Bankkarten-Forum 2016

Concardis 3.0 - vom Acquirer zum German Payment Champion

Bild 8

Einen echten deutschen Payment Champion zu schaffen, der aus Deutschland heraus in eine europäische Dimension vordringt, ist ein lohnendes Ziel, meint Marcus W. Mosen. Und Concardis habe durchaus das Potenzial dazu. Das Unternehmen müsse sich freilich weiter verändern: aus der kreditwirtschaftlich orientierten "Acquiring-Denke" herauskommen, E-Commerce- und Big-Data-Kompetenzen aus- und neue Partnerschaften aufbauen. Denn Anbieter, die E-Commerce und Mobile Payment nicht verstehen, haben künftig keine Chance mehr. In der Vergangenheit, so Mosen, hat Concardis Fehler gemacht. Bei der unabdingbaren Aufholjagd sieht er sein Haus jedoch auf einem guten Weg. Red.

Wir leben in einem Zeitalter der großen Strukturen und der großen Vereinfachungen. Das Schwungrad dieses Zeitalters ist die Digitalisierung. Sie verändert die Reichweiten, schafft neue Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle, führt zu Substitutionen, kreiert neue Wettbewerber und Wettbewerbssituationen und erlaubt eine schnelle und große Skalierung von neuen Angeboten. Und die Paymentbranche befindet sich mitten in diesem Veränderungsprozess.

Unter anderem hat die Digitalisierung dazu geführt, dass im Payment heute ein anderes Wettbewerbsumfeld herrscht als noch vor wenigen Jahren. Neue Wettbewerber sind nicht erst jetzt aufgetaucht. Sie waren auch schon vor drei Jahren da. Aber sie haben enorm an Bedeutung zugelegt.

Mit der Digitalisierung steigt die Dynamik in der Branche

Das liegt an den Innovationsraten und den direkten und indirekten Beschleunigungseffekten, die die Digitalisierung in unseren Markt getragen hat: So sind neue global agierende Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen entstanden, auf die sich junge Payment-Unternehmen - die sogenannten Außenseiter - mit innovativen Ideen, agilen Organisationen und neuen Technologien fokussiert haben. Der E-Commerce und das mit ihm verbundene Payment ist enorm gewachsen und hat darauf spezialisierte Payment-Anbieter mit nach oben genommen.

Vom sich entwickelnden Multichanneling profitieren Payment Service Provider, die breit aufgestellt sind, und neben dem virtuellen Point of Sale (PoS) zunehmend auch den stationären Handel sowie die Kommunikation mit den Kunden unterstützen können. Das Kölner Institut für Handelsforschung hat in einer Untersuchung herausgefunden: Multichannel-Anbieter - also Händler, die Internet und stationäre Angebote verbinden - legten zwischen 2014 und 2015 um gut zehn Prozent zu, Online-Marktplätze um gut sieben Prozent.

Das Mobile Payment wird nach allem, was wir wissen, die Early-Adopter-Phase verlassen und auf einen recht steilen Wachstumskurs einschwenken. Einer aktuellen Studie von PwC zufolge erfolgten im ersten Quartal 2016 bereits 62 Prozent der Zalando-Seitenbesuche über mobile Endgeräte. Das sind zwar noch keine Käufe. Aber ein Wachstum dieses Wertes von knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr spricht eine deutliche Sprache.

Payment wird Teil der Kundenkommunikation

In dem Maße, in dem bisherige Kommunikationsmedien wie Smartphones, Wearables und sonstige elektronische Endgeräte zu Zahlungsmedien werden, begünstigt dies auch das Vordringen der Anbieter alternativer Applikationen, wie Mobile Wallets, Personto-Person Payments, Mobile Money oder In-App-Payments.

Über die mobilen elektronischen Endgeräte rücken die beiden Funktionen Kommunikation und Payment ganz eng zusammen und schreien förmlich nach Verschränkung. So wie es beispielsweise Alipay mit seiner Alipay-App macht. Sie bietet zusätzlich zum Payment eine Lifestyle-Anwendung, die "Global Lifestyle Platform". Diese gibt Konsumenten Informationen zu Geschäften in der Nähe sowie zu Angeboten und Empfehlungen. Und das ist sicher nur der Anfang. Die Vernetzung beispielsweise mit Social Media ist nur einen Doppelklick weit entfernt.

