Deutschland und Europa

Kartengeschäft - Reminiszenzen und Ausblick

Das Kreditgewerbe hat in den letzten Jahren Bescheidenheit lernen müssen und Federn gelassen. Wohin man schaut, Zurückhaltung ist angesagt. Einige Banken mussten erfahren, dass sie sich in schweren Zeiten nicht mehr selbst helfen konnten. "Too big to fail." Ein Satz, der sich eingeprägt hat.

In diesen Tagen hat Retailbanking, und dazu zählt das Kartengeschäft, Konjunktur. Es gehört zu dem Teil der Finanzwirtschaft, den jeder Mitbürger benötigt und der sich auch heute nicht zu rechtfertigen hat. Der wichtigste Grund ist der: Das Geschäftsmodell ist so zugeschnitten, dass Fragen nach systemischen Risiken bei dem typischen Geschäftsportfolio einer Sparkasse, Genossenschaftsbank oder einer sonst vorwiegend im klassischen Kundengeschäft tätigen Bank erst gar nicht entstehen konnten.

Das haben inzwischen auch viele Nichtretailbanker wahrgenommen und festgestellt: Retailbanking ist ein Stabilitätsanker. Retailbanking und damit Zahlungsverkehr und Kartengeschäft haben viele neue Fürsprecher in den Planungsrunden der Banken gefunden.

Allerdings: Damit wird das Leben für die etablierten Retailbanken, also insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, nicht einfacher, zumal die Zahl der Akteure im Retailbanking eher noch größer werden wird. Schon heute zählen wir in Deutschland über 150 Millionen Privatkunden, wenn man die Angaben der Banken und Sparkassen zu ihren Kundenzahlen aufaddiert. Im Schnitt kommt jeder Deutsche im bankfähigen Alter zwei- bis dreimal in den Kundenlisten vor. Das Kartengeschäft spielt heute bei der Gewinnung von Marktpositionen im Retailbanking eine nicht mehr wegzudenkende Rolle.

Nach eigenen Angaben macht der Anteil des Zahlungsverkehrs inklusive Kartengeschäft am Provisionsergebnis bei vielen Sparkassen und Genossenschaftsbanken etwa 50 Prozent aus, und das in einem Umfeld einer wachsenden Zahl von Instituten mit kostenfrei gestellten Girokonten. Die unmittelbare ertragswirtschaftliche Bedeutung dieser Sparte darf also nicht unterschätzt werden. Insgesamt geht es beim Kartengeschäft nach vorsichtigen Kalkulationen um ein jährliches Erlösvolumen deutlich jenseits einer Milliarde Euro.

Kartengeschäft hat Markt- und Ergebnisrelevanz

Mit den drei Aspekten Stabilität, Marktund Ergebnisrelevanz ist das Kartengeschäft von einer Position an der Peripherie in der Mitte des Privatkundengeschäftes angekommen.

Wann wurde bislang Kartengeschäft als erfolgreich angesehen? Das hängt wie überall davon ab, wen man fragt: Die Verbände, die Banken und Sparkassen, die Zahlungssysteme, die Prozessoren, die Dienstleister, die Aufsicht, nationale und internationale Behörden - Beteiligte mit jeweils eigenen Erwartungen und Rollen im Kartengeschäft, last not least natürlich Handel und Verbraucher als den Kunden.

Was konnte mit den vielen Vorhaben und Initiativen erreicht werden, die in den vergangenen 30 Jahren im Kartengeschäft stattgefunden haben? Wie würde eine Umfrage unter den verschiedenen Parteien ausfallen? Einige Fragen tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf.

Wie hat sich das Verhältnis der Banken/ Sparkassen untereinander entwickelt? Wie hat sich das Verhältnis zum Handel entwickelt?

Wie hat sich das Verhältnis zur Aufsicht (Kartellamt, deutsche und europäische Behörden) entwickelt?

