Prepaid-Karte

Jugendliche als Kunden binden

Mit dem gezielten Angebot von Bezahlkarten erschließen sich Banken und Sparkassen immer neue Kundengruppen. Nach den Kreditkarten in den siebziger Jahren und den Debitkarten in den neunziger Jahren steht mit der Prepaid-Karte ein neues Kartenprodukt mit großem Potenzial für die gezielte Kundenansprache zur Verfügung.

Nicht allein für Randgruppen

In Deutschland werden Prepaid-Karten zumeist als Instrument angesehen, mit dem Nicht-Kreditkarten-affine Kundengruppen einerseits und Kunden mangelnder Bonität andererseits erfolgreich angesprochen werden können. Demgegenüber wird häufig noch zu wenig verstanden, dass neben diesen wichtigen "Randgruppen" im Kundenportfolio eine weitere, für den zukünftigen Erfolg ganz entscheidende Zielgruppe mit Prepaid-Angeboten gewonnen werden kann: das Segment der Jugendlichen unter 18 Jahren, die sich schon allein aufgrund der rechtlichen Anforderungen nicht für eine Kreditkarte qualifizieren können.

Die Bindung der Kunden von morgen auf der Grundlage von "Jugendkarten" kann indessen nur gelingen, wenn die Besonderheiten in der Geschäftsbeziehung mit Jugendlichen im Geschäftsmodell abgebildet werden und der Einsatz des Produktmarketings, zum Beispiel die Wahl der Distributionskanäle, sich an den Anforderungen der Zielgruppe orientiert. In den USA, aber auch in einigen Ländern Westeuropas haben Prepaid-Produkte in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben. Und auch in Deutschland, wo man der Prepaid-Karte bei der Kundenbindung bislang kein großes Potenzial zugetraut hat, rückt das Produkt zunehmend in den Fokus von Banken und Sparkassen.

Derzeit gibt es auf dem deutschen Markt allerdings nur ein überschaubares Angebot, das vor allem auf bonitätsschwächere Kunden abzielt. Die gezielte Akquisition von neuen, insbesondere auch jungen Kundengruppen, bleibt bei der Produktgestaltung weitgehend unberücksichtigt.

Für Jugendliche sind neben Standardkarten zum Beispiel auch Geschenkkarten (Gift Cards) interessant oder Traveller Cards, die mit speziellen Reiseversicherungen verbunden sind. Einen großen Erfolg in der Zielgruppe bescheren Karten, die im Rahmen von großen Events (WM, Konzerte) ausgegeben werden. Als Kundenbindungsinstrument für Banken und Sparkassen sind die sogenannten Open-Loop-Karten im Vierparteienmodell mit Mastercard oder Visa von Bedeutung. Open-Loop-Karten können jeweils bei allen Akzeptanzstellen von Mastercard beziehungsweise Visa eingesetzt werden. Der Vertragspartner des Karteninhabers ist stets die Bank oder Sparkasse. Das Kartenlimit beträgt grundsätzlich null Euro.

Geringe Interchange-Erträge im Gebührenmodell berücksichtigen

Durch eine einfache Banküberweisung auf ein Referenzkonto des Emittenten wird die Karte aufgeladen. Bei jugendlichen Kunden ist zu beachten, dass das Kartenkonto keine juristische Sekunde im Soll sein darf. Damit ist das Bonitätsrisiko für die herausgebende Bank deutlich geringer als bei Charge- oder Kreditkarten. Dennoch ergeben sich aus der schwächeren Bonität beziehungsweise den geringeren Salden Implikationen für das Geschäftsmodell der Bank und des Prozessors, die im Angebot Berücksichtigung finden müssen.

So ist der Informationsbedarf des Karteninhabers hinsichtlich des Betrages, über den er mit der Karte noch verfügen kann, sehr hoch. Um ihn effektiv unterstützen zu können, ist der Einsatz von technischen Lösungen wie der IVR (Interactive Voice Response / computergestützter Sprachdialog) sinnvoll. Der Karteninhaber wird dabei nicht an ein Call-Center, sondern an eine Sprachbox weitergeleitet, die ihn über den jeweils noch verfügbaren Betrag informiert. Alternativ kann die Abfrage auch über SMS erfolgen.

Kartengebühren mit Altersstaffel

Auch ist der durchschnittliche, jährliche Umsatz einer Prepaid-Karte deutlich geringer als der einer Charge- oder Kreditkarte. Dadurch fallen die Interchange-Erträge für das Kreditinstitut geringer aus. Das Gebührenmodell muss diesem Sachverhalt Rechnung tragen. Dementsprechend werden für Prepaid-Karten derzeit höhere Kartengebühren als für Charge- oder Kreditkarten erhoben.

Das Angebot eines profitablen Prepaid-Produktes, das auch bei Jugendlichen im Markt bestehen kann, setzt daher ein flexibles Gebührenmodell voraus. Ein erfolgreicher Ansatz ist die Hinterlegung einer Altersstaffel für Kartengebühren, die für jüngere Karteninhaber günstigere Konditionen vorsieht. Das geringe Bonitätsrisiko von Prepaid-Produkten eröffnet indessen auch die Möglichkeit, innovative Kanäle für den Vertrieb zu nutzen. Aufgrund der relativ höheren Web-Affinität der jugendlichen Zielgruppe gewinnt hier das Internet an Bedeutung. Das Internet dient dabei nicht nur als Akquise-Instrument zur Gewinnung von jugendlichen Neukunden. Es kann als Medium zur vollständigen Abwickl ung des Bestellvorgangs genutzt werden.

Noch vor den Vertriebsaktivitäten ist auch bei der Produktgestaltung und den weiteren Marketingaktivitäten die Zielgruppe zu beachten. Und schließlich ist schon bei der Gestaltung der Jugendkarten zu bedenken, wie der fließende Übergang zur Erwachsenenkarte zu gestalten ist. Nur so ist gewäh-r leistet, dass die erfolgreiche Bindung von Kunden heute auch die erfolgreiche Geschäftsbeziehung von morgen begründet.

Auch für Kartenmuffel

Das Potenzial der Prepaid-Karten beschränkt sich indessen nicht auf die in diesem Artikel im Wesentlichen betrachteten Zielgruppen. Ein besonderes Merkmal all dieser Produkte ist, dass mit ihrer Hilfe auch alle jene Kunden an das Bezahlen mit Karte herangeführt werden können, die eine Kredit- oder Debitkarte (noch) ablehnen. Damit erschließt sich die Bank oder Sparkasse neue Einnahmequellen und Cross-Selling-Optionen. Und auch der Umsatz mit Prepaid-Karten hat noch deutlich Platz nach oben: heute liegt er in Deutschland durchschnittlich bei 300 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Der Gesamtumsatz von Kredit- und Debitkarten liegt bei rund 2 300 Euro pro Karte.

Carlos Gómez-Sáez , Vorsitzender der Geschäftsführung , VR Payment GmbH
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