Diese Integration von Kommunikations- und Bezahlfunktion wird sowohl auf der Konsumenten- als auch auf der Händlerseite ein zentrales Thema der nächsten Jahre werden, dem sich die Paymentbranche stellen muss. Denn dieses Zusammenwachsen ermöglicht die Entwicklung von Zusatzleistungen, die über Loyalty- und ähnliche Programme weit hinausgehen und die Attraktivität der Anwendungen für den Nutzer steigern. Das wird umso schneller erfolgen, je größer die technischen Möglichkeiten werden. Diese sind heute im Mobilbereich vor allem durch Bandbreiten und Geschwindigkeiten bestimmt. Und hier gerät einiges in Bewegung.

Concardis muss den Blickwinkel verändern.

In der Telekommunikationsbranche wird derzeit die Konversion von LTE auf den Super-Mobilfunkstandard 5G vorgestellt. Bereits 2020 soll ein massives mobiles Breitband mit mehr als zehn Gigabits verfügbar sein. Verbunden mit vereinfachten Authentifizierungsverfahren macht das auch umfangreichere Applikationen, bei denen die Produktsuche oder Produktkonfiguration und das Payment verbunden werden, zu einer reibungslosen, einfachen und schnellen Angelegenheit. Auch das wird den Wechsel von lokationsgebundenen Transaktionen zu mobilen Transaktionen weiter verstärken. Meine Prognose: So wie seit Jahren die Mobiltelefonie die Festnetztelefonie verdrängt, so werden die mobilen Endgeräte im E-Commerce zunehmend die stationären Geräte verdrängen.

Für die Paymentbranche kann man das Geschehen auch so zusammenfassen: Payment-Anbieter, die E-Commerce nicht können, die Mobile Payment nicht können und nicht in der Lage sind, das Zusammenwachsen von Geschäftsprozessen, Kundenkommunikation und Payment abzubilden und zu unterstützen, werden es sehr schwer haben, in Zukunft noch Geld zu verdienen - oder neue Kunden zu gewinnen.

Payment-Unternehmen wie Concardis, die fest in der Kreditwirtschaft verankert sind, haben sich quasi schon von Geburt an an dem Ökosystem Kreditwirtschaft orientiert und darin bewegt. Die wahre Dynamik findet aber am PoS - also im Handel - statt. Das haben einige der sogenannten Außenseiter früher begriffen und sind teilweise an den etablierten Anbietern vorbeigezogen. Es gilt zu verstehen, dass die ganzheitliche Betrachtung des realen und des virtuellen PoS der zentrale Orientierungspunkt für das Geschäft ist.

Wo steht Concardis angesichts dieser Entwicklungen? Die Antwort darauf fällt zweigeteilt aus.

- Die schlechte Nachricht ist: Wir hecheln hinterher.

- Die gute Nachricht lautet: Wir hecheln immer besser.

Das Unternehmen hat es immer wieder mit gelernten Wahrnehmungsmustern und - entsprechend der Herkunft - mit einem traditionell kreditwirtschaftlich geprägten Denken zu tun. Aber wie bereits gezeigt kommt die Dynamik im Markt heute aus einer anderen Ecke. Hier haben wir noch Verbesserungspotenzial.

Geschäftsmöglichkeiten verpasst

Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen illustrieren. Concardis hat vor einigen Jahren Zalando als Kunde abgelehnt. Man meinte, der Kunde sei nicht seriös, auf Pump finanziert und dann auch noch eine Rocket-Internet-Beteiligung. Nach dem gängigen Risikoscreening wollte man damit nichts zu tun haben. So haben wir uns in der Vergangenheit Geschäftsmöglichkeiten entgehen lassen, bei denen wir heute wissen, dass es ein großer Fehler war. Damals jedoch hatten wir die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Es wurde nicht gesehen, dass neue Geschäftsmodelle entstehen, die einer anderen Risikobetrachtung unterzogen werden müssen, als die, die man kreditwirtschaftlich gewohnt ist.