Wie hat sich das Verhältnis zu den internationalen Zahlungssystemen entwickelt?

Und, mit Blick auf die einzelne Bank oder Sparkasse:

Was ist aus der Ablösung des Bargelds geworden?

Wie hat sich die Wirtschaftlichkeit entwickelt?

Wie konnte die technische Entwicklung integriert werden?

Wie hat sich die öffentliche Wahrnehmung entwickelt?

Konnte das Geschäft mit den Kunden gefördert werden?

Eine kleine Reise durch mehr als 30 Jahre Kartengeschäft öffnet einen Blick auf die Stationen im Kartengeschäft. Zum Teil befinden sie sich nicht mehr im Bewusstsein, obwohl sie eine wesentliche Rolle für die Entwicklung gespielt haben und immer noch spielen.

Die Zeit der Gemeinschaftslösungen

Alles fing 1968 mit der ec-Karte an, kurz danach kam die Eurocard. 1977 wurde die Vereinbarung über den "Institutsübergreifenden Geldautomatenpool" geschlossen, 1983 nahm dieser dann sichtbar Gestalt an.

Mit den PoS-Feldversuchen Berlin/München 1984, später Regensburg (schon unter Berücksichtigung des Chips!) wurde der Einstieg in die elektronische Form des Zahlens per Karte geprobt. Spätestens damit war die Karte kein internes kreditwirtschaftliches Thema mehr, sondern wurde eines für den Handel.

Das geschäftspolitische Potenzial, das mit PoS sichtbar wurde, war dann mitentscheidend für die Geburt der S-Card, der Bankcard und aller weiteren bankindividuellen Karten.

1990/92 war es mit dem Start von electronic cash soweit, ein zentrales Gemeinschaftsprojekt unter Federführung des ZKA ging an den Start. Eine komplette Infrastruktur (Netzbetreiber!) musste aufgebaut werden. Aber gleichzeitig ging mit dem Lastschriftverfahren ein Alternativverfahren an den Markt, eine Auseinandersetzung, die bis heute anhält.

Zehn Jahre nach der Unterzeichnung wurde 1997 die GAA-Vereinbarung durch den DSGV gekündigt, ein Schritt mit Langzeitfolgen, wie sich herausstellte. Im gleichen Jahr wurde mit dem dritten Schritt der Eurocard-Neukonzeption (Aufbringung des Institutsnamens auf die Karte, Lizensierungsmöglichkeiten für die Institute, Übertragung der Principal Licence von der inzwischen gegründeten Euro Kartensysteme auf Institute und Institutsgruppen) ein Prozess abgeschlossen, der seinen Auslöser letztlich in dem Amex/BP-Akzeptanzvertrag von 1986 hatte. Damit wurde die Kreditkarte (vergleiche auch den Einstieg von Visa - Vereinsgründung 1993) zu einem Bankprodukt.

Mastercard in Deutschland

Mit der Verschmelzung von eurocheque International und Eurocard International zu Europay International 1992 deutete sich die nächste Phase an.

Das europäische Debit Produkt edc aus dem Jahre 1992 (ein fast vergessenes Produkt) wurde zehn Jahre später zugunsten von Maestro eingestellt, Europay selbst 2005 von Mastercard übernommen, beides einschneidende Schritte mit dauerhaften Folgen. Zuvor konnte von den drei Zahlungssystemen Europay, Mastercard und Visa der EMV-Standard als gemeinsame Basis für die Einführung der Chiptechnologie entwickelt (1996 bis 1999) und umgesetzt werden.

Die Geldkarte wurde 1995/96 in den Markt getragen. Aus der GZS, die einmal als Eurocard Deutschland gegründet worden war, wurde 1997 eine Processinggesellschaft gleichen Namens und eine Lizenzgesellschaft namens Euro Kartensysteme und 2003 nach einer weiteren Spaltung der Acquirer Concardis und die heutige Euro Kartensysteme.

