Kartendienstleister

Concardis - nur ein Unternehmensverkauf?

Dr. Laurenz Kohlleppel

Quelle: privat

Die Trennung der kreditwirtschaftlichen Gesellschafter von Concardis stellt strategisch und wirtschaftlich eine entscheidende Zäsur dar, so Laurenz Kohlleppel. Das Kreditgewerbe verliert damit an Einfluss auf die Weiterentwicklung des Paymentmarktes, an Möglichkeiten zur Erlösgenerierung und an Zugang zu Daten, die sich für das Big-Data-Geschäft nutzen ließen. Kreditwirtschaftliche Verbünde müssen sich deshalb neue Chancen erarbeiten, unter anderem durch eine bessere Verzahnung mit dem Firmengeschäft. Neue Potenziale sieht der Autor auch durch Instant Payments. Denn sie rücken das Konto wieder stärker ins Zentrum des Zahlungsverkehrs. Red.

Am 13. Januar 2017 teilte die Geschäftsführung der Concardis mit, dass die Private Equity Unternehmen Bain Capital Private Equity und Advent International einen Kaufvertrag zum Erwerb aller Anteile an der Concardis GmbH unterzeichnet haben. Mit der Trennung von Concardis kommt ein Prozess der De-Investition des Kreditgewerbes in gemeinschaftlich betriebene Zahlungsverkehrsunternehmen zum Abschluss - auch ungeachtet der nach wie vor bestehenden Beteiligung an der Euro Kartensysteme, der Girocard (ex ec-Karte) und des noch jungen Paydirekt-Engagements.

Wie stellt sich nun für den Handel die Anbieterstruktur auf dem Markt für Paymentservices dar? Die Anbieter lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

- kreditgewerbliche Anbieter,

- Anbieter aus dem Handel beziehungsweise mit Bezug zum Handel,

- unabhängige Anbieter beziehungsweise solche mit Nähe zu Kartenprozessoren.

Ursprünglich wurde in Deutschland dieses Geschäft durch das Kreditgewerbe geprägt und als Gemeinschaftsaktivität (GZS, später Euro Kartensysteme, dann Concardis) organisiert (siehe Kasten auf Seite 26). Insbesondere das nichttechnische Geschäft im Acquiring, sprich der Vertragsabschluss über die Kreditkartenakzeptanz, und der Netzbetrieb mit seinen direkten Vertragsbeziehungen zum Händlerkunden wurden von der Kreditwirtschaft als unmittelbar geschäftsrelevant und mit dem Wachsen des Kartenmarktes zunehmend bedeutsam für den Wettbewerb unter den Kreditinstituten empfunden. Maßgeblich hierfür war die Überlegung, dass der Zahlungsverkehr eine Kernleistung der Kreditwirtschaft ist und es daher ein entsprechendes eigenständiges Angebot geben müsse.

Dies führte in der Folge zu eigenen Unternehmensgründungen durch Bankengruppen/Banken (zum Beispiel Card Process, POS-Transact, Easycash) beziehungsweise zur Übernahme/Integration von bereits existierenden Unternehmen (wie B+ S) mit Schwerpunkt Kreditkarten-Acquiring in kreditwirtschaftliche Organisationen.

Neben den kreditgewerblichen Anbietern haben sich spezielle Dienstleister etabliert, die aus der Interessenlage einzelner Händler und in deren Umfeld entstanden sind (unter anderem Deutsche Bahn, Mineralölunternehmen, Douglas Informatik & Service, auch DZB Bank) und welche für diese primär technische Leistungen im Electronic-Cash-Netzbetrieb anboten.

Beiden Gruppen von Dienstleistern ist gemein, dass sie jeweils von einer der beiden Marktseiten initiiert worden sind, die eine der beiden Seiten der Vertragsbeziehung Bank - Händler repräsentieren.

Schließlich hat sich als Drittes, mit dem Marktauftritt von electronic cash, eine weitere von dieser Ausgangssituation unabhängige Gruppe etabliert. In dieser finden sich Unternehmen, die losgelöst von strategischen Interessenlagen aus dem Kerngeschäft der jeweiligen Eigentümer, also Banken beziehungsweise Handel, die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Durchführung der Zahlungsfunktionen für den Handel als ein originäres eigenständiges Geschäft empfinden. Sie konzentrieren sich auf Serviceleistungen, die in erster Linie den Händler im Auge haben und für diesen alle operativen Funktionen bei Kaufvorgängen im Zusammenhang mit dem Zahlungsvorgang sicherstellen wollen. Diese Dienstleister stammen unter anderem aus dem Lager der Terminalproduzenten (zum Beispiel Ingenico, Verifone) oder der Prozessoren (zum Beispiel First Data/Telecash, Paysquare, Intercard).

