Kartendienstleister

Bezahlen im Zeitalter des Internet der Dinge

Christian von Hammel-Bonten, Executive Vice President Global Product Strategy, Wirecard AG, Aschheim

13,5 Milliarden vernetzte Geräte soll es weltweit bis 2020 geben. Damit wird sich auch das Bezahlen wandeln. Eine Schlüsselrolle sieht Christian von Hammel-Bonten dabei für die Tokenisierung, die dem Verbraucher in der neuen Payment-Welt Kontrolle gibt und für Sicherheit sorgt. Überhaupt werden Karten zunehmend virtuell, die klassische Plastikkarte wird obsolet oder zum Zusatzservice. Red.

Nicht mehr nur Computer, Tablets oder Smartphones sind heute mit dem Internet verbunden, sondern immer mehr andere Gegenstände, weshalb wir auch vom Internet der Dinge oder Internet of Things (IoT) sprechen. Vernetzte Geräte werden immer beliebter bei den Nutzern: Während davon im Jahr 2016 bereits mehr als vier Milliarden weltweit im Einsatz waren, gehen Experten davon aus, dass die Zahl der "connected devices" bis 2020 auf 13,5 Milliarden steigen wird - das ist ein Wachstum von über 230 Prozent. Während es 2016 weltweit insgesamt 37 Millionen vernetzte Autos gab, wird deren Zahl im gleichen Zeitraum von nur vier Jahren auf über 160 Millionen steigen. Ähnlich stark wächst die Summe der Verbraucherausgaben für IoT-fähige Geräte: Bis 2020 soll sie um 181 Prozent steigen, so der Marktforschungs-Dienstleister Statista.

Nicht nur das Kaufverhalten, sondern auch die Art und Weise, wie Konsumenten in Zukunft bezahlen werden, wird sich dadurch verändern. Um das Zahlen der Zukunft zu ermöglichen, spielen insbesondere drei Technologien eine Schlüsselrolle.

Das Zahlungsmittel der Zukunft, das den Anforderungen einer globalen, vernetzten Welt gerecht wird, sind Karten. In Verbindung mit Tokenisierung kann mit Karten gewährleistet werden, dass die vernetzte Zahlung schnell und sicher realisiert werden kann. Das dritte Bindeglied sind neue Übertragungstechnologien wie NFC oder Bluetooth, die schon heute eine immer größere Rolle spielen und auch für die kommenden Jahre sehr großes Potenzial bergen.

Unabhängig von diesen Technologien verlangt eine voll vernetzte Welt ein offenes System, in dem sich der Kunde idealerweise nur einmal identifiziert und dann über seine mit ihm verbundenen Geräte kanalübergreifend und nahtlos bezahlen kann. Im Folgenden werden die genannten Technologien näher beleuchtet, die das Bezahlen im IoT-Zeitalter ermöglichen. Wenn die Waschmaschine der Zukunft für die Nutzer mitdenkt, bleibt ihnen der Kurzstreckenlauf zum Supermarkt kurz vor Ladenschluss erspart.

Beispiel Dash Button

Übrigens: "Kurzstreckenlauf" heißt auf Englisch "dash", und daher kommt wohl auch der Name für den "Dash Button" von Amazon, der von Prime-Kunden online geordert werden kann und dort angebracht wird, wo regelmäßig Bedarf für Nachschub besteht. Also etwa der Dash Button an der Waschmaschine, wo vom Nutzer mit einem Knopfdruck der Persil-Nachschub bestellt werden kann.

Analog gibt es das auch für Verbrauchsgüter wie Rasierklingen, Kaffeepads, Zahnpasta und vieles mehr. Und zwar ohne, dass man sich erst vor den Computer setzen und nach Bestellmöglichkeiten und Lieferkonditionen suchen muss. So kann man Geräte, die es in jedem Haushalt gibt, quasi indirekt mit sehr wenig Aufwand "nachrüsten" und IoT-fähig machen. Einschränkend muss aber an dieser Stelle noch erwähnt werden: Die Bestellung erfordert immer noch den manuellen Eingriff und ist damit nur die Vorstufe für eine Welt, in der die Geräte (halb-)autonom für ihre Nutzer agieren.

