Redaktionsgespräch mit Uwe Fröhlich

"Wir sind gut beraten, geschäftspolitische Themen immer offen, kritisch und konstruktiv in den Gremien zu diskutieren"

Uwe Fröhlich, Präsident, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR),

Berlin Quelle: BVR

Das genossenschaftliche Geschäftsmodell bei laufendem Betrieb extrem schnell weiterzuentwickeln, ist für Uwe Fröhlich die zentrale Herausforderung seiner Bankengruppe. Mit den Fortschritten hinsichtlich der Organisations- und Entscheidungsstrukturen zeigt sich der Präsident der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Redaktionsgespräch zwar ebenso zufrieden wie mit der Vertrauensbildung zwischen den verschiedenen Ebenen. Gleichwohl mahnt er zu einer Fortsetzung der beharrlichen Arbeit, um die Früchte vieler richtiger strategischer Entscheidungen zu ernten. Von der neuen Bundesregierung wünscht er sich eine klare Positionierung für das mittelständisch und dezentral aufgestellte Wirtschaftssystem und die dreigliedrige deutsche Bankenlandschaft. (Red.)

Herr Fröhlich, wie gut ist die genossenschaftliche Bankengruppe den aktuellen Herausforderungen der Branche gewachsen, angefangen von der Digitalisierung bis hin zu den Niedrigzinsen und der Regulierung?

Zunächst einmal dürfen wir stolz darauf sein, dass wir die vergangenen schwierigen Jahre gut gemeistert haben und im Vergleich besser abgeschnitten haben als die meisten der Wettbewerber. Gleichwohl sind die angesprochenen Rahmenbedingungen und die Herausforderungen, die auf die Gruppe einwirken, enorm. Bei der Bewältigung der Aufgaben hilft natürlich die gute Eigenkapitalausstattung sowie die nach wie vor auskömmliche Ertragslage. Wir profitieren seit vielen Jahren auch von der großen Kohäsion innerhalb der Gruppe. Wir sind uns grundsätzlich sehr einig, wohin der Weg führen soll und wie er beschritten wird. Allerdings werden wir uns auch in den kommenden Jahren extrem schnell weiterentwickeln müssen.

Wir stellen uns dem angesprochenen Dreiklang an Herausforderungen. Das fängt an mit der Bewältigung der regulatorischen Anforderungen, die auf eine dezentrale Verbundgruppe nur ungenügend Rücksicht nehmen. Auf die Ertragslage drückt aber ebenso die deutlich politisch beeinflusste Zinspolitik der EZB. Und nicht zuletzt ist die Digitalisierung mit neuen technischen Möglichkeiten und Marktteilnehmern eine Herausforderung für unser Kerngeschäft.

In allen drei Bereichen engagieren wir uns intensiv. Das erfordert eine Weiterentwicklung des Geschäftsmodells bei laufendem Betrieb, die wir evolutionär bewältigen wollen. Wir müssen uns auf der einen Seite auf unser erfolgreiches genossenschaftliches Geschäftsmodell mit seiner Nähe zum Kunden und den damit verbundenen Werten besinnen, auf der an deren Seite aber auch große Veränderungsbereitschaft an den Tag legen.

Sie wollen das dezentrale Unternehmertum bewahren und werben gleichzeitig für die Einsicht, dass viele Dinge nur von großen Einheiten gelöst werden können. Ist das nicht ein Widerspruch?

Ob die Einheiten der Gruppe immer groß sein müssen, versehe ich mal bewusst mit einem Fragezeichen. Die zentralen Dienstleister brauchen sicherlich gewisse Größenordnungen, um effizient arbeiten zu können. Auf der Primarbankebene ist das nicht zwingend so. Hier lässt sich zwar beobachten, dass viele genossenschaftliche Ortsbanken die Herausforderungen in größeren organisatorischen Einheiten bewältigen wollen. Am Ende sind wir aber als Dienstleister für die Ortsbanken gefordert, alles Mögliche zu tun, damit die Unabhängigkeit der Genossenschaftsbank vor Ort auch in kleineren Einheiten sichergestellt werden kann.

