INTERCHANGE

Geister der Vergangenheit

Für Mastercard kam die Entscheidung der EU-Kommission im Wettbewerbsverfahren gegen das Unternehmen nicht überraschend. Für das erste Quartal 2019 hatte man mit der Entscheidung gerechnet und bereits im vierten Quartal 2018 entsprechende Rückstellungen verbucht. Nun ist es also so weit: Die EU-Kommission hat gegen Mastercard eine Geldbuße in Höhe von 570 Millionen Euro verhängt. Grund sind die Regularien, die Acquirern vorschrieben, die Interchange-Sätze desjenigen Landes anzuwenden, in dem der Kartenakzeptant ansässig war. So konnten Händler in Ländern mit hohen Interbankenentgelten nicht von niedrigeren Sätzen in anderen Mitgliedsstaaten profitieren. Darin sah die EU-Kommission eine Behinderung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs und damit eine Verletzung von EU-Vorschriften.

Das mag alles richtig sein und Mastercard hat die Verstöße eingeräumt. Dennoch wirkt die jetzt verhängte Geldbuße wie ein Geist aus der Vergangenheit. Denn nicht nur sind diese Praktiken seit 9. Dezember 2015 mit Inkrafttreten der Interbankenentgeltverordnung beendet - mittlerweile steht sogar schon deren Überprüfung an. Der Fall zeigt somit einmal mehr, wie langsam Europas Mühlen mahlen. Ein förmliches Kartellverfahren gegen Mastercard, mit dem geprüft wurde, ob die genannten Regelungen gegen EU-Kartellrecht verstießen, wurde bereits im April 2013 eingeleitet. Im Juli 2015 wurde eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Mastercard gerichtet. Alles in allem hat das Verfahren also stolze fünf Jahre und neun Monate gedauert. Man mag sich gar nicht ausrechnen, was dies alles gekostet hat.

Dass das Verfahren nun endlich zu einem Abschluss gekommen ist, ist aus Sicht von Mastercard-Präsident Javier Perez ein Meilenstein. Das hatte er schon im Dezember letzten Jahres hoffnungsfroh gesagt. Denn dann könne man endlich in die Zukunft blicken und sich auf die Kernaufgabe konzentrieren, nahtlose und sichere Payment-Lösungen zu entwickeln.

Beendet wurde mit der Entscheidung indessen nur ein Kapitel der gesamten Interchange-Thematik. Denn es läuft noch eine Untersuchung bezüglich der Interbankenentgelte für Zahlungen mit Karten, die außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ausgegeben wurden. Auch diese interregionale Interchange kann nach Einschätzung der EU zu höheren Preisen für europäische Einzelhändler führen, die Zahlungen mit diesen Karten akzeptieren, und so die Preise für Waren und Dienstleistungen im EWR steigen lassen. Die Thematik betrifft auch Visa. Beide Unternehmen hatten im Dezember 2018 unabhängig voneinander vorgeschlagen, auch die interregionalen Interchange-Sätze auf 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozent zu senken. Die EU-Kommission hat Marktteilnehmer aufgefordert, Stellungnahmen zu diesem Vorschlag abzugeben. Bis es in dieser Frage etwas Neues gibt, wird es also wohl noch dauern.

Nach wie vor geht die Kommission davon aus, dass unterschiedliche Interchange-Sätze zu höheren Kosten für Händler und damit indirekt auch für deren Kunden führen. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass Waren und Dienstleistungen für Verbraucher unter einer Interchange-Regulierung günstiger zu haben sind. Herauszufinden, ob diese Annahme überhaupt zutrifft, sollte eigentlich Aufgabe der Revision der Interchange-Regulierung sein. Bevor hier keine belastbaren Ergebnisse vorliegen, scheint es wenig zielführend, sich weiterhin mit der interregionalen Interchange zu befassen.

Denn sollte sich herausstellen, dass regulierte intraregionale Interbankenentgelte nicht die versprochenen Vorteile für Verbraucher bringen, dann gibt es wenig Grund anzunehmen, dass das bei den interregionalen Entgelten anders sein könnte. Diese Thematik dennoch weiterzutreiben, wäre dann kaum mehr als Selbstbeschäftigung. Doch auch die ist in Brüssel wohl kein Tabu - schließlich brauchen eine Menge Mitarbeiter eine Daseinsberechtigung.

Doch selbst wenn die Thematik seitens der EU-Kommission wider Erwarten ad acta gelegt würde, wäre ein Ende der Rechtsstreitigkeiten noch lange nicht in Sicht. Schließlich verweist die Kommission ausdrücklich auf die EU-Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen hin, die die Mitgliedsstaaten bis 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen mussten und die es für die Opfer von Kartellrechtsverstößen einfacher machen soll, Schadensersatz zu erhalten. Red.

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