. In Zukunft müssen die verschiedenen Ansätze wie Ausschlüsse, ESG-Kriterien und wirkungsvolles Investieren (Impact Investing) kombiniert werden. (Red.)

Das Schlagwort "Klimawandel" beherrscht regelmäßig die Nachrichten. Im Bereich Kapitalanlage drängt sogenanntes Sustainable Investing in den Fokus. Spätestens seitdem nationale und internationale Regulierungen - gefördert durch verstärkten politischen Druck - Nachhaltigkeit vorantreiben, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht auch die Rückkopplung auf Kapitalmärkte und ihre Akteure diskutiert wird.

Von der Finanzindustrie wird zunehmend erwartet, sich zu einheitlichen Standards für ökologische, soziale und ethische Verhaltensweisen zu verpflichten. Dabei ist die Unterzeichnung nachhaltigkeitsbezogener Vereinbarungen wie die Richtlinien für Nachhaltige Investments der Vereinten Nationen (Principles für Responsible Investment) für Finanzinstitute längst kein Gütesiegel mehr, sondern notwendiges Element, um sich im Wettbewerb zu bewegen. Vielmehr sollte die Verpflichtung zu nachhaltigem Wirtschaften unter Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und ethischen Prinzipien für die Unternehmen im Fokus ihrer Tätigkeit stehen und auch von außen erkennbar sein. Hierfür bedarf es eines Zielsystems, einer Systematik, die Firmentätigkeiten mittels Kennzahlen standardisiert sammelt und vergleichbar macht.

Einheitliche Standards nur schwer definierbar

Einheitliche Standards werden besonders von Politikern, aber auch anderen Anspruchsgruppen gefordert. Dabei wird davon ausgegangen, dass gleichartige Standards als logische Konsequenz aus den Diskussionen der vergangenen Jahre eindeutig erkennbar seien. Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch oftmals schwierig: Gerade in der Abwägung der einzelnen Faktoren zeigt sich, dass es um Schattierungen von Grau beziehungsweise "Grün" geht, statt um eine Schwarz-Weiß-Entscheidung.

Für Asset Manager sind diese Themen nicht neu. Am Anfang eines langfristigen Aktien- oder Anleihen-Investments steht meist eine fundamentale Analyse. Diese beinhaltet neben der Bonitätseinschätzung durch Prüfung der Vermögens- und Finanzlage auch eine Einschätzung der zukünftigen Ertragserwartungen. Für die Beurteilung von Kreditqualität und Gewinnperspektive spielen alle Einflussfaktoren auf die unternehmerische Tätigkeit eine entscheidende Rolle. Die Aussage, dass der Nachhaltigkeit verpflichtete Unternehmen langfristig auch erfolgreicher sind, liegt auf der Hand. Einfluss auf die Performance einer Kapitalanlage hat nicht lediglich die Vermeidung nicht nachhaltiger Unternehmenstätigkeiten wie Strafzahlungen, Reputationsrisiken oder schwindende Erträge, sondern haben vor allem jene Aktivitäten der Firmen, die sich im zukünftigen Umfeld positiv hervorheben. So ist die Unterzeichnung des im Jahr 2000 gestarteten "Global Compact" der Vereinten Nationen für kapitalmarktorientierte Unternehmen inzwischen nahezu Marktstandard. Mit diesem zwischen einem Unternehmen und den Vereinten Nationen geschlossenen "Wertepakt" mit den Zielen, die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten, verpflichtet sich das Unternehmen zu bestimmten Mindeststandards: die Einhaltung von Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten, der Ausschluss von Zwangsarbeit, der Mitwirkung bei der Abschaffung von Kinderarbeit, der Ausschluss jeglicher Art von Diskriminierung, eine vorsorgende und fördernde Haltung im Hinblick auf ökologische Themen und die Bekämpfung von Korruption.

Individuelle Koordination von ESG-Kriterien nötig

Daher gibt es ein Kapitalmarktumfeld, in dem sich jedes Unternehmen und zunehmend auch jeder Investor mit den Koordinaten von ökologischen, sozialen und Aspekten guter Unternehmensführung (kurz: ESG) beschäftigen und ein individuelles Zielsystem anstreben sollte. Eine belastbare Strategie für den Umgang mit ethisch nachhaltigen Investments zu erarbeiten, ist dabei zwingend. Grund für diese Verpflichtung ist die Heterogenität der Elemente.

In den vergangenen Jahren hat sich die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien deutlich weiterentwickelt. Sowohl für private als auch für institutionelle Anleger wurden Kriterien definiert, die mit den eigenen Wertvorstellungen nicht übereinstimmen und eindeutig klassifizierbar sind. So näherten sich viele Investoren zunächst über Ausschlusslisten dem Thema nachhaltiges Investieren. Der Ausschluss von Investments in Unternehmen, die Waffen wie Streubomben produzieren, ist eine einfach zu treffende Ausschlussentscheidung.

Viele Anleger weiten diese Ausschlusskriterien inzwischen auf andere Bereiche aus, die mit den eigenen Wertvorstellungen nicht übereinstimmen. Sie schließen zum Beispiel Länder aus dem Anlageuniversum aus, die noch die Todesstrafe anwenden, oder Unternehmen, die im Bereich Tabak, Alkohol, Rüstung, Glücksspiel oder Gentechnik angesiedelt sind.

