Deutschland und Europa

Dirigistische Eingriffe in den Markt sind ungeeignet

Das Rollenverständnis der kreditwirtschaftlichen Verbände hat sich hinsichtlich der von ihnen getragenen Zahlungssysteme in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Dies wird auch durch die Namensveränderung symbolisiert: Aus "Zentraler Kredit ausschuss" wurde "Die Deutsche Kreditwirtschaft". Es geht eben nicht mehr nur, wie in der Anfangsphase des Kartenzahlungsverkehrs, um den Abschluss von Zahlungsverkehrsabkommen, die den Marktteilnehmern eine beliebige Nutzung der Instrumente ermöglichen. Vielmehr kommt es darauf an, als Systembetreiber sowohl die Anforderungen der Regulatorik als auch die Wünsche der Marktteilnehmer abzubilden und auf Veränderungen dynamisch zu reagieren. Alle Systeme - Geldautomatensystem, Girocard/eccash-System, Geld karte beziehungsweise Girogo - bedürfen daher eines permanenten Systemmanagements.

Dreiklang der Regulierung - in Deutschland und Europa

Die zunehmenden regulatorischen Anforderungen werden dabei sowohl von der Politik (Stichwort unter anderem Verbraucherschutz), von der Bank- und Datenschutzaufsicht als auch vom Kartellrecht vorgebracht. Dieser Dreiklang darf durchaus "mal zwei" genommen werden, denn nationale und europäische Regulatoren sind auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs gleichermaßen aktiv - und nicht immer abgestimmt.

Zugleich wird die Kreditwirtschaft mit der Anforderung konfrontiert, auch für Systeme eine Mitverantwortung übernehmen zu müssen, die sie selbst gar nicht kreiert hat. Dies gilt insbesondere für das Elektronische Lastschriftverfahren, das sich auf kreditwirtschaftliche Karten- und Abwicklungsstrukturen stützt, ohne ein "kreditwirtschaftliches Verfahren" zu sein und den entsprechenden Regularien zu unterliegen.

Ein weiteres Spannungsfeld ergibt sich aus der technischen Weiterentwicklung.

Spannungsfeld technologische Weiterentwicklung

Einerseits ermöglichen neue Technologien Produktinnovationen, die kundenseitig zu einer noch bequemeren, schnelleren und "smarteren" Kartenzahlung führen können. Zu nennen sind hier insbesondere die Kontaktlos-Technologie, neue Formen des E- und M-Commerce (Wallets als elektronische Brieftaschen zur virtuellen Abbildung unterschiedlicher Kartenprodukte) und Terminal-Innovationen, die Smartphones einfach zu Akzeptanzgeräten machen und damit ganz neue Händlerschichten für die Kartenzahlung erschließen können.

Auf der anderen Seite werfen diese Innovationen aber auch wieder neue Fragen hinsichtlich Sicherheit und Datenschutz auf. Gerade in Deutschland, wo Öffentlichkeit und Verbraucher besonders sensibel hierauf reagieren, ist daher ein Einführungsmanagement gefragt, das auf diese Vorbehalte Rücksicht nimmt.

Nicht zuletzt müssen diese Innovationen aber auch danach beurteilt werden, wie sie auf die Effizienz des Zahlungsverkehrs wirken. Auch hier sind wieder deutsche Besonderheiten wie die vergleichsweise niedrigen Margen im Handel zu beachten, die jeglicher Ausweitung von Akzeptanzentgelten deutliche Grenzen setzen.

Gleichzeitig wissen Privatkunden eine kostengünstige Kontoführung einschließlich kostengünstiger Kartenprodukte zu schätzen. Systeme, die auf langen Wertschöpfungsketten beruhen und an mehreren Stellen die Generierung von Deckungsbeiträgen erfordern, dürften sich hierzulande als Massenzahlungsmittel daher kaum etablieren können.

Fünf Erfolgfaktoren für den kartengestützten Zahlungsverkehr

Aus meiner Sicht ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, dass sich der kartengestützte Zahlungsverkehr an den folgenden Erfolgsfaktoren ausrichtet:

Konzentration auf das Trägermedium Girocard: Die frühere "ec-Karte" ist die universelle, höchst verbreitete Debitkarte mit zahlreichen Kontozugangs- und Mehrwertfunktionen. Das Management der Girocard ist eine Kernkompetenz der Deutschen Kreditwirtschaft und aller Institute.

Fokussierung auf Effizienz: Nutzung der Instrumente des Massenzahlungsverkehrs zur Gewinnung von Economies of Scale.

Hohe Sicherheitsnormen: Die Sicherheitsphilosophie Chip und PIN verhindert Schäden und gewährleistet das notwendige Systemvertrauen. (Dass damit nicht Unbequemlichkeit verbunden sein muss, zeigt die erfolgreiche Einführung der PIN-Selbstwahl bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken.)

Sicherung des Datenschutzes: Ein klares Differenzierungsmerkmal der Kreditwirtschaft gegenüber Zahlungssystemen, bei denen nicht die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, sondern die Auswertung von Kundenverhalten im Vordergrund steht.

