Weichenstellungen im Kartengeschäft

Der Kartenmarkt bis 2015: Kartengesellschaften sind die Gewinner

Der deutsche Payment-Markt steht aktuell vor einem Umbruch: Von regulatorischer Seite sind die Höhe der Interchanges für Mastercard und Visa sowie das ELV-System in seiner Gänze bedroht. Gleichzeitig wird über die Einführung und Weiterentwicklung neuer Schemes nachgedacht, etwa Monnet, Payfair oder electronic cash 2.0. Zudem haben kontaktloses und mobiles Bezahlen das Potenzial, Payment auch für Verbraucher um einen "Erlebniswert" zu bereichern und die Verdrängung des Bargelds zu beschleunigen.

Aufbauend auf der Historie ab 2004 werden diese Einflüsse nachfolgend unter sucht und bewertet, um einen Ausblick auf die Entwicklung des deutschen Payment-Marktes bis 2015 zu geben. Abschließend werden die Implikationen für die Beteiligten abgeleitet.

Im Jahr 2010 wurde in Deutschland ein Umsatz von 197 Milliarden Euro über Debit- und Kreditkarten abgewickelt. Diesen Umsätzen stehen Revenue-Pools der beteiligten Dienstleister im Issuing, Processing, Acquiring und Netzbetrieb von etwa 1,7 Milliarden Euro - zum Teil mit sehr hohen Margen - gegenüber.

Bezüglich der Intensität der Kartennutzung in Deutschland besteht noch deutliches Wachstumspotenzial - insbesondere im Vergleich zu unseren Nachbarn in Nord- und Westeuropa. So kommen Debit- und Kreditkarten hierzulande jährlich etwa 30 Mal pro Einwohner zum Einsatz und damit nur halb so häufig wie im europäischen Durchschnitt. Im skandinavischen Raum - den europäischen Spitzenreitern - wird sogar jeden zweiten Tag mit einer Karte gezahlt.

Bei alledem ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Payment-Markt1) zweiseitig strukturiert (das heißt Akzeptanz und Ausgabe von Karten) und damit deutlich weniger volatil und dynamisch in seiner Entwicklung ist, als es einseitige Märkte sind. Damit sich Veränderungen in diesem Umfeld durchsetzen, müssen sich diese einerseits auf der Akzeptanzseite für Händler rechnen und andererseits müssen auch Verbraucher ihr Verhalten entsprechend ändern.

In den letzten Jahren wurde der deutsche Payment-Markt von drei wesentlichen Effekten beeinflusst, die das hohe Wachstum des Gesamtmarktes von jähr lich zehn Prozent zwischen 2004 und 2007 und den Rückgang auf die historisch normale Wachstumsrate von fast sechs Prozent in den Folgejahren erklären:

Die Einführung des electronic-cash-Verfahrens durch die großen Discounter hat zu einem deutlichen Wachstum der kartenbasierten Transaktionen geführt das Volumen der ec-Transaktionen hat sich in diesem Zuge zwischen 2004 und 2008 verdoppelt.

Die zum Teil deutliche Preisführerschaft des ELV-Acquiring (eigenes Risikomanagement und Übernahme des Ausfallrisikos der Lastschrift durch ausgewählte Netzbetreiber) konnte den Verlust von Marktanteilen verlangsamen - das absolute Transaktionsvolumen wurde konstant gehalten.

Die internationalen Kreditkartenschemes Mastercard und Visa haben nur wenig von den intensiven Werbemaßnahmen und Produktplatzierungen durch die Issuer profitiert und entwickelten sich langsamer als der Gesamtmarkt. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, dass Kreditkarten mit "Revolving Credit" als intransparent empfunden werden und sich daher bisher kaum gegen etablierte Konkurrenzprodukte aus Gehaltskonto, Dispokredit und ec-Karte durchsetzen konnten. Zum anderen leidet die Kreditkarte in weiten Bevölkerungsschichten weiterhin an einem grundsätzlichen Akzeptanzproblem.

Kontaktloses und mobiles Zahlen als Wachstumstreiber

Die seit 2007 bestehende Wachstumsrate des Transaktionsvolumens von fast sechs Prozent pro Jahr entspricht dem Langzeittrend in Deutschland und setzt sich zu gleichen Teilen aus Inflation und Verdrängung des Bargeldanteils durch kartenbasierte Zahlungen zusammen.

