USA

Mastercard und der Chip: zwiespältige Wahrnehmung

Das Problem, dass US-amerikanische Karteninhaber mit ihren Magnetstreifen im Ausland zunehmend auf Akzeptanzprobleme stoßen, ist auch bei Mastercard bekannt. Der Lösungsvorschlag davon betroffener Mastercard-Mitarbeiter, denen das an französischen Autobahn-Mautstationen passierte, ist denkbar einfach: Die Kartenorganisation solle doch darauf hinwirken, dass an den Terminals künftig auf Chip-Abfrage verzichtet werde. So einfach kann die Welt aus Sicht der USA manchmal sein.

Diese Anekdote zeigt: Das Thema Chip ist für weite Teile der US-Kartenbranche in erster Linie ein Ärgernis. Die Umstellung der im Vergleich zu Europa zweifellos noch wesentlich dichteren Karteninfrastruktur ist mit erheblichen Anstrengungen verbunden. Und für eine Nation, die es gewöhnt ist, international den Ton anzugeben, ist es zweifellos schwer verdaulich, diese Investitionen zu stemmen, nur um dem Rest der Welt zu folgen - noch dazu in einer Zeit, in der das Kartengeschäft den Emittenten weit weniger Freude macht als noch vor wenigen Jahren und in der sich mit der Interchange-Regulierung eine ganz neue, ärgerliche Baustelle auftut.

US-Kommunikation wiegelt ab

Was für die Mastercard-Repräsentanten in Europa eine gute Nachricht ist, ist somit für die Öffentlichkeitsarbeit in den USA ein Thema, zu dem man sich nur ungern äußert. Die Technologiefrage ist negativ besetzt, weil sie zunächst einmal vor allem eines bedeutet: Kosten.

Die Kommunikation zum Thema ist entsprechend defensiv. Aktive Kommunikation zur Einführung der Liability-Shift für inter-regionale Maestro-Transaktionen an Geldautomaten zum 19. April 2013 in den USA und der Region Asia-Pazifik gibt es deshalb nicht. Und nur mit Mühen ringt sich die Kartenorganisation in den USA ein knappes, wenig aussagekräftiges Statement ab (siehe Kasten). Statt den auf wachsenden internationalen Druck hin notwendig gewordenen Schritt aktiv als Fortschritt zu vermarkten, wie es der Wettbewerber Visa tut, wird er eher kleingeredet: Kein Geldautomatenbetreiber werde gezwungen, seine Geräte zum Stichtag auf EMV-Chip umzurüsten. Es gebe eben lediglich die Haftungsumkehr im Betrugsfall. Alles Weitere (sprich: Ausdehnung auf Mastercard-Transaktionen beziehungsweise den PoS) werde nur in enger Abstimmung mit allen Beteiligten geschehen.

Angesichts der inzwischen massiv festzustellenden Fraud-Migration, gerade in die USA, ist diese scheinbare Entwarnung freilich pure Theorie. Wachsende Betrugsschäden durch Übernahme der Haftung werden vermutlich indirekt doch den Druck zur Umstellung der Geräte auf die neue Technologie verstärken. Und wenngleich das nicht offiziell kommuniziert wird, soll doch im Dialog mit Kunden darauf hingewirkt werden, dem Technologiewechsel mehr Priorität einzuräumen.

Keine Incentives für die Umrüstung von Geldautomaten

Finanzielle Anreize zur Einführung der neuen Technologie, wie sie bei echten Neuheiten nicht unüblich sind, sind dabei bislang nicht geplant. Denn der Einbau von Chiplesern ist nun einmal keine wirkliche Innovation mehr. Der Verzicht auf Incentives ist insofern ein indirektes Eingeständnis, dass die USA in Sachen Chip nicht Vorreiter, sondern Nachzügler sind.

Allerdings will man die Betreiber von Geldautomatennetzen dabei unterstützen, ihr künftiges Haftungsrisiko besser einzuschätzen und sie über technische Möglichkeiten zur Skimming-Prävention informieren.

Die Frage, in welchem Maße damit zu rechnen ist, dass Geldautomatenbetreiber ihre Geräte (vorübergehend) für die Maestro-Akzeptanz sperren, beantwortet Mastercard nur ausweichend: mit dem Hinweis nämlich, dass viele Geldautomaten von Banken betrieben werden, die zugleich Karten herausgeben. Und in diesem Kontext verweist man darauf, dass auch die Emittenten von der verbesserten Sicherheit profitieren werden.

Keine "Me-too"-Strategie

Keinesfalls will Mastercard die Ankündigung vom 1. September als Reaktion auf die Ankündigung von Visa verstanden wissen, in den USA die Umstellung auf den Chip zu forcieren. Selbstredend waren die Pläne zur Einführung der Haftungsumkehr lange vor dem 9. August 2011, als Visa an die Öffentlichkeit ging, in Vorbereitung, wenn auch offenbar doch noch nicht spruchreif. Von der Visa-Entscheidung, die Chiptechnologie am PoS voranzutreiben, will man sich deshalb nicht unter Zugzwang setzen lassen. Eine Ausdehnung der Haftungsumkehr auch auf den PoS werde unter Einbeziehung der Interessen aller Beteiligten, also Emittenten, Acquirer und Händler, geprüft, heißt es dazu knapp.

Und auch die Begrenzung allein auf Maestro-Transaktionen, so hört man zwischen den Zeilen, ist vermutlich nur eine vorübergehende. Bei Maestro-Karten ist die Skimming-Problematik schlicht größer. Deshalb wird hier der Anfang gemacht im Bewusstsein, dass dies nur der Beginn künftiger Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung sein kann.

Aus europäischer Sicht zweifellos das wichtigste Argument ist eine Verbesserung der Marktposition von Maestro im Vergleich mit V-Pay. Hauptargument für das europäische Visa-Debitprodukt ist aus Sicht von Banken, die ihr Debitportfolio auf V-Pay umstellen, schließlich das de-facto-Ausschalten des Betrugsrisikos beziehungsweise der Skim-ming-Problematik dank Chip & PIN.

Wichtiges Argument im Wettbewerb mit V-Pay

Das gleiche Sicherheitsniveau kann Maestro zwar auch nach dem Inkraftttreten der Haftungsumkehr in dem Land, in dem Kartendubletten außerhalb Europas mittlerweile am häufigsten eingesetzt werden, nicht bieten, solange noch der Magnet streifen auf der Karte ist. Der Wettbewerb hierzulande dürfte aber doch neu beflügelt werden. Denn es ist zu erwarten, das die Betrugsverluste mit Maestro-Karten ab 2013 zumindest spürbar zurückgehen. Und dann müssen sich Emittenten nicht mehr zwischen Sicherheit und weltweiter statt europaweiter Akzeptanz entscheiden und Mastercard kann den globalen Ansatz von Maestro im Wettbewerb wieder in die Waagschale werfen (immer vorausgesetzt, dass V-Pay bis dahin noch ein rein europäisches Produkt ist).

Diese Botschaft wollen die europäischen, namentlich die deutschen Mastercard-Repräsentanten, Banken und Sparkassen nur zu gern vermitteln. Dass sich das Frankfurter Büro zum Thema Chip in den USA deshalb deutlich gesprächsbereiter zeigt als die Kollegen jenseits des Atlantiks ist insofern nur zu verständlich.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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