Der Markt hatte sich institutionell gründlich verändert, und Mastercard war unmittelbar präsent.

Europa und der Verlust an Gemeinsamkeiten

Diese Phase überlappt sich mit der vorigen. Diese Zeit ist durch immer konkreter werdende Anforderungen aus dem wirtschaftlichen und politischen Einigungsprozess in Europa geprägt. Es gab kaum nennenswerte gemeinsame Marktinnovationen von Bedeutung, wohl aber die weitere Auflösung gemeinsamer Strukturen mit dem Verkauf der GZS an First Data im Jahr 2005.

Gravierender ist aber die Untersagung der Mastercard-Crossborder-Interchange-Regelung durch die Europäische Kommission im Jahre 2007, ein Eingriff in die Gestaltung von Preismodellen im Kartenmarkt, der zudem unmittelbar die Wettbewerbssituation zwischen den einzelnen Zahlungssystemen berührt. Damit ist seit 2007 eine Entwicklung vorgezeichnet, die sich zunehmend weiter verstärkt.

Zunehmender Wettbewerb und Aufsicht - die neuen Techniken

Die jüngste Phase deckt nur einige Jahre ab. Sie wird geprägt durch die schärfere Auseinandersetzung am Markt wie dem GAA-Gebührenstreit zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken einerseits und Direktbanken als neuen Mitbewerbern andererseits.

Gleichzeitig nehmen Aufsicht, Wettbewerbsbehörden und Rechtsprechung unmittelbar Einfluss auf Auseinandersetzungen in den Märkten.

Schließlich stehen etablierte Marktstrukturen auf dem Prüfstand, wie sich am Engagement des Einzelhandels in der Bargeldversorgung und Eintritt der Online- und Netzgesellschaften zeigt, die sich die Marktreife der digitalen Techniken zunutze machen. Damit ist die Ausgangsituation des Jahres 2012 umrissen.

Das Kartengeschäft ist immer näher an die Banken und Sparkassen herangerückt. Es gibt eine zunehmende Zahl von Schnittstellen und Überlappungen mit anderen Märkten: Telekommunikation, Handel, Kommunikationstechnologie, digitale Dienstleister, DV-Industrie. Die Breite an operativen, vertrieblichen und geschäftspolitischen Themenstellungen nimmt stetig zu. Wir haben es also mit einem Komplexitätszuwachs nicht nur bei technisch-operativen Fragen - die sind vergleichsweise gut beherrschbar -, sondern mehr noch bei Fragen mit strategischer Relevanz für das Geschäft der Banken zu tun.

Die Frage des Managements und der Governance ist daher eine der zentralen Herausforderungen im Kartengeschäft. Von der Antwort hierauf wird abhängen, ob man schon von den Strukturen her den marktpolitischen Erfordernissen dauerhaft gerecht werden kann. Diese Frage macht nicht halt vor den Gemeinschaftseinrichtungen der Kreditwirtschaft in Deutschland. Ganz konkret: Die Strukturen des ZKA oder nun der DK zur Zielformulierung und zu den Entscheidungsprozessen, die zu Beginn bestanden haben, werden zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit einer viel komplexeren Gestaltungs- und Managementaufgabe konfrontiert.

Dies lässt sich an einigen aktuellen Beispielen illustrieren:

1. Neue Technologien (NFC) stehen zur Verfügung. Aber: Reaktivierung einer alten Produktplattform (Geldkarte).

2. Der europäische Währungsraum besteht seit 2002. Aber: Es ist nach wie vor kein durchgängiges europäisches Zahlungsverfahren in Sicht (Verkauf von Europay, EAPS, Monnet).

3. Retailbanking und Kartenzahlungsverkehr haben die Finanzmarktkrise unbeschadet überstanden. Aber: Der Kartenzahlungsverkehr steht vor einschneidenden Regulierungen (Interchange am PoS, Preismodelle am GAA).

