Redaktionsgespräch mit Otto Beierl

"Förderbanken sind in schlechteren Zeiten nicht Teil des Problems, sondern der Lösung."

Dr. Otto Beierl Foto: LfA, Ch. Brecheis

Dass die Arbeit der Förderbanken in Krisenzeiten speziell in der Unternehmensfinanzierung enorm wichtig und sinnvoll ist, sieht der stellvertretende Präsident des VÖB hinreichend in der öffentlichen Wahrnehmung verankert. Die Bedeutung der Bankengruppe zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit in Aufschwungphasen hingegen hält er etwa bei dem Thema der Digitalisierung für zu wenig gewürdigt. In der laufenden Diskussion über eine mögliche Ausnahmeregelung für Förderbanken bei der europäischen Bankenregulierung erwartet er im Redaktionsgespräch noch vom jetzigen EU-Parlament eine Lösung. (Red.)

Herr Beierl, wie würden sie die gegenwärtigen Rahmenbedingungen für Förderbanken beurteilen?

Häufig herrscht die Meinung vor, dass Förderbanken nur in Krisenzeiten gefragt sind, wenn es der Konjunktur schlecht geht und es Liquiditätsprobleme bei den Unternehmen gibt. Das ist definitiv nicht der Fall. Förderbanken spielen auch in Zeiten von guter Konjunktur eine wichtige Rolle mit ihren Finanzierungen und Dienstleistungen, allerdings mit anderen Aufgabenschwerpunkten.

Was genau sind die unterschiedlichen Aufgaben?

In schlechten Zeiten geht es eher darum, die Unternehmen bei knappen Kassen mit Liquiditätshilfen durch ein konjunkturelles Tal zu tragen. Dagegen werden in konjunkturellen Aufschwungphasen vor allem Investitionskredite nachgefragt, da Unternehmen dann investieren, um sich zukunftsfähig aufzustellen und dadurch Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Bestes Beispiel hierfür ist die Digitalisierung.

Sind die Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Förderbanken nach wie vor national, oder nimmt die Bedeutung europäischer beziehungsweise geopolitischer Einflüsse zu?

Hier muss man unterscheiden zwischen den Einflüssen auf die Förderbanken selbst und denen für unsere Kunden. Für Unternehmen spielen geopolitische Einflussfaktoren unmittelbar natürlich eine deutlich größere Rolle als für die Banken. Nehmen Sie nur die aktuellen Diskussionen um gegenseitige Strafzölle zwischen den USA, der Europäischen Union oder dem Rest der Welt. Das wird Unternehmen aus einigen Branchen, vor allem den exportorientierten, nachhaltig betreffen. Das wiederum wirkt sich auch auf das Geschäft der Banken aus, die als Finanzierer der Unternehmen gefragt sind. Förderbanken müssen sich immer wieder neu den aktuellen Herausforderungen anpassen. Es erfordert ein gutes Ohr am Markt, die Produkte und Dienstleistungen immer wieder darauf auszurichten, dass sie den Marktentwicklungen Rechnung tragen und damit den Unternehmen auch helfen können.

Mit Blick auf die drei großen Schlagworte Niedrigzinsen, Digitalisierung und Regulierung, was stellt Ihrer Meinung nach aktuell die größte Herausforderung dar?

Der Dreiklang aus dauerhaft niedrigen bis negativen Zinsen, zunehmenden Anforderungen der Regulierung und dem Veränderungsdruck der Digitalisierung bindet in den Förderbanken große Kapazitäten. Die Digitalisierung unseres eigenen Hauses forcieren wir, weil sie uns viele Chancen für Effizienzsteigerung und Kostensenkung bietet. Dazu haben wir eine Roadmap aufgestellt, wo wir in fünf Jahren stehen wollen. In allen Förderbanken ist die Gestaltung der Digitalisierung ein sehr wichtiges Thema. Die besondere Herausforderung ist, die Digitalisierung ganzheitlich zu betrachten. Sowohl die Hausbanken der Kunden, mit denen die Förderbanken intensiv zusammenarbeiten, als auch die Unternehmen haben den Anspruch an uns, dass Prozesse effizient, schnell und kostengünstiger werden. Bereits jetzt sind in der LfA alle Kreditprozesse intern webbasiert umgestellt und wir testen das aktuell mit unseren Hausbanken.

Wie ist es mit den niedrigen Zinsen?

Ich persönlich gehe davon aus, dass dauerhaft niedrige Zinsen die neue Normalität werden. Förderinstitute müssen sich darauf einstellen, ihren Förderauftrag auch in einem solchen Szenario, in der neuen Normalität, gut erfüllen zu können.

