Elektronische Geldbörse

Quo vadis Geldkarte?

Mit der Einführung der Geldkarte im Jahr 1996 hat die Deutsche Kreditwirtschaft erstmals eine praktikable Lösung zur bargeldlosen Bezahlung kleinerer Beträge angeboten. Damals ein mutiger Schritt, da Deutschland seit jeher ein Land der Barzahler ist. So lag der Anteil des kartengestützten Umsatzes im Handel laut Erhebung des EHI Retail Institutes bis 1996 noch unter der Grenze von zehn Prozent.

Auch heute machen die Deutschen ihrem (Bargeld-)Ruf noch alle Ehre. Während im Ausland die Kartenzahlung längst zum Standard gehört, bezahlen die Deutschen weiterhin mit Vorliebe bar. Dies gilt insbesondere für kleinere Beträge, was die Geldkarte-Nutzung nicht gerade zum Selbstläufer macht. Aber auch hierzu lande ist eine stetige, wenngleich zögerliche Abnahme des Bargeldanteils im Einzelhandel ersichtlich. 2012 stieg der Anteil der Kartenzahlung erstmals über 40 Prozent.

Karte versus Mobiltelefon?

Die gute alte Kartenzahlung, die sich bei den Bundesbürgern auf Dauer doch noch zu etablieren scheint, ist in den Augen mancher Experten jedoch längst überholt. Mit NFC und Bluetooth Low Energy wird das Bezahlen mit dem Handy und damit das Aus der klassischen Geldbörse beschworen. Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass die deutschen Verbraucher neue Bezahllösungen genau unter die Lupe nehmen, bevor sie diese nutzen. Das electronic-cash-System ist heute in Gestalt der Girocard der "K(l)assen-Beste" und mit mehr als zwei Milliarden Transaktionen pro Jahr das erfolgreichste Kartenzahlverfahren in Deutschland. Dennoch dauerte es nach der Einführung Mitte der neunziger Jahre ein halbes Jahrzehnt, bis rechnerisch jeder Deutsche nur einmal im Jahr auf diese Weise eine Rechnung beglich.

Die Geldkarte hatte ihre Stärken von Beginn an am Automaten, wo Bargeldhandling besonders aufwendig ist und hohes Vandalismusrisiko besteht. Aufgrund des Prepaid-Systems des Chips, mit dem zum Bezahlen auf eine Online-Verbindung verzichtet werden kann, liegen die Vorteile für den Vendingbereich, für kleinere Akzeptanten oder bei Events auf der Hand. Insgesamt 420 000 Geldkarte-Akzeptanz stellen gibt es heute deutschlandweit. Dafür sind mehr als 92 Millionen Geldkarten im Umlauf - was rund 99 Prozent aller Girocards sowie Kundenkarten von Banken und Sparkassen entspricht.

Allerdings hängt die Nutzung unabdingbar vom vorherigen Laden des Chips ab, was in der Vergangenheit leider nur am Geldautomaten oder an speziellen Ladeterminals möglich war. Ein Aspekt, der im Zweifel dazu führte, dass bei nicht ausreichendem Guthaben automatisch auf eine andere Bezahlmöglichkeit zurückgegriffen wurde.

Neue Wege zum Ziel

Derartigen Herausforderungen begegnet die Deutsche Kreditwirtschaft in Zusammenarbeit mit Terminalherstellern, Netzbetreibern, Handelspartnern und vielen weiteren Unternehmen mit immer neuen Innovationen, die den Einsatz des Chips für Kunden, Händler und alle bei der Abwicklung der Zahlung beteiligten Unternehmen noch praktikabler machen. Ein großer Schritt war die Entwicklung der Kontaktlostechnologie, die bereits 2009 im Stadion des Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen Einzug hielt. Mit der Einführung von Girogo wurde die innovative Bezahlfunktion dann auch flächendeckend in der Region Hannover, Braunschweig, Wolfsburg pilotiert und weiter auch national ausgebaut.