Für die kommenden Jahre ist von einem Anstieg des jährlichen Marktwachstums auf knapp acht Prozent auszugehen. Das zusätzliche Wachstum wird von einer leichten Verteuerung der Bargeldhaltung getrieben, die durch die Reduktion von aktuell 47 auf zukünftig nur 34 Bundesbankfilialen bis Ende 2012 und die Anhebung der Mindestabnahmemengen bei der Bundesbank absehbar wird. Außerdem treiben die kontaktlosen und mobilen Bezahltechnologien, die im Bereich der Micropayments neue Marktsegmente erschließen, die Zahl der kartenbasierten Zahlungen in die Höhe.

Die nachfolgende Untersuchung verschiedener Zahlverfahren gibt Aufschluss über die Details der Entwicklungen im Payment Markt - dabei werden etablierte und neue Zahlverfahren berücksichtigt. Aufgrund der zweiseitigen Struktur des Marktes haben die etablierten Zahlverfahren dabei eine besonders gute Ausgangsposition.

ELV: Auslaufschutz bis 2016

Das elektronische Lastschriftverfahren ist mit unterschiedlichen Bedrohungen konfrontiert: Seitens der Banken wird seit längerer Zeit kritisiert, dass es Leistungen der Bankwirtschaft ohne Vergütung in Anspruch nimmt und Opportunitätskosten durch die Verdrängung anderer Zahlver fahren verursacht. Zudem sind das ELV und insbesondere das Risikomanagement im ELV-Acquiring im dritten Quartal 2010 mit starker medialer Präsenz in die Kritik der Datenschützer geraten. Zwar haben die EU-Kommission und die EZB mit dem Februar 2014 ein finales Enddatum für das Verfahren festgelegt, dieses wurde nach Aussage der Bundesbank jedoch wieder bis 2016 verschoben.

Hintergründe für diesen Bestandsschutz sind vielfältig: Das ELV dient als Backup-Lösung für electronic cash, wird vom Bundeskartellamt als wettbewerbsfördernde und vom Handel zum Teil als kostengünstigere Alternative zu electronic cash und den internationalen Debit-Verfahren angesehen. Aufgrund des aktuellen regulatorischen Umfelds ist davon auszugehen, dass das elektronische Lastschriftverfahren somit erst im Jahr 2016 terminiert werden wird. Ein vergleichbar günstiges Nachfolgeverfahren, wie vom Bundestag verlangt, ist aktuell nicht absehbar.

Wachstumsphase für Mastercard und Visa - vor allem im Debitgeschäft

Im Gegensatz dazu stehen die internationalen Kreditkartenschemes Mastercard und Visa vor einer stärkeren Wachstumsphase. Seit einigen Jahren läuft eine Beschwerde des Handels gegen die Höhe der Interchange vor dem Bundeskartellamt. Ebenso wie in Australien, Spanien, der Schweiz und auf europäischer Ebene für Cross-border-Transaktionen ist die Absenkung der domestischen Interchange nicht unwahrscheinlich. Dies würde binnen kürzester Zeit ebenso zu einer Absenkung der "Merchant Service Charge" und damit zu einer Verbesserung der relativen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Zahlverfahren aus Händlersicht führen und das Wachstum der Kreditkartennutzung beschleunigen. Denkbar wäre bei spielsweise, dass nach Rewe und einigen Edeka-Märkten auch weitere Supermärkte und Discounter sowie Möbel- und Elektronikmärkte Kreditkarten akzeptieren.

Das stärkste relative Wachstum der nächsten Jahre ist für die internationalen Debit-Schemes Maestro und V-Pay zu erwarten. Sowohl die Möglichkeit der Institute, nun auch andere Debit-Verfahren auf ihren ec-Karten zu priorisieren, als auch der Rückgang des ELV und das intensive Marketing gegenüber Konsumenten, Händlern und Issuern wird das Wachstum antreiben. Bereits heute ist zunehmend die Ausgabe von Bezahlkarten zu beobachten, die ausschließlich das Maestro oder V-Pay Logo tragen. Dieses emanzipiert sich dadurch von einer Backuplösung mit überschaubarem Volumen zu einem auch mengenmäßig relevanten Bezahlverfahren. Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass Händler eine willkommene Abwechselung zum electronic-cash-System gegenüber der DK (bis August 2011: ZKA) befürworten.