Gilt das nur für die Förderprogramme und -produkte oder auch für die internen Prozesse?

Beides. Prozesse werden immer wichtiger. Denn der Ablauf der Prozesse entscheidet über die Kosten. Und Kosten haben aufgrund der Niedrigzinsphase und der Anforderungen aus der Regulierung enorm an Bedeutung gewonnen. Die Entscheidung, ob auf einen Förderkredit zurückgegriffen wird, ist nicht mehr nur eine Frage des Zinssatzes, sondern auch der mit einer Inanspruchnahme verbundenen Kosten. Das gilt für die durchleitenden Banken ebenso wie für den Unternehmer.

Die andere Seite betrifft das Produktspektrum, das sich immer an den Schwerpunkten der Wirtschaftspolitik in einem Bundesland richtet. Förderbanken setzen die Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes mit banktechnischen Mitteln um und leiten die Förderung an die Unternehmen weiter. Es gibt hier auch einige neue Themen in Bezug auf die technische Infrastruktur und die IT wie beispielsweise den Breitbandausbau oder die Digitalisierung der Unternehmen selbst. Die Aufgabe der Förderbank ist es, für die Bereiche, die als besonders förderungswürdig eingestuft werden, Produkte und Programme mit entsprechend günstigen Zinskonditionen zu entwickeln.

Wie würden sich steigende Zinsen auf das Geschäft, auf die Ertragslage der Förderbanken auswirken?

Da die Förderbanken in aller Regel sehr darauf achten, ihre Kreditprogramme fristenkongruent zu finanzieren, wären wir von den Risiken von Zinsänderungen kaum betroffen. Allerdings würden wir natürlich bei der Anlage unseres Eigenkapitals bessere Konditionen erzielen, was unseren Zinsüberschuss steigern würde. Durch die derzeit niedrigen Zinsen lassen wir uns aber nicht verleiten, unsere Risikotoleranz zu erhöhen.

Einige Institute setzen seit einigen Monaten Förder- beziehungsweise Tilgungszuschüsse ein, um die Attraktivität von Förderkrediten gegenüber negativen Zinsen zu erhöhen. Hat sich das bewährt?

Hier kann ich nur für die LfA sprechen, die ebenfalls mit Tilgungszuschüssen agiert. Wir stellen fest, dass Produkte mit diesen Zuschüssen sehr gut angenommen werden. Über den "Energiekredit Gebäude" wurden allein in 2017 seit dem Start Mitte Juli über 100 Millionen Euro vergeben. Wir haben daher gerade weitere Produkte im Bereich Energieeffizienzförderung mit Tilgungszuschüssen aufgelegt.

Wenn man sich aber die generellen Volumina an Förderkrediten anschaut, die über die Jahre sehr konstant sind, ist eine solche zusätzliche Subventionierung doch eigentlich gar nicht nötig, oder?

In der Tat ist die Inanspruchnahme unserer Förderung auch in den Zeiten niedrigster Zinsen nicht eingebrochen. Das hat aber nichts mit einer zusätzlichen Subventionierung zu tun, sondern unsere Aufgabe ist es ja, die Zinsunterschiede zwischen Großunternehmen und dem Mittelstand auszugleichen - die es bei hohen und niedrigen Zinsphasen gibt. Förder- oder Tilgungszuschüsse sind so ein zusätzlicher Anreiz für den Unternehmer, sich mit dem Thema Förderkredit auseinanderzusetzen. Und da diese wiederum nur in Bereichen eingesetzt werden, die von unseren öffentlichen Trägern als besonders förderungswürdig eingestuft werden, beispielsweise bei der energetischen Sanierung oder Errichtung von Gebäuden, erfüllen Förderbanken wiederum ihre wirtschaftspolitische Aufgabe. Aber jede Förderbank beziehungsweise Bundes- oder Landesregierung muss natürlich für sich entscheiden, ob entsprechende Mittel eingesetzt werden.

Hat der politische Einfluss auf Förderbanken in den vergangenen Jahren zugenommen? Wie gut passen die Vorstellungen der Wirtschaftspolitik zu den jeweiligen unternehmerischen Wünschen und Vorstellungen?