Nahfeldkommunikation oder Near Field Communication (NFC) steht für einen internationalen Übertragungsstandard zum kontaktlosen Datenaustausch über eine kurze Distanz. Während früher dafür oft NFC-Stickers oder SIM-Karten mit NFC-Funktion verwendet wurden, sind heute NFC-fähige Smartphones Standard geworden. Insbesondere für die Zahlung von kleineren Beträgen kommt NFC heute in der Praxis oft zum Einsatz.

NFC oder Bluetooth ermöglichen neue Szenarien

NFC kann aber auch in anderen Bereichen sinnvoll sein, beispielsweise, um als Nutzer einem Gerät eine tokenisierte Karte zum Bezahlen zu übergeben. IBM und Visa arbeiten daran, dass jedes vernetzte Gerät zum Point of Sale wird. Während NFC der Standard für die Übertragung von Daten im Bereich von bis zu 10 cm ist, ermöglicht Bluetooth eine sichere Über tragung von Daten über eine größere Distanz. Dies ermöglicht die Kommunikation von und zwischen Geräten untereinander im Raum. Somit werden neue gerätebasierte Szenarien denkbar wie, dass unser Auto direkt für seinen Nutzer zahlt.

Ein Beispiel: Ein Kfz-Halter nutzt ein Parkhaus in der Innenstadt. Dank Bluetooth muss er nicht vor dem Heimfahren erst noch zu einem Automaten gehen, um die Gebühr dort zu entrichten, sondern sein Wagen zahlt bei der Ausfahrt automatisch - und zwar schnell und sicher. Eine andere Anwendungsmöglichkeit: Das Auto zahlt für ihn selbstständig beim Verlassen einer mautpflichtigen Autobahn, statt dass er in einer Schlange darauf warten muss, um einem Menschen im Kassenhäuschen das Geld oder seine Kreditkarte in die Hand zu drücken. Solche Möglichkeiten, die Zeit und Nerven sparen, kommen beim Verbraucher sehr gut an. Jedoch verbergen sich dahinter folgende Herausforderungen: Das Bezahlen muss so einfach und nahtlos gestaltet werden, dass keine oder nur eine minimale Interaktion mit dem Nutzer notwendig wird. Gleichzeitig muss aber den Nutzern die volle Transparenz gegeben sein - denn Bequemlichkeit darf nie zulasten der Kontrolle und des Vertrauens gehen.

Anwendungen, die auf der NFC- oder Bluetooth-Übertragungstechnologie basieren, haben daher ein sehr großes Potenzial durch die wachsende Anzahl an vernetzten Geräten. Die Infrastruktur für kontaktlose Zahlungen ist schon heute mit vielen NFC-Kassenterminals gegeben und wird den Markt weiter durchdringen. Die NFC-Technologie ist im Bereich von Visa und Mastercard der gesetzte offene Standard, der es Nutzern erlaubt, in allen Ländern dieser Welt kontaktlos zu bezahlen. Diese Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie die bereits vorhandene und etablierte Akzeptanz von Visa, Mastercard und Maes tro um die kontaktlose Bezahlmöglichkeit erweitern. Ein zusätzlicher Verstärker für NFC ist auch die massentaugliche Einführung der mobilen Bezahllösung Apple Pay - die in vielen Ländern der Welt bereits zum Alltag vieler Apple-Kunden gehört.

Sicherer, schneller und überall verfügbar: digitale Karten

In Zeiten von NFC wird das Ausstellen und physische Mitführen von Plastikkarten zunehmend obsolet. Die Zahlungsmittel der Zukunft, die den Anforderungen einer vernetzten Welt gerecht werden, sind digitale Karten. In der Praxis könnte deren Verwendung wie folgt aussehen: Der Nutzer registriert sich online und lädt durch Einzahlung Guthaben auf das Konto auf. Das hat den Vorteil, dass er bereits so eine Kontrolle darüber hat, in welcher Maximalsumme Zahlungen von diesem Konto getätigt werden können. Alternativ kann der Nutzer sein bestehendes Bankkonto verknüpfen, sollte er ein guthabenbasiertes Konto nicht bevorzugen.