Girocard-Verfahren: Wachstumsgrenze erreicht

Das Girocard-Verfahren wird seine dominante Position halten, jedoch relativ kaum weiter ausbauen können. Zwar handelt es sich um ein etabliertes Verfahren, an das sich die Verbraucher seit zwei Jahrzehnten gewöhnt haben, jedoch ist einerseits bereits eine hohe Marktpenetration erreicht, andererseits wird der Verlust der bereits angesprochenen automatischen Priorisierung des ec-Verfahrens auf allen Co-Branded-Karten zu negativen Effekten führen. Die aktuelle Debatte zur Weiterentwicklung des Systems (ec-cash 2.0) ist noch nicht abgeschlossen - mehrere Optionen werden diskutiert. Beispielsweise die Änderung der multilateralen Interchange in eine unilaterale oder die Aufspaltung zwischen ungesicherter Transaktion und Zahlungsgarantie.

Insbesondere die Komplexität, die sich für den Handel durch die Festsetzungsmacht jeder Bank für ihre individuelle Interchange in einem unilateralen System ergeben würde, ist aktuell nicht absehbar. Das Bundeskartellamt hat sich zuletzt über das laufende Verfahren dahingehend geäußert, dass große Handelspartner direkt mit den großen Verbänden Entgelte verhandeln müssen (und können), während für kleine Marktteilnehmer diese Tätigkeit durch Aggregatoren erfolgen könnte - diese Rolle würde Netzbetreibern zukommen - jedoch mit der absehbaren Konsequenz, dass große Netzbetreiber bessere Konditionen für ihren Händlerbestand erzielen und damit die Konsolidierung der aktuell 20 Netzbetreiber weiter beschleunigen werden. Insgesamt wird sich die Bedeutung der nationalen Bezahlverfahren auf Fünf-Jahressicht eher abschwächen, während die internationalen Verfahren von Mastercard und Visa an Bedeutung gewinnen.

Sepa: EAPS und Monnet stagnieren

Als Gegengewicht zu diesem Trend fordert die EU seit längerem ein neues europäisches Zahlverfahren. Mittlerweile haben sich EAPS, Monnet und Payfair positioniert. Mit gewissen Einschränkungen könnte auch das Sepa Direct Debit (SDD) Verfahren in Betracht kommen. Die Umsetzung dieser Initiativen gestaltet sich jedoch relativ schwierig, weswegen mit dem Erreichen einer relevanten Marktposition innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht zu rechnen ist.

Das EAPS-Verfahren (European Alliance of Payment Schemes) funktioniert wie eine europäische Kopfstelle über den nationalen Kopfstellen ("scheme of schemes"), die die jeweiligen domestischen Debit-Transaktionen von einem Land in das nächste routet und interoperabel macht. Problematisch sind jedoch die unterschiedlichen Preisniveaus und Wertschöpfungstiefen der beteiligten Schemes, Acquirer und Issuer, die die Komplexität der bilateralen Vereinbarungen immer weiter erhöhen. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass EAPS bisher deutlich geringere Volumina im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr abwickelt als in der grenzüberschreitenden Nutzung von Geldautomaten, bei denen weniger Parteien involviert sind. Da die bilaterale Komplexität im EAPS-System mit jedem Mitglied ansteigt, ist es unwahrscheinlich, dass EAPS noch deutliche Wachstumsschübe bevorstehen. Vor diesem Hintergrund scheint auch das Ausscheiden einiger Gesellschafter das sinkende Interesse an diesem Projekt zu symbolisieren. Gegebenenfalls wäre hier die effiziente Hub-and-Spoke Architektur, die Eufiserv für sein ATM-Netz nutzt, eine denkbare Alternative.

Im Rahmen der Monnet-Initiative wur den und werden unterschiedliche Modelle diskutiert - beispielsweise der Kauf eines anderen Schemes, die schrittweise Fusion verschiedener nationaler Schemes oder ein kompletter Neuaufbau. Ähnlich wie bei der EAPS-Initiative wird die Weiterentwicklung von Monnet durch die heterogenen Interessenlagen der beteiligten Parteien gehemmt. Kritikpunkte sind beispielweise die unter schiedlichen Wertschöpfungstiefen, Ertragsniveaus und Beiträge zu den Größenvorteilen. Dass die beteiligten Institute nicht bereit sind, Investitionen in Höhe von 1,7 bis 2,5 Milliarden Euro zu tätigen ohne das zukünftige Erlösniveau (Interchange) zu kennen, ist nachvollziehbar. Ebenso nachvollziehbar ist aber auch, dass die EU-Kommission nicht bereit ist, dazu verlässliche Zusagen zu geben - auch vor dem Hintergrund der aktuellen Beschwerde von Mastercard gegen die EU-Kommission. Vor dem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass das Monnet-Projekt in absehbarer Zeit in die Umsetzung geht.

