HANDEL

Es braucht keine Akzeptanzpflicht

Quelle: Deutsche Bundesbank

Vom Bargeld geht kein besonderes Infektionsrisiko für Bürger aus. Darauf hat die Deutsche Bundesbank schon vor der Corona-Epidemie immer wieder hingewiesen. Im März wurde diese Botschaft noch einmal wiederholt: "Die Wahrscheinlichkeit, sich mittels Bargeld anzustecken, ist geringer als bei vielen anderen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens", so Bundesbankvorstand Dr. Johannes Beermann unter Verweis auf die besonderen Materialeigenschaften des Bargelds. Zur Untermauerung der Botschaft zog die Bundesbank auch medizinischen Sachverstand dazu, in Gestalt von René Gottschalk, Infektiologe und Leiter des Gesundheitsamts der Stadt Frankfurt am Main. Auch dieser bewertet das Risiko einer Übertragung des Corona-Virus über Banknoten als nicht gegeben.

Doch wie so oft, gilt auch hier offenbar Goethes Satz aus dem "Faust": "Die Botschaft hört' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Anders ist es kaum zu erklären, dass der Handel in der Corona-Epidemie seine Kunden fast flächendeckend zum Verzicht auf Barzahlung auffordert und die Kunden dieser Aufforderung auch nur zu gerne folgen.

Das zeigen zum Beispiel die Zahlen der Sparkassen. Deren Kunden haben ihre Einkäufe im März deutlich häufiger mit der Girocard bezahlt als in den Vormonaten, teilt der DSGV mit: Insgesamt wurden rund 206 Millionen Transaktionen durchgeführt, das sind 11,4 Prozent mehr als im Februar - und das, obwohl seit Mitte März die meisten Geschäfte bereits geschlossen waren. So häufig haben die Sparkassenkunden noch nie mit der Girocard bezahlt.

Der Anteil der kontaktlosen Zahlungen lag bei 52,2 Prozent - ebenfalls ein neuer Rekordwert. Vor einem Jahr, also im März 2019, hatte der Kontaktlosanteil gerade einmal bei 27,5 Prozent gelegen. Und die Android-App "Mobiles Bezahlen" der Sparkassen wurde inzwischen auf 1,012 Millionen Smartphones installiert. Ganz ähnliche Zahlen gibt es vom BVR: Auch bei den Genossenschafsbanken ist die Anzahl der Girocard-Transaktionen im März 2020 um etwa 50 Prozent gestiegen. Der Anteil der Kontaktlostransaktionen, der im Dezember 2019 noch bei rund 39 Prozent gelegen hatte, beträgt jetzt ebenfalls etwa 50 Prozent. Die offiziellen Zahlen der DK zur Jahresmitte dürften somit ähnlich ausfallen.

Für diese rasanten Veränderungen des Bezahlverhaltens ist die Angst vor Ansteckung ausschlaggebend. Wie eine Umfrage im Auftrag der Initiative deutsche Zahlungssysteme gezeigt hat, nennt jedoch nur rund die Hälfte der Verbraucher Hygienegründe (56 Prozent) oder den Wunsch, sich vom Kassenpersonal fernzuhalten (45 Prozent). Viel wichtiger ist der Respekt vor dem Kassenpersonal (67 Prozent), ergänzt durch die Bitte des Handels (44 Prozent). Diese Umfrageergebnisse zeigen, dass es tatsächlich gelingen kann, an der Kasse das Bezahlverhalten der Kunden zu beeinflussen, wenn der Handel ein bestimmtes Bezahlverhalten priorisiert. Ob die Verbraucher im gleichen Maße auf bargeldloses Bezahlen umgeschwenkt hätten, wären vom Handel nicht entsprechende Hinweise ausgegangen, ist längst noch nicht ausgemacht.

Angesichts der Rolle, die der Handel bei der jetzt zu beobachtenden Veränderung des Bezahlverhaltens spielt, ist es einerseits naheliegend, dass der Digitalverband Bitkom auf seine schon 2018 ins Gespräch gebrachte Forderung zurückkommt, wonach der Handel verpflichtet werden soll, mindestens ein bargeldloses Bezahlverfahren anzubieten. Es stellt sich aber doch die Frage, ob eine solche Forderung nach einer gesetzlichen Verpflichtung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erhoben werden sollte, zu dem der Handel ohnehin dabei ist, verstärkt auf bargeldloses und dabei besonders kontaktloses Bezahlen zu setzen, nachdem schon die Interchange-Regulierung der Kartenakzeptanz einen ordentlichen Schub verschafft hatte. Warum also Zwang, wenn es der Markt ohnehin schon richtet?

Die Argumentation hinkt ohnehin. Gerade im Hinblick auf das Corona-Virus plädiert der Bitkom nämlich vehement für das mobile Bezahlen mit dem eigenen Smartphone, mit dem Transaktionen auch dann ohne Kontakt mit dem Terminal durchgeführt werden können, wenn eine Autorisierung erforderlich ist. Diese Argumentation lässt allerdings unberücksichtigt, dass Smartphones diversen Studien zufolge wahre Keimschleudern sind. Sämtliche Krankheitserreger, mit denen der jeweilige Besitzer in Kontakt gekommen ist, sammeln sich auf ihrer Oberfläche an.

Für das Bezahlen bedeutet das: Unter dem Gesichtspunkt des Infektionsrisikos macht es keinen Unterschied, ob ein Bezahlvorgang in bar, mit PIN-Eingabe am Terminal oder via Smartphone erfolgt. Lediglich kontaktlose Transaktionen ohne PIN-Eingabe sind in dieser Hinsicht sicher.

Ganz auf die Autorisierung der Zahlungen zu verzichten, verbieten jedoch nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern auch der gesunde Menschenverstand. Wären kontaktlose Zahlungen jederzeit unbegrenzt im Rahmen des Limits möglich, dann würde das einen neuerlichen Anreiz für Kriminelle darstellen. Gleichzeitig dürfte die Akzeptanz bei den Karteninhabern sinken. Dann wiederum würde auch eine Pflicht zum Angebot eines kontaktlosen Bezahlverfahrens nichts nützen. Red.

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