Der Nutzer kann dann selbst individuell Karten erzeugen, zum Beispiel virtuelle Karten - sprich: Kartennummer, Ablaufdatum und Prüfnummer - um online einzukaufen oder einen Online-Service wie Netflix zu abonnieren. Dabei kann der Kunde die Rahmenparameter (wie Dauer oder maximaler Betrag pro Periode) hinterlegen, um seine Ausgaben beziehungsweise die Nutzung der Karte zu steuern. Darüber hinaus kann er eine tokenisierte Karte auf seinem Smartphone hinterlegen und diese somit zum Zahlungsmittel im stationären Geschäft machen. Darauf basieren Mobile-Payment-Lösungen wie "Boon", die sich auch in die bereits erwähnte Bezahllösung Apple Pay integrieren lässt.

Die Plastikkarte wird zum Zusatzservice

Im nächsten Schritt wäre vorstellbar, dass der Nutzer durch das Heranhalten des Telefons an ein NFC-fähiges und vernetztes Gerät diesem eine individuelle, tokenisierte Karte für Zahlungsvorgänge übergibt. Es gibt somit nicht mehr nur die eine Plastikkarte, sondern viele, individuell steuerbare digitale Karten, die der Kunde über ein Webportal oder die zugehörige Applikation transparent steuern kann.

Die klassischen Plastikkarten werden somit bereits in naher Zukunft zu Zusatzservices werden. Standardmäßig erhält der Kunde digitale Karten: für sein NFC- und Bluetooth-fähiges Mobiltelefon, für seine vernetzten Geräte oder seine Online-Händler und Serviceanbieter. Eine Plastikarte wird er sich eigens dazu bestellen müssen, sollte er diese benötigen beziehungsweise wollen. Die Kosteneinsparungen, die dadurch für die Herausgeber der Karten realisiert werden können, sind immens. Eine vernetzte Welt, in der vernetzte Geräte international vertrieben werden und zum Einsatz kommen, erfordert eine einheitliche, standardisierte Zahllösung. Daher sind Kreditkarten auf Basis internationaler Netzwerke und EMV-Standardisierung prädestiniert für diese neue Entwicklung.

Tokens spielen eine Schlüsselrolle

Die schöne neue IoT-Welt birgt aber natürlich auch potenzielle Gefahren: Was ist, wenn der Sensor der Waschmaschine kaputt geht und auf einmal ohne Grund Waschmittel ordert? Und was, wenn jemand seine Waschmaschine verkauft, aber versäumt, die Verbindung zu sich zu deaktivieren? Wird dann das von dem neuen Eigentümer benötigte Persil an den alten Waschmaschinen-Nutzer geliefert? Es wird schnell klar, dass viele neue Fragen und Befürchtungen entstehen: Wie kann die Sicherheit der Daten gewährleistet werden? Wie kann man kontrollieren, was die vernetzten Geräte mit den Zahlungsdaten machen? Und verhindern, dass etwa die Zahlungsfunktion eines Autos von außen gehackt wird?

Die Antwort darauf heißt Tokenisierung. "Tokens" sind Zahlenkombinationen, mit denen eine Bestellung oder eine Zahlung durchgeführt werden kann. Diese sind eine bloße "Referenznummer", die vom Zahlungsdienstleister erzeugt werden und in einem vernetzten Gerät wie einem Auto oder einer Waschmaschine gespeichert werden. Die sensiblen Zahlungsdaten selber - also die Kreditkartennummer, Gültigkeitsdauer und Prüfnummer - werden jedoch in einer stark gesicherten Umgebung gespeichert. Anders als mit diesen Zahlungsdaten können Hacker mit den Tokens allein nichts anfangen.

