Kartendienstleister

Bezahlen im digitalen Handel - den Kunden begeistern

Markus Eichinger, Executive Vice President Group Strategy, Wirecard AG, München
Quelle: Wirecard

Für den Omnikanalhandel wird es immer stärker zum Erfolgsfaktor, dem Kunden herausragende Kundenerfahrungen zu ermöglichen. Dabei spielt der Zahlungsverkehr eine wichtige Rolle. Zum einen liefert er die nötigen Daten, zum anderen bietet er Ansatzpunkte, dem Kunden Mehrwerte in Form von Gutscheinen oder Gewinnspielen zu bieten. Der eigentliche Bezahlvorgang dagegen wird zunehmend "unsichtbar". Red.

Um Kunden heute zu begeistern und zu Stammkunden zu machen, muss man ihnen ein herausragendes Einkaufserlebnis bieten. Ein niedriger Preis alleine reicht nicht mehr, denn online kann schnell herausgefunden werden, wo es ein noch günstigeres Angebot gibt oder beim Einkauf ein kleines Geschenk wartet, in der Marketing-Sprache "Gift with Purchase". Der Schlüssel zum Erfolg für Händler und Unternehmen liegt darin, sich wirklich auf den einzelnen Kunden zu konzentrieren und seine Bedürfnisse und Wünsche zu kennen.

Es geht etwa darum zu verstehen, ob er lieber vor oder nach der Arbeit einkauft, welche Marken er bevorzugt und ob er in der Regel bar oder mit Karte zahlt. Natürlich kann sich das hin und wieder ändern. Darum ist es für den Handel unerlässlich, das Verständnis und die Verbindung zu seinen Kunden über alle Kanäle hinweg kontinuierlich anzupassen, um diese mit einem echten Mehrwert zu begeistern. Die große Herausforderung ist freilich, diese Individualität dennoch skalierbar zu gestalten.

Gutschein teils online, teils vor Ort einlösen

So werden in Zukunft verstärkt nur noch jene Unternehmen Marktanteile gewinnen und halten, die konsequente, digitale Omnichannel-Strategien realisieren und somit ein herausragendes Einkaufserlebnis bieten können. Denn Wühltische sind von gestern. Kunden möchten nicht mehr "kramen" oder Schlange stehen. Sie möchten nicht mehr lange auf ihre gewünschten Produkte warten, das Gefühl haben, schlecht beraten zu werden oder ihre Waren erst nach Vorkasse erhalten. Das Angebot ist heutzutage viel zu groß und viel zu transparent, um sich ärgern zu müssen.

Aber was genau ist das eigentlich - ein herausragendes Kundenerlebnis? Aus Sicht des Kunden ist es das Gefühl, sich vor, bei und nach einem Kauf "gut aufgehoben" zu fühlen. Das umfasst sowohl die auf ihn zugeschnittene Information und Beratung davor, den leichten und unkomplizierten Kauf an sich sowie einen daran anschließenden sehr guten Service. Darüber hinaus punkten Unternehmen bei ihren Kunden über viele kleine Mehrwert- und Zusatzleistungen.

So möchten Kunden beispielsweise den Betrag eines Gutscheins ganz selbstverständlich teils online und teils im Geschäft einlösen können oder Waren online bestellen und im Geschäft abholen (oder anders herum). Oder sie möchten individualisierte Rabatte für solche Marken und Produkte erhalten, die sie auch tatsächlich nutzen oder nutzen könnten - weil sie ihrem Lieblingsprodukt ähnlich sind oder ihren Interessen und Bedürfnissen entsprechen.

Dass dies erst durch die ausgereifte Digitalisierungs- und Omnichannel-Strategie eines Händlers möglich wird, der dafür eine enge und nahtlose Verzahnung zwischen Online und In-Store gewährleisten muss, spielt für den Kunden keine Rolle. Er erwartet eine Kauferfahrung, die so einfach und individuell zugeschnitten ist wie möglich. Die Herausforderung, die das für die Händler hinter den Kulissen darstellt, interessieren die Kunden dabei wenig - sondern sie kaufen und bleiben ganz einfach bei jenen Anbietern, wo sie eine tolle Customer Experience geboten bekommen.