Auch meinte man vor nicht allzu langer Zeit bei Concardis, sich immer noch an den klassischen nationalen Wettbewerbern abarbeiten zu müssen, die ebenfalls aus der Kreditwirtschaft entstammten. Man feierte jede kleine Marktanteilsverschiebung im Acquiring als einen großen Erfolg. Dass sich parallel dazu das sogenannte Playing Level Field veränderte, dass andere Anbieter am Erweitern ihrer Wertschöpfungskette waren und zunehmend international agierten, dass völlig neue Spieler auf den Markt traten, wurde nicht als eine ernsthafte Bedrohung der eigenen Position gesehen.

Aus der reinen "Acquiring-Denke" heraus

Aber in den letzten beiden Jahren hat sich bei Concardis die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Unternehmen als Payment-Service-Anbieter aus seiner reinen Acquiring-Denke heraus musste. Denn die Dynamik auf der Händlerseite ist eine ganz andere als auf der Issuing-Seite. Hier wird der Takt geschlagen, hier gibt es viel technologische Innovation. Es gibt neue Konzepte, aber auch neue Nischenanbieter mit neuen Ideen, die ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Darauf hat sich Concardis eingestellt.

Das Unternehmen hat sein Kerngeschäft - das Acquiring - weiterentwickelt. Es hat seinen Vertrieb gestärkt und ist dabei, seinen Kundenservice neu auszurichten. Zudem wurde eine Abteilung aufgebaut, in der Lösungskompetenzen für komplexe Aufgabenstellungen von Key Accounts zusammengefasst sind.

Kerngeschäft weiterentwickelt

Als ein wirklicher Payment-Solutions-Partner ist Concardis auch Berater und Lösungspartner seiner Kunden. Bei vielen Händlern und Dienstleistungsunternehmen geht es nicht nur um die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Es geht häufig um das generelle Thema Monetarisierung im Geschäftsmodell. Es geht um den gesamten Checkout-Prozess in allen Kanälen und um Mehrwertdienste, die mit dem Payment zusammenhängen. Dafür wurden die Beratungskompetenzen erweitert.

Vor allem aber wurden die E-Commerce-Kompetenzen ausgebaut. Es wurde ein Competence Center E-Commerce etabliert und mit dem klassischen Produktmanagement verzahnt. Das Unternehmen hat seine Risikomanagement-Kompetenz erweitert und testet neue Kundensegmente. Derzeit wird eine eigene PSP-Plattform entwickelt und in neue technologische Lösungen speziell für den E-Commerce investiert.

Alle diese Maßnahmen versetzen Concardis in die Lage, den Weg der Kunden ins Multichanneling genauso zu unterstützen wie reine E-Commerce-Händler und junge Unternehmen mit neuen internetbasierten Geschäftsmodellen.

Daneben wird Kompetenz beim Thema Big Data aufgebaut, was dabei hilft, Mehrwertleistungen zu entwickeln. Deshalb investiert das Unternehmen auch in eigene Verarbeitungslösungen und -prozesse. Den Kunden soll in allen Leistungsbereichen ein umfassender und erstklassiger Service geboten werden. Das bedingt, dass wesentliche Kompetenzen im eigenen Haus vorgehalten und wichtige Funktionalitäten selbst dargestellt werden. Mit den anfallenden Daten können wir arbeiten und kundenspezifisch neue Services entwickeln.

Zukäufe und neue Partnerschaften

Nicht zuletzt kaufen wir zu und gehen Partnerschaften ein. Fokus ist der reale wie virtuelle PoS. Dort wollen wir unsere Kompetenz stärken. So wurde die Position in der Schweiz und in Österreich ausgebaut. Mit dem Kauf der ICP und der Mehrheitsübernahme an der Cardtech verfügt Concardis endlich über einen eigenen Netzbetrieb und kann Funktionalitäten wie E-Money oder Loyalty Services anbieten.

