Finanzbildung

Mehr Wirtschaftsunterricht ist ein Muss

Auf dem 20. Deutschen Bankentag in Berlin hat Bundespräsident Joachim Gauck Anfang April dieses Jahres fehlende finanzielle und ökonomische Grundkenntnisse beklagt. Ökonomische Apathie und Unwissenheit seien gefährlich, so der Bundespräsident. Wer die Quellen unseres Wohlstands verstehen, persönliche Chancen nutzen und Risiken einschätzen wolle, der müsse sich informieren und in Finanzfragen kompetenter werden.

Der Befund ist eindeutig, und aus dem Munde des Bundespräsidenten gesprochen gewinnt er noch einmal an Gewicht: Mit dem Thema Wirtschaft können viele Deutsche wenig bis gar nichts anfangen. Ob beim Abschluss einer Versicherung, bei der Auswahl eines Vorsorgeprodukts oder bei der Entscheidung, wie der Kauf eines Motorrads am besten zu finanzieren ist - die Unsicherheit, die viele Menschen dann befällt, wenn sie ökonomische Entscheidungen treffen müssen, ist mit Händen zu greifen. Mitunter scheint das Motto zu lauten: Augen zu und durch.

Dass viele Anleger etwa den Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite aus den Augen verloren haben, ist genauso problematisch wie die Gedankenlosigkeit, mit der einige Konsumenten hohe Schulden auftürmen, ohne diese je zurückzahlen zu können. Aber auch die große Welt der Wirtschaft mit ihren Konjunkturdaten, Notenbankentscheidungen und Außenhandelszahlen ist für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln. Auf welcher Grundlage die Wähler die wirtschafts- und finanzpolitischen Absichten der Parteien beurteilen wollen, bleibt vor diesem Hintergrund rätselhaft.

Auch und gerade den Jugendlichen mangelt es an Wissen. So gab in der zuletzt 2012 erhobenen Jugendstudie des Bankenverbandes weniger als die Hälfte der Befragten an, sich mit Geld- und Finanzdingen "gut" auszukennen. Ökonomische Grundbegriffe sind vielen Heranwachsenden unbekannt: Über die Rolle der Europäischen Zentralbank weiß nur knapp mehr als ein Viertel der jungen Leute Bescheid. Lediglich knapp die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann erklären, was eine Inflationsrate ist. Von dem, was an den Börsen geschieht, haben nach eigener Einschätzung 63 Prozent der jungen Leute keine oder nur wenig Ahnung.

In größerem Maßstab kann sich eine Volkswirtschaft wirtschaftliche Ahnungslosigkeit und Unvernunft nicht leisten. Es stimmt zwar: Die private Verschuldungsproblematik in Deutschland erreicht längst nicht die Dimensionen anderer Länder. Doch am allgemeinen Dilemma ändert dies nichts; zu viele Menschen haben nur ein bruchstückhaftes Wissen von wirtschaftlichen Zusammenhängen. Fehlentscheidungen aber, die ökonomischem und finanziellem Analphabetismus geschuldet sind, können beträchtliche Konsequenzen haben.

Das Problem beginnt in der Schule

Wer trägt hierfür die Verantwortung? Um Schuldzuweisungen kann es an dieser Stelle natürlich nicht gehen. Dass aber die ökonomische und finanzielle Bildung an den deutschen Schulen jahrzehntelang ein stiefmütterliches Dasein gefristet hat, ist sicherlich eine, wenn nicht die Erklärung für die vielen Wissenslücken in der Bevölkerung.

Speziell an den Gymnasien vieler Bundesländer hat es lange gedauert, bis wirtschaftliche Themen überhaupt Eingang in den Unterricht gefunden haben. Aber auch an den anderen Schultypen fand ökonomische Bildung nur selten statt. Damit gab es lange Zeit eine bedenkliche Leerstelle, die von wenig Verantwortungsbewusstsein der Bildungspolitiker zeugte. Bildungsinhalte müssen sich schließlich auch daran messen lassen, ob sie auf die Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft adäquat vorbereiten. Ohne ökonomische Kenntnisse aber war diese Vorbereitung lückenhaft.