Kreditgewerbliche Anbieter mit dominanter Marktposition im Acquiring

Die kreditgewerblichen Anbieter konnten bislang besonders im klassischen Kreditkarten-Acquiring eine dominante Marktposition behaupten. Dies galt in erster Linie für Concardis und, mit Abstrichen, für B+ S. Ausschlaggebend hierfür war die Fähigkeit, eine durchgängige Wertschöpfungskette unter Einschluss des Ankaufs der Forderung bis hin zur technischen Abwicklung mit einem eigenständigen überregional agierenden Vertrieb bereitzustellen, mit dem sowohl große Kunden als auch der Mittelstand erreicht werden konnten (Marktanteil am Transaktionsvolumen: über 70 Prozent)1) .

Nach dem weitgehenden Entfall der Er löse für die Banken als Folge der Regulierung der Interchange stellten damit die in diesem Geschäft erzielbaren Merchant-Discounts die einzige noch verbleibende nennenswerte Erlösquelle (aktuelle Jahresumsätze Concardis: 480 Millionen Euro, B+ S 300 Millionen Euro) aus dem Transaktionsgeschäft dar, das heißt dem Einsatz der bankseitig bereitgestellten Kreditkarten.

Eine vergleichbar starke Position konnten die kreditgewerblichen Anbieter im Debitgeschäft (Akzeptanz im Girocard- und ELV-Geschäft) nie erreichen. Hier zeigen die Marktanteile eindeutig die Dominanz der unabhängigen Dienstleister wie Telecash, Ingenico, Intercard oder Pay square mit einem kumulierten Marktanteil deutlich über 50 Prozent. Die kreditgewerblichen Anbieter erreichen zusammengefasst einen Anteil in der Größenordnung von nicht mehr als 15 bis 20 Prozent.

Professionalisierung des Händlergeschäfts?

Mit der nun vollzogenen Übertragung der Concardis an ein Private-Equity-Konsortium hat sich die Kreditwirtschaft aus dem Geschäftsfeld der Händlerservices weitgehend verabschiedet.

Den aktuell stattfindenden Rückzug kann man in bestimmter Weise als eine Form der "Professionalisierung des Merchant Business" interpretieren, indem nämlich die Services für den Handel rund um den Zahlungsverkehr nun offenbar als komplett eigenständiges und nicht mehr in erster Linie kreditwirtschaftlich geprägtes Geschäft verstanden werden. Diese Sicht hat nun über die Netzbetriebsfunktionen bei electronic cash hinaus auch Eingang in die traditionelle Domäne des Kreditkarten-Acquirings stattgefunden. Damit haben in diesem Markt diejenigen Anbieter das Übergewicht gewonnen, die weder im Kreditgewerbe noch im Handel beheimatet sind.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass dies eine zunächst nur für Deutschland zutreffende Beobachtung ist, die nicht zwangsläufig auch für andere europäische Märkte (wie Frankreich oder Großbritannien) gelten muss.

Schrumpfender Einfluss des Kreditgewerbes auf den Paymentsektor

Mit dem Verkauf der Concardis hat sich die Struktur der Teilnehmer auf dem Markt für Merchant Services in Deutschland nachhaltig verändert. Der aktuelle Marktführer im Kreditkarten-Acquiring ist kein kreditgewerblich geführtes Unternehmen mehr. Als unmittelbare Folge geht damit zunächst kurzfristig ein großer Bestand an Kunden im Zahlungsverkehr für das Kreditgewerbe verloren. Darüber hinaus hat dies langfristig für die Kreditwirtschaft zwei nachhaltige Auswirkungen.

Zum ersten ist damit der Einfluss des Kreditgewerbes auf den Paymentsektor und seine weitere Entwicklung weiter geschrumpft. Es gibt kein bedeutendes marktrelevantes Unternehmen der deutschen Kreditwirtschaft mehr, das über die Investitionskraft und das Potenzial verfügt, diese Aufgabe wahrzunehmen und einen gestaltenden Einfluss auf die weiteren Entwicklungen zu nehmen. In einem inzwischen weitgehend international geprägten Markt wiegt dies umso schwerer.