Alles muss nahtlos funktionieren

Ein nahtloses Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg könnte auch als eine reibungslose Interaktion des Händlers mit dem Nutzer beziehungsweise dem Kunden definiert werden. Ein solches Kundenerlebnis zeichnet sich im Kern durch folgende Merkmale aus:

- Es stellt keine unnötige Belastung für den Anwender dar - denn ein genervter Kunde kauft nicht;

- es gibt keine Abfrage unnötiger Informationen - denn ein misstrauischer Kunde fühlt sich nicht wohl beim Einkaufen;

- es gibt eine Konzentration auf das tatsächlich erwünschte Ergebnis - gerade dann, wenn der Kunde noch selbst nicht genau weiß, was er braucht, will er eine gute Hilfestellung beim Auswahlprozess;

- es gibt sehr akkurate Vorhersagen und Leistungen - also wird genau das vorhergesagt, was Kunden in welchen Mengen brauchen, und dies wird zeitnah geleistet beziehungsweise geliefert oder auf Lager gehalten.

Smart Data effektiv nutzen

Kunden zu überzeugen, schafft man heutzutage nur noch individualisiert und entsprechend "persönlich". Um aber dies in einer skalierbaren Art und Weise realisieren zu können, müssen Händler genau wissen, was die Kundschaft will. Dieses Verständnis kann "Smart Data" schaffen. Hierbei werden Informationen über den Kunden gesammelt, zusammengefasst, ausgewertet und den Systemen im Handel zur Verfügung gestellt.

Händler müssen die Chance wahrnehmen, Kundensegmente in Echtzeit zu analysieren und relevante Merkmale zu erkennen. So können sie einzelnen Kunden, aber auch bestimmten Zielgruppen speziell zugeschnittene Informationen in Bezug auf Produktverfügbarkeit, Preisstrategie und speziellen Loyalitäts- und Couponingprogrammen anbieten.

Bezahlvorgang liefert die Daten

Konkret heißt das, dass eine herausragende Customer Experience für den Handel heutzutage erst durch die smarte Nutzung vorab erhobener Daten ermöglicht wird. Dem Bezahlvorgang kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Durch ihn werden beim Kauf relevante Daten gewonnen, die es dem Händler ermöglichen, seine Kunden besser zu verstehen:

- Wer kauft wann und wie häufig ein?

- Wer ist potenziell an welchem Produkt interessiert?

- Welche Sachen werden oft zusammen gekauft?

Die Daten ermöglichen dem Händler nicht nur, Stammkunden und deren Einkaufsverhalten zu analysieren, sondern auch ehemalige Kunden zu reaktivieren, die bereits länger keinen Einkauf bei ihm getätigt haben. Darüber hinaus können die Daten - vorrangig im E-Commerce - genutzt werden, um intelligente Einkaufslisten anzulegen und Cross-Selling-Empfehlungen auszusprechen. Dem stationären Handel sowie dem Einzelhandel bietet die Nutzung von Smart Data zudem die Möglichkeit, sein Angebot und seine Lagerung optimal an das Kaufverhalten seiner Kunden anzupassen. Das ist jedoch erst der Anfang.

Bezahlung wird "unsichtbar"

Futuristische Konzepte wie das des "Connected Store" von Wirecard und T-Systems machen es dank datengetriebener IoT-Technologie möglich, dass das Anstehen an der Kasse bald völlig wegfällt. Denn die Bezahlung der ausgewählten Waren erfolgt vollautomatisch und gleichsam "unsichtbar" beim Verlassen des Ladens.

