Perspektiven im Zahlungsverkehr

Der Zahlungsverkehr - Produkt oder doch eher Allgemeingut?

Deutschland ist, gemessen an der Anzahl aller bargeldlosen Transaktionen, der größte und bedeutendste Zahlungsverkehrsmarkt Europas. Im Vergleich zu den anderen Mitgliedsstaaten der EU werden Überweisungen und Lastschriften überproportional genutzt. Im Gegensatz dazu weisen Debit- und Kreditkarten hierzulande einen geringeren Nutzungsgrad auf.

Der Zahlungsverkehr ist in Deutschland durch ein hohes Maß an Effizienz und einen hohen Automatisierungsgrad gekennzeichnet. Durch stringente Standardisierung und Einsatz industrieller Fertigungsprozesse wird eine Quote von fast 100 Prozent in der automatisierten Verar beitung von nationalen Zahlungsverkehrstransaktionen erreicht (Straight Through Processing - STP).

Der traditionell national ausgerichtete Zahlungsverkehr befindet sich allerdings im Umbruch. Nach Einführung des Euro-Buchgeldes im Jahre 1999 und des Euro-Bargeldes im Jahr 2002 wird insbesondere seitens des Euro-Systems als der nächste logische Schritt die Errichtung des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums angesehen. Durch die Schaffung der Sepa soll es in Zukunft zumindest bei den Standard-Zahlverfahren keine Unterscheidung mehr zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Transaktionen in Euro innerhalb der Sepa-Mitgliedsstaaten geben.

Klärungsbedarf bei der Sepa-Lastschrift

m Januar 2008 wurde zunächst das einheitliche europäische Überweisungsverfahren, die Sepa-Überweisung, erfolgreich eingeführt. Ebenfalls seit Januar 2008 werden die Voraussetzungen für den einheitlichen europäischen Kartenmarkt durch die Etablierung des Sepa Cards Framework geschaffen.

Das europäische Lastschriftverfahren, die Sepa-Lastschrift, wurde zum 2. November 2009 umgesetzt und befindet sich somit zurzeit in der Startphase. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung sollten durch die Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Services Directive PSD) in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten geschaffen werden. Allerdings besteht hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auch - und dies ist eine deutsche Besonderheit - der gesetzlichen Umstellung der bestehenden Lastschriftmandate auf Sepa-Mandate noch deutlicher Klärungsbedarf. Ungeachtet dessen ermöglicht das neue Verfahren erstmals sowohl inländische als auch grenzüberschreitende Lastschrifteinzüge in Euro.

Schon mit Beginn des Sepa-Projekts hat sich die Sparkassen-Finanzgruppe als Unterstützer der Initiative positioniert und dabei den Fokus auf ihre wichtigsten Kundengruppen gelegt, den Mittelstand und den Privatkunden.

Sepa als ein immer stärker regulationsgetriebenes Projekt

Aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe birgt die Schaffung der Sepa neben vielen Vorteilen auch Gefahren für die Entwicklungen des Zahlungsverkehrs in der Zukunft. Insbesondere der Prozess der Einführung der Sepa-Lastschrift ist von einer großen Anzahl von Regulierungsmaßnahmen überschattet, sodass im Zusammenhang mit Sepa nicht mehr von einem markt-, sondern von einem regulationsgetriebenen Projekt gesprochen werden muss.

Zum Beispiel erfolgte die Verpflichtung zur Erreichbarkeit für die grenzüberschreitenden Sepa-Lastschriften zum 1. November 2010 seitens der europäischen Kreditwirtschaft nicht auf freiwilliger Basis. Die Erreichbarkeit wurde der Kreditwirtschaft vielmehr durch eine Regulierung (EU-Preisverordnung 924/2009) seitens der EU-Kommission vorgeschrieben. Dabei wurden Kernfaktoren, wie die Lösung von Risiken bei mangelnder Wiederaufnahme von Rücklastschriften und die Eckpunkte eines nachhaltigen ökonomischen Modells, außer Acht gelassen.