Wettbewerbsneutralität: Die Verbindung von zentralem System-Design (zum Beispiel technische Spezifikationen) mit dezentralen Processing-Strukturen (zum Beispiel zugelassene Netzbetreiber) und flexiblen Entgeltstrukturen (zum Beispiel direktes Kundenentgelt am Geldautomaten) sorgt für ein neutrales und transparentes Wettbewerbsumfeld.

Permanentes Innovationsmanagement: Ausgehend vom bereits laufenden Pilottest Girogo auf Basis der Geldkarte ist die Girocard generell für die Kontaktlostechnologie - und parallel für einen erweiterten Einsatz im E- und M-Commerce - vorzubereiten.

Neue Girocard-Händlerbedingungen als Beispiel für Weiterentwicklung

Ein Beispiel für die regulierungs- und gleichzeitig marktorientierte Weiterentwicklung eines etablierten Zahlungssystems ist die Modifizierung des Girocard/electroniccash-Vertragswerks zum 1. Januar 2013. Dieses System, das sich täglich im Wettbewerb mit anderen zahlungsgarantierten Bezahlverfahren (zum Beispiel Kreditkarte) und nicht zahlungsgarantierten Verfahren (zum Beispiel Elektronisches Lastschriftverfahren) befindet, weist mit 2,07 Milliarden Transaktionen und 117,9 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr beeindruckende Zahlen auf und ist gleichzeitig mit 100 Prozent Chipund-PIN-Abwicklung technologisch auf der Höhe der Zeit. Als Modifizierungen im Vertragswerk kommen nun hinzu:

Stärkung bilateraler Entgeltvereinbarungen von Instituten beziehungsweise Institutsgruppen mit Händlern beziehungsweise Händlerkonzentratoren;

Aufhebung der sogenannten Barzahlungsklausel; Ermöglichung von "cash back" bei Girocard-Zahlungen im Handel;

weitergehende Verpflichtung für Systemteilnehmer zur Einhaltung der funktionalen Anforderungen und Sicherheitsanforderungen im System.

Sinkende Händlerentgelte zu erwarten

Für die genossenschaftlichen Finanzgruppe nehmen dabei die Zentralbanken DZ Bank und WGZ Bank die sogenannte Konzentratorrolle wahr, die für eine Bankengruppe mit 1 121 Instituten praktikable Verhandlungslösungen mit der Marktgegenseite erlaubt.

Wir gehen dabei davon aus, dass künftig die weitaus überwiegende Zahl der Transaktionen auf der Grundlage bilateral vereinbarter Entgeltlösungen abgewickelt wird und die Anwendung von Fallback-Entgelten klar in den Hintergrund tritt. Im Ergebnis sind dadurch sinkende Händlerentgelte zu erwarten.

Zentrale Interchange-Regulierung nicht hilfreich

Vor diesem Hintergrund habe ich große Zweifel, ob die im aktuellen Grünbuch der EU-Kommission aufscheinende Präferenz für die zentrale Regulierung von Interchanges (auf niedrigstes Niveau) hilfreich für die gewollte weitere Verbreitung von effizienten Kartenzahlungsverfahren wäre.

Jedes kreditwirtschaftliche Verfahren muss sich nicht nur dem Wettbewerb zum vermeintlich kostenfreien Bargeld, sondern - gerade in Deutschland - auch zu nicht garantierten Alternativverfahren stellen. Bei vorhandener hoher Wettbewerbsintensität sollten die Marktergebnisse dem Wettbewerbsprozess überlassen bleiben. Dies gilt umso mehr, als die europäische Standardisierung (zum Beispiel durch die sogenannte Berlin-Group) und der Sepa-Prozess für weiter zunehmende Transparenz sorgen.

Was geht gut? Sicher kann Europa für sich in Anspruch nehmen, im weltweiten Vergleich hinsichtlich Effizienz, Innovation, Wettbewerb und Standardisierung einen Spitzenplatz im kartengestützten Zahlungsverkehr einzunehmen. Und sicher kann man auch durchaus selbstbewusst sagen, dass dies analog für Deutschland innerhalb Europas gilt.

Nicht ausgeschöpfte Potenziale in der Überzeugung der Verbraucher

Was geht noch nicht gut? Nicht zu leugnen ist, dass bei einer Quote von 57 Prozent Bargeldzahlungen im deutschen Einzelhandel noch nicht von einer flächendeckenden Akzeptanz kartengestützter Zahlungsverfahren gesprochen werden kann. Dies hat einerseits viel mit einer historischen Bargeldpräferenz hierzulande zu tun, spiegelt aber auch andererseits nicht ausgeschöpfte Potenziale in der Überzeugung von Verbrauchern und Händlern für die Vorteile der Kartenzahlung wider. Hieran gilt es - gemeinsam mit allen Beteiligten - konsequent zu arbeiten.

Was ist also geeignet, um mehr flächendeckende Akzeptanz zu erreichen? Hier kann man sich nur wiederholen: Fokussierung auf Effizienz, Innovation, Wettbewerb und Standardisierung. Ungeeignet wären demgegenüber dirigistische Eingriffe in den Markt, die zu einer Asymmetrie bei Kosten und Nutzen und letztlich zu mangelnder Investitionsbereitschaft in die Weiterentwicklung der Systeme führen würden.

Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag auf dem Bankkartenforum 2012.

Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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