Im Kern ergänzt Girogo die bestehende Geldkarte-Lösung um die Bezahlfunktion durch reines Vorhalten der Karte. Gleichzeitig wurde beim teilnehmenden Handel jedoch die Option geschaffen, Sparkassen-Cards auch via Abo-Laden oder mittels PIN-Eingabe direkt am PoS zu laden. Eine klare Komfortsteigerung, die von Kundenseite positiv angenommen wurde. Dem kommt das Laden gegen Bargeld hinzu, was zum Beispiel in den Stadien erfolgreich zum Einsatz kommt.

Auch profitiert der Handel von der Entwicklung einer virtuellen Händlerkarte, mit der kein Austausch der physischen Karte mehr nötig ist. Endet die Laufzeit der virtuellen Händlerkarte, kann sie nunmehr automatisch online ausgetauscht werden und ist danach sofort einsatzbereit. Möglich ist das bereits bei einem Netzbetreiber und zwei Terminalmodellen. Weitere befinden sich in der Umsetzung. Vor allem große Filialisten sparen damit eine Menge Verwaltungsaufwand und können das System deutlich einfacher in den laufenden Betrieb integrieren.

Auch der sogenannte Konzentrator der Euro Kartensysteme bietet zusätzliche Entwicklungspotenziale. Die Deutsche Kreditwirtschaft hat auf diese Weise eine Möglichkeit geschaffen, das Laden stärker zu dezentralisieren und somit eine günstige Ladeinfrastruktur in Sport- und Eventstätten, Mensen und Kantinen, Firmen und Universitäten und in vielen weiteren Einsatzbereichen zu schaffen. Mit Hilfe des Konzentrators kann also zum Beispiel auch eine Schule ein Ladeterminal betreiben, wo zuvor nur eine Bank oder Sparkasse diesen Part übernehmen konnte.

Multifunktional zu weiteren Schlüsselanwendungen

Nicht zuletzt wurden auch Anwendungen im Hinblick auf die Multifunktionalität des Chips über das reine Bezahlen hinaus etabliert. Durch die Ticketingfunktion wurde beispielsweise Stadionbetreibern und Veranstaltern ermöglicht, Einlass und Bezahlung zu bündeln und somit organisatorischen Aufwand zu reduzieren. Auf diese Weise entstehen nach und nach neue Schlüsselanwendungen, die eine weitere Attraktivitätssteigerung für Händler und Verbraucher bewirken.

Generell stellen innovative Schlüsselanwendungen im Bereich der Aufladung einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar, um das kontaktlose Bezahlen auch außerhalb des Stadions erfolgreich zu etablieren. Abo-Laden und Laden gegen PIN am PoS sind Beispiele dafür.

Als besonders erfolgversprechende Entwicklung zeigt sich auch die Einführung des Aufladens der Geldkarte und von Girogo am Pfandautomaten. Die neue Funktionalität verspricht noch mehr Service am Kunden, da das Pfandgeld nicht mehr via Bon an der Kasse ausbezahlt oder gegengerechnet werden muss. Das Guthaben wird direkt am Automaten auf die eigene Geldkarte geladen und kann in der Folge zu einem beliebigen Zeitpunkt verwendet werden. Erste Prototypen existieren bereits und erweisen sich als vielversprechend.

Entwicklung stabilisiert

Viele dieser Innovationen haben zuletzt erkennbar zur Stabilisierung der Geldkarte-Entwicklung beigetragen. So bezahlten die Verbraucher 2013 mehr als 118 Millionen Euro mit der Geldkarte. Der durchschnittliche Transaktionsbetrag lag bei 3,14 Euro und damit zehn Cent höher als 2012.

Diese Steigerung des Durchschnittsbetrags liegt vor allem an der veränderten und erweiterten Akzeptanzstellenstruktur durch Girogo. Während die kontaktbehaftete Zahlung vorwiegend im Automatenbereich zum Einsatz kommt, kann kontaktlos beispielsweise auch im Supermarkt bezahlt werden, wo der "Durchschnitts-Bon" mit Girogo bei etwa sieben Euro liegt.

