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"Wir wollen Zahlungsabwicklung aus einer Hand anbieten" - Interview mit Mirko Krauel

Mirko Krauel, Foto: Otto Group

2017 hat der Versandhändler Otto die Transformation zur Plattform ausgerufen. Auf diesem Weg ist der Aufbau eines eigenen Payment-Dienstleisters der nächste logische Schritt, sagt Mirko Krauel, um eine einheitliche Zahlungsabwicklung zu ermöglichen, unabhängig davon, ob die Bestellung bei Otto oder einem Partnerunternehmen erfolgt. Diesen Prozess wolle man selbst gestalten. Eine strategische Partnerschaft mit einem großen Dienstleister war deshalb keine Option. Schließlich kann Otto auf jahrzehntelange Erfahrungen im Payment zurückgreifen. Mit sieben Millionen Kunden sowie aktuell 500 und bis zum Jahresende 1 000 Händlern auf der Plattform sieht Krauel den Konzern in einer sehr guten Ausgangsbasis, um die nötigen Skaleneffekte zu erreichen. Red.

Otto baut eine eigene Payment-Gesellschaft auf - was heißt das konkret?

Als Payment-Dienstleister übernehmen wir die komplette Zahlungsabwicklung zwischen unseren Kunden und den Verkäufern im Online-Shop. Wir bauen sozusagen eine eigene, virtuelle Ladenkasse für den Marktplatz otto.de. Es geht darum, die technische Anbindung und Abwicklung von Online-Bezahlmethoden, wie beispielsweise Rechnungskauf, Ratenzahlung oder Kreditkarte einheitlich zur Verfügung zu stellen. Mit unserer eigenen Lösung haben wir es in der Hand, wie modern unsere Produkte sind. Das ist uns wichtig.

Konkret kümmern wir uns um die Schnittstelle zwischen Kunden und Verkäufern auf dem Marktplatz, mit dem Ziel, beiden Gruppen alle Produkte aus einer Hand und eine intuitive Nutzung bei der Zahlungsabwicklung anzubieten. Das hat viele Vorteile: Für die Kunden wird der Bezahlvorgang am Ende einer Bestellung dadurch einheitlich und übersichtlich gestaltet.

Sehr vereinfacht könnte man sagen: Eine Rechnung pro Bestellung und die Nutzung aller Zahlungsarten - wie Rechnungs- oder Ratenkauf - für alle Käufe, die auf otto.de, getätigt werden. Wenn Kunden möchten, können sie auch ihre Kontodaten hinterlegen und mit Lastschrift bezahlen. Dann verschwindet der Bezahlprozess sogar komplett im Hintergrund. Für alle Verkäufer gibt es das Payment-Rundum-Sorglos-Paket. Wir kümmern uns um alle Formalitäten beim Bezahlprozess, wie zum Beispiel Rahmenverträge mit Zahlarten oder Risikoprüfprozesse und wir sorgen dafür, dass rechtliche Anforderungen eingehalten werden. Dabei verfügt Otto über jahrzehntelange Erfahrung, unter anderem beim Thema Risikoprüfungen. Davon können künftig auch unsere Partner profitieren und sich auf ihr Kerngeschäft - den Verkauf von Waren - konzentrieren.

Warum braucht Otto dazu einen eigenen Payment-Dienstleister?

Im Rahmen der Geschäftsmodell-Transformation von Otto hin zur Plattform wird ein Marktplatz aufgebaut, auf dem auch dritte Händler und Marken ihre Produkte verkaufen können. Für die Zahlungsabwicklung ist entweder ein Partner-Ansatz mit einem Payment Service Provider inklusive einer Payment-Lizenz notwendig oder die Gründung einer eigenen Gesellschaft. Wir haben uns für die zweite Option entschieden und beantragen selbst eine Lizenz bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, um alle Leistungen aus einer Hand anbieten zu können. Heute gibt es im Checkout-Prozess noch eine Dualität, je nachdem ob ein Produkt von Otto oder einem Marktplatz-Partner gekauft wird. Das werden wir mit unserer eigenen Lösung weiterentwickeln, um die technische Anbindung und Abwicklung von Online-Bezahlmethoden zu vereinheitlichen.

Warum kommt die eigene Payment-Gesellschaft jetzt?

Mit dem Start der Transformation zur Plattform stand zunächst das große Thema Partneranbindung im Zentrum der Aktivitäten. Die Anbindung läuft mittlerweile automatisiert. Jetzt wird es Zeit für den nächsten Schritt. Die Möglichkeit einer eigenen Payment-Gesellschaft wurde dabei von Anfang an mitgedacht.

Um möglichst schnell mit dem Partnermodell loszulegen, haben wir zunächst auf externe Zahlungsdienstleister gesetzt. Otto ist jedoch bereits sehr lange erfolgreich und aktiv im Bereich Payment unterwegs. Mit dem Aufbau einer eigenen Payment-Gesellschaft wird dieses Thema wieder stärker in den Fokus gerückt. Aber: Wir sprechen hier nicht von einer grünen Wiese. Deshalb geht eine solche Gründung und die Umstellung der Prozesse nicht mal eben so. Der Aufbau des Dienstleisters ist ein komplexes und aufwendiges Projekt - wir glauben fest daran, dass es sich lohnen wird.