4. Sicherheit und Missbrauch haben enorme Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit. Aber: Ist die Infrastruktur für ein nachhaltiges industrieweites und marktgerechtes Sicherheitsmanagement ausreichend?

Jahrtausendwende: Wettbewerb statt Konsens

Die Bewältigung solcher Fragen wird maßgeblich durch die etablierten Entscheidungsstrukturen und das dahinter liegende unternehmerische Verständnis bestimmt. Die Zeit bis zum Jahr 2000 war durch das Vorherrschen von Gemeinsamkeit geprägt. Die Entwicklung des Kartenzahlungsverkehrs wurde als Gemeinschaftsaufgabe verstanden, mit dem ZKA als Plattform zur Koordination der durch die Verbände getragenen Arbeit. "Konsens" war das offizielle Paradigma dieser Zeit. (Eckart van Hooven: "Kartengeschäft [...] als Wettbewerbsinstrument einsetzen zu wollen, halte ich nach wie vor für falsch.") Aber schon zu dieser Zeit gab es

mit dem durch die Deutsche Bank unterstützten Start von ELV (1990) zeitgleich mit elcash,

dem offiziellen Start von Visa Deutschland (1993) und der Kündigung der GAA-Vereinbarung (1997) durch den DSGV

Entwicklungen, die in jenen Tagen mit dem Konsensgedanken nur schwer in Einklang zu bringen waren. Nachdem mit der Einführung von electronic cash und der Integration der Eurocard in das Privatkundengeschäft die wichtigsten Grundlagen geschaffen waren, umso schwieriger schien es zu werden, gemeinschaftliche geschäftspolitische Konzepte zu entwickeln und umso mehr gewannen Kräfte die Oberhand, die die bestehende Infrastruktur im Sinne eigener geschäftlicher Interessen nutzen wollten. Die ursprüngliche umfassende Gemeinsamkeit wurde zum Opfer des eigenen Erfolges.

Spätestens seit den europäischen Beschlüssen der Lissabon-Agenda im Jahr 2000 ("Europa soll die wettbewerbsfähigste Region weltweit werden."), die natürlich auch den Zahlungsverkehr einschlossen, konnten einheitliche marktweite Konzeptionen nicht mehr länger das Soll darstellen, sondern der Wettbewerb von Systemen und Lösungen in einem europaweiten homogenisierten und standardisierten Umfeld wurde zum neuen Paradigma.

Also müssen nicht nur aufgrund der gewachsenen geschäftlichen Komplexität, sondern auch wegen des gewandelten europäischen Umfeldes Entscheidungsprozesse und Institutionen überprüft und weiterentwickelt werden, wenn nicht nur tragbare Konzeptionen gefunden, sondern diese auch erfolgreich umgesetzt werden sollen.

Wenn man es spieltheoretisch formulieren will: Ist "Kooperation" oder "Eigenständigkeit" die dominante Strategie? Die Frage ist noch nicht abschließend beantwortet und man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass man sich immer wieder einmal in einer "prisoner,s dilemma"-Situation befindet.

Es ist aufschlussreich, in einer Übersicht Ziele und Ergebnisse wichtiger Projekte ein wenig transparenter zu machen (siehe Tabelle 1). In der ersten Spalte ist die generelle Übereinstimmung des Kreditgewerbes beim Ziel bewertet. Bei den hier genannten Fällen gab es zumindest grundsätzlich weitgehend Übereinstimmung. Bei der Frage, wie dieses Ziel denn erreicht werden sollte, gingen und gehen die Vorstellungen zum Teil schon deutlich auseinander. Daher kann es nicht verwundern, dass der Erfüllungsgrad bei den einzelnen Zielen deutlich abweicht. Insofern spiegelt die Bewertung des jeweiligen Erfüllungsgrades wider, welche Verständnis- und Interessenunterschiede insbesondere bei der Umsetzung bestehen.