Wir gehen neue Partnerschaften ein, wie mit Alipay oder Valuephone. Und wir kombinieren beides wie bei Orderbird. An dem führenden i-Padbasierten Kassenanbieter in der Gastronomie ist Concardis größter Einzelaktionär, aber auch der Lösungspartner für das Payment und unterstützt deren Internationalisierung.

Keine Alternative zur Aufholjagd

Die Partnerschaft mit Orderbird hat noch einen großen Zusatznutzen: Wir profitieren von der Start-up-Kultur dieses Unternehmens. Wir erfahren viel von deren alternativen Vorgehensweisen und Formen der Zusammenarbeit. So haben wir gelernt, auf welche Kompetenzen und Rahmenbedingungen es im heutigen Umfeld der Digitalisierung und der "Fintechnisierung" ankommt.

Es sind vor allem Marktantizipation, Kundenverständnis, Handlungsschnelligkeit und Agilität. Dazu kommt die Freiheit zum unternehmerischen Handeln und Risikobereitschaft. Das versucht auch Concardis, im Unternehmen zu leben. Es ist nicht immer einfach, funktioniert aber immer besser. Dennoch handelt es sich dabei um eine große Aufholjagd.

Zu dem Aufholen, das Concardis vor rund zwei Jahren begonnen hat, gab es keine Alternative. Wenn der Markt sich weiterentwickelt und gleichzeitig der Wettbewerb sich weiterentwickelt, man selbst aber stehen bleibt, wird man zunächst marginalisiert und dann substituiert. Deshalb sind wir überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Das parallele Vorantreiben von Organisationsveränderungen, technologischen Entwicklungen, Integrationsaufgaben und Geschäftsentwicklungen ist natürlich für alle Beteiligten anstrengend. Aber die ersten Erfolge stimmen positiv.

Gleichzeitig nimmt das Tempo der Veränderung im Payment-Markt weiter zu. Es gilt also, noch einen Gang höher zu schalten. Ziel muss sein, gegenüber dem internationalen Wettbewerb eine verteidigbare Position aufzubauen.

Die Zeit für einen deutschen Payment-Champion ist reif

Ist das machbar? Ich denke ja. Das Unternehmen will seine Herkunft ja nicht verleugnen. Im Gegenteil, es will sie aktivieren. Es gibt eine klare Chance, einen "German Payment Champion" zu positionieren: einen führenden Payment-Dienstleister, der aus Deutschland heraus international agiert und die Kunden der deutschen Kreditwirtschaft in ihren Strategien unterstützt und be gleitet. Die Zeit dafür ist reif. Der Markt drängt Concardis geradezu zur Expansion.

Sowohl Bestandskunden als auch neue Kunden erwarten schon heute eine breitere Produktpalette, nicht nur für die Payment-Anforderungen im deutschen Markt, sondern auch darüber hinaus. Diese Anforderungen wachsen in dem Maße, wie große Handelsunternehmen in ihrer Multichanneling- und Internationalisierungsstrategie vorankommen. Ihnen dabei zur Seite zu stehen ist die Chance, die es zu nutzen gilt.

Mit der aufgezeigten Dynamik und den stattfindenden Veränderungen sind wir heute in einer Situation, in der sich der Markt neu ordnet. Man muss sich entscheiden, auf welcher Seite man daran teilnehmen will. Wir sind davon überzeugt, dass man das Potenzial, das Concardis hat, weiterentwickeln muss. Dazu gehört, einen Rahmen und eine Struktur zu schaffen, die agil und unternehmerisch geprägt sind, und natürlich auch Wachstumskapital zur Verfügung zu stellen. Denn: Einen echten deutschen Payment Champion zu schaffen, der aus Deutschland heraus in eine europäische Dimension vordringt, ist ein lohnendes Ziel. Aus volkswirtschaftlichen Gründen aber auch für die deutsche Kreditwirtschaft und den deutschen Handel.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Bankkarten-Forum 2016.

Zum Autor Marcus W. Mosen, Vorsitzender der Geschäftsführung, Concardis GmbH, Eschborn
Marcus W. Mosen , Aufsichtsrat, N26 GmbH, Berlin

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X