Referentenentwurf zum Provisionsdeckel - Kritik von allen Seiten

Für einen möglichen Provisionsdeckel beim Abschluss von Lebensversicherungen liegt nun eine Zahl auf dem Tisch: Bei 2,5 Prozent könnte der Satz liegen. Diese Zahl lässt die Diskussion einigermaßen absurd erscheinen. Nicht nur, dass das Lebenversicherungsrefomgesetzes die Abschlusskosten auf breiter Front hat sinken lassen. Der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) hat ermittelt, dass die Durchschnittsprovision beim Neuvertrieb zuletzt bei 2,67 Prozent lag. Gar so weit vom angestrebten Wert von 2,5 Prozent ist die Branche also gar nicht entfernt. Wenn - wie die BaFin vorschlägt - Vermittler, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen (beispielsweise niedrige Stornoquoten, die als Indiz für hohe Kundenzufriedenheit gelten), weitere 1,5 Prozent aufschlagen dürften, läge der regulierte Provisionssatz dann sogar über dem, was Vermittler laut BVK derzeit erhalten. Da kann man schon fragen, wozu es überhaupt einer weiteren Regulierung bedarf.

Ruhe in die Diskussion würde überdies selbst ein Provisionsdeckel nicht bringen, ist es doch das erklärte Ziel der Verbraucherschützer, Provisionsvergütungen im Versicherungswesen gänzlich abzuschaffen, weil jegliche Provision den Vermittler verleite, dem Kunden nicht das beste, sondern das provisionsträchtigste Produkt zu verkaufen. Auch der Bund der Versicherten sieht in dem vorliegenden Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums eine "massive Unterstützung der Lebensversicherungsunternehmen zulasten der Versicherten".

Nur ein Teil der Abschlusskosten

Michael Radtke, Professor für Risiko- und Versicherungsmanagement an der Fachhochschule Dortmund, verweist zudem darauf, dass Vertriebsprovisionen ohnehin nur ein Teil der Abschlusskosten sind. Wer die Vertriebskosten nachhaltig senken wolle, könne dies nur im Zusammenspiel aller Akteure erreichen - etwa indem Prozesse optimiert werden, alle Beteiligten die Digitalisierung schneller vorantreiben und die Beratung zu den immer komplexeren Produkten erleichtert werden.

Einen staatlichen Eingriff in die Provisionshöhe bezeichnet Radkte in dieser Gemengelage als das Drehen an einer sehr kleinen Stellschraube - aber einen sehr drastischen Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Versicherer. "Die Auswirkungen dieser Maßnahme", so seine Folgerung, "wären aller Voraussicht nach begrenzt."

Psychologisch kontraproduktiv

Matthias Beenken, Professor für Versicherungswirtschaft, der gemeinsam mit Michael Radtke an der FH Dortmund forscht, erkennt noch ein weiteres Problem, auf das auch die Finanzvertriebe hinweisen: Psychologisch gesehen sei der Deckel für den Vermittler ein Anreiz, seinen Aufwand möglichst gering zu halten." Ob das aus Sicht des Kunden zu besseren Beratungsergebnissen führt, ist zumindest fraglich. "Was der Gesetzgeber versucht zu erreichen, ist eine Quadratur des Kreises: bessere Beratungsqualität zu niedrigeren Kosten", so Beenken.

Der Ausweg wäre natürlich die von Verbraucherschützern präferierte Honorarberatung. Dem steht aber die gelernte Erwartungshaltung der Kunden entgegen. So wie Verbraucher beim Kauf eines Kleidungsstücks für die Beratungsleistung des Verkäufers nicht extra bezahlen, so erwarten sie auch beim Abschluss von Finanzprodukten, dass die Beratung im Produkt inkludiert ist. Dass die Honorarberatung in Deutschland bislang eher ein Nischendasein fristet, ist dafür Indiz genug.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Kleingedruckte: Die Provisionen sind nämlich an das Produkt gekoppelt - mit der Folge, dass Vermittler Provisionen zurückzahlen müssen, wenn Kunden während der ersten fünf Jahre ihren Vertrag stornieren. Honorarberater müssen das nicht. Damit fällt dieser Anreiz, den Kunden gut zu beraten, im Modell der Honorarberatung weg.

Ein Verbot von Abschlussprovisionen würde somit nicht zwangsläufig zu besserer Beratung führen, in vielen Fällen aber vermutlich dazu, dass gar keine Beratung in Anspruch genommen wird - sei es, dass die Kunden sich überhaupt nicht versichern, sei es, dass sie zumindest auf eine Beratung verzichten wollen. Da die Rechtsprechung aber hinreichend klargestellt hat, dass auch beim Online-Abschluss die gleichen Beratungspfichten gelten wie im persönlichen Gespräch, scheint nicht einmal ein Ausweichen in die digitalen Kanäle ein gangbarer Weg. Für die dringend notwendige private Altersvorsorge wären die Auswirkungen eines Provisionsverbots somit vermutlich fatal.

Schwieriger Vergleich mit anderen Branchen

Als weiteres Argument gegen Provisonsdeckel oder -verbot verweist der Branchenverband GDV auf die Situation in anderen Branchen: So berechnen Finanzvermittler für die Beteiligung an einem geschlossenen Fonds 10 Prozent Provision, für einen Aktienfonds 5 Prozent. Ein Immobilienmakler erhält für seine Leistung je nach Bundesland zwischen 5,95 und 7,14 Prozent. Zu Recht stellt der GDV vor diesem Hintergrund infrage, warum ausgerechnet die 2,67 Prozent der Versicherungsvermittler ein Politikum sind.

Vermutlich wird dieses letztgenannte Argument Verbraucherschützer und Politik wohl am wenigsten überzeugen - sind doch die Provisionen der Immobilienmakler in der Diskussion um Wohnkosten schon längst zum Aufregerthema geworden. Dennoch ist die Frage der Assekuranz sicher nicht ganz unberechtigt, weshalb ausgerechnet bei Versicherungsprodukten über Nachkommastellen diskutiert wird. Dies gilt umso mehr als Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht ohnehin ausgenommen werden sollen.

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