Europa

Sepa und die Subsidiarität: Plädoyer für den Wettbewerb

Die EU-Kommission plant zusammen mit dem EU-Ministerrat und dem Europäischen Parlament eine Verordnung zur verpflichtenden Einführung von einheitlichen Verfahren im Euro-Zahlungsverkehr ("Single Euro Payment Area - Sepa"). Durch die Verordnung müssen zukünftig Euro-Überweisungen und -Lastschriften ausschließlich in europaweit einheitlichen Verfahren durchgeführt werden.

Mit der verkürzt auch "Sepa-Migration-End-Dates-Verordnung" bezeichneten Regulierung müssen alle bisherigen nationalen Überweisungs- und Lastschrift-Verfahren weitgehend innerhalb von zwei Jahren und spätestens innerhalb von fünf Jahren zwangsweise abgeschafft werden. Die Verordnung wird sowohl alle Anbieter (Banken) als auch alle Nutzer (Verbraucher, Mittelstand, Großkunden) von Euro-Zahlungsverkehrsdiensten innerhalb der EU und des gesamten Europäischen Wirtschaftsraumes direkt verpflichten. Es ist geplant, sie möglichst bis Mitte November zu verabschieden und anschließend bis Mitte Februar 2012 in allen Mitgliedssprachen zu veröffentlichen. Danach wird sie in allen Mitgliedsstaaten geltendes Recht sein. Eine weitere Behandlung in den nationalen Parlamenten erfolgt nicht mehr.

Mit der geplanten "Regulation ... establishing ... requirements for credit transfers and direct debits in euros ..." vom 16. Dezember 2010 (zurzeit in der "Trilog-Abstimmungsphase" zwischen EU-Kommission, Europäischem Rat und Europäischem Parlament) werden weitreichende kaufmännische und technische Vorgaben für nationale Zahlungen verbindlich gesetzt.

Für alle Überweisungen und Lastschriften auch innerhalb Deutschlands soll voraussichtlich ab Februar 2014 (beziehungsweise zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung) Folgendes verpflichtend für alle Banken und alle Nutzer gelten.

Kontonummer und Bankleitzahl müssen durch IBAN und BIC ersetzt werden. Ein optionaler Konvertierungsdienst von Banken für ihre Kunden wird nur erlaubt bis maximal 2016 (Ratsvorschlag) - danach nicht mehr! Die heutige deutsche Lastschrift "auf Sicht" muss durch die Sepa-Lastschrift (mit vorher zu sendendem Mandat) ersetzt werden. Das heutige Datenträgeraustausch (DTA)-Format für Überweisungen und Lastschriften muss durch das neue Sepa-XML-Format ersetzt wer den. Das im Handel sehr beliebte ELV-Verfahren muss nach spätestens fünf Jahren beziehungsweise 2016 ersatzlos abgeschafft werden. Heutige internetbasierte Lastschriften (zum Beispiel von Versandhändlern) und telefonbasierte Lastschriften (zum Beispiel von Spendenhotlines) müssen ebenfalls nach spätestens zwei Jahren beziehungsweise 2014 ersatzlos abgeschafft werden.

Durch die Verordnung dürfen de facto nur mehr die Sepa-Verfahren des "European Payment Council" (EPC) genutzt werden. Durch die Verordnung wird dem EPC bei Überweisungs- und Lastschriftverfahren indirekt ein privates Monopol zugewiesen.

Bewertung aus Nutzersicht: wesentliche Verschlechterung

Aus Sicht deutscher Nutzer ergibt sicheine wesentliche Verschlechterung, ohne dass nennenswerte Verbesserungen oder Sicherheitsgewinne ersichtlich werden. Für Überweisungen und Lastschriften innerhalb Deutschlands sind die heutigen Ver fahren für Nutzer einfacher, günstiger und flexibler. Optional ist die Nutzung von Sepa-Verfahren für Inlands- und Auslandszahlungen auch in Deutschland schon länger möglich (Sepa-Überweisungen: seit 2008, Sepa-Lastschriften: seit 2009), wird aber wegen fehlender Attraktivität der Sepa-Verfahren in geschätzt weniger als einem Prozent der nationalen Transaktionen genutzt.

Die im Verordnungstext angeführten 84 Milliarden Euro Einsparungen sind vollkommen aus der Luft gegriffen und zumindest für Nutzer in Deutschland überhaupt nicht relevant. Voraussichtlich werden sich die Zahlungsverkehrskosten durch die komplexeren Prozesse in Deutschland direkt oder indirekt wesentlich verteuern, bei Großkunden vermutlich um mindestens 100 Prozent.

Alle Nutzer müssen bei Überweisungen und Lastschriften eine etwa doppelt so lange Zahlen-Buchstaben eingeben. Der BIC wird in der Verordnung nicht explizit gefordert. Es erscheint jedoch höchst zweifelhaft, ob die im Regulierungstext vorgesehene "IBAN-only"-Regelung von den europäischen Banken innerhalb von zwei Jahren flächendeckend umgesetzt werden kann.

Es sind nach den jetzigen Vorgaben des EPC keine Lastschriften mehr im Einzelhandel (ELV), im Internet und per Telefon möglich. Die Verbraucherrechte bei Lastschrift-Rückgabe verschlechtern sich eventuell, da Lastschriftrückgaben gemäß den EPC Regeln zukünftig immer begründet werden müssen. (Dies ist noch nicht endgültig geklärt.) Der Platz für den "Verwendungszweck" bei Überweisungen und Lastschriften wird wesentlich verkleinert (von zurzeit etwa 400 auf etwa 140 Zeichen).

Die Umstellung aller Zahlungsverkehrs und Kundenverwaltungs-Systeme von Kontonummer/BLZ auf IBAN/BIC erfordert erhebliche Aufwendungen, da sehr viele Subsysteme betroffen sind. (Bei der Deutschen Rentenversicherung wird die politisch vorgegebene Umstellung bei den "einfachen" Überweisungen schon voraussichtlich zwei Jahre dauern.) Ein zwingender Grund oder Sicherheitsgewinn zu einer Zwangsumstellung ist dabei aus Sicht deutscher Nutzer nicht zu erkennen.

Klage beim EuGH?

Nach dem Abschluss der Rats-Verhandlungen im Juni 2011 gab es bisher keine Veröffentlichung der Bundesregierung, weshalb die geplante Verordnung für den deutschen Markt eigentlich zwingend notwendig sei. Es ist daher bis heute nicht geklärt, welcher deutsche Politiker für die in der Bevölkerung und im Mittelstand voraussichtlich äußerst unbeliebte Verordnung die Verantwortung übernehmen wird.

Der Europäische Gesetzgeber will die Verordnung nun möglichst noch im November ohne weitere Konsultationen, auch gegen den Widerstand unter anderem aus Deutschland und Frankreich, möglichst schnell umsetzen. Der Tenor zwischen den Zeilen lautete: "Diesen Preis müssen die deutschen Nutzer zugunsten des Euro leider zahlen." Vor diesem Hintergrund erscheint es offen, ob der Bundestag von seinem neuen Recht nach § 23 (1a) Grundgesetz Gebrauch machen und nach Verabschiedung der Verordnung eine Klage wegen Verletzung des Prinzips der Subsidiarität beim EuGH einreichen wird. Zusätzlich könnten eventuell davon betroffene Unternehmen gemäß §[263] (4) AEUV ("EU-Vertrag seit Lissabon") versuchen, beim EuGH zu klagen - diese erst seit dem Lissabon-Vertrag bestehende Klagemöglichkeit gegen eine EU-Verordnung wäre jedoch europarechtlich voraussichtlich Neuland.

Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip

Bei dieser Verordnung wird zumindest aus Sicht zahlreicher Marktteilnehmer eklatant gegen das Prinzip der Subsidiarität und gegen grundlegende Prinzipien der Ordnungspolitik verstoßen. Unter anderem wird dem EPC indirekt, ohne Ausschreibung, mit dieser Verordnung ein privates Monopol im Bereich der Überweisungs- und Lastschriftverfahren gewährt. Der heutige Wettbewerb zu den besser funktionierenden nationalen Verfahren soll - anders als bei Kartenzahlungsverfahren - ausgeschaltet werden. Nutznießer der Verordnung wären einige international tätige "Wholesale"-Banken und Clearing-Häuser. Leidtragende wären insbesondere alle heutigen Nutzer von Überweisungen und Lastschriften im deutschen Markt.

Bei diesem Thema sollte daher die deutsche Politik die langfristigen Interessen der deutschen Nutzer und nicht die kurzfristigen Interessen von einigen international tätigen, im EPC vertretenen Banken vertreten. Sepa-Verfahren sollten für Nutzer eine "Option im verbesserten Wettbewerb" und kein "Muss aus Brüssel" sein. Die heute verfügbaren Sepa-Verfahren sollten parallel hierzu wettbewerbsorientiert nachgebessert werden, sodass Nutzer in einigen Jahren freiwillig und ohne Zwang auf verbesserte "Sepa 2.0"-Verfahren umschwenken.

Es wäre zu bedauern, wenn bis dahin die heute in Deutschland gut funktionierenden Zahlungsverfahren ohne Not abgeschafft würden und dadurch das Ansehen des Euro bei Verbrauchern und im Mittelstand nachhaltig geschwächt würde.

Nicolas Adolph , Vorsitzender , European Association of Payment Service Providers for Merchants – EPSM e.V., München
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