KARTENGESELLSCHAFTEN

Kartenbranche entdeckt die Umwelt

Den meisten Karteninhabern dürfte es nicht bewusst sein: Karten, die einen Mikrochip enthalten, sind gemäß dem deutschen Elektro- und Elektronikgerätegesetz Elektrogeräte. Nach ihrem Ablauf gehören sie deshalb nicht in den Restmüll, sondern müssen als Elektroschrott beim Wertstoffhof abgegeben werden. In vielen Fällen dürfte das eher Theorie sein und ein großer Teil der Karten wird im Restmüll landen. Rund sechs Milliarden Zahlungskarten weltweit werden jedes Jahr auf Deponien entsorgt, so die Zahlen von Mastercard.

Wenn schon die in Chip und NFC-Antenne verwendeten Metalle nicht dem Recycling zugeführt werden, hat die Branche jetzt doch immerhin den Plastikverbrauch durch die hohe Zahl von Karten in den Blick genommen. Einzelne Vorstöße, umweltfreundliche Karten herzustellen, gab es zwar schon seit Jahren immer wieder einmal. Jetzt aber haben sich die großen Schemes der Thematik angenommen und Initiativen gestartet, um den Plastikverbrauch durch Karten zu reduzieren.

Im Juni dieses Jahres haben Visa und die CPI Card Group die Earthwise High Content Card vorgestellt, die bis zu 98 Prozent aus wiederverwendetem Kunststoff besteht. Zuvor hatte eine Umfrage unter Debit- und Kreditkartennutzern ergeben, dass mehr als 57 Prozent der Befragten an einer Karte aus recycelten Materialien interessiert wären.

Wesentlich umfangreicher ist der Ansatz, den Mastercard im Juli vorgestellt hat. Denn gemeinsam mit Partnern auf der ganzen Welt wurde ein nachhaltiges Kartenprogramm für alle Kartenherausgeber entwickelt, das ein neues Verzeichnis nachhaltiger Materialien und Anbieter für Kartenprodukte beinhaltet und es Finanzinstituten weltweit ermöglichen soll, eine Präferenz für Nachhaltigkeit zu entwickeln.

Aktuell steht das nachhaltige Kartenangebot von Mastercard Konsumenten in über einem Dutzend Ländern weltweit zur Verfügung. Mehr als 60 Finanzinstitute haben bereits Karten mit zugelassenen Materialien aus recycelbaren, ökologischen, chlorfreien und abbaubaren so wie aus Meeren gesammelten Plastikmaterialien auf den Markt gebracht. Dazu zählen beispielsweise Crédit Agricole, die Mauritius Commercial Bank (MCB) sowie Santander, die in Kürze die umweltfreundlichen Karten herausgeben wird. Mithilfe des Verzeichnisses können Banken mehr über nachhaltige Kartenprodukte erfahren, Kontakt zu Kartenherstellern aufnehmen und somit ihr eigenes Engagement für Nachhaltigkeit durch eine systematische Veränderung ihrer Lieferkette verbessern.

Diese Initiative ist ein neuer Baustein eines auf mehrere Jahre angelegten Projektes mit dem Ziel, ein globales Zertifizierungssystem für anerkannte nachhaltige Karten einzuführen. Die Initiative baut auf dem Greener Payments Partnership (GPP) auf, das von Mastercard und den Kartenherstellern Gemalto, Giesecke + Devrient und Idemia im Jahr 2018 gegründet wurde, um bewährte umweltfreundliche Verfahren zu etablieren und die Erstverwendung von PVC-Kunststoffen bei der Kartenherstellung zu reduzieren.

Das Mastercard Global Digital Security Lab in Großbritannien investiert hierfür in eine Technologie, die die Materialzusammensetzung einer Karte analysiert, um diese unter Berücksichtigung von Umweltansprüchen im Namen der Branche zu bewerten. So sollen sich Kunden darauf verlassen können, dass jede Mastercard, die sie herausgeben, aus nachhaltigen Materialien besteht und unabhängig überprüft wurde. Zusätzlich investiert das Digital Security Lab in wissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit umweltfreundlichen Methoden zur Wiederverwendung von vorhandenen Plastikkarten.

Solche Ansätze sind ohne jede Frage lobenswert. Gerade weil man nicht davon wird ausgehen dürfen, dass sich Verbraucher des Kartenmaterials als Rohstoff bewusst sind und die Karten entsprechend entsorgen, sollte das Produkt Karte so umweltfreundlich wie möglich hergestellt werden. Und wenn Organisationen wie Mastercard und Visa vorangehen, dürfte der Trend zu umweltverträglicheren Karten mit der Zeit auch auf die - im Vergleich zu Zahlungskarten noch deutlich umfangreichere - Flut an Kunden-, Mitgliedsoder Gutscheinkarten übergreifen, bei denen der Hebel in Sachen Nachhaltigkeit noch deutlich größer sein dürfte.

Ein bisschen schade ist es nur, dass diese Entwicklung erst jetzt einsetzt, da die physische Karte ihren Zenith bereits wieder überschritten zu haben scheint. Zu spät ist es deshalb noch lange nicht. Denn trotz des Trends zur Digitalisierung von immer mehr Services dürfte die Plastikkarte der Menschheit noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X