REGULIERUNG

Interchange 2.0 - gleiches Recht für alle

Die 2019 gestartete Evaluierung der Interchange-Regulierung ist noch nicht abgeschlossen. Mitte 2020 will die EU-Kommission dem EU-Parlament und dem Rat den Bericht über die Auswirkungen der Regulierung vorlegen. An der durch das Beratungsunternehmen EY durchgeführten Marktanalyse hatte sich zuletzt auch das Girocard-System beteiligt.

Noch ist es um das Thema erstaunlich ruhig. Das mag daran liegen, dass die wesentlichen Diskussionen ohnehin eher hinter den Kulissen stattfinden, aber auch daran, dass die Positionen im Wesentlichen bekannt sind. Der Handel will prinzipiell möglichst wenig für die Akzeptanz von Zahlungsinstrumenten bezahlen - ob sich das nun Interchange nennt oder anders. Händler klagen deshalb nach wie vor, dass durch die Kreativität der Karten-Schemes bei der Neueinführung von Gebühren beim Handel von der Kostensenkung wenig angekommen sei. Das ist auch ein Argument dafür, dass die Kunden nicht wie versprochen profitiert, sondern eher in Form höherer Kartengebühren draufgezahlt haben. Wo also der Handel eher ein weiteres Anziehen der Daumenschrauben begrüßen würde, wünscht sich die Bankenseite eine Lockerung der Regulierung und weckt vorsichtige Erwartungen, dass es dazu tatsächlich kommen könnte.

Tatsächlich hat die EU-Kommission angekündigt, neben der Angemessenheit der geltenden Interchange-Sätze auch Gebrauch und Kosten verschiedener Zahlungsmethoden und das Ausmaß des Markteinstritts neuer Player, neuer Technologien und innovativer Geschäftsmodelle in Betracht zu ziehen.

Eine echte Lockerung der Vorgaben im Sinne einer Anhebung der Obergrenzen ist vermutlich eher nicht zu erwarten. Wenn die Regulierung die Wettbewerbsbedingungen nicht einseitig zulasten der etablierten Player verzerren soll, wäre es jedoch an der Zeit für einen neuen Zuschnitt der Regeln, der wirklich gleiches Recht für alle schafft. Anstatt sich einseitig auf das als "Bankenkartell" verstandene Preisgefüge der etablierten Kartenschemes zu fokussieren, müsste man vielleicht auch die von den Big techs gestellten Konditionen unter die Lupe nehmen. Eine Marktmacht, die es Partnern schwer macht, sich zu verweigern, wird man ihnen nicht absprechen können. Und gerade die Marktmacht war es ja, mit der die Interchange-Regulierung für Mastercard und Visa ursprünglich gegründet wurde.

Mit der PSD2 hat sich der EU-Regulator auf den Weg gemacht, im Payment gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen. Die Interchange-Regulierung 2.0 wäre dazu geeignet, dies auch an der Preisfront zu tun. Denn solange die Regulierung sich ausschließlich auf die Entgelte bei Kartenzahlungen konzentriert, läuft sie Gefahr, eben diese zu verdrängen - ein Trend, den Online-Händler im Kontext mit der starken Kundenauthentifizierung ohnehin erwarten.

Dem Ziel, für mehr Wettbewerb und Innovation zu sorgen, kommt man so jedenfalls nicht näher - und schon gar nicht der Forderung nach einem starken europäischen Payment-Scheme, nach dem die Politik zu Recht immer lauter ruft und zu dem die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen. Innovation hat schließlich auch ihren Preis. Und letztlich docken auch innovative neue Anbieter an die von den Banken und ihren Partnern bereitgestellte Infrastruktur an, die sich irgendwie finanzieren muss. Alternative Bezahlverfahren haben im Massenzahlungsverkehr aktuell noch keine vergleichbare Effizienz und Erreichbarkeit erreicht.

Die deutsche Kreditwirtschaft hat für die Interchange-Regulierung 2.0 einen ganz konkreten Wunsch: Die Abschaffung der "Doppel-Regulierung" des Girocard-Systems. Wo Entgelte frei verhandelt werden, so die Forderung, müsse der Interchange-Deckel als zusätzliche Auflage entfallen. Außerdem sollten einfache und weniger komplexe Lösungen für das Verhandeln von Entgelten im Rahmen des Wettbewerbsrechts zulässig sein. Mit dem Argument, dass hier die Entgelte frei verhandelt und nicht gesetzt werden, wurden ja auch die Drei-Parteien-Systeme seinerzeit von der Regulierung ausgenommen. Auf jeden Fall braucht das Regelwerk mehr Breite, im Sinne einer einheitlichen Regulierung aller Marktteilnehmer. Damit wäre schon viel gewonnen. Red.

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