Kunden könnten dann ihre persönliche Einkaufsliste nutzen und effizient durch den Laden geführt werden. Langes Suchen und Warten gehören somit der Vergangenheit an. Die gesparte Zeit kann für Angebote eingesetzt werden, die das Einkaufserlebnis verbessern - zum Beispiel stöbern, Produkte ausprobieren, persönliche Gespräche führen ... Sinnvoll im Laden eingesetzte Technik hat also auch immer die Aufgabe, das Unangenehme verschwinden zu lassen um dem Angenehmen mehr Raum und Zeit zu geben.

Alipay: Bezahllösung wird zur Lifestyle-Super-App

Ein prominentes Beispiel dafür, wie erfolgreich die skalierbare gezielte und personalisierte Kundenansprache heute schon sein kann, ist Chinas führende Bezahlmethode Alipay. Denn der Einsatz von Smart Data macht hier den entscheidenden Unterschied und lässt die mobile Bezahllösung zu einer "Lifestyle-Super-App" werden, wie die Alipay Wallet in China auch genannt wird. Händler nutzen die App nicht nur zur Zahlungsabwicklung, sondern auch als Marketingkanal - für die aktive persönliche Kundenansprache mit Discounts, Weiterempfehlungen und individuell passender Werbung.

Mit 520 Millionen aktiven Nutzern und über 100 Millionen Transaktionen pro Tag ist Alipay sowohl das weltweit größte mobile Zahlungsnetzwerk als auch eine Revolution in der Art und Weise, wie Kunden den Einkaufsund Bezahlvorgang erleben. Weltweit wird Alipay von 450 Millionen aktiven Mitgliedern genutzt. Mehr als 600 000 Restaurants, 40 000 Supermärkte und Convenience Stores, mehr als eine Million Taxis und 300 Krankenhäuser sind über die Alipay-App verbunden, um den Nutzern eine nahtlose Erfahrung zu ermöglichen. Damit ist Alipay das wahrscheinlich erste wirklich einheitliche Ökosystem für Zahlungen am Point of Sale, aber auch online.

Das technische Ökosystem rückt in den Mittelpunkt

Um für Nutzer eine derartige Customer Experience zu erreichen, ist aus technologischer Sicht eine nahtlose Integration in die Infrastruktur des Handles der Schlüssel zum Erfolg - und damit die Realisierung einer konsequenten, digitalen Omnichannel-Strategie.

Zunehmend rückt damit das technische Ökosystem in den Mittelpunkt der Unternehmen. Denn nur, wer das gesamte System kontrollieren kann, ist in der Lage, sich klar vom Wettbewerb abzuheben. Wie das erfolgreich gelingen kann, zeigt das Beispiel Amazon Fresh: ein Unternehmen aus dem E-Commerce, das sich erfolgreich als Lieferdienst für frische Lebensmittel etablieren konnte. Das Geheimnis des Erfolgs sind auch hier Vorhersehbarkeit und Kontrolle. Amazon steuert und kontrolliert das gesamte Ökosystem – End-to-End, einschließlich der Lieferung auf den letzten Metern. Unangenehme Überraschungen und Stress für den Kunden können dadurch auf ein Minimum reduziert werden. Weitere Firmen, die für ihre hervorragende Customer Experience bekannt sind, sind beispielsweise Apple, Airbnb oder Uber.

Integrierte Ökosysteme als Erfolgsfaktor

Selbstverständlich gibt es auch andere Beispiele, die man an dieser Stelle nennen kann, aber letztendlich läuft es auf das gleiche Thema hinaus: Nur die Nutzer eines End-to-End-Ökosystems, mit dem sie die Kunden über deren Daten genau verstehen und bedienen können, sind in der Lage, eine überragende Kundenerfahrung zu bieten - und dominieren damit zunehmend ihre Branche.

Abbildung 1 zeigt in vereinfachter Form, welche Komponenten in der bisherigen Zahlungswelt ineinandergreifen. Acquirer und Issuer leisten jeweils isoliert voneinander ihren Beitrag, Kartensysteme verbinden beide Welten. So hat es seit der Gründung der großen Card-Schemes funktioniert und so wird weltweit bargeldlos bezahlt. Was aber völlig verloren geht, sind die Daten der Kunden.

