Immobilie als Asset

Immobilien als Herausforderung in der Gesamtvermögenssteuerung von Familien

"Half of the world's wealth is in real estate".1) Dieses Zitat von Warren Buffett zeigt die hohe Bedeutung von Immobilien im Gesamtvermögenskontext. Mit rund sechs Billionen Euro ist gut die Hälfte des privaten Vermögens der Deutschen in Immobilien investiert. Zwar verfügt ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung über Haus und Grund, jedoch ist dieses Vermögen analog zu sonstigen Vermögenswerten ungleich verteilt. So hält das reichste Fünftel der Deutschen über 75 Prozent des Immobilienvermögens.2) Dabei verfügen wohlhabende Familien oft über ein Jahrzehnte gewachsenes Immobilienvermögen.

Die Finanz- und Schuldenkrise und die damit einhergehende Niedrigzinsphase hat die Sachwertpräferenz in allen Einkommens- und Vermögenssegmenten deutlich verstärkt. Niedrige Fremdkapitalkosten, die mit Immobilien häufig assoziierte Sicherheit und erhoffter Inflationsschutz sowie ein Mangel an Investitionsalternativen im Bereich sicherer Investments haben dazu geführt, dass private Investoren zu einer der maßgeblichen Nachfragergruppen am deutschen Immobilienmarkt geworden sind.3)

Trotz des erheblichen Anteils am Gesamtvermögen und der daraus resultierenden hohen Bedeutung der Anlageklasse Immobilie hat eine systematische und ganzheitliche Beschäftigung mit dem Management privater Immobilienbestände im Sinne eines Private Real Estate Management bei vermögenden Privatkunden bisher kaum stattgefunden. Gleichzeitig findet sich aber auch auf der Angebotsseite - abgesehen vom Angebot einzelner Wealth-Management- und Family-Office-Anbieter - bisher kein entsprechend positioniertes, umfassendes Dienstleistungsangebot.

Geringer Professionalisierungsgrad

Angesichts des nicht nur absolut, sondern auch in Prozent vom Gesamtvermögen beträchtlichen Immobilienbestands der Deutschen verwundert es, dass diesem von den Vermögensinhabern eine im Vergleich zum liquiden (Wertpapier-) Vermögen untergeordnete Bedeutung beigemessen wird.

Dabei sind wohlhabende Familien, wie aus Abbildung 1 hervorgeht, mit einem Portfolioanteil von etwa 19 Prozent häufig wesentlich stärker in Immobilien investiert als institutionelle Anleger. So weist das Anlageportfolio des Allianz-Konzerns zum 31. Dezember 2012 einen Immobilienanteil von lediglich zwei Prozent aus.4)

Damit kommt der Anlageklasse Immobilien in der strategischen Asset Allocation vermögender Privatpersonen und High Net Worth Individuals eine ähnliche Bedeutung zu wie Anleihen und Aktien, wie auch in Abbildung 2 dar gestellt.

Institutionelle Investoren haben in den letzten beiden Jahrzehnten ihr Immobilienmanagement signifikant professionalisiert. Regelmäßige Bewertungen, ein Reporting und Controlling sowie Risikomanagementsysteme sind heute bei den meisten institutionellen Anlegern im Einsatz. Im Bereich privater Immobilien findet man hingegen nur selten einen ähnlich hohen Professionalisierungsgrad. Bei den meisten privaten Immobilieneigentümern ist zudem keine Strategie vorhanden. Eine aggregierte und strukturierte Datenlage ist selten anzutreffen.

Während das Immobilienmanagement institutioneller Investoren in der Regel einen ähnlichen Professionalisierungsgrad wie im liquiden Bereich aufweist, ist das Anlageverhalten privater Anleger bei Immobilien oft stark selektiv und opportunistisch geprägt. Sie verfolgen mit ihren Investitionen häufig keine definierte Strategie, sodass es sich eher um einen "naiven" Portfolioaufbau handelt.

Häufig sind private Immobilienbestände auch entlang der geografischen Entwicklung von Lebensläufen, Erwerbsbiografien oder durch Erbgänge über einen historischen Zeitraum gewachsen, ohne dass die strukturellen Auswirkungen einzelner Erbschaften auf das Gesamtvermögen in der Folge berücksichtigt worden wären.