Grundsätzlich sind alle verantwortlichen Entscheidungsträger dieser Organisation der festen Überzeugung, dass unser Markterfolg, unsere Verankerung vor Ort und unsere Zukunftsperspektive ganz entscheidend in der wirtschaftlichen und bankaufsichtsrechtlichen Unabhängigkeit vor Ort liegt. Deshalb müssen wir die Dinge erleichtern, die vor Ort zu einer großen Belastung werden, ich denke da beispielsweise an Dienstleistungsangebote rund um das Meldewesen. In diesem Sinne bin ich sehr weit davon entfernt, eine Aufforderung ins Land zu senden, sich ungestüm zu größeren Einheiten zu sammeln. Das kann für unsere Organisation angesichts höchst unterschiedlicher Wirtschaftsräume in Deutschland nicht die einzige Lösung sein. Im Gegenteil.

Allem Eindruck nach ist das Misstrauen gegen die zentralen Einheiten im Verbund geringer geworden. Lassen sich Lösungen für die ganze Gruppe heute leichter umsetzen?

In den vergangenen Jahren haben wir uns innerhalb der Gruppe gegenseitig viel Vertrauen erarbeiten können. Das ist durch nachvollziehbares Handeln der Verantwortlichen auf allen Ebenen befördert worden. Es herrscht ein positives Grundvertrauen. Dennoch bleibt die wirtschaftliche Verantwortung jedes Einzelnen vor Ort zu Recht bestehen. Jeder wird sich immer wieder mit neuen Angeboten aus der Gruppe intensiv auseinandersetzen und fragen, ob die Ideen nutzenstiftend für die Genossenschaftsbank vor Ort sind, ob sie der Gruppe als Ganzes helfen, ob sie gegebenenfalls zu einer ungewollten Änderung der Gewichte und der Erlösströme innerhalb der Organisation führen.

Wir sind gut beraten, solche geschäftspolitischen Themen immer wieder offen, kritisch und konstruktiv in den Gremien zu diskutieren, damit das bestehende Vertrauen dauerhaft weiterentwickelt werden kann. Dieses Vertrauen hat uns beim Zusammenwachsen sehr geholfen und ist ein wesentlicher Garant dafür, die Fusionen der vergangenen Jahre von den Rechenzentren bis hin zu DZ Bank/WGZ Bank erfolgreich zu bewältigen.

Ende August haben BaFin und Bundesbank verhältnismäßig gute Ergebnisse ihrer Niedrigzinsumfrage veröffentlicht. Bewältigen die hiesigen Institute die Situation besser als das von außen oft befürchtet wird?

Ja, wie sich an den Ergebnissen der Umfrage zeigt, weisen dezentrale und granular aufgestellte Verbundsysteme keine größeren Schwächen auf, als große Banken. Letztendlich müssen sich die vor Ort Verantwortlichen mit der Situation auseinandersetzen und die richtigen Entscheidungen treffen. In unserer BVR-Sicherungseinrichtung hat das Ergebnis der Studie nicht überrascht. Gleichwohl wissen wir, dass die Geldpolitik der EZB nicht dauerhaft fortgeschrieben werden kann, ohne für unsere Institute existenzbedrohlich zu werden.

Wo kann innerhalb des Verbundes noch Effizienzpotenzial gehoben werden? Welche Dienstleistungen lassen sich beispielsweise noch zentralisieren?

Die genossenschaftliche Finanzgruppe hat nach der Fusion der Zentralbanken und der Rechenzentralen sowie der anstehenden Bündelung der Aktivitäten im Hypothekenbankenbereich durch die geplante WL-DG-Hyp-Fusion bereits einen hohen Grad an Spezialisierung erreicht. Jetzt heißt es, diese gebündelte Kraft zusammen mit den Ortsbanken auch in künftige Markterfolge umzusetzen.

Auf der IT-Seite der Primärstufe wollen wir die Früchte durch einen schnellstmöglichen Übergang zu einem einheitlichen Bankanwendungsverfahren ernten und innovative IT-gestützte Omnikanallösungen realisieren.

