Wohnimmobilienkreditrichtlinie - erweiterter Schutz für Kreditnehmer

Mit der Vorlage des Entwurfs für ein Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie an das Kabinett am 15. Juli 2015 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Regierungsentwurf BMJV) und der Billigung der Bundesregierung rückt die pünktliche Inkrafttretung der EU-Richtlinie zum 21. März 2016 in greifbare Nähe. Nach langer Vorlaufhistorie und einer Vielzahl von Hearings und Stellungnahmen seitens der Verbände wird nun der Regierungsentwurf entsprechend dem Gesetzgebungsverfahren zur Stellungnahme an den Bundesrat übermittelt und anschließend in den Bundestag zur Abstimmung eingebracht.

Das vom Kabinett gebilligte Umsetzungsgesetz übertrifft bei weitem die Mindestvorgaben der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 2. 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (Wohnimmobilienkreditrichtlinie). Im Brennpunkt der zahlreichen Neuerungen steht generell ein besserer Schutz der Kreditnehmer. Die künftig geltenden Regelungen werden zu weitreichenden Veränderungen in der Bankenpraxis bei der Vergabe und Begleitung von Krediten führen. Zudem wurden in dem Regierungsentwurf Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag aufgesattelt. Demnach führt die Bundesregierung den unabhängigen Honorarberater auch für Verbraucher-Immobiliendarlehen ein. Weitreichender ist die Forderung, dass Banken künftig ein Controlling- und Warnsystem einschließlich zusätzlicher Beratung zu installieren haben für die Fälle, in denen eine erhebliche Inanspruchnahme von Dispositionskrediten seitens ihrer Kunden vorliegt. Entsprechend wird das Angebot einer Beratung zu günstigeren Kreditinanspruchnahmen Pflicht, wenn private Kreditnehmer ihre Kreditlinie zu mehr als 75 Prozent und mindestens sechs Monate lang in Anspruch genommen haben. Dies gilt auch zusätzlich für geduldete Überziehungen, wenn die Inanspruchnahme länger als drei Monate ununterbrochen in Höhe von mehr als 50 Prozent des durchschnittlichen Geldeingangs innerhalb dieses Zeitraumes besteht. In Ergänzung zur verabschiedeten Verbraucherkreditrichtlinie haben Banken die Zinssätze für Dispokredite auf ihren Webseiten nun gut sichtbar zu platzieren.

Weiterer zentraler Inhalt des Regierungsentwurfes ist, dass keine Regelung zur Deckelung der Vorfälligkeitsentschädigung im Fall einer außerordentlichen Kündigung eines Immobilien-Verbraucherdarlehensvertrages vorgesehen wird. Dies muss als Erfolg zur Beibehaltung der bewährten Festzinskultur in der Baufinanzierung - trotz heftiger Gegenwehr seitens verbrauchernaher Verbände - gewertet werden.

Weiterhin folgt im Wesentlichen der Regierungsentwurf dem vorgelegten Referentenentwurf. Dennoch gibt es einige zusätzliche Erweiterungen. Schwerpunkt des umfassenden Pflichtenheftes bleibt der erweiterte Schutz des Kreditnehmers, der durch Regelungen im Bereich vorvertragliche Informationen, der Kreditwürdigkeitsprüfung und des Widerrufsrechts verbessert werden soll. Die Neuerungen bei den vorvertraglichen Informationen macht die Verwendung des ESIS-Merkblattes zur Pflicht. Die wesentliche materielle Aussage beinhaltet, dass der Darlehensgeber künftig nur Produkte empfehlen darf, die nach einer eingehenden Prüfung der finanziellen und persönlichen Situation für den Verbraucher geeignet und nach haltig tragbar sind. Um ein Mindestmaß an Beratungsqualität zu gewährleisten, werden analog zum Versicherungssektor Anforderungsprofile an die Berater definiert.

Weiter im Detail werden Fremdwährungskredite und Koppelungsgeschäfte neu geregelt. So hat künftig der Darlehensnehmer eines Fremdwährungskredites zum Schutz vor erheblichen Währungsrisiken das Recht, den Kredit auf Landeswährung zu tauschen. Auch hier besteht für Banken eine neue zusätzliche Informationspflicht, indem sie eine laufende Überwachung der Währungsentwicklungen bei den ausgereichten Beständen der Fremdwährungsdarlehen vorzunehmen haben. Bei Überschreiten einer 20-Prozent-Abweichung vom Einstandskurs ist eine automatische Kundeninformation vorzunehmen.

Sogenannte Koppelungsgeschäfte im Baufinanzierungssektor unterliegen künftig einem weitgehenden Verbot. Allerdings sind hiervon Produkte wie Bauspar- oder Riester-Sparverträge ausgenommen.

Im Gegensatz zum Referentenentwurf neu aufgenommen und entsprechend strittig sind die Regelungen eines eingeschränkten Widerrufsrechts und die Neuauslegung bei der Kreditwürdigkeitsprüfung, die zu einem "Zinsjoker" seitens der Verbraucher führen könnten.

Für Altdarlehen bleibt ein grundsätzliches Widerrufsrecht bestehen, wenn dem Darlehensnehmer vertragliche Pflichtangaben wie beispielsweise klar formulierte Widerrufsklausel, Berechnungsmodus der Vorfälligkeitsentschädigung und Umwandlungsrechte bei Fremdwährungsdarlehen nicht aus reichend geliefert wurden. Die Nutzung dieses Rechts hat bereits in der Betriebspraxis zu einer Lawine von Umschuldungsersuchen ohne Vorfälligkeitsentgelt geführt. Neu ist, dass das Widerrufsrecht künftig bei Darlehensabschlüssen nach dem 21. März 2016 zeitlich auf ein Jahr und 14 Tage nach Er teilen einer unzulänglichen Information gedeckelt wird.

Gleichfalls auf starke Kritik stoßen die wenig konkretisierten Ausführungen im Gesetz einer vorgeschriebenen umfangreichen Kreditwürdigkeitsprüfung. Sie lassen künftig bei Verstößen zivilrechtliche Folgen zu, mit der Folge, dass bei Verstößen der zuvor vereinbarte Zinssatz gesenkt werden muss. Gegen die hieraus entstehende Gefahr eines aufkommenden "Zinsjokers" wehren sich die Bankenverbände. Sie verweisen zu Recht darauf, dass dieses Konfliktpotenzial künftig komplexe Kreditentscheidungen zulasten kreditsuchender Kunden ausschließt, da diese Kundengruppe nicht mehr Bestandteil der Geschäftsmodelle der Anbieter sein wird.

Es bleibt abzuwarten, wie das abschließende parlamentarische Gesetzgebungsverfahren weiter verläuft. Druck zu Veränderungen besteht von verschiedenen Seiten. Allemal wünschenswert ist es, die ver bleibende Zeit und Spielräume zu nutzen, um erforderliche Konkretisierungen beispielsweise im Bereich der Kreditwürdigkeitsprüfung vorzunehmen, sodass das Auslegungspotenzial und unter anderem der Spielball "Zinsjoker" möglichst gering ausfallen und somit kein Gefährdungspotenzial für den konjunkturwirtschaftlich wichtigen Markt Baufinanzierung darstellen.

Prof. Dr. Klaus Fleischer, Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München

Klaus Fleischer , Prof. (em.) Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, München
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