Tokens können aber über diesen reinen Sicherheitsaspekt hinaus noch viel mehr leisten: Sie können mit spezifischen Regeln verknüpft werden: Sie können somit ein "Verfallsdatum" beinhalten, eine maximale Summe für eine Transaktion, eine Höchstsumme pro Monat. Oder sie können nur in Verwendung mit einem bestimmten Produkt oder Lieferanten funktionieren und vieles mehr. Deshalb werden Tokens eine Schlüsselrolle für die vernetzte Zahlung im IoT spielen. Wirecard etwa setzt Tokens zur einmaligen Verwendung für digitale Kreditkarten oder auch bei der mobilen Bezahllösung Orange Cash ein, die mehrfach ausgezeichnet wurde. Dort werden kontaktlose, mobile Zahlungen mit Loyalty- und Couponing-Angeboten verbunden. Die Tokenisierungs-Technologie ist also die Grundlage dafür, dass Zahlungen einfach, schnell und gleichzeitig sehr sicher sind. Und Tokens können dem Nutzer auch die Kontrolle über eine wild gewordene Waschmaschine zurückgeben.

Langfristig muss digitales Zahlen so unkompliziert wie Barzahlen sein

So viel heute schon im Internet der Dinge möglich ist - eine weitere Herausforderung ist noch für die Zukunft zu meistern: Bargeldloses Bezahlen findet heute immer in einem geschlossenen System statt, das auf bilateralen Akzeptanzverträgen basiert. Eine wirklich voll vernetzte Welt braucht jedoch ein offenes System. Ein konkretes Beispiel aus der Gegenwart: Mit der Deutschen Telekom hat Wirecard eine zukunftsweisende IoT-Shoppinglösungs-Showcase entwickelt. Ein Kunde geht in ein Geschäft und identifiziert sich am Eingang mit seinem Smartphone. Er entnimmt die gewünschten Waren aus den Regalen - und durch die Verbindung mit dem Internet erkennen die Regale den Käufer sowie entnommenen Produkte. Passend dazu können ihm weitere Produkte digital vorgeschlagen werden. Beim Verlassen des Geschäfts muss der Kunde dann nicht an der Kasse anstehen, sondern der Bezahlprozess ist bereits abgeschlossen worden. Alternativ dazu, die Waren mitzunehmen, kann er sie sich auch nach Hause liefern lassen.

So könnte auch ganz allgemein die Zukunft des Bezahlens in einer völlig vernetzten Welt aussehen - dass der Kunde sich idealweise nur einmal identifiziert und dann kanalübergreifend und nahtlos bezahlen kann, ganz gleich, wo er sich gerade befindet und wo oder was er einkaufen will. Oder er lässt gleich sein Auto für sich bezahlen - unabhängig davon, ob er gerade das Ticket im Innenstadt-Parkhaus seiner Stadt oder an irgendeinem an der italienischen Riviera zahlen will.

Zugegeben: Bis es soweit ist, müssen noch einige Lösungen geschaffen und Herausforderungen bewältigt werden. Die Zahl der IoT-Devices wird auch in den nächsten Jahren stark wachsen und über immer mehr und immer intelligentere Funktionen verfügen. Dementsprechend werden die mobilen Netzwerke immer leistungsfähiger werden. Konsumenten, Unternehmen, Hersteller und Mobilfunkbetreiber werden sich immer stärker auf das Internet der Dinge einstellen, weil es den Alltag stark erleichtern kann. Etwas Zukunftsmusik ist ein völlig nahtloses, unkompliziertes und grenzenloses Payment im IoT-Zeitalter also noch. Aber Wirecard und viele andere Anbieter arbeiten jeden Tag daran, das bequeme und sichere Bezahlen der Zukunft Realität werden zu lassen.

Zum Autor Christian von Hammel-Bonten, Executive Vice President Global Product Strategy, Wirecard AG, Aschheim
Christian von Hammel-Bonten , Vorsitzender der Geschäftsführung, paydirekt GmbH, Frankfurt am Main

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