Wir sind gefordert, unser genossenschaftliches Geschäftsmodell mit Verbundinitiativen wie Kundenfokus im Vertriebs- und Digitalisierungsumfeld in die Zukunft zu tragen, die Organisation effizient umzubauen und dabei die Mitarbeiter mitzunehmen. Der Wettbewerb und neue Marktteilnehmer geben hier den externen Takt vor.

Wo Genossenschaftsbank draufsteht sollte auch Genossenschaftsbank drin sein, klingt bei der Antwort an: Demnach sollten verbale Streitigkeiten der "echten" Genossenschaftsbanken mit den Sparda-Banken oder der Apo-Bank der Vergangenheit angehören, oder?

Die Grundüberzeugung einer großen Genossenschaftsfamilie ist überall in der Gruppe vorhanden - damit in der Praxis umzugehen fällt naturgemäß nicht immer leicht. Häufig begegnet man sich in Wettbewerbssituationen im Markt. Am Ende ziehen in strategischen Fragen aber alle genossenschaftlichen Institute an einem Strang, denn gemeinsam sind die großen Herausforderungen unserer Branche besser zu bewältigen, als auf Einzelinstitutsebene.

Es wäre für Sie also eine große Enttäuschung, wenn die Apo-Bank zu Avaloq abwandert?

Das würde ich in der Tat sehr bedauern, aber letztendlich ist das natürlich eine Entscheidung vor Ort, die ich derzeit nicht näher kommentieren will.

Wie passt in diese Zukunft der Genossenschaftsbanken das Regionalprinzip?

Regionalität ist ein Markenkern der genossenschaftlichen Bankengruppe. Ein Regionalprinzip im Sinne der Abgrenzung von Geschäftsgebieten hat es allerdings nie gegeben und wird es auch in Zukunft nicht geben. Das schließt nicht aus, langjährige Kunden der Bank gezielt bei Investitionen an einen anderen Ort zu begleiten.

Die enge Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft ist für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Warum sind wir vielfach der Geschäftspartner, auch wenn wir nicht immer Preisführer sind? Unser Geschäftsmodell ist eben auf nachhaltige Partnerschaft angelegt und lebt nicht zuletzt von einer guten Einschätzung der Risikolage vor Ort. Das gelingt in der Region oft viel besser, als mit einem zentralen Rechenmodell.

Ist die Cost Income Ratio eine Schwachstelle der Genossenschaftsbanken? Was kann gegebenenfalls getan werden, um diese in die richtige Richtung zu lenken?

Die derzeitigen Rahmenbedingungen sorgen für eine tendenzielle Verschlechterung der Cost Income Ratio. Da wir als dezentral aufgestellte Organisation ohnehin nicht der Kosten- und damit Preisführer sein können, ist Kosteneffizienz keine klassische Stärke der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Auf der anderen Seite müssen wir uns im Vergleich mit zentral organisierten Geschäftsmodellen wie den hiesigen Großbanken keineswegs verstecken. Interessant ist für uns auch der Vergleich mit der niederländischen Rabobank-Gruppe. Dieser bescheinigt uns als streng subsidiär aufgestellte Organisation mit einer Cost Income Ratio von rund 67 Prozent eine absolut vergleichbare Effizienz.

Dennoch bedarf es großer unternehmerischer Entschlossenheit, vor Ort effizient zu arbeiten. Unsere häufig hybrid aktiven Kunden sind im Internet unterwegs, nehmen am Ende aber doch häufig Beratungsgespräche in Anspruch. Und eine beträchtliche Zahl setzt nach wie vor allein auf das Filialgeschäft. Da lässt sich unserer Kosteneffizienz nicht direkt mit einer Bank wie beispielsweise der ING-Diba vergleichen, die keine Filialen betreibt und sich ausschließlich den onlineaffinen Kunden widmet.

Neben weiteren Investitionen in die digitale Leistungsfähigkeit unserer Gruppe im Privat- und Firmenkundenumfeld werden wir nicht umhinkommen, auf der Kostenseite strenge Disziplin walten zu lassen und den ohne Frage großen Kostenblock unserer Gruppe spürbar zu reduzieren.