Payfair hat in den letzten Jahren für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt und erhält unverändert starke Rückendeckung durch die EU. Die enormen Investitionen, die zur Lösung des "Henne-Ei-Problem" erforderlich wären, lassen jedoch vermuten, dass sich Payfair mittelfristig auf attraktive Nischen in ausgewählten Märkten und Anwendungsbereichen konzentrieren wird. Erste Projekte in Belgien sind in Betrieb, weitere vielversprechende Ansätze gibt es in Osteuropa und dem nahen Osten.

An unterschiedlichen Stellen wird die Möglichkeit diskutiert, Sepa Direct Debit nicht nur als Nachfolger der deutschen Lastschrift, sondern auch als Alternative zum ELV-Verfahren weiter zu entwickeln. Die Architektur des Systems ist für kartenbasierte Zahlungen momentan jedoch nur bedingt einsetzbar: Doppelte Mandatierung, langer Zeitraum bis zur Valutierung und die erforderliche Angabe von Name und Adresse des Zahlenden sind einzeln jeweils lösbare Probleme. Aktuell sind jedoch weder eine Lösung dieser Herausforderungen noch eine Klärung der zu erwartenden Gebührenstruktur absehbar, sodass das SDD-Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit bis 2015 keine Bedeutung als Zahlungsverfahren erlangen wird.

Der deutsche Payment-Markt wird bis 2015 um 55 Prozent wachsen. Die Re-venue-Pools steigen auf etwa 2,3 Milliarden Euro und werden dabei über durchschnittlich stark von den internationalen Schemes getrieben. Für die am Markt Beteiligten ergeben sich folgende Effekte:

Auswirkungen auf die Beteiligten in Deutschland

Die Transaktionsvolumina verschieben sich von den domestischen Zahlungsverfahren zu den internationalen, ohne dass es bis 2015 gelingt, eine relevante europäische Alternative zu etablieren. Mastercard und Visa werden die Gewinner der nächsten Jahre sein. Für Issuer von Debit-Karten werden sich die Revenue-Pools ebenfalls positiv entwickeln, da sie vom Marktwachstum und vom leichten Rückgang des elektronischem Lastschrift-Verfahrens profitieren.

Die Entwicklung der Revenue-Pools von Kreditkartenissuern hängt neben der Jahresgebühr wesentlich von der Entwicklung der Interchange-Einnahmen ab. Für diese besteht eine negative Wachstumsprognose. Für einige Portfolien besteht daher die Gefahr, unprofitabel zu werden. Sie leiden teilweise an einer zu geringen Penetration einer ohnehin kleinen Zielgruppe und nicht-optimalen Pricing-Strukturen.

Die Revenue-Pools von Acquirern werden mit den internationalen Schemes weiter wachsen und von der Absenkung der Interchange profitieren, da hierdurch das Wachstum weiterer Akzeptanzstellen angeregt wird. Reine Netzbetreiber müssen sich zu Acquirern entwickeln, wenn sie von den internationalen Schemes profitieren und nicht unter dem Rückgang von ELV und dem nur geringen Wachstum des ec-Verfahrens leiden wollen.

Anmerkung:

1 Im zugrunde liegenden Modell werden alle kartenbasierten card-present / card-not-present Transaktionen zum Paymentmarkt gerechnet. Dazu zählen electronic cash, Elektronisches Lastschriftverfahren sowie die internationalen Kredit- und Debit-Schemes Mastercard und Visa sowie Maestro und V-Pay. Wegen des geringen Marktanteils wurden American Express und Diners Club nicht berücksichtigt. In die Revenue-Pools der Issuer wurden zusätzlich die Jahresgebühren der Kartenbesitzer sowie die Zinserträge aus revolvierenden Kreditkarten einbezogen.

Steven Jacob , Partner, Arkwright Consulting, Hamburg
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