Bargeldlose Gesellschaft

Warten auf NFC

Eine Woche ohne Bargeld auszukommen - das hat Franz-Reinhard Habbel, Pressesprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes im Januar dieses Jahres versucht. Das Resümee, das die Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V., Berlin, als Projektpartner im Anschluss an das Experiment veröffentlichte, war positiv. Münzen und Scheine hat Habbel demzufolge nicht vermisst. Eigenem Bekunden zufolge hat er dabei seinen Alltag nicht verändern müssen. Ist die bargeldlose Gesellschaft also doch näher als gedacht?

Bei näherem Hinsehen zeigt das während des Experiments geführte Online-Tagebuch, dass beim Leben ohne Bargeld durchaus noch Tücken liegen und der Verzicht darauf vor allem dann schwierig wird, wenn man die Ballungsräume verlässt. Die Taxifahrt in Osnabrück etwa musste sich Habbel am ersten Tag seines Experiments verkneifen - er fand keinen Fahrer, bei dem bargeldloses Zahlen möglich gewesen wäre. Auch ein Zeitungskauf am Bahnhof Osnabrück muss entfallen, weil die Kartenzahlung erst ab fünf Euro Umsatz akzeptiert wurde. In Berlin und Brüssel waren die Erfahrungen erwartungsgemäß besser. Hier musste kein Kauf mangels Bargeld entfallen - wenn auch nicht überall die bevorzugte Bezahlvariante möglich war.

Immer wieder zeigte das Experiment, dass in Geschäften für die Kartenakzeptanz ein Mindestbeitrag von fünf oder zehn Euro verlangt wird. Der Kauf eines Brötchens per Karte wird da schon schwierig. Für solche Fälle hatte die Deutsche Kreditwirtschaft zwar seinerzeit die Geldkarte entwickelt. Angesichts des geringen Zuspruchs seitens der Verbraucher ist es jedoch kein Wunder, dass es heute kaum noch Bäcker oder auch andere Geschäfte mit Umsätzen im Kleinbetragsbereich gibt, bei denen damit gezahlt werden kann. Sofern die Geldkarte überhaupt akzeptiert wird, dann meist am Automaten, etwa beim Fahrscheinkauf, während die Briefmarkenautomaten der Deutschen Post sie schon nicht mehr akzeptieren. Bei Händlern ist die Geldkarte hingegen nahezu unbekannt, so das Ergebnis des Experiments - und zwar selbst in Berlin.

Auch mit Blick auf Girogo hat der Selbsttest gezeigt, dass diese Zahlungsart bei Händlern noch weitgehend unbekannt ist. Und das wird sich vermutlich nur schwer ändern lassen, wenn lediglich die Sparkassen Girogo aktiv vermarkten und gleichzeitig die Girocard kontaktlos, Paypass oder Paywave häufiger werden. Hier ist jedoch sicher noch etwas Geduld gefragt, bis die Ausstattung der Verbraucher mit kontaktlosen Karten annähernd flächendeckend ist. Bei Visa etwa verfügten Ende 2015 gerade einmal knapp sieben Prozent der in Deutschland ausgegebenen Karten über eine NFC-Schnittstelle.

Kleinstbeträge unter zwei Euro konnten im Experiment bei der amerikanischen Kaffeekette Starbucks problemlos mit Kredit karte abgerechnet werden. Das ist jedoch hierzulande noch die ganz große Ausnahme. Auch daran wird sich sicher erst mit der stärkeren Verbreitung des kontaktlosen Zahlens etwas ändern.

Das Fehlen einer Lösung beklagt Habbel, wenn es darum geht, bedürftigen Menschen spontan Geld zu geben, beziehungsweise in einer Kirche zu spenden. Hierüber müsse die Branche nachdenken. Und da wird es sicher schwierig. Erste Opferstöcke mit Kartenterminal gibt es ja bereits. Wer aber beispielsweise einem Obdachlosen etwas zukommen lassen möchte, kommt am Bargeld wohl kaum vorbei. Weder m-PoS-Lösungen noch Instant Payments mittels Smartphone scheinen hier die geeignete Lösung. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X