Gibt es Untersuchungen, wie häufig der durchschnittliche Kunde einer Genossenschaftsbank im Jahr in die Filiale kommt?

Entscheidender als die Anzahl Filialbesuche sind die geführten Beratungsgespräche - und diese messen wir natürlich. Über ein Drittel unserer Kunden haben in den letzten zwölf Monaten Beratungsgespräche geführt. Die gemessene Zufriedenheit mit der Beratung bei Genossenschaftsbanken ist übrigens hoch. Wir streben grundsätzlich eine deutliche Steigerung der Anzahl der Beratungsgespräche pro Kunde oder Kundengruppe an - durch das Konzept der strukturierten genossenschaftlichen Beratung. In solchen IT-gestützten Beratungsgesprächen geht es zunächst darum, den Kunden kennenzulernen und seine Ziele und Wünsche zu erfassen.

Darauf aufbauend unterbreiten wir dann ein individuelles Angebot. Die Kunden müssen spüren, dass wir ihnen nicht primär etwas verkaufen wollen, sondern ihre persönliche Bedarfslage erfassen wollen. Dieses mittlerweile weitgehend flächendeckend eingeführte Prinzip hat nachweislich positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit, die Anzahl der Beratungsgespräche und letztlich auch auf den wirtschaftlichen Erfolg der Bank. Die Weiterempfehlungsbereitschaft unserer Kunden ist für uns von hohem Wert.

Dieses Beratungskonzept erfordert allerdings erhebliche Veränderungsbereitschaft aufseiten der Berater. Nicht mehr einzelne Produkte wie zum Beispiel das Bau sparen stehen im Vordergrund - die Beratungskompetenz muss inhaltlich die Breite aller Bedarfsfelder des Kunden abdecken.

... und der Berater muss auf den Kunden zugehen ...

Ja, er muss sich mit dem Kunden und seinen Bedürfnissen intensiv auseinandersetzen. Gerade an dieser Stelle hat sich das Idealbild des Bankgeschäftes enorm verändert. Noch vor 15 Jahren schauten viele gebannt auf extrem vertriebsstarke Banken, die im Grunde genommen auf den reinen Produktverkauf ausgerichtet waren. Das hat bekanntlich aus Verbrauchersicht eine Menge Schaden angerichtet. Vor diesem Hintergrund tun wir heute alle gut daran, qualitativ hochwertig zu arbeiten und uns das Vertrauen auf Kundenseite immer wieder neu zu erarbeiten.

Inwieweit lässt das Umfeld mit dem hohem Investitionsaufwand und dem hohen Kosten- und Preisdruck kundenindividuelle Angebote überhaupt zu? Wie viel Individualität kann sich eine Ortsbank bei der Produkt- und Dienstleistungsgestaltung leisten? Muss sie nicht stark auf Standardprodukte zurückgreifen?

Sie kann und sollte auf Lösungen der Unternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe zurückgreifen. Idealerweise wird das individuelle Kundenangebot aus eigenen Bankprodukten und standardisierten Verbundkomponenten zusammengestellt. Ein überzeugendes Allfinanz-Angebot gegebenenfalls noch mit geeigneten Förderprogrammen etwa bei der Baufinanzierung anzureichern, macht die wahre Kompetenz des Beraters vor Ort aus.

Wie viel Verständnis hat der BVR-Präsident für institutsspezifische Mehrwertprogramme?

Es gibt eine ganze Reihe von Mehrwertprogrammen in der Gruppe und die Institute entscheiden individuell, welche sie ihren Mitgliedern anbieten und wie sie diese ausgestalten. Dabei sollte sich die Förderung der Mitglieder nicht auf rein finanzielle Anreize konzentrieren. Mit dem Digitalen Netzwerk für Mitglieder haben wir beispielsweise eine Lösung entwickelt, wie unsere Mitglieder auf einer sogenannten Co-Creation-Plattform bei der Verteilung von Spendenbeiträgen, der Ausgestaltung von Produkten oder Veranstaltungen bis hin zu geschäftspolitischen Entscheidungen einbezogen werden können und ihre Mitgliedschaft so ganz neu zu erleben.