Wie sieht der Zeitplan für den Aufbau aus?

Jetzt läuft erst die Suche nach neuen Kollegen für die Payment-Gesellschaft. Die Gesellschaft wird in den nächsten Wochen gegründet und übernimmt sukzessive Aufgaben im Bereich Payment.

Im Sommer 2021 wollen wir die Gesellschaft offiziell ausgründen. Ab dann wird der Dienstleister das Geschäft für Otto als Händler übernehmen. Ein weiterer Schritt ist die Beantragung einer Lizenz zur Erbringung von Payment-Dienstleistungen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin. Vorbehaltlich der Zustimmung der BaFin ist im Frühjahr 2022 mit dem Go-live zu rechnen. Ab dann wird die Gesellschaft auch für externe Händler und Marken die gesamte Zahlungsabwicklung auf otto.de übernehmen.

Wie viel Aufwand ist mit dem Erlangen einer Lizenz verbunden, welche Herausforderungen müssen dafür erfüllt werden?

Der Aufwand zur Erlangung einer Lizenz ist - zu Recht - hoch. Schließlich geht es um den Schutz von Kunden und Händlern. Es gibt eine Vielzahl von Anforderungen, die zu erfüllen sind. Um nur einige Beispiele zu nennen: Es gibt Anforderungen an die grundsätzliche Organisation, an die potenziellen Geschäftsführer, an Prozesse, an das Risikomanagement und die Compliance sowie an die IT.

Wir sind ein dreiköpfiges Führungsteam, in dem jeder eine andere Expertise mitbringt, die in ihrer Summe für das Projekt sehr wertvoll sind. Die Kombination unterschiedlicher fachlicher Schwerpunkte macht es einfacher, dieses komplexe Vorhaben aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Das ist ein immenser Vorteil im operativen Arbeitsalltag. Das Projekt ist aktuell mit etwa 100 Kollegen schon ziemlich groß. Derzeit planen wir mit bis zu 150 Mitarbeitern. Es wird eigene Produktteams geben, außerdem wird Expertise aus den Bereichen Operations, Finance, Compliance und Risk gebraucht. Ab sofort suchen wir Interessenten, die das nötige Know-how mitbringen. Die ersten von bis zu 40 Stellenausschreibungen sind schon online. Jetzt kann es wirklich losgehen.

Kommt ein händlereigener Payment-Dienstleister überhaupt auf die Skaleneffekte, die heute erforderlich sind? Schließlich stehen im Markt der Payment-Dienstleister die Zeichen stark auf Konzentration.

Otto verfügt mit über sieben Millionen aktiven Kunden und mehr als zehn Bestellungen pro Sekunde definitiv über eine sehr gute Ausgangslage, um mit einer eigenen Payment-Gesellschaft die nötigen Skaleneffekte zu heben. Die Öffnung des Marktplatzes und die automatisierte Partneranbindung werden künftig dafür sorgen, dass noch mehr Händler und Marken ihre Ware auf otto.de anbieten. Stand heute sind 500 Partner an den Marktplatz angebunden - bis Ende des Jahres soll diese Zahl auf 1 000 Partner verdoppelt werden. Für diese wachsende Zielgruppe wollen wir eine einheitliche Zahlungsabwicklung aus einer Hand anbieten: übersichtlich, unkompliziert in der Anwendung und verlässlich.

Ließe sich das "Alles aus einer Hand" nicht auch in einer strategischen Partnerschaft mit einem der großen Dienstleister vielleicht einfacher und schneller erreichen - oder ist man dann zu abhängig?

Die Gründung einer eigenen Payment Gesellschaft ist für Otto der nächste logische Schritt auf dem Weg zur Plattform. Dabei geht es neben einem breiten Produktangebot vor allem auch darum, Lösungen für unsere Kunden und Partner anzubieten. Eine einheitliche Zahlungsabwicklung verstehen wir dabei als Serviceangebot. Wie diese Lösungen maßgeblich aussehen, möchten wir gestalten. Deshalb ist es für uns keine Option, das Payment-Geschäft aus der Hand zu geben. Otto verfügt in diesem Bereich über ein jahrzehntelanges Know-how. Das soll künftig auch unseren Partnern zur Verfügung stehen.

Sollen die Payment-Services auch für andere Konzerngesellschaften innerhalb der Otto Group angeboten werden?

Im ersten Schritt liegt der Fokus der Payment-Gesellschaft auf Otto. In weiteren Ausbaustufen ist es jedoch denkbar, das Angebot auf interessierte Händler und Marktplätze der Otto Group auszuweiten. Wir denken darüber sehr intensiv nach, aber gehen Schritt für Schritt voran und legen den Fokus aktuell auf den Marktplatz otto.de.

Mirko Krauel, Head of Payments, OTTO Group, Hamburg
 

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