Diese sind allerdings für einen erfolgreichen und sicheren Beitritt zur Sepa-Lastschrift erforderlich, denn bereits zu Beginn der Entwicklungsarbeiten zur Sepa im Jahr 2002 haben sich die Sparkassen nur unter der Voraussetzung zur Mitarbeit an der Entwicklung der Instrumente bekannt, dass die neuen Verfahren nicht zu einer einseitigen Belastung der Sparkassenkunden oder der Sparkassen selbst führen.

Anreizsysteme statt Regulierung

Darüber hinaus lässt die Tatsache, dass das wesentlich aufwendigere Sepa-Lastschriftverfahren in Deutschland aufgrund der EU-Preisverordnung 924/2009 nur zum Preis einer Einzugsermächtigungslastschrift angeboten werden muss, Zweifel an den bankbetriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen der EU-Kommission aufkommen. In diesem Zusammenhang bleibt es wünschenswert zu erkennen, dass der Weg zur flächendeckenden Einführung von neuen europaweiten Zahlver fahren nur über Anreizsysteme - und nicht über Druck oder gar regulative Maßnahmen - erfolgen kann.

Darüber hinaus gibt es Bestrebungen, sowohl seitens des Europäischen Parlaments als auch seitens der EU-Kommission und der EZB, einen gesetzlichen Zeitpunkt für die Migration der bisherigen nationalen Überweisungs- und Lastschriftverfahren festzulegen. Allerdings gibt es diese Bestrebung nicht nur aus dem Lager der Regulierer. Auch viele Kreditinstitute fordern in diesem Zusammenhang eine Regulation. Wobei sich die Frage stellt, wo dieser Weg hinführt, wenn kreditwirtschaftliche Themen nicht mehr in Selbstregulierung durch die Kreditwirtschaft, sondern zunehmend durch den Gesetzgeber geregelt werden.

Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass der Ruf nach begrenzter Regulierung bisher immer noch zu ausufernden Regulierungsmaßnahmen - mit allen negativen Auswirkungen, nicht zuletzt für die Kunden - geführt hat. Diskussion über ein Enddatum verfrüht

Die Festsetzung eines Enddatums hätte zur Folge, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch die neuen Sepa-Verfahren für nationale und grenzüberschreitende Transaktionen in den Mitgliedsländern zur Verfügung stehen. Die Diskussion über ein mögliches und ambitioniertes Enddatum ist aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe zu diesem Zeitpunkt verfrüht, da die Über führung von der "alten Welt" der nationalen Überweisung, Lastschrift und Kartenzahlung in die "neue Welt" Sepa gerade erst begonnen hat und aufgrund offener Fragestellungen sowie im Hinblick auf die Anzahl der betroffenen Unternehmen und Verbraucher mehrere Jahre dauern wird. Hierbei gilt es insbesondere, die Akzeptanz der neuen Sepa-Produkte bei den Konsumenten zu stärken und zunächst für Stabilität in den Verfahren zu sorgen.

Auch sollte beachtet werden: So sinnvoll und erstrebenswert ein einheitlicher Zahlungsverkehrsmarkt in Europa ist, die Banken und Sparkassen in Europa stehen nach wie vor in hartem Wettbewerb zueinander. Dass das so bleibt, ist auch ein besonderes Anliegen der europäischen Wettbewerbsbehörde. Alle regulatorischen Maßnahmen stehen daher unter dem Vor behalt, dass der Wettbewerb unter den Instituten und die damit für die Servicenehmer verbundenen Vorteile durch sie nicht nachhaltig eingeschränkt werden.

Sepa als Gemeinschaftsprojekt aller Stakeholder

Halten wir fest: Von europäischer Ebene wird die Kreditwirtschaft aufgefordert, immer neue Zahlungsverfahren, die europaweit gültig sind, zu entwickeln und ein-zusetzen. Gleichzeitig wird den Kreditinstituten durch Preisregulierung und Verhinderung von vernünftigen und belastbaren Geschäftsmodellen die Möglichkeit genommen, zumindest die getätigten Investitionen wieder "zurück zu holen".