Wirtschaft an den Schulen noch stark unterrepräsentiert

Inzwischen hat sich einiges zum Besseren verändert. Wirtschaft wird deutschlandweit unterrichtet; in den meisten Bundesländern gibt es ein Ankerfach, in dem ökonomische Themen untergebracht sind. Doch ist dies wirklich schon ausreichend?

Berücksichtigt man die Bedeutung, die Wirtschaft bereits jetzt im Leben der Schüler spielt und noch sehr viel stärker spielen wird, wenn sie eines Tages nicht mehr nur Konsument, sondern auch Arbeitnehmer oder Unternehmer, Wahlbürger und Steuerzahler sind, so ist sie an den Schulen immer noch stark unter repräsentiert. Von einem wirkungsvollen und damit nachhaltigen Unterricht kann in den meisten Fällen nicht die Rede sein.

Gerade die Fächervermengung geht häufig auf Kosten der Substanz und Nachhaltigkeit. Zwar steht der Wirtschaftsunterricht in einigen Bundesländern, etwa in Niedersachsen oder in Bayern, auf vergleichsweise festem Fundament. Nach wie vor aber werden Wirtschaftsthemen häufig nur als Anhängsel anderer Fächer behandelt, etwa im Geschichts-, Gemeinschaftskunde- oder Politikunterricht.

Das bedeutet nicht, dass dieser Wirtschaftsunterricht schlecht sein muss - viele engagierte Lehrer, die ihre freie Zeit zur Weiterbildung nutzen, leisten hier Beachtliches und sorgen für eine vergleichsweise hohe Unterrichtsqualität. Solange die Vermittlung wirtschaftlichen Wissens aber nur sporadisch erfolgt und häufig sehr spät einsetzt, werden sich keine allzu großen Lernerfolge bei den Schülern einstellen, schon gar nicht in der Breite. Wirtschaftliche Zusammenhänge kann man nicht nebenbei erlernen.

Für ein eigenständiges Schulfach

Ob Wirtschaft systematisch als eigenständiges Fach unterrichtet werden soll, darüber gehen die Meinungen nach wie vor auseinander. Der Bankenverband hat sich in dieser Frage immer eindeutig positioniert: Damit ökonomische Kenntnisse tatsächlich wirkungsvoll vermittelt werden können, sind ein ausreichendes Stundendeputat und eine verbindliche Verankerung ökonomischer Themen in den Lehrplänen notwendig, was sich am besten durch die Einführung eines verpflichtenden Schulfaches verwirklichen lässt. Ein Schulfach Wirtschaft würde die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Unterricht systematisch und aufeinander aufbauend erfolgen kann.

Und nicht nur das: Nur mit Hilfe eines eigenständigen Schulfachs können sich angehende Lehrer schon während ihrer Ausbildungszeit das Wissen und die Fähigkeiten aneignen, die für einen fundierten Wirtschaftsunterricht notwendig sind. Bislang ist es so, dass viele Lehrerinnen und Lehrer ins kalte Wasser geworfen werden und Wirtschaft unterrichten müssen, obgleich sie über keine angemessene Ausbildung verfügen. Was an universitärer Bildung fehlt, muss dann durch persönliches Engagement wettgemacht werden.

Gut ausgebildete Pädagogen sind aber die Grundvoraussetzung für eine solide Vermittlung von Wirtschaftswissen. Hier sind die Bundesländer als die in unserem föderalen System Zuständigen gefordert. Es liegt bei ihnen, dem Fach Wirtschaft in der Ausbildung der Pädagogen einen höheren Stellenwert einzuräumen. Die wirkungsvollste und damit sinnvollste Lösung: ein eigenes Unterrichtsfach. Nur dann würden die Lehrkräfte in entsprechenden Studiengängen adäquat ausgebildet.

Die privaten Banken sprechen sich nicht nur seit vielen Jahren für ein eigenständiges Unterrichtsfach Wirtschaft an den allgemeinbildenden Schulen aus - sie haben auch detaillierte Vorschläge unterbreitet, wie ein solches Fach in der Praxis aussehen könnte. In einem Gutachten, das das Institut für Ökonomische Bildung in Oldenburg im Auftrag des Bankenverbandes erstellt hat, werden Bildungsstandards vorgeschlagen und Anregungen für die Gestaltung von Lehrplänen gegeben.