Stichwort Verbundtreue: Wie hat diese sich in den vergangenen Jahren entwickelt?

Schaut man allein auf die absoluten Zahlen der Provisionen aus der DZ-Bank-Gruppe in Richtung der Ortsbankenebene zeigt sich ein deutlich positiver Trend. Unsere Verbundunternehmen stehen naturgemäß im Wettbewerb mit Dritten, die gegebenenfalls ihre Dienstleistung ebenfalls in der Organisation anbieten - beispielsweise im Versicherungsgeschäft. Hin und wieder führt das verbundintern zu herzhaften Diskussionen, wie wir unsere Zusammenarbeit effizienter machen können und die Wertschöpfung in unserer genossenschaftlichen Finanzgruppe behalten. Gleichwohl habe ich nicht das Gefühl, dass sich die Ortsbanken angesichts der schwieriger werdenden Rahmenbedingungen verstärkt zu verbundfremden Drittanbietern hinwenden.

Auch die Diskussion über die Verteilung der Provisionen wird mitunter hitzig geführt ...

Das gehört zu unserem Geschäftsmodell. Es geht es um autonome Wirtschaftssubjekte, die miteinander Vereinbarungen treffen. Und die müssen von beiden Seiten als fair empfunden werden.

Wie definieren Sie in der neuen Welt die Rolle der DZ Bank als einzige Zentralbank? Und wo sehen Sie aus heutiger Sicht noch Verbesserungspotenzial?

Die DZ Bank hat zahlreiche Aufgaben, die für die Finanzgruppe extrem wichtig sind. Als Zentralbank gilt das insbesondere für die Liquiditäts- und Risikoausgleichsfunktion, das Metakreditgeschäft, Dienstleistungen im Wertpapiergeschäft, Kartengeschäft, Zahlungsverkehr oder die Begleitung des Auslandsgeschäftes. Wichtig und richtig ist, dass die DZ Bank sich schon vor vielen Jahren auf die klare Maxime "Verbund first" festgelegt hat. Das gilt heute wie morgen und ist ein wesentlicher Grund für den großen Zusammenhalt in der Organisation.

Zur Sicherung der Kundenpotenziale unserer genossenschaftlichen Finanzgruppe kommt es zunehmend darauf an, dass insbesondere bei wachstumsstarken Kunden der Ortsbankenebene Kooperationsmodelle mit der Zentralbank greifen, damit der Kunde vor Ort weiter erfolgreich betreut werden kann und nicht mangels Risikotragfähigkeit der Ortsbank oder anderer limitierender Faktoren zum Wettbewerb wechselt. Hier werden wir auch in Zukunft intensiv arbeiten müssen.

Die teils heftigen Diskussionen um Filialschließungen oder Gebührenerhöhungen sind für die Genossenschaftsorganisation relativ sanft ausgefallen und haben nicht massenhaft Kundenabwanderungen geführt, oder täuscht dieser Eindruck?

Die hier geführte öffentliche Diskussion ist wirklich schwierig. Es ist nicht reputationssteigernd, wenn Banken in den Medien vorgeworfen wird, sie seien nur darauf aus, Gebühren zu erhöhen oder unfaire Preise zu erheben. Dass es dieses Verhalten in der Breite der Genossenschaftsbanken so nicht gibt, zeigt sich auch in der Stabilität unserer Kundenbeziehungen. Wir achten sehr genau auf Kundenwanderungsbewegungen. Die Verlagerung von Girokonten zu Wettbewerbern und von Wettbewerbern zu Genossenschaftsbanken halten sich die Waage und betreffen jeweils weit unter ein Prozent unserer Kunden.

Dennoch ist die Kundenbindung aller Bankengruppen rückläufig. Bei aller Notwendigkeit, die Ergebnisse durch Provisionserlöse zu befördern, dürfen wir den Bogen keinesfalls überspannen. Wenn wir notwendige Preis- und Gebührenerhöhungen umsetzen, müssen wir diese mit offenem Visier deutlich erklären. Das ist im Sinne der Glaubwürdigkeit unseres Geschäftsmodells ganz wichtig.