Betrachtet man die verschiedenen Schnittstellen, die für den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Stakeholdern erforderlich sind, wird klar, dass viel Standardisierung erforderlich ist - und somit die Flexibilität des Ökosystems beeinträchtigt wird, neue und innovative Services zu unterstützen.

Eine neue Denkweise im Zahlungsverkehr

Die Zukunft der Zahlungsabwicklung liegt in einem integrierten Ökosystem - anstatt nur zwischen Acquiring und Issuing zu unterscheiden, sollte besser in Kategorien wie "Kundenberührungspunkte" und "Interaktionskanäle" gedacht werden.

Kundenberührungspunkte sind die Orte, an denen Kunden mit Händlern in Kontakt treten - das kann der Kassierer, das Terminal, der Webshop oder auch die Verkaufsfläche sein, wenn das Personal mit mobiler PoS-Technologie ausgestattet ist.

Für Kundenberührungspunkte ist es wichtig, diese Interaktionen zu nutzen, um mehr Daten als "nur" Zahlungsinformationen zu verarbeiten. Zahlungsunternehmen und Händler haben viel Geld investiert, um ein Echtzeit-Datenverarbeitungsnetzwerk für Zahlungen zu schaffen - warum also nicht diese Infrastruktur für mehrerlei Anwendungen nutzen?

Kombination der Kanäle macht das Zahlungsökosystem zum Werttreiber

Auf der anderen Seite, der Seite der Kunden, müssen Zahlungsinstrumente zu echten "Customer Engagement Channels" werden. Ermöglicht durch Smartphones und mobiles Bezahlen, ist der Zahlungsfluss der perfekte Moment, um Mehrwertdienste wie Konsumentenkredite, Kundenbindungssysteme oder andere Formen der Kundenbindung, wie zum Beispiel Gewinnspiele, zu initiieren. Insofern wird jede "Zahlungsinteraktion" zur echten "Mehrwert-Interaktion" mit dem Kunden.

Die durchgängige Kombination der Kanäle ist der nächste Schritt: Durch die Implementierung eines integrierten Ökosystems profitieren Händler von einer ganzheitlichen und einheitlichen Sicht auf den Kunden, was das tiefere Verständnis des Kunden sowie seiner Bedürfnisse überhaupt erst ermöglicht. So kann das Zahlungsökosystem zu einem echten Werttreiber werden - sowohl für Umsatzverbesserungen wie zum Beispiel höhere Warenkorbgrößen als auch für Kostensenkungen, da zum Beispiel nicht Waren auf Lager gehalten werden, die gar nicht nachgefragt werden.

Ein nahtloses Kundenerlebnis im Zahlungsverkehr ist die Zukunft

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Bis vor einigen Jahren war eine nahtlose Kundenerfahrung das wichtigste Unterscheidungsmerkmal für Unternehmen, um sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Heutzutage ist es bereits ein Wettbewerbsnachteil, Kunden nicht die bestmögliche Customer Experience zu bieten. Der Grund dafür ist der Erfolg geschlossener Ökosysteme, die neue und dynamische Kundenerlebnisse definieren.

Um also den Anschluss zu ihren Kunden nicht zu verlieren, müssen Unternehmen jetzt konsequente, digitale Omnichannel-Strategien angehen und die zentrale Rolle der Datenflüsse verstehen und nutzen, um ihren Kunden ein tolles Erlebnis vor dem, beim und nach dem Einkaufen zu ermöglichen - um sie so zu gewinnen, zu begeistern und zu halten. Natürlich ist das keine kleine Herausforderung, die einiges Wissen, Verständnis und auch Investition voraussetzt. Doch in jeder Herausforderung steckt auch immer eine Chance.

Zum Autor Markus Eichinger, Executive Vice President Group Strategy, Wirecard AG, München

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