Auch enthält die "Konzeption für die ökonomische Bildung als Allgemeinbildung" Grundüberlegungen für einen Bachelor-/Masterstudiengang Ökonomische Bildung.

Darüber hinaus umfasst der Entwurf erstmals ein Rahmenwerk für alle Jahrgangsstufen und kann grundsätzlich auf alle Schularten angewandt werden. Unter Beteiligung des Bankenverbandes hat obendrein der Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft Bildungsstandards für die ökonomische Bildung sowie Standards für die entsprechende Ausbildung der Lehrer vorgelegt.

Breiter Ansatz

Das Ziel eines Schulfaches Wirtschaft besteht selbstverständlich nicht darin, Börsenexperten heranzubilden oder Nachwuchswissenschaftler, die versiert mit komplexen makroökonomischen Modellen umgehen können. Es geht um die Vermittlung grundlegenden Wissens. Wenn die Schülerinnen und Schüler ihr Abgangszeugnis in Händen halten, sollten sie wissen, was private Alterssicherung bedeutet, sie sollten verstehen, vor welchen Herausforderungen die Europäische Währungsunion steht, und sie sollten die Prinzipien kennen, auf denen unsere Wirtschaftsordnung, die soziale Marktwirtschaft, basiert. Oder um es mit den Worten des Bundespräsidenten zu formulieren: Sie sollten mündige Bürger sein, die sich am öffentlichen Gespräch über Fragen der Wirtschaft beteiligen können.

Übrigens plädieren selbst die Schülerinnen und Schüler für mehr wirtschaftlichen Unterricht in den Schulen. In der bereits erwähnten Jugendstudie des Bankenverbandes sprechen sich über 70 Prozent der Befragten dafür aus, dass die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge in der Schule verstärkt werden solle. Und deutlich über 60 Prozent der Schüler würde die Einführung eines eigenen Schulfaches Wirtschaft begrüßen.

Angebote für den Unterricht sind keine Werbeschriften

Der Bankenverband kann sich durch diese Umfragezahlen bestätigt fühlen. Seit über 25 Jahren ist es uns ein wichtiges Anliegen, die Vermittlung ökonomischen Grundwissens an den Schulen zu fördern. Im Rahmen des "Schul/Bank"-Programms werden zu diesem Zweck Schülerwettbewerbe ausgetragen und Lehrer und Schüler mit Unterrichtsmaterialien unterstützt. Im Zentrum steht das Ziel, junge Menschen für die spannende Welt der Wirtschaft zu interessieren und ihnen ökonomische Zusammenhänge verständlich zu machen. Die Vermittlung ökonomischer Kenntnisse hat für die privaten Banken einen hohen Stellenwert und ist ein Schwerpunkt der bildungs- und gesellschaftspolitischen Aktivitäten.

Auch andere Verbände und Unternehmen leisten ihren Beitrag für eine bessere ökonomische Bildung und für eine praxisnahe Vermittlung wirtschaftlicher Kenntnisse. Der häufig erhobene Vorwurf, die Verbände und Unternehmen würden in die Schule drängen, um die Schüler mit einseitig gefärbten Texten oder Werbeschriften beeinflussen zu wollen, geht in den allermeisten Fällen an der Wirklichkeit weit vorbei.

Es mag schwarze Schafe geben, doch sind diese keinesfalls repräsentativ für das Engagement der deutschen Wirtschaft. Im Übrigen wären gerade gut ausgebildete Lehrer imstande, sich ein eigenes Bild von den Unterrichtsmaterialien zu machen und die nicht passenden Angebote auszusortieren. Ein weiteres Argument also, das für ein eigenständiges Schulfach Wirtschaft mit adäquater Lehrerausbildung spricht.

Gefordert sind nun die Bildungspolitiker, die einen Schritt weiter als bisher gehen und der begründeten Forderung nach mehr ökonomischer Bildung in der Schule Rechnung tragen müssen. Welche Gründe auch immer geltend gemacht werden, die vermeintlich dagegen sprechen: Am Ende zahlen wir alle den Preis dafür, wenn die Schüler auch weiterhin mit mangelnden Wirtschaftskenntnissen die Schule verlassen.

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