Unterschiedliche Interessenschwerpunkte

Die Verdrängung von ELV/OLV durch eccash, die Entwicklung einer europäischen Alternative zu Mastercard und Visa, das Processing, GAA-Entgelte und die Einführung neuer Technologien: Diese fünf Themen decken in den Bereichen "Wirtschaftlichkeit", "Zahlungssysteme", "Transaktionsbank" beziehungsweise "Verarbeitung", "Wettbewerb" und "Innovationskraft" zentrale Felder des Kartenzahlungsverkehrs ab. Je nach Adressat erhält man bei der Frage, wie es denn aussieht beim Soll-Ist-Vergleich, deutlich abweichende Antworten. Die Trennlinie wird vielfach zwischen den drei Ebenen, nämlich dem ZKA/der DK, den einzelnen Spitzenverbänden und dann auch den einzelnen Kreditinstituten zu ziehen sein.

Man könnte dies nun zur Kenntnis nehmen und "zur Tagesordnung übergehen". Aber das wäre nicht angemessen. Es geht beim Kartenzahlungsverkehr um ein Geschäft von großer und wachsender Bedeutung, das alle privaten Kunden und einen wichtigen Teil der Firmenkunden erreicht. Daher stellt sich die Frage zwangsläufig, wessen Antwort am Ende maßgeblich ist beziehungsweise sein sollte. Die Antwort ist naheliegend. Sie wird im wirtschaftlichen und marktpolitischen Ergebnis zu finden sein.

Aber dann kommt man nicht um die Frage herum, welche Schlüsse man aus den Initiativen zu ziehen hat, deren Ergebnisse nicht den ursprünglichen Erwartungen entsprochen haben. Dies ist umso wichtiger, als mit aktuellen Initiativen wie electronic cash 2.0, der Positionierung im Mobile Payment und zu regulatorischen Fragen sowie einer Europäisierung Themen mit nachhaltiger Bedeutung auf der Agenda stehen.

Last but not least: Die operative Qualität und die Wirtschaftlichkeit des Kartengeschäfts hängen maßgeblich vom Processing ab. Ohne eine ausführliche Marktbetrachtung anstellen zu wollen: Können wir mit der Entwicklung der Anbieterseite im größten europäischen Markt zufrieden sein? Ist die bestehende Landschaft das, was eigentlich gefordert wird für die Unterstützung dieses Marktes? Das Kartengeschäft ist neben dem Wertpapiergeschäft eines der wenigen Bankgeschäfte, in dem es einen echten Markt für Verarbeitungsdienstleistungen gibt. Das oft gehörte Stichwort der Industrialisierung von Produktionsprozessen ist hier tatsächlich angebracht.

Schließlich: die Einführung des kontaktlosen Bezahlens. Es hat selten so viel Bereitschaft im Handel bei der Einführung eines neuen Verfahrens gegeben. Aber die aktuelle Einführungsstrategie der Deutschen Kreditwirtschaft lässt noch eine Reihe wichtiger Fragen unbeantwortet. Die Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (ZfgK) hat denn auch in ihrer Februarausgabe 2012 bereits die Frage gestellt, warum offenbar nur eine Institutsgruppe mit ganzem Herzen hinter dem Projekt zu stehen scheint, während eine sich gar nicht und eine andere nur sehr gebremst, wenn man den Umfang als Kriterium heranzieht, beteiligt. Das Risiko eines Scheiterns des Piloten würde die Akzeptanz des Verfahrens nachhaltig gefährden.

Es ist naheliegend, dass die Deutsche Kreditwirtschaft, die einzelnen Verbände und die Kreditinstitute nicht notwendig die gleichen Maßstäbe anlegen, an denen sie Erfolg und Misserfolg festmachen (siehe Kriterienmatrix in Tabelle 2), und sie müssen wegen ihrer unterschiedlichen Aufgaben auch unterschiedliche Messlatten haben.