Förderbanken sind ein Teil der Wirtschaftspolitik und erfüllen einen gesetzlichen Förderauftrag, der gemeinsam mit unseren Trägern definiert wird. Dabei agieren Förderbanken auch als förderpolitische Impulsgeber und schieben gesellschaftlich gewünschte Entwicklungen mit ihren Programmen an. Am Ende des Tages zeigt unsere Förderleistung, ob wir mit unserem Angebot richtig gelegen haben. Alle Entscheidungen müssen bankwirtschaftlich vertretbar sein, denn Förderbanken vergeben deutlich mehr Förderkredite als Zuschüsse. Sie agieren als Banken, die das ausgeliehene Geld auch wieder zurückgezahlt haben wollen. All das wird ein gutes Miteinander zwischen Förderbank und dem jeweiligen Träger regeln. Mit politischer Einflussnahme auf unser Geschäft hat das nichts zu tun.

Politische Einflussnahme bei einzelnen Kreditentscheidungen habe ich nie erlebt.

Aber entscheiden über einen Kredit muss doch der Vorstand, oder?

Grundsätzlich ist das richtig. Für jede Kredit- und Förderentscheidung gibt es Regeln, ab einer gewissen Größenordnung bedarf eine Kreditentscheidung bei der LfA allerdings der Zustimmung des Verwaltungsrates.

Sie haben den gesetzlichen Förderauftrag selber angesprochen: Ist dieser Förderauftrag noch zeitgemäß oder müsste er angepasst werden, um Ihnen mehr Freiheit zu geben?

In Artikel 3 des Gesetz über die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA-Gesetz - LfAG) heißt es: "Die Bank hat den staatlichen Auftrag, im Rahmen der Finanz-, Wirtschafts-, Verkehrs-, Umwelt- und Arbeitsmarktpolitik und im Einklang mit den Beihilfevorschriften der Europäischen Gemeinschaft, Vorhaben gewerblicher Unternehmen sowie sonstige Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltstruktur Bayerns finanziell zu fördern." Dieser gesetzliche Rahmen ist so weit gefasst, dass er uns ausreichend Gestaltungsspielraum lässt.

Stichwort Nachhaltigkeit: Auch in diesem Bereich können beziehungsweise müssen Förderbanken mit ihrem Angebot vorangehen und antreiben. Wird in Sachen Nachhaltigkeit in Deutschland genug getan?

Das Thema Nachhaltigkeit beginnt in den Instituten selbst. In der LfA hat es einen sehr großen Stellenwert. Wir erstellen einen Nachhaltigkeitsbericht und sind zudem von allen drei großen Nachhaltigkeitsagenturen ordentlich geratet. Mit Blick auf Wirtschaft und Gesellschaft stelle ich fest, dass der Begriff Nachhaltigkeit sehr breit ausgelegt wird. Das beginnt beim energieeffizienten Wohnen, geht über den Erwerb einer Maschine, die weniger Strom verbraucht, bis hin zu Produkten, deren Lebensdauer länger wird. Es ist vernünftig, hier mit Förderungen zu arbeiten.

Dennoch wird es immer Branchen geben, die die Umwelt naturgemäß mehr belasten als andere, die wirtschaftspolitisch aber nichtsdestotrotz wichtig sind.

Wie stehen Sie zu der Diskussion um Kapitalerleichterungen für grüne Finanzierungen beziehungsweise Kapitalaufschläge für braune Ausleihungen?

Ich bin nicht sicher, ob Ab- oder Aufschläge die Diskussion tatsächlich prägen. Ich glaube, die Aufsicht möchte den Fokus sehr viel stärker auf das Thema "Know Your Customer" lenken. Für einen Bankenaufseher ist entscheidend, dass die Institute sich möglichst frühzeitig mit Veränderungen in einzelnen Branchen auseinandersetzen und das in ihrer Geschäftspolitik berücksichtigen. Denn nur so kann ein Risiko adäquat bepreist werden. Das gehört zu einer guten Unternehmensführung natürlich dazu. Grundsätzlich sollten Kapitalerleichterungen nur auf Grundlage messbar niedrigerer Risiken eingeräumt werden.

Förderbanken unterliegen mit Teilen ihrer Aktivitäten dem europäischen Aufsichtsregime und kämpfen um Ausnahmen: Wie ist der Stand der Dinge?

