PAYMENT-TRENDS

Buy Now Pay Later - Disruptor des Zahlungsverkehrs?

Bernd Richter, Foto: privat

Buy Now Pay Later war wohl das heißeste Thema in der Welt des Zahlungsverkehrs 2021, sagt Bernd Richter. In dem Geschäftsmodell eines weiterentwickelten Ratenkaufs sieht er disruptives Potenzial - vor allem dann, wenn es den Anbietern gelingt, auch an den stationären PoS vorzudringen. Dann könnten die jetzt noch starken Burggräben der Payment Schemes bröckeln. Weil mit dem Kauf auf Pump allerdings auch neue Überschuldungsrisiken für Verbraucher drohen, könnten auch die Regulatoren eingreifen. Red.

Buy Now Pay Later (BNPL) hat in den letzten zehn Jahren dramatisch an Bedeutung gewonnen und war zweifellos ein Trendthema des Jahres 2021 im Bereich des Zahlungsverkehrs. BNPL-Anbieter arbeiten mit Einzelhändlern zusammen, um Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, einen Kredit im Voraus zu erhalten, der zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden kann: entweder durch eine aufgeschobene Zahlung in voller Höhe oder durch eine Aufteilung der Zahlung auf mehrere feste Raten. Etwaige Zinsen werden dabei im Voraus vereinbart und sind im Rückzahlungsplan bereits enthalten. Die Option ermöglicht es den Verbrauchern, zins- und gebührenfrei in Raten zu zahlen: eine Zahlung im zweiwöchigen Turnus, bis der Betrag zurückgezahlt ist.

Für den Handel birgt der Kauf auf Pump zahlreiche positive Effekte. So führt BNPL zu höheren Konversionsraten, steigert den durchschnittlichen Bestellwert und festigt nicht zuletzt die Loyalität der Nutzer. Außerdem scheuen Händler die Interchange- und Scheme-Fees, die normalerweise von Banken und Kartennetzwerken erhoben werden. Die Verbraucher mögen es, weil sie zinsfrei einkaufen können (vorausgesetzt, sie zahlen pünktlich zurück) und außerdem zeitliche Flexibilität gewinnen, die Waren zu prüfen, bevor sie bezahlen müssen. So lassen sich etwa Waren bei Nichtgefallen zurücksenden und lediglich die behaltenen Produkte werden bezahlt.

Alternative zu Interchange und Scheme Fees

Die Idee selbst ist nicht neu: In der Vergangenheit wurde BNPL den Verbrauchern beim Kauf teurer Waren von Einzelhändlern zur Verfügung gestellt (wobei die Einzelhändler ihrerseits diese Kredite im Regelfall mit großen Bankdarlehen finanzierten). Im Zuge des aktuellen Trends sehen wir die Auslagerung der BNPL-Funktion durch die Einzelhändler an Drittanbieter wie Affirm, Klarna, Paypal oder andere, die mit der Zahlungsmethode Neukunden gewinnen. Damals wie heute ist die kurzfristige BNPL-Option gebühren- und zinsfrei und kommt - anders als die Kreditkarte - einem kostenlosen Kredit gleich.

Für deutsche Verbraucher ist klassisches BNPL letztlich auch ein neuer Name für die guten alten Ratenkaufprogramme, die von Einzelhändlern und Banken seit langem angeboten werden. Allerdings ist es nicht nötig, aufwendig Formulare auszufüllen und ferner müssen Kunden nicht ihre Bonität gegenüber Dienstleistern wie der Schufa offenlegen, da die Anbieter eigene Bonitätschecks durchführen.

Marktführer Klarna

Eigene Studien legen den rasanten Wachstumstrend bei BNPL-Anbietern offen: Allein in Großbritannien liegt dieser jährlich bei um die 39 Prozent. Der Marktanteil wird sich im E-Commerce Bereich bis 2023 verdoppeln. Zwar kann BNPL derzeit nur etwa 1 Prozent des Zahlungsverkehrsvolumens ausmachen, bis 2026 wird BNPL allerdings voraussichtlich auf ein Transaktionsvolumen von mehr als eine Billion Dollar anwachsen. Laut einer Studie von McKinsey vom Juli 2021 geben etwa 60 Prozent der Verbraucher an, dass sie in den nächsten sechs bis zwölf Monaten wahrscheinlich einen Service wie BNPL nutzen werden.

Auf dem weltweit am schnellsten wachsenden BNPL-Markt - den USA - führt Klarna (mehr als 20 Millionen angemeldete US-Nutzer, davon mehr als vier Millionen monatlich aktiv) das Feld an, zusammen mit Afterpay (9,3 Millionen aktive US-Nutzer) und Affirm (5,4 Millionen aktive US-Verbraucher). Zahlungsverkehrsgigant Paypal ist ebenfalls in diesem Bereich aktiv, zählt 3,3 Millionen aktive BNPL-Nutzer weltweit. Klarna jedoch hat eine Vorreiterrolle bei dieser neuen Kreditform inne.