Kartengeschäft immer mit Blick auf die G+V

Als Fazit lässt sich festhalten: Kartengeschäft ist nach mehr als 30 Jahren ein reifes Geschäft, mit hoher Marktrelevanz, auf Basis einer etablierten Infrastruktur. Es sollte daher so weit wie möglich wie ein "normales" Geschäft betrieben werden. Das hört sich nach einer fast trivialen Aussage an. Aber einige Dinge verdienen dennoch eine genauere Betrachtung.

Dazu gehört eine klare Differenzierung von Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten. Es ist zu trennen zwischen Investitionen in Infrastruktur inklusive Standards und rechtlichem Rahmen einerseits und Investitionen in Strategien, Produkten und Leistungen andererseits. Die Verantwortung für die G+V muss einhergehen mit der Kompetenz, auch die dafür notwendigen Entscheidungen zur Strategie und Umsetzung treffen zu können.

Dies hat eine einfache Konsequenz: Kartengeschäft muss, wenn es als Leistung gegenüber dem Markt, und das ist der Privatkunde und der Handel, erfolgreich platziert werden will, konsequent als unternehmerisches Engagement verstanden werden, das heißt auch mit den vollen und unmittelbar in der G+V spürbaren Konsequenzen. Der Blick auf die Kriterienmatrix deutet an, wo es sich in erster Linie um Infrastruktur und Standards handelt und wo es um Marktleistungen mit Wettbewerbsinteressen geht. Daraus leiten sich die Notwendigkeit und der Ansatz für die Überprüfung des Rollenbildes für die Parteien im Kartengeschäft ab.

Wenn man also ein Fazit ziehen möchte, dann vielleicht in dieser Form: Das Kreditgewerbe (ZKA/DK) war erfolgreich in der Etablierung einer leistungsfähigen Infrastruktur inklusive Standards für den Kartenzahlungsverkehr. Es war ebenfalls erfolgreich in der Bereitstellung einer "Erstausstattung" an Produkten und Leistungen. Es kann weiterhin gemeinschaftlich erfolgreich sein, wenn es sich auf die Setzung von Standards und Infrastruktur sowie von rechtlichen/formalen Rahmenbedingungen konzentriert.

Zwischen Gemeinsamkeit und unternehmerischem Antritt

Marktleistungen über Gemeinschaftseinrichtungen einführen zu wollen, ist in entwickelten Märkten mit Risiken verbunden. Die direkte Anbindung an den Markt, der letztlich als Steuerungsinstanz fungiert, ist letztlich nicht zu ersetzen. Der Prozess, der zu Gemeinschaftslösungen führt, unterliegt nicht den gleichen Erfolgskriterien wie ein kundengetriebener Prozess. Benötigt werden also einerseits ein einheitliches Verständnis über Umfang und Grenzen der Gemeinsamkeit und andererseits ein unternehmerischer Antritt bei allen marktrelevanten Leistungen mit voller G+V-Verantwortung. Dies sollte einhergehen mit einer Prüfung und gegebenenfalls Anpassung der hierfür benötigten auch institutionellen Strukturen und Prozesse.

Nach der ersten technischen Innovationsphase in den neunziger Jahren befinden wir uns mit dem Entstehen der Onlineoder digitalen Gesellschaft nun in einer zweiten technischen Innovationsphase. Diese Herausforderung ist angesichts des neuen Wettbewerbs und der neuen Anbieter nur mit dafür angemessenen Strukturen zu bewältigen. Jede Bank und jede Bankengruppe wird auf diese Frage eine aus ihrer Sicht markt- und strukturgerechte Lösung zu finden haben. Jedenfalls liegen genügend Erfahrungen aus den vergangenen 30 Jahren vor, um die jeweils nötigen Schlüsse ziehen zu können.

Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag auf dem Bankkartenforum 2012.

Laurenz Kohlleppel , Mitglied des Aufsichtsrates, GBS Software AG, Karlsruhe / Frankfurt am Main
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