Wegen der dezentralen Struktur der marktbeherrschenden Verbünde gilt dies schon seit längerem für das Issuing-Geschäft. Hier sind aktuell bislang keine erfolgversprechenden gemeinsamen Ansätze erkennbar, die über das Potenzial für eine prägende Wirkung auf das Zahlungsgeschäft verfügen. Alle aktuell beobachtbaren Entwicklungen lassen sich als Ausprägungen bestehender Produkte einordnen. Die Gründung von Paydirekt ist angesichts ihrer bisherigen Entwicklung im Markt und der außerordentlich komplexen Gründungsgeschichte, ungeachtet der Verfahrensqualität von Paydirekt, kein echtes Gegenargument. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Fall eines ausbleibenden Markterfolgs auch hier eventuell eine strate gische Neuausrichtung erwogen werden muss.

Ein gleicher Verlust an Einfluss geht nun mit dem Verkauf von Concardis auch für das Händlergeschäft einher. Ohne eine marktstarke unternehmerische Einheit läuft die deutsche Kreditwirtschaft als Branche Gefahr, sich faktisch aus der Konzipierung zukünftiger wertschöpfender Leistungen für den Handel jenseits der reinen Zahlungsfunktion und ihre Durchsetzung im Markt zurückzuziehen. Die Gestaltung der zukünftigen Industriestandards wird sie allenfalls begleiten können. Mit der Trennung von der Concardis ist die dafür bislang zur Verfügung stehende unternehmerisch agierende Plattform abgegeben worden. Ob sich eine solche gestaltende Option auf bankindividueller oder gruppenbezogener Ebene erhalten beziehungsweise aufbauen lässt, lässt sich gegenwärtig nicht beantworten.

Kreditwirtschaft verzichtet auf Erträge aus dem Händlergeschäft

Zum zweiten verzichtet das Kreditgewerbe im operativen Geschäft auf die nach der MIF-Regulierung verbliebenen Erlösströme (Disagien) aus dem Einsatz kreditgewerblicher Zahlungsinstrumente im Handel, konkret hier aus dem Ankauf und der Verarbeitung der Transaktionen, die von den Zahlungsinstrumenten der Bankkunden veranlasst werden. Auch wenn sich der unmittelbare wirtschaftliche Verlust auf die nicht mehr zur Verfügung stehenden Gewinne der Concardis beschränken mag, ist dies bei einer traditionell vom Zinsgeschäft abhängigen deutschen Kreditwirtschaft nicht völlig außer Acht zu lassen. Im Kern verbleibt bei den Kreditinstituten im Transaktionsgeschäft folglich nur noch das weitgehend regulierte Entgelt in der Größenordnung von mittlerweile maximal 0,2 Prozent im Debitgeschäft und maximal 0,3 Prozent im Kreditkartengeschäft für die Garantie der Zahlungen.2)

Damit reduziert sich die wirtschaftlich relevante Gestaltungsfähigkeit der Kreditwirtschaft im eigentlichen Payment-Geschäft auf die Bepreisung der Zahlungsinstrumente (Jahresgebühr), die sie ihren Kunden zur Verfügung stellen. Die Möglichkeit zur Generierung transaktionsbezogener Erlöse aus dem Angebot mehrwertschaffender datenbasierter Dienstleistungen gegenüber dem Handel im Zuge der Digitalisierung ist zumindest kurzfristig deutlich erschwert.

Eine tiefgreifende Zäsur

Sowohl strategisch als auch wirtschaftlich stellt der Verkauf der Concardis in der Konsequenz also eine tiefgreifende Zäsur und einen Paradigmenwechsel in der bisherigen Positionierung der deutschen Kreditwirtschaft im Zahlungsverkehr dar.

Die Ursachen hierfür liegen allerdings tiefer und waren bereits seit längerem zu erkennen. Eine gemeinsame, aus Branchensicht abgeleitete strategische Ausrichtung des Kreditgewerbes im Zahlungsverkehr und eine darauf basierende konkrete gemeinsame Projektarbeit war seit der Aufspaltung und dem Verkauf der GZS allenfalls punktuell und nur in Ansätzen möglich. Die langwierige und strategisch komplizierte Vorbereitung einer gemeinsamen Position der Kreditwirtschaft zur Entwicklung eines Paymentinstruments im E- und M-Commerce, um der Marktdominanz von Pay pal zu begegnen, ist dafür Beleg.