Klarna bietet - wie Affirm - sowohl die typische Ratenzahlungsoption (vier Zahlungen, zinsfrei) für kleinere Einkäufe als auch die Finanzierungsoption an, die eher wie ein Kreditprodukt funktioniert und es dem Verbraucher ermöglicht, Zahlungen (für typischerweise größere Einkäufe) über 36 Monate zu tätigen und zu begleichen. Klarna hat auch ein eigenes "Pay in 30 Days"- Produkt, das den Kunden ein 30-Tage-Fenster für die Bezahlung des Produkts einräumt, in dem Rückgaben möglich sind. Mit seinen rund 90 Millionen Nutzern und mehr als 250 000 Händlern in mehr als 17 Ländern ist das Unternehmen in der Lage, schnell zu skalieren und mit anderen Herausforderern zu konkurrieren.

Paypal übernimmt Afterpay, Amazon kooperiert mit Affirm

Für einen Paukenschlag sorgte im Sommer 2021 die Übernahme von Afterpay durch den US-Payment-Shootingstar Square, welcher sich anschickt, zunächst in den USA zum aggregierenden Finanzdienstleister zu werden. Von Steuerangelegenheiten über Brokerage bis hin zum Zahlungsverkehr will das Unternehmen zum dominierenden Wettbewerber in Finanzfragen avancieren. Der Wachstumsmarkt BNPL und die gute Verbreitung von Afterpay in den angelsächsischen Ländern sind wesentliche Bausteine dieser Strategie.

Abbildung 1: Mehr als jeder dritte US-Verbraucher hat BNPL schon genutzt Quelle: The Motley Fool

Die Bedeutung von BNPL zeigte sich ferner in einer umfassenden Kooperation des E-Commerce Giganten Amazon mit Affirm wie auch der Übernahme der japanischen Paidy durch Paypal. Letzteres fügt sich nahtlos in Paypals Strategie der lokalen Spezialisierung ein.

Allerdings entwickelt sich BNPL nicht nur in westlichen Märkten zum Zahlungstrend und zum Wachstumsmotor der Finanzplayer. Auch Chinas Giganten haben die Entwicklung für sich erkannt. Wir sehen in China, dass "Buy Now Pay Later" 50 Prozent des Gesamtvolumens von Alipay ausmacht.

Herausforderung für die etablierten Spieler?

Der Erfolg von BNPL-Anbietern zeigt deutlich, dass Banken - aber auch klassische Player im Bereich Verbraucherkredite - auf diese Nachfrage und das sich wandelnde Nutzerverhalten reagieren müssen. Der klassische Verbraucherkredit ist im Wandel begriffen, die Aspekte Kosten, Preistransparenz, aber auch Komfort und Bequemlichkeit stehen stärker denn je im Fokus der Kunden.

Abbildung 2: Höchstes Potenzial bei jungen Leuten Quelle: E-Marketer, Mai 2021

Agile Player wie Fintech-Herausforderer Klarna kombinieren diese Features hervorragend und erzeugen damit eine neue Erlebniswelt. Eine passende und nutzerfreundliche Bezahloption ist für die Anwender lediglich ein paar Klicks entfernt.

Nutzung des digitalen Euro Quelle: Deutsche Bundesbank

Rückkehr ins Händlergeschäft als Reaktion

Für die Hausbank besteht das Risiko, dieses Geschäft - insbesondere im Bereich des E-Commerce - dauerhaft an die Fintech-Rivalen zu verlieren. So manche Bank wird möglicherweise wieder in das oft zuvor verkaufte Zahlungsakzeptanzgeschäft (auch Merchant Acquiring) wieder einsteigen, um dann dieses in Kombination mit BNPL Ihren Händlern anzubieten - in der Hoffnung damit ausreichend Kompensation für mögliche Verluste im Bereich Interchange oder Konsumentenkredit zu schaffen.

Das oft zitierte Ringen um die direkte Kundenschnittstelle könnte hier zugunsten der neuen Spieler ausgehen. Ein Szenario, welches gerade in Zeiten schwächelnder Erträge vieler Banken aufschrecken muss. Auf der anderen Seite ist festzuhalten, dass Banken bei vielen Kunden im Ruf stehen, besonders vertrauenswürdige Kreditgeber zu sein: sodass es aus Bankensicht naheliegend scheint, den Kunden die Möglichkeit zur Nutzung einer eigenen BNPL-Lösung zu geben.

Szenarien, die davon ausgehen, dass BNPL-Größen die Ausgaben, welche derzeit mit Kreditkarten getätigt werden, absaugen und somit die traditionellen Banken schon kurzfristig in Bedrängnis bringen, lassen sich jedoch in aktuellen Zahlen nicht belegen: Das BNPL Volumen in den USA beträgt 2020 gerade einmal 24 Milliarden Dollar, was ein winziger Bruchteil der drei Billionen Dollar ist, die jährlich mit Kreditkarten abgewickelt werden. Allerdings kündigte Mastercard erst kürzlich an, eigene BNPL-Funktionen ins Angebot aufzunehmen. Auch die Granden des Zahlungsverkehrs sehen also durchaus ernsthafte Herausforderungen für das eigene Geschäftsmodell aufziehen.