Finden die Volksbanken und Raiffeisenbanken in diesen unruhigen Zeiten mit all ihren regulatorischen Regeln und den Haftungsfragen überhaupt noch genügend qualifizierte Vorstände und Mitarbeiter?

Die Frage, ob wir genügend motivierte Bankvorstände finden, bereitet mir weniger Sorgen. Aber in der Breite der Bevölkerung ist es in der Tat nicht mehr so einfach, junge Menschen für den Beruf des Bankkaufmanns zu begeistern und sich diesem Berufsbild zu stellen. Über unsere Bankengruppe hinaus ist das eine riesige Herausforderung, die wir seitens des BVR, den Prüfungsverbänden und vielen Ortsbankenkollegen angehen. Wir haben dazu gerade die Next-Initiative zur Gewinnung junger Talente angestoßen.

Regulatorik nimmt zu wenig Rücksicht auf eine dezentrale Verbundgruppe, haben Sie sinngemäß gesagt. Sind die Bemühungen der deutschen Bankenaufsicht um mehr Proportionalität etwa nur leere Worte?

Ob wir mit unserem berechtigten Anliegen nach Proportionalität auf politisches Verständnis stoßen, wird sich in den kommenden 18 Monaten entscheiden. Zunächst bleibt festzuhalten, dass vonseiten der Bundesbank und der BaFin mit entsprechendem Rückenwind aus dem Bundesfinanzministerium das Thema "Small Banking Box" inhaltlich neu aufgegriffen worden ist. Als Federführer der DK haben wir in diesem Jahr gemeinsam mit den anderen Bankenverbänden in Arbeitsgruppen mit Bundesbank, BaFin und Bundesfinanzministerium eine gemeinsame Position erarbeitet, die das Konzept der Small Banking Box mit klaren Inhalten versieht. Auch in der deutschen Politik und den Parteien hat das Thema erfreulichen Widerhall gefunden.

Über den gemeinsamen Ansatz des Drei-Schichten-Modells wurde ja schon berichtet. Demnach sollen Kreditinstituten unterhalb einer gewissen Größenordnung bestimmte Befreiungen von Aufgaben wie Offenlegung, Vergütungsregeln und Teilen des Meldewesens gewährt werden. Das würde den wirklich kleinen und mittelgroßen Häusern schon deutlich helfen. Damit hört die Proportionalität aber natürlich nicht auf. Denn zu Recht fragen die über dieser Grenze liegenden mittelständischen Institute in unserer wie in den beiden anderen Bankengruppen in Deutschland und sicherlich auch grenzüberschreitend in Europa dann: Was ist mit uns? Es ist richtig, auch auf die anderen Institute unterhalb der Schwelle der von der EZB überwachten Banken Rücksicht zu nehmen und Erleichterungen zu formulieren. Auch für diese Gruppe gibt es Vorschläge, wie sich gezielt die regulatorische Last zurückfahren lässt. Aktuell sind wir dabei, zu diesen Themen Überzeugungsarbeit in Europa zu leisten und haben die Hoffnung auf vernünftige Ergebnisse.

Welche Gemeinschaftsprojekte der deutschen Kreditwirtschaft sind Ihnen besonders wichtig?

Von besonderer Bedeutung auch mit Blick auf unsere Kunden sind stets die Entwicklungen rund um den Zahlungsverkehr. Sowohl die Standardisierung wie auch die Weiterentwicklung der Funktionalitäten ist uns gut gelungen. Girocard kontaktlos und Girocard mobile sind Gemeinschaftsprojekte der DK. Bis Ende dieses Jahres 2017 werden 39 Millionen Girocards kontaktlos am Markt sein. Ohne die Karte aus der Hand geben zu müssen, durch schlichtes Halten vor das Bezahlterminal, kann damit an der Kasse bezahlt werden. Das funktioniert bis zu 25 Euro ohne Eingabe der PIN. Bereits seit 2016 läuft in Hessen ein Projekt zum Bezahlen via Smartphone mit der mobilen Girocard also der digitalen Girocard.