Reduzierte Gestaltungsmöglichkeiten im Big-Data-Geschäft

Dass es zu dieser Gemeinschaftsentwicklung gekommen ist, ließe sich durchaus auch so erklären, dass nach wie vor prinzipiell die Überzeugung existiert, dass das Kreditgewerbe in diesem Geschäft eine wichtige und durchaus auch gemeinsam anzugehende Aufgabe für ihre Kunden zu erfüllen hat (und ein Rückzug daher eigentlich keine Option sein kann!). Die aber daraus resultierende Investitionsentscheidung traf schließlich auf ein Umfeld, in dem die Markterfordernisse bereits anderweitig weitgehend abgedeckt worden sind und in dem der Markt, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand zurückzugewinnen sein wird.

Last, but not least bedeutet ein Rückzug des Kreditgewerbes aus dem Händlergeschäft nicht nur den unmittelbaren Verlust an Erlösvolumen. Vielmehr ist dies auch mit dem Verlust an Zugängen zu Daten aus dem Händlergeschäft verbunden, mit der Konsequenz von reduzierten Gestaltungsmöglichkeiten im digitalisierten Big-Data-Geschäft. Hierin besteht die von ihren langfristigen Konsequenzen her weichenstellende Wirkung solcher Entscheidungen.

Teil eines umfassenderen Wandels

Die beschriebenen Phänomene sind Teil eines umfassenderen Wandels. Sie müssen im Zusammenhang mit den laufenden Regulierungsmaßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene, speziell PSD2, und ihren dahinter stehenden Zielsetzungen gesehen werden.

Um nur einen Aspekt zu nennen, geht von der Regulierung eine deutliche Liberalisierung der Marktzugangsmöglichkeiten für neue Anbieter auch außerhalb des Kreditgewerbes zu Kontoinformationen und zahlungsauslösenden Diensten aus. Mit einer deutlichen Erhöhung der Wettbewerbsintensität ist zu rechnen.

Solche Effekte waren als Folge des zunehmenden Wettbewerbs bereits seit längerem bei der Annäherung der Konditionen beim Angebot garantierter Debit-Zahlungsverfahren zu beobachten. Hier hat der faktische Wettbewerb zwischen Girocard und der garantierten Version des Lastschriftverfahrens zu einer weitgehenden Angleichung des Preises für garantierte Debitkarten-Zahlungen geführt.

Girocard ohne kaufmännisch attraktive Perspektive

Im Ergebnis wird sich der erzielbare Preis dem einer "fairen" Prämie für die Übernahme des spezifischen Ausfallrisikos immer weiter annähern. Differenzierungen im Wettbewerb, die im Wesentlichen über einen möglichst attraktiven Preis stattfinden, sind kaum noch möglich beziehungsweise nur dann erreichbar, wenn man über überlegene Instrumente zur Reduzierung möglicher Ausfallrisiken verfügt. Bei andauernd intensivem Preiswettbewerb besteht vielmehr die Gefahr, dass auf Sicht die Kosten für Abwicklung und Risikotragung nicht mehr zu decken sind und damit Anbieter aus dem Markt ausscheiden. Die garantierte Zahlung im unbaren Zahlungsverkehr wird zunehmend den Charakter einer "Utility" beziehungsweise einer Infrastrukturleistung annehmen. Produkte wie die Girocard, deren Leistungen im Zahlungsverkehr neben der reinen Abwicklung heute de facto ausschließlich in der Garantieleistung bestehen, gehören in diese Kategorie und bieten, selbst wenn sich ihre Einsatzmöglichkeiten auf den E-Commerce erweitern oder wenn sie nun über eine zusätzliche technische Schnittstelle (NFC) verfügen, keine heute erkennbaren kaufmännisch attraktiven Perspektiven.

Betriebswirtschaftlich betrachtet werden die Erlöse aus der reinen Zahlungsverkehrsfunktion kaum in der Lage sein, die Refinanzierung von Investitionen für Innovationen auf dem Gebiet neuer Verfahren im Zahlungsverkehr zu leisten. Dies gilt im Übrigen auch für die Debitprodukte der Kartensysteme Mastercard (Maestro) und Visa (V-Pay), solange und soweit sie sich als reine Zahlungsinstrumente verstehen.