Verhaltensanomalien privater Immobilieninvestoren

Zusätzlich zeigen sich im Anlageverhalten privater Investoren im Immobilienbereich ähnliche und teilweise sogar noch stärkere Verhaltensanomalien als bei liquiden Wertpapierinvestments, die durch die Behavioral-Finance-Forschung erklärt werden können. Ziel der Behavioral Finance ist die Erklärung menschlicher Verhaltensweisen beziehungsweise darauf aufbauender Verhaltensanomalien und Geschehnisse am Kapitalmarkt.

Die der Anlageklasse Immobilien immanenten Eigenschaften, wie die Heterogenität, die Standortgebundenheit, die begrenzte Teil- und Substituierbarkeit, die relative Intransparenz des Marktes sowie die Existenz räumlicher und sachlicher Teilmärkte, die fehlende kurzfristige Liquidierbarkeit und die Höhe der Transaktionskosten bedingen, dass die im Bereich liquider Kapitalanlagen beobachtbaren Verhaltensanomalien von Anlegern und Investoren im Bereich Immobilien in besonderer und teilweise verstärkter Form anzutreffen sind.

Hierzu zählen Phänomene wie die portfoliotheoretischen Optimalitätskriterien entgegenstehende Übergewichtung von Investments auf dem Heimatmarkt (Home Bias), die Orientierung an historischen Anschaffungskosten bei der Abschätzung des aktuellen Immobilienverkehrswertes (Anchoring Effect) oder die Überschätzung der Werthaltigkeit beziehungsweise Wertsteigerung des eigenen Immobilienbestandes (Endowment Effect).

Renditeerwartungen oft zu hoch

Zusätzlich zu den vorgenannten, häufig beobachten Verhaltensanomalien im Anlageverhalten bei Immobilien kommt es auch in der Erwartungshaltung erzielbarer Renditen bei privaten Investoren zu einer Überschätzung der tatsächlich erzielbaren Renditen. So erwarten laut einer Studie der Feri AG und der Coresis Management GmbH aus dem Jahr 2012 rund 70 Prozent der befragten vermögenden Privatkunden eine jährliche Rendite ihrer Immobilienanlagen von mehr als fünf Prozent. Davon erhoffen sich 42 Prozent eine jährliche Rendite von fünf bis unter sechs Prozent, 23 Prozent eine Rendite von sechs bis unter acht Prozent und fünf Prozent mehr als acht Prozent. Eine Renditeerwartung von weniger als drei Prozent im Jahr hat keiner der Befragten.7)

Daten des DIW zeigen jedoch, wie in Abbildung 4 dargestellt, dass sich beim vermieteten Immobilienvermögen der Deutschen im Durchschnitt eher geringere Renditen ergeben. In vielen Fällen sind die Renditen nahe null oder sogar negativ.

Defizite in der strategischen Steuerung

Zu den vorgenannten Schwachstellen im operativen Umgang mit privaten Immobilieninvestments kommen deutliche Defizite auf Ebene der strategischen Steuerung des Immobilienvermögens. Ursächlich für die vielfach beobachteten Defizite ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Datenarmut. Die Dokumente und Unterlagen sind typischerweise bei den Eigentümern selbst, bei den beauftragten Hausverwaltungen und Steuerberatern zu finden.

Eigentümer verfügen oftmals über ein aus diversen Gründen knappes Zeitbudget. In einigen Fällen ist auch eine eher geringe Präferenz dafür zu beobachten, sich pro-aktiv mit dem Immobilienvermögen zu beschäftigen. Bei den beauftragten Hausverwaltungen findet dies in aller Regel nicht statt, da sie sich aufgrund einer stark gestiegenen Wettbewerbsintensität primär auf die Erledigung ihrer vertraglich zugesagten Kerntätigkeiten im operativen Immobilienmanagement fokussieren. Das betrifft insbesondere die laufende Vermietungstätigkeit und auch die regelmäßige Durchführung der Betriebskostenabrechnung.

Dass Hausverwalter zusätzlich die Aufmerksamkeit aufbringen, aus der Perspektive des Eigentümers auf eine Immobilie oder auf ein Immobilienportfolio zu blicken, ist eher die Ausnahme. Zudem ist häufig zu beobachten, dass Privatkunden auch innerhalb einer Stadt mehrere Hausverwaltungen zur Bewirtschaftung ihres Immobilienbestandes beauftragt haben und damit eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Immobilienportfolios nur durch den Vermögensinhaber selbst möglich wäre.