Auch das Thema PSD2 vertreten wir interessewahrend für die Banken gemeinsam in Europa und zwar mit einer klaren Positionierung gegen Screen Scraping, um die Sicherheit des Onlinebankings auch künftig garantieren zu können.

Auch auf Paydirekt will ich eingehen: Wir haben derzeit alle Chancen, die großen Portale in Deutschland auf das System zu heben. Aber wir müssen unserem größten Wettbewerber in diesem Feld auch bei der Kundenkommunikation einigermaßen auf Augenhöhe begegnen.

Wieso fällt es so schwer, die deutschen Kunden in Richtung Aktiensparen zu bewegen?

Rückblickend lässt sich leicht er- und vermitteln, dass es im Vergleich zu Investitionen in Festverzinsliche nicht so schlecht gewesen wäre, früher in Aktien zu investieren. Wenn man derzeit attraktive Renditen erzielen möchte, ist Kreativität und Risikobereitschaft gefragt.

Die Schwierigkeit bei der Etablierung einer Aktienkultur hängt hierzulande sicher an dem verständlichen Wunsch der deutschen Kunden nach maximaler Sicherheit und Berechenbarkeit. Das ist im Übrigen auch der Ansatzpunkt für die schon angesprochene Beratung im genossenschaftlichen Sektor. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Geldpolitik der Notenbanken gibt es an dieser Stelle noch viel zu tun.

Höhere Zinsen hätten Sie gerne, welches Szenario wäre Ihnen lieb?

Zunächst sollten die Anleihekaufprogramme deutlich heruntergefahren werden und schnell auslaufen, denn sie belasten Banken und Versicherungen ebenfalls und verzerren die Märkte extrem. Dann erhoffen wir uns einen langsamen, berechenbaren Anstieg der Zinsen. Aber das ist möglicherweise Wunschdenken, denn wir erleben derzeit eine hochpolitisierte Geldpolitik der EZB.

Welche Wünsche haben Sie an die neue Bundesregierung?

Sie sollte sich weiterhin mit aller Deutlichkeit für das dreigliedrige deutsche Bankensystem einsetzen. Das klingt zwar sehr allgemein, beinhaltet aber viel, nämlich eine klare Positionierung für unser Wirtschaftssystem, das ebenfalls mittelständisch und dezentral aufgestellt ist. Mit Blick auf die Weiterentwicklung Europas darf es keine Haftungssituationen geben, über die die Kontrolle fehlt.

Und mit Blick auf Europa noch Folgendes: Die Genossenschaftsbanken setzen auf ein friedliches und gemeinsames Europa der Regionen, das auf dezentrale Verantwortung setzt - wie es unsere Organisation im Kleinen ebenfalls tut. Vergemeinschaftung von Risiken ist der falsche Weg. Ich wünsche mir ein politisches Handeln in Europa, das zu einer stabilen Währungsunion beiträgt, zu ausgeglichenen Haushalten, zu Selbstdisziplin und Eigenengagement.

Haben die deutschen Kreditgenossenschaften ein Europakonzept? Brauchen sie eines?

Natürlich planen die Genossenschaftsbanken als umsichtige Bankkaufleute mit verschiedenen Szenarien - gerade mit Blick auf den bevorstehenden Brexit. Sowohl die Politik als auch die deutschen Banken und Sparkassen sind auf alle Entwicklungen vorbereitet. Das Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken bleibt aber bei allen Szenarien regional und deutschlandfokussiert.

Wir haben eine klare Strategie und ein Wertegerüst, das sich sehr deutlich zu Europa bekennt. Wohl und Wehe hängt von einem wirtschaftlich prosperierenden und politisch zusammenstehenden Europa ab. Das wollen wir nicht aufs Spiel gesetzt sehen und stellen immer wieder die europäischen Grundwerte nach vorne. Wir setzen auf unternehmerische Kreativität und Eigenverantwortung und darauf, alle Dinge gemeinsam zu lösen, die gemeinsam zu lösen sind.

Das führt direkt zur Frage, wie wir mit der europäischen Einlagensicherung EDIS umgehen. Die Zeit ist nicht reif für eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme in Europa. Auch hier gilt: Keine Haftung ohne Kontrolle.

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