Kreditgewerblich getragene Anbieter neu positionieren

Leistungsdifferenzierungen werden zukünftig vorrangig über "Added Values" stattzufinden haben. Inzwischen fast eine Binnenweisheit, ist dies mit erheblichen Folgewirkungen verbunden. An erster Stelle wird es darum gehen, welche werthaltigen Möglichkeiten sich sowohl für den Handel als auch den Privatkunden aus der Nutzung des Zahlungsinstruments und der hierbei zu gewinnenden Daten und Informationen ergeben:

- Marktsegmentierungen,

- Nutzungsprofile,

- Kundenindividualisierung,

- Leistungsspezialisierungen,

- Ausprägung von Zusatzleistungen außerhalb des kreditwirtschaftlichen Angebots und

- Risikomanagement und Missbrauchsprävention, um nur einige zu nennen.

Der generelle Trend der Digitalisierung findet hier ein konkretes Anwendungsfeld, in dem nach nachhaltigen und ausreichend ergiebigen Erlöschancen gesucht werden muss - Big Data nicht nur als Schlagwort.

Wirtschaftlich erfolgreiche Zahlungsinstrumente werden also zukünftig, diesen Trends entsprechend, über ihre reine Zahlungsfunktion bei einer Kauftransaktion hinaus zusätzliche Leistungsbestandteile bereitstellen müssen. Dies ist eine inzwischen tri viale Feststellung, aus denen von der Kreditwirtschaft die Chancen erarbeit werden müssen, die mit dem bereits erwähnten Paradigmenwechsel notwendig geworden sind.

Unter den neuen Rahmenbedingungen müssen insbesondere im Vergleich mit den "unabhängigen" Anbietern, zu denen jetzt auch Concardis gehört, die Alleinstellungsmerkmale, die ein kreditgewerblich getragener Dienstleister in diesem Geschäftsfeld erbringen kann, noch konsequenter herausgestellt werden.

Verbindung mit dem Firmenkundengeschäft nutzen

Ein bislang noch nicht im Einzelnen untersuchter Aspekt des Merchant Business ist die Verbindung des Paymentgeschäftes mit dem sonstigen Firmenkundengeschäft der Kreditinstitute. Hier sind gegebenenfalls Möglichkeiten für Alleinstellungsmerkmale gegeben, die von den "Unabhängigen" nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden können, sondern die auch nach Inkrafttreten der PSD2 nur dem Kreditgewerbe zur Verfügung stehen.

Sollte also das Geschäftsfeld "Zahlungsverkehr/Paymentbusiness für den Handel" auch weiterhin für das Kreditgewerbe strategische Bedeutung haben, muss es als Folge des Verkaufs der Concardis umso konsequenter die für einen Erfolg wirksamen Voraussetzungen schaffen und diese in allen weiteren Arbeiten auf diesem Geschäftsfeld berücksichtigen. Ansonsten wird die beim Kreditgewerbe verbleibende Kontoführung in Verbindung mit Standardleistungen im Zahlungsverkehr zwar weiterhin eine hochwichtige Leistung bleiben, wirtschaftlich aber den Charakter einer hochreglementierten Infrastrukturleistung ohne nennenswerte Ertragsphantasie annehmen.

Dabei bietet die durch den Verkauf der Concardis entstandene Situation für einen begrenzten Zeitraum durchaus zusätzliche Chancen. Die vorhandenen Anbieter, man denke zum Beispiel hier an die bekannten Anbieter der Verbünde, können die aktuell entstandene Situation offensiv zur Kundengewinnung nutzen, in dem die spezifischen Kontakte zum Beispiel aus einer bestehenden Geschäftsbeziehung im Firmenkundengeschäft eingesetzt werden.

Instant Payments: Konto rückt wieder ins Zentrum des Zahlungsverkehrs

Neben den Zahlungsinstrumenten, die im Kern Weiterentwicklungen der etablierten Kartensysteme darstellen, hat sich durch Nutzung der Web-Technologie unübersehbar eine neue Klasse von Verfahren Zutritt zum Markt verschafft, die nicht mehr durch die aus der Kartenwelt bekannten Strukturen bestimmt werden.

Instant Payments gehören unter ihnen zu den konzeptionell vielleicht innovativsten Zahlungsverkehrsansätzen mit einem hohen Potenzial. Ohne an dieser Stelle detailliert auf Verfahrensmerkmale eingehen zu können, zeichnen sich Instant Payments dadurch aus, dass damit das Konto wieder ins Zentrum des Zahlungsverkehrs gerückt werden kann.

Zentrale Funktionen klassischer