Regulierung ist wichtig und notwendig. Banken brauchen ausreichend Eigenkapital und Liquidität und müssen auch für einen Sanierungsfall vorbereitet sein. All das hat Sinn. Aber Regulierung muss sich auch am jeweiligen Geschäftsmodell orientieren. 2007/2008 waren Förderbanken nicht Verursacher des Problems, sondern ein Teil der Lösung bei der Bewältigung der konjunkturellen Folgen der Krise. Uns geht es dabei nicht um materielle Vergünstigungen oder Privilegien. Natürlich müssen auch Förderbanken gut reguliert werden. So werden Förderbanken niemals diejenigen sein, die im Rahmen des Single Resolution Mechanism gerettet werden müssen, da für sie der Bund beziehungsweise die Länder als Eigentümer uneingeschränkt haften. Das sollte unserer Meinung nach bei der Ausgestaltung der Regulierung mitbedacht werden.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihren Forderungen Gehör geschenkt wird?

Wir befinden uns in einer Diskussion, in der es einen nationalen und mehrere europäische Spieler gibt. Die deutsche Position ist gefestigt, sowohl die Bundesregierung als auch das Bundesfinanzministerium unterstützen uns in unserer Position. Über den Bundesrat bringen sich in dieser Frage auch die 16 Landesfinanz und -wirtschaftsminister ein. In verschiedenen Abstimmungen im Bundesrat als auch in der Finanzministerkonferenz wurde jeweils einstimmig für eine Ausnahme der Förderbanken gestimmt. Es geht also nicht um parteipolitische Interessen, sondern es herrscht ein breiter Konsens. Bundesbank und BaFin unterstützen unser Ansinnen ebenfalls.

Die Europäische Kommission hat die Diskussion über die Ausnahme von Förderbanken durch einen entsprechenden Legislativvorschlag initiiert und steht einer Ausnahme auch der deutschen Förderbanken positiv gegenüber. Im EU-Parlament ist auch der Berichterstatter Peter Simon für die Ausnahme, und zwar nicht nur der Institute unter einer Bilanzsumme von 30 Milliarden Euro, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch der darüber liegenden Förderbanken. Beschlossen werden muss die Ausnahme auch vom Rat der EU. Bulgarien, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, steht dieser Ausnahme offen gegenüber. Gleiches wird wohl auch für Österreich gelten, das in der zweiten Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft übernehmen wird.

Allerdings sind die Auffassungen der einzelnen Mitgliedsstaaten noch unterschiedlich. Nicht in jedem Mitgliedsstaat gibt es ein entsprechendes Förderbankenwesen, obwohl es seit der Finanzmarktkrise viele Gründungen von Förderbanken in anderen EU-Staaten gab. Und die föderale Aufstellung Deutschlands mit zwei nationalen und 17 regionalen Förderbanken ist ebenfalls erklärungsbedürftig. Umso wichtiger ist es, diese Themen breit in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Ich gehe davon aus, dass dieses Thema gelöst werden kann, bevor 2019 ein neues EU-Parlament zusammentreten wird.

Wie muss diese Ausnahme der Förderbanken gesetzlich verankert werden?

Als Passus in der EU-Bankenrichtlinie CRD, die gerade novelliert wird. Hierzu gibt es bereits einige Formulierungsvorschläge für Institute, die den Vorschriften nicht unterliegen. Diese würden um die übrigen Förderbanken ergänzt werden.

Welche Eigenkapitalquote ist aus Ihrer Sicht für eine Förderbank angemessen?

Aufgrund des spezifischen Geschäftsmodells der Förderbanken sind sie in wirtschaftlich schlechteren Zeiten nicht Teil des Problems, sondern sollen Teil der Lösung sein. Das erfordert eine höhere Risikotragfähigkeit als diejenige einer Geschäftsbank, die im Krisenfalle ihre Kreditvergabe einschränken muss. Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft und die Hausbanken durch eine solche Phase zu begleiten. Die LfA hat derzeit eine Krenkapitalquote von 19,9 Prozent. Diese wollen wir durch Thesaurierung von Gewinnen weiter stärken.

Stichwort Bankenabgabe: Bereits seit einigen Monaten ärgert es die Förderbanken, dass Teile ihres Geschäfts abseits des reinen Fördergeschäfts mit der Bankenabgabe belegt werden. Hat sich hier etwas geändert?

Geändert hat sich leider nichts. Nach wie vor muss für Teile des Geschäfts die Bankenabgabe entrichtet werden. Das ist für uns schwer nachzuvollziehen, denn letztlich dient alles was wir tun dem Förderauftrag. Wäre das nicht der Fall, wäre dies ein Gesetzesverstoß und ein Beihilfethema.

Dr. Otto Beierl Stellvertretender Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e.V., Berlin, und Vorsitzender des Vorstands, LfA Förderbank Bayern, München
Noch keine Bewertungen vorhanden


X