Karten-Schemes mit starken "Burggräben"

Anbieter wie Amex, Visa oder Mastercard sind weltweit tief in Zahlungsabwicklungssysteme integriert, haben es geschafft, sich starke Burggräben aufzubauen. Treten sie doch als Partner von Banken auf, die Karten ausgeben und haben ferner ein riesiges Netzwerk auf Seiten der Händler aufgebaut. Die neuen Spieler im digitalen Bezahlen - von Apple bis Samsung - nutzen im Normalfall auch Kooperationen mit den Zahlungsverkehrs-Größen und sind durch die Beherrschung der Kundenschnittstelle (Apple Pay, Google Pay, Amazon Pay) in den Markt eingetreten.

BNPL-Anbieter stellen eine Alternative zu den bekannten Lösungen dar, welche in vielen Märkten schlicht günstiger als Kreditkarten, Absatzfinanzierungen oder POS Ad-hoc Kredite sind. Fintech-Banken à la Square bieten den Service nicht nur online an, sondern planen wohl, auch massiv am Point of Sale zu expandieren. So kommt Square ursprünglich von der Händlerseite, erobert nun aber zunehmend den Consumer-Markt. Diese Zahlungsverkehrsexpansion ist ein Baustein der Strategie hin zur Super-App.

An der Ladenkasse könnte der Burggraben bröckeln

Gelingt es den großen Fintech-Spielern, neben der E-Commerce-Offensive auch einen erheblichen Anteil der Zahlungen an der klassischen Ladenkasse zu ergattern, könnte auch der Burggraben der etablierten Payment-Riesen und ihren Schemes bröckeln. So wäre es technisch möglich, etwa über QR-Codes Zahlungsanforderungen effizient aufzuwickeln, wie es heute bereits in China von den großen Anbietern erfolgt.

BNPL-Anbieter können über die Zeit ihre Kunden auf preiswertere Abwicklungsmethoden - Konto zu Konto mittels PSD2-Zahlungsauslösung - heben: weg von den gängigen Karten und den damit hohen Interchange und Scheme-Kosten hin zu rein digitalen Lösungen. Gelingt es den Fintechs, gerade bei jungen Kunden eine Marktdominanz zu erobern, scheint es fraglich, ob sie an Partnerschaften mit den Kartenanbietern überhaupt interessiert bleiben - es scheint denkbar, dass sie den Zahlungsverkehr auch ohne Partner abwickeln. Dank BNPL steht die dazu notwendige Infrastruktur bereits zur Verfügung.

Die jungen Player wie Klarna oder Square besitzen tieferes Wissen über ihre Nutzer - können entsprechende Services gezielt anbieten, sind außerdem im Bereich Sicherheit konkurrenzfähig und bauen ihre Kundenschnittstelle in Richtung Shoppingerlebnis aus, um die Transaktionsabwicklung und Zahlungssteuerung mit dem Kunden zu beherrschen. So ist es etwa Klarna gelungen, selbst die Rolle eines Marktplatzbetreibers zu erobern, was das Unternehmen zu einem wertvollen Partner für zahlreiche Händler macht und es ermöglicht, die Marke Klarna als Kundenmarke zu etablieren.

Risiko unkontrollierter Schuldenaufnahme

Trotz der Zufriedenheit vieler Kunden wie auch der interessanten Wachstumsperspektiven ruft der Trend auch Kritiker auf den Plan. Der unkomplizierte Kauf auf Pump mit nur wenigen Klicks birgt nicht zuletzt bei der Zielgruppe der jungen Kunden auch Gefahren: So steht die finanzielle Gesundheit der Nutzer auf dem Spiel. Nach dem Kaufrausch droht ein gehöriger Kater, wenn Nutzer die Kontrolle und die Übersicht über Käufe verlieren.

Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Impulskäufe durch die neue Methode begünstigt werden. Das Tappen in die Schuldenfalle geschieht dabei meist unkontrolliert, da weder Auskunfteien noch die Hausbank von diesem Vorgang unmittelbar erfahren. Somit liegt die Verantwortung - aber auch das Risiko - bei den Verbrauchern und den BNPL-Anbietern selbst. Unvorhergesehene Krisen wie zuletzt 2020, mit direkten Auswirkungen auf die Liquidität von Kreditnehmern, könnten insofern schnell auf die Fintechs übergreifen und deren finanzielle Stabilität gefährden.

Mit gravierenden Verschiebungen im Markt war "Buy Now Pay Later" wohl das heißeste Thema in der Welt des Zahlungsverkehrs im Jahr 2021. Die Zahlungsmethode birgt spannende Wachstumschancen und ein gehöriges disruptives Potenzial für die Finanzbranche. Allerdings dürften die Tücken und Gefahren von BNPL zunehmend in den Fokus geraten und könnten nicht zuletzt auch den Regulator auf den Plan rufen. In der strategischen Planung von Fintechs, aber auch bei etablierten Spielern, wird das Thema zukünftig eine erhebliche Rolle einnehmen.

Bernd Richter , SVP & Group Executive for Global Real Time Payments , FIS Fidelity Information Services GmbH, Frankfurt am Main

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