Pokern um Apple Pay: Ein Spiel auf Zeit

Swantje Benkelberg

sb Bei der Deutschen Bahn ist der Begriff "in Kürze" extrem dehnbar. Er kann mancherlei bedeuten. Der Zug ist seit zwei Minuten weg, der Zug kommt gleich oder auch: Bis auf Weiteres ist gar kein Zug zu erwarten. Ganz so schlimm ist es bei Apple Pay nicht. Und doch hat die Aussage "kommt bald" zu mancherlei Spekulationen angeregt. Die Unsicherheit darüber, wann das Apple-eigene Mobile-Payment-Verfahren, dem schon so oft die Markteinführung in Deutschland als unmittelbar bevorstehend vorausgesagt worden war, nun tatsächlich startet, mag ein Stück weit Absicht sein. Man macht es spannend, damit i-Phone-Nutzer sich umso länger darauf freuen können wie einst diejenigen, die vor den Apple Stores campierten, um unter den Ersten zu sein, die ein neues Modell erwerben konnten. Übertragen auf das mobile Bezahlen würde das vermutlich bedeuten, das mit Spannung erwartete neue Bezahlverfahren gleich auszuprobieren, wenn es denn endlich verfügbar ist.

Die Verbünde zeigen sich zurückhaltend

Das vage "kommt bald" auf einer speziellen deutschen Apple-Pay-Seite im Internet kann aber ebenso gut darauf hindeuten, dass es mit entsprechenden Vereinbarungen mit der Kreditwirtschaft doch noch langsamer vorangeht als erwartet. Die Deutsche Bank hat sich bereits explizit als Launch-Partner geoutet. Doch Apples Aussage: "funktioniert mit den wichtigsten Bankkarten" ist zweifellos übertrieben, solange nur die "üblichen Verdächtigen" an Bord sind - Comdirect, Fidor Bank, Hanseatic Bank, Hypovereinsbank und N26.

Knackpunkt sind unverkennbar die beiden Verbünde. DZ-Bank-Vorstand Thomas Ullrich hat im Herbst dieses Jahres ganz unmissverständlich klargestellt: Die Genossenschaftsbanken wollen Apple Pay nicht ausschließen. Sie werden es aber keinesfalls um jeden Preis einführen. Bei den Sparkassen ist die Sichtweise ganz ähnlich. Man prüft, sieht aber keinen Handlungsdruck. In der von Apple genannten Liste der "wichtigsten" Bankkarten kommen die Sparkassen wie auch die Genossenschaftsbanken deshalb Mitte November noch nicht vor.

Apple unter Zeitdruck

Die beiden Verbünde tun vermutlich auch gut daran, sich Zeit zu lassen - ist doch der Zeitdruck für sie ungleich geringer als für Apple selbst. Nachdem sich das Technologieunternehmen endlich offiziell zu einem tatsächlich bevorstehenden Markteintritt in Deutschland bekannt hat, werden Nutzer erwarten, dem auch Taten folgen zu lassen und die Aussage "kommt bald" nicht so zu überdehnen, wie es Bahnfahrer von der Bahn kummervoll gewohnt sind.

Damit dieser Start dann kein Fehlstart wird, weil durch eine allzu begrenzte Anzahl der Bankpartner der Anteil derjenigen Kunden, die Apple Pay tatsächlich nutzen können, enttäuschend gering ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese Situation die Verhandlungsbasis für die beiden Verbünde eher verbessert. Sie können sich das Pokern leisten.

Das Rad nicht überdrehen

Doch auch sie sollten das Rad nicht überdrehen. Apple kann nicht um jeden Preis auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken warten. Und wenn sie Apple Pay nicht unterstützen, dann tun das andere. Und je mehr das werden, umso mehr wird wiederum der Handlungsdruck auf die Verbünde steigen, wollen sie die i-Phone-Nutzer unter ihren Kunden nicht an den Wettbewerb verlieren und zugleich ihre Verhandlungsposition verschlechtern. Man muss nicht immer und überall bei den ersten sein. Eine Nachzügler-Rolle tut aber meistens auch nicht gut.

Im Grunde zeichnet es sich ab, dass Kreditinstitute in Deutschland sich Apple Pay nicht mehr sehr lange werden verweigern können. Noch ist eine Unterstützung des Verfahrens nicht wettbewerbskritisch. Doch in dem Maße, wie das mobile Bezahlen in Deutschland Verbreitung finden wird, könnte es das vielleicht überraschend schnell werden.

Selbst unter Zugzwang gesetzt

In gewissem Sinne hat sich die deutsche Kreditwirtschaft insofern durch das Vorantreiben des mobilen Bezahlens per Girocard und die Integration digitaler Karten in ihre Apps selbst unter Zugzwang gesetzt. Das soll freilich nicht heißen, dass es falsch gewesen wäre, diese Themen zu verfolgen, bei denen Deutschland ohnehin international nicht vorne ist. Als Folge gilt es aber nun, das richtige Zeitfenster für Apple Pay zu finden.

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