Im Alltagsgeschäft nachhaltig fördern

Fortschritt, Innovation und attraktive Zusatzfeatures bilden jedoch nur eine Seite der Medaille. Die Entwicklung der Geldkarte und von Girogo muss auch im Alltagsumgang nachhaltig begleitet und gefördert werden. Die deutschen Verbraucher benötigen ihre Zeit, wollen ausreichend informiert werden und müssen sich rundum sicher fühlen, damit ein Bezahlsystem zur tagtäglichen Gewohnheit wird. Positiv in diesem Zusammenhang ist natürlich die Tatsache, dass den Bezahllösungen der Deutschen Kreditwirtschaft ein sehr hohes Vertrauen entgegengebracht wird.

Entscheidend ist also, die Verbraucher in ihrer Realität abzuholen. Und die Realität sieht so aus, dass Innovationen im Bezahlumfeld nur dann eine dauerhafte Chance haben, wenn sie nicht nur praktisch und modern sind, sondern vor allem auch ein sicheres Gefühl vermitteln. So wird die Zukunft des Bezahlens noch längere Zeit in der Karte liegen. Zumal bis dato wohlgemerkt auch eine Zahlung mit dem Handy nicht ohne eine dahinter stehende Karte auskommt.

Gute Aussichten für Girogo

Gerade aufgrund der zuvor genannten Aspekte zeigt sich die bisherige Entwicklung von Girogo als äußerst positiv. Nach knapp zwei Jahren sind rund 16 000 Girogo-fähige Terminals im Markt platziert. Beim electronic-cash-System waren es nach zwei Jahren erst rund 10 000 Terminals in Deutschland.

Zum Ende der Einführung im Dezember 2013 gab es deutschlandweit mehr als 5 500 Akzeptanzstellen. Stand März 2014 sind es sogar schon knapp 8 300. Das entspricht einem Zuwachs von über 50 Prozent in nur drei Monaten. Dabei zeichnet sich ab, dass innerhalb der bereits etablierten Akzeptanzstellen eine zunehmende Vielschichtigkeit vorherrscht: Vom Traditionsbäcker über den Tierarzt bis hin zur Handelskette ergibt sich somit ein breites Anwendungsspektrum und damit ein dauerhafter Mehrwert für den Anwender.

Auch in Zukunft werden die deutschen Verbraucher weiter ihr Vertrauen in die Deutsche Kreditwirtschaft und deren Produkte wie die Geldkarte und Girogo setzen. Das belegt unter anderem eine jährliche repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Initiative Geldkarte e.V.

Die zuletzt im Juli 2013 durchgeführte Studie unter 1 583 Deutschen zeigt, dass 39 Prozent der Nutzer die Geldkarte beim Parken verwenden, während über ein Drittel der Befragten damit die Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr begleicht. Auch die Zusatzfunktionen des Chips werden gewürdigt: 86 Prozent der Befragten schätzen die Jugendschutzfunktion am Zigarettenautomaten, während 58 Prozent die anonyme Subventionierungsmöglichkeit sozial schwächerer Mitbürger begrüßen.

Diese Zahlen und Ergebnisse zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und sowohl der Geldkarte als auch Girogo eine erfolgversprechende Zukunft bevorsteht. Sicherlich darf man nicht ungeduldig sein und auch nicht nachlassen, was die Aufklärung, Unterstützung und Kommunikation mit allen Beteiligten anbetrifft.

Denn der Paradigmenwechsel von kontaktbehaftet hin zu kontaktlos ist nicht, wie oftmals von namhaften Instituten verkündet, eine "self-fulfilling prophecy", sondern ein langer Fußmarsch. Aber ein gewisser Trend ist schon jetzt erkennbar - und den gilt es mit vereinten Kräften nachhaltig zu bestätigen.

Ingo Limburg , Vorsitzender des Vorstands , Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V.
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