LESERBRIEF

Amazon versus Visa - schlechte Karten für den Handel?

Ralf Gladis, Geschäftsführer, Computop GmbH, schreibt der Redaktion:

"Der Handel und die Kartengebühren - das Thema ist so alt wie die Kreditkarte selbst. Amazon, der weltgrößte Online-Händler, hat kürzlich wieder einen Vorstoß unternommen, diesen Kostenfaktor auf die Agenda zu setzen. Ein Aufschub in letzter Minute hat den ganz großen Bruch verhindert. Und für den Handel bleibt alles beim Alten.

Der Brexit war nur der Auslöser für die Ankündigung durch Amazon, ab dem 19. Januar 2022 keine Visa- Kreditkarten im Vereinigten Königreich zu akzeptieren. Denn mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union endete auch die Wirksamkeit der Deckelung von Kreditkartengebühren, der Interchange Fee. Statt 0,3 Prozent vom Einkauf schlugen sie nun mit 1,5 Prozent zu Buche. Das galt natürlich nicht nur für Visa - auch Mastercard und andere Marken waren nun nicht mehr an die Obergrenze gebunden, wenn Karten, die in Großbritannien ausgegeben wurden, zum Einkauf bei Amazon mit seiner Europazentrale in Dublin eingesetzt wurden.

Doch Amazon entschied sich, Visa ins Visier zu nehmen, und verkündete im November das Aus für die Annahme dieser Kreditkarten, während andere Kreditkarten und die Visa-Debit karte weiter akzeptiert würden. Ein mutiger Schritt - und schlecht für beide Unternehmen: Der Aktienkurs von Visa sank am Tag der Verkündung um fast 5 Prozent. Amazon hingegen musste Kunden mit Umsätzen von rund 1,4 Milliarden Pfund, die zuletzt mit der Visa-Karte bezahlt haben, zum Schwenk auf eine neue Zahlart motivieren. Dafür wurde ein Gutschein von 10 britischen Pfund in Aussicht gestellt, für Amazon-Prime-Kunden sogar von 20 Pfund.

Zwei Tage vor dem verkündeten Annahmestopp kam der Aufschub. Amazon teilte seinen Kunden mit, dass sie auch über den 19. Januar hinaus Visa-Kreditkarten einsetzen könnten, während die Unternehmen an einer Einigung arbeiten würden. Damit wird die endgültige Aufhebung des Banns deutlich wahrscheinlicher, doch was bedeutet es für den Handel insgesamt?

Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses ist es noch Spekulation, doch eine allgemeine Senkung der Kreditkartengebühren durch Visa ist nicht zu erwarten, auch wenn eine zunehmende Zahl von Händlern dies fordert. Sonderkonditionen für Amazon sind wahrscheinlicher, denn die pure Markt macht des Handelsriesen wirkt sich auch auf globale Zahlungsdienstleister solchen Kalibers aus.

Doch niedrigere Kosten für Amazon wären eine weitere Benachteiligung für den Rest der derzeit noch vielseitigen Handelslandschaft. Neben Vorteilen in der Nutzung von Daten, die der Amazon-Marktplatz ermittelt, seinen Händlern aber nicht in der kompletten Tiefe zur Verfügung stellt, und Vorteilen aus dem fast monopolhaften Marktanteil (fast 90 Prozent der Briten kaufen bei Amazon) wären Vorteile bei den Kosten für die Zahlungsabwicklung eine weitere Belastung für den Wettbewerb. Wie auch immer der Kampf Goliath gegen Goliath ausgeht, er wird keinen eindeutigen Gewinner kennen. Unter den Verlierern werden sich aber sowohl eine vielfältige Handelslandschaft als auch die Käuferinnen und Käufer finden."

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