Hier wird jedoch bereits klar, dass eine gewisse Trennschärfe sinnvoll ist. Insbesondere bei global agierenden Unternehmen ist nicht immer eindeutig nachvollziehbar, ob und in welchem Umfang gegen solche Vorgaben verstoßen wird. Zur Beurteilung können dann beispielsweise Umsatz- oder Ertragsschwellen definiert werden. Viele Übergänge sind bei dieser Beurteilung eher fließend denn trennscharf. So kann das Hervorheben eines einzelnen Faktors irreführend werden.

Ein Beispiel hierfür ist die Carbon-Intensität: Wenn ein Investor Wert auf einen kleineren CO2-Fußabdruck legt, kann dieser durch den Ausschluss von Investments in Aktien oder Anleihen des Versorgersektors deutlich verringert werden. Um den Sektor dennoch in der Kapitalanlage zu berücksichtigen, wären dann beispielsweise Versorger zu bevorzugen, die Atomenergie erzeugen. Es ist augenfällig, dass dies wahrscheinlich in der gesamten Ökobilanz kritisch zu bewerten ist. Zudem basieren Ausschlusskriterien meist auf Informationen über die vergangene Unternehmenspolitik und berücksichtigen mögliche Weiterentwicklungen der Gesellschaft oftmals nicht.

Weiterentwicklung zu einem integrierten Ansatz

Mit Blick auf die zukunftsgerichtete Investmententscheidung dürfte die Weiterentwicklung zu einem integrierten Ansatz, der Nachhaltigkeitskriterien als Querschnittsfunktion in allen Schritten des Investmentprozesses beachtet, zielführend sein. Neben harten, bestehenden Ausschlusskriterien hinterfragt der Asset Manager hierbei fortlaufend Entscheidungen im Hinblick auf Auswirkungen im ökologischen, sozialen und ethisch-moralischen Bereich. Dabei können die verschiedenen Kriterien auch unterschiedlich gewichtet werden. Als Beispiel dient einmal mehr der Energie- und Versorgerbereich: Ein erdölfördernder Betrieb wird unter ökologischen Aspekten immer kritisch zu bewerten sein.

Investoren müssen hinterfragen, inwieweit ein Portfolioausschluss mit ihren eigenen Anlagezielen und dem eigenen Wertekanon übereinstimmt. So wird die Pensionskasse eines Plastik verarbeitenden Betriebs nur schwerlich erklären können, warum die eigene Geschäftstätigkeit energieintensiv bleibt und Erdöl benötigt, vor dem Hintergrund einer C02-optimierten Investmentstrategie jedoch auf Anlagen in erdölfördernde Unternehmen verzichtet wird. Dies könnten Verantwortliche mit Blick auf den "Ausgleichsgedanken" sicherlich begründen, jedoch ist es erklärungsintensiv.

Anleger sollten entsprechend ihrer eigenen Werte ein Zielsystem erarbeiten und ihre Anlagepolitik darauf abstimmen. Die Finanzindustrie kann bei der Umsetzung dieser Investmentstrategie einen aktiven Beitrag leisten und neben Anlagehorizont, Renditeerwartung sowie Risikoneigung des Anlegers auch seine Erwartungshaltung im Hinblick auf Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen.

Eine Weiterentwicklung des integrierten Ansatzes ist das Thema "Impact Investing" - die Möglichkeit, durch Kapitalanlage einen aktiven Beitrag für bestimmte ökologische oder soziale Bereiche zu leisten. Stichwort ist hierbei die wirkungsvolle Kapitalanlage - nicht nur nachhaltiges Investieren -, die eine messbare ökologische und/oder soziale Wirkung erzielen soll.

Anleger und Produktgeber für Lösungen gefordert

Die Definition von Ausschlusskriterien, die Integration von Nachhaltigkeitskriterien und das wirkungsvolle Investieren sind somit nicht alternativ, sondern additiv verwendbar. Die Herausforderung für die Finanzindustrie besteht hauptsächlich darin, Lösungen anzubieten, die diese Elemente individuell kombinieren.

Die Forderung nach eindeutigen Vorgaben der Politik oder von supranationalen Organisationen ist somit zwar berechtigt, da die Herstellung einheitlicher Standards die Vergleichbarkeit erhöht. Sie entlässt Anleger und Finanzinstitute jedoch nicht aus der Verantwortung, sich mit dem Themenkomplex intensiv auseinanderzusetzen und sich dabei idealerweise auch ein eigenes Zielsystem zu erarbeiten.

Die Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und ethisch-moralischen Kriterien ist nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal zu verstehen. Vielmehr werden diese Aspekte zu einem notwendigen Kriterium, will man Anlageerfolg und Zugang zum Kapitalmarkt langfristig sicherstellen. Damit sind Anleger und Produktgeber gleichermaßen aufgefordert, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die Finanzindustrie spielt dabei für beide Seiten eine entscheidende Rolle - in der Beratung und bei der Lösung.

Sonja Kimmeskamp Director und Head of Sustainable Investing, HSBC Global Asset Management Deutschland, Düsseldorf
Kerstin Terhardt Director und Head of Credit Fixed Income Portfoliomanagement, HSBC Global Asset Management Deutschland, Düsseldorf
Sonja Kimmeskamp , Director und Head of Sustainable Investing, HSBC Global Asset Management Deutschland, Düsseldorf
Kerstin Terhardt , Director und Head of Credit Fixed Income Portfoliomanagement, HSBC Global Asset Management Deutschland, Düsseldorf

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