Neben den Hausverwaltungen verfügen die Steuerberater der Eigentümer über immobilienbezogene Daten und Dokumente. Diese werden mit steuerlichem Fokus und mit der Zielsetzung verarbeitet, die Steuererklärung beziehungsweise den Jahresabschluss anzufertigen. Da jedoch ein klar steuerlich-bilanzieller Fokus vorliegt und die Anlageklasse "Immobilie" nicht das Tagesgeschäft der meisten Steuerberater ist, wird in der Regel keine ganzheitliche und immobilienökonomische Betrachtung des Immobilienvermögens durchgeführt.

Die strategische Steuerung des Immobilienvermögens mit dem Ziel des Werterhalts und der Wertmaximierung bleibt in der Konsequenz die Aufgabe des Eigentümers oder des von ihm mandatierten Wealth-Management-Anbieters oder Family Office. Nur auf dieser Ebene kann das Immobilienvermögen über eine strategische Asset Allokation in den Gesamtvermögenskontext eingeordnet und auf dieser Grundlage pro-aktiv gesteuert werden.

Private Real Estate Management

Um der stark steigenden Bedeutung eines professionellen Managements privater Immobilienbestände Rechnung zu tragen, wurde von einzelnen Wealth- Management-Anbietern und Family Offices in den letzten Jahren ein eigenständiges professionelles Dienstleistungsangebot zur ganzheitlichen Beratung des Immobilienvermögens entwickelt, welches in der Wissenschaft unter dem Titel "Private Real Estate Management" diskutiert wird.

Unter diesem Begriff wird die Planung, Realisierung, Steuerung und Kontrolle sämtlicher direkter und indirekter Immobilienanlagen einer Privatperson oder Familie verstanden. Es ist unabhängig von den juristischen Eigentumsverhältnissen der Familie und ermöglicht, heute oder in Zukunft Einkommens- oder sonstige Nutzenerträge aus Immobilien zu generieren. Demzufolge ist das Private Real Estate Management Bestandteil des Private Wealth Managements.10)

Auf der Ebene einzelner Immobilieninvestments umfasst das Private Real Estate Management Aspekte wie Immobilienanalyse und -bewertung, Immobilienreporting, Immobilienfinanzierung und steuerliche Optimierung, Hausverwalterselektion und die Beratung bei der (Weiter-)Entwicklung und Neupositionierung von Immobilien. Auf der Ebene des gesamten Immobilienportfolios findet Immobilienberatung zudem durch Leistungen wie Überprüfung und Optimierung des Immobilienportfolios, Absicherung von Währungsrisiken oder Messung des Erfolgsbeitrages des Einzelobjekts zum Gesamtportfolio Anwendung.

Insbesondere bei der Berechnung von Renditekennzahlen besteht in vielen privat gehaltenen Immobilienbeständen Handlungsbedarf.

Im Rahmen der Betrachtung der Immobilienbestände im Kontext des Gesamtvermögensmanagements finden sich Leistungen wie beispielsweise Vermögensstrukturplanung, Liquiditätsplanung, Rentabilitätsplanung, Erbschaftsplanung, Finanzplanentwicklung oder Überwachung der Gesamtstrategie. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Anlageklasse "Immobilie" über einen großen Werthebel verfügt und daher einer hohen Aufmerksamkeit bedarf. Im Gesamtvermögensreporting werden nicht nur die liquiden Anlageklassen betrachtet. Auch der Reporting- und Beratungsbedarf, den das Immobilienvermögen eines Kunden mit sich bringt, wird professionell analysiert und bedient.11)

Immobilien bedürfen hoher Aufmerksamkeit

Es zeigt sich, dass die Integration der Anlageklasse Immobilien in ein ganzheitliches Vermögensmangement mit zahlreichen Herausforderungen behaftet ist. Trotz eines nicht nur absolut sondern auch relativ zu anderen Assetklassen wie Aktien und Anleihen hohen Anteils am Gesamtvermögen wird die Anlageklasse nicht mit der gleichen Intensität aktiv gemanagt wie sie es eigentlich benötigen würde.

Dies ist teilweise auch mit den besonderen Charakteristika der Anlageklasse, falschen Renditevorstellungen und verschiedenen, aus der Behavioral Finance bekannten Verhaltensanomalien privater Investoren erklärbar. Hier weisen private Anleger gegenüber institutionellen Anlegern trotz ähnlich großer Investmentabschnitte deutliche Defizite im Anlageverhalten und Management der Immobilienbestände auf. Während im Bereich der liquiden Assetklassen regelmäßig auf professionelle Vermögensverwalter zurückgegriffen wird und deren Leistungen und Kosten häufig einer strikten Performance-, Risiko- und Kostenkontrolle unterliegen, wird im Immobilienbereich in den seltensten Fällen auf professionelle Anbieter von Private Real Estate Management zurückgegriffen beziehunsgweise das Immobilienmanagement einem ähnlichen Monitoring-Prozess unterzogen.

Angesichts des großen Werthebels und der vorhandenen Ineffizienzen der Anlageklasse bietet ein professionelles Private Real Estate Management daher für Anbieter wie Nachfrager gleichermaßen ein großes Potenzial.

Quellen

Allianz SE (2012): Allianz Konzern Geschäftsbericht 2012. Auf dem Weg zur stärksten Finanzgemeinschaft. Unter Mitarbeit von Andreas Pohlmann, Andreas Keil, Anika Büssemeier und Julia Baier. München. Abrufbar im Internet. URL: https://www.allianz.com/v_1363330179000/media/investor_relations/de/berichte_und_finanzdaten/geschaeftsbericht/gb2012/gb2012_gruppe.pdf. Stand: 21. Mai 2013.

Capgemini/Merrill Lynch (2011): World Wealth Report 2011.

Capgemini; RBC Wealth Management (2013): World Wealth Report 2013.

Clamor, Tim/Henger, Ralph (2013): Verteilung des Immobilienvermögens in Deutschland. In: IW-Trends - Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 40. Jahrgang, Heft 1/2013, S. 1-14. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2010): Politikberatung kompakt Nr. 59, Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer grünen Vermögensabgabe.

Feri AG/Coresis Management GmbH (2012): Immobilieninvestitionen von Family Offices und vermögenden Privatkunden. Anlegerstimmungen und Anforderungen. Bad Homburg 2012.

Fründ, Hartmut/Schulz-Wulkow, Christian/Drygalski, Paul von (2013): Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt Deutschland 2013. Abrufbar im Internet. URL: http://www.ey.com/Publication/ vwLUAssets/Trendbarometer_Immobilien_Investmentmarkt_Deutschland_2013/$FILE/EY_RE_Trendbarometer_Immobilien_Investmentmarkt_Deutschland_2013.pdf. Stand: 30. April 2013. Jakob, Ralph/Pitschke, Christoph (2013): Immobilienreporting im Private Wealth Management. In: die bank, Heft 01/2013, S. 30-34.

Kübel, Alexander (2013): Immobilien im Private Wealth Management - Family Offices als moderne Vermögensverwalter, Bachelor Arbeit, Hochschule Aschaffenburg 2013.

Schaubach, Peter; Tilmes, Rolf (2008): Private Real Estate Management. In: Schulte, Karl-Werner (Hrsg.): Immobilienökonomie, Band I, 4. Aufl. München, S. 12-978.

Vossbeck, Stefan Julius (2010): Die Immobilienanlage als Baustein im Rahmen der Asset Allocation eines Familienvermögens. In: Bechtolsheim I, Christian von; Rhein, Andreas (Hrsg.): Management komplexer Familienvermögen. Organisation Strategie Umsetzung, 2. Aufl. Wiesbaden, S. 117-324.

Fußnoten

1) Vgl. Vossbeck (2010), S. 117.

2) Vgl. Clamor/Henger (2013), S. 1-3.

3) Vgl. Fründ et al. (2013), S. 21.

4) Vgl. Allianz SE (2012), S. 177.

5) Vgl. Kübel (2013), S. 15. Aufgrund unterschiedlicher Zielgruppendefinition und -abgrenzung der einzelnen Studien sind die angegebenen Immobilienquoten nicht direkt vergleichbar und geben lediglich eine Indikation.

6) Vgl. Capgemini/RBC Wealth Management (2013), S. 16.

7) Vgl. Feri AG/Coresis Management GmbH (2012), S. 13. Die in der Studie angegebene Renditeerwartung vermögender Privatpersonen bezieht sich auf die Cashflow-Rendite nach Kosten und vor Steuern.

8) Vgl. Feri AG/Coresis Management GmbH (2012), S. 13.

9) Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2010).

10) Vgl. Schaubach/Tilmes (2008), S. 924.11) Vgl. Jakob/Pitschke (2013), S. 30-32.

Dr. Christoph Pitschke , Geschäftsführender Gesellschafter , German American Realty GmbH, Köln
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