Welche Motivation sollen bei diesen Rahmenbedingungen Banken und Sparkassen noch haben, den Zahlungsverkehr zu betreiben und sogar noch neue Zahlungsverkehrsprodukte zu entwickeln? Müsste sich die Kreditwirtschaft nicht konsequenterweise aus diesem ganzen über regulierten Geschäftsfeld zurückziehen und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und Entwicklung von neuen Produkten staatlichen Institutionen wie zum Beispiel den nationalen Zentralbanken oder gleich der Europäischen Zentralbank überlassen?

Die Konsequenz aus diesem Ansatz - der den Zahlungsverkehr letztendlich zum Allgemeingut machen würde - lässt sich leicht erahnen. Denn dadurch würde zwar die Vereinheitlichung des europäischen Zahlungsverkehrs sicher vorangetrieben, die bisher sehr stark auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse ausgerichteten Produktwelten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten würden jedoch vermutlich der Vergangenheit angehören.

Es ist daher zwingend notwendig, dass die Entwicklung von Sepa-Produkten ein Gemeinschaftsprojekt aller Stakeholder und somit auch der Kreditwirtschaft und der Konsumenten ist, um eine Ausrichtung der Produkte an den wahren Kundenbedürfnissen sicherzustellen.

Der Anreiz für die Banken und Sparkassen am Zahlungsverkehr liegt darin, mit den Zahlverfahren und -instrumenten die Kosten für die Bereitstellung der Dienstleistung zu decken und einen angemessenen Er trag zu generieren. Dies ist aber nur möglich, indem die Kunden mit genau den Zahlungsverkehrsprodukten versorgt werden, die ihren Bedürfnissen sowohl vom Leistungs- als auch vom Kostenniveau entsprechen. Die Flexibilität, die nötig ist, sich auf diese sich ändernden Anforderungen einzustellen, kann aber nur in einem funktionierenden Wettbewerb sichergestellt werden.

Wettbewerb: Garant für Innovation in Zahlungsverkehr und Kartengeschäft

Ohne den Marktdruck zur ständigen Anpassung und Verbesserung des eigenen Angebots, wie er bei einem zentralisierten Monopol im Zahlungsverkehr entfallen würde, wären Innovationen nicht mehr möglich und die Fortentwicklung würde ausgebremst. Endkunden wären ohne die Möglichkeit des Anbietervergleichs oder Produktwechsels an den einzigen Anbieter gebunden und das hohe Leistungs- und Produktniveau des deutschen Zahlungsverkehrs würde rapide sinken.

Anhand des Beispiels des Zahlungsver kehrs in Deutschland zeigt sich, dass der Brückenschlag zwischen den Anforderungen der Kunden und einem angemessenen Ertragspotenzial für Banken und Sparkassen möglich ist. Die Kosten für Zahlungsverkehrsprodukte in Deutschland sind im europäischen Vergleich insgesamt - und nur dies darf bewertet werden, um "Cherry-picking" nach Billig-Beispielen und die resultierenden unzutreffenden Verzerrungen zu vermeiden - mit am günstigsten. Und trotzdem ist es den Kreditinstituten derzeit noch möglich, Erträge aus dem Geschäft rund um den Zahlungsverkehr zu generieren und diese wieder zu großen Teilen in die Entwicklung bestehender und neuer Produkte einfließen zu lassen.

Weitere Regulierungsmaßnahmen würden sich in diesem Zusammenhang kontraproduktiv auswirken und den Wettbewerb auf Kosten der Verbraucher reduzieren. Der Zahlungsverkehr und das Kartengeschäft sind daher in den Händen der Kreditwirtschaft nach wie vor am Besten aufgehoben. Diese Aussage basiert allerdings auf der Voraussetzung, dass es den Instituten nach wie vor möglich sein muss, Erträge zu generieren und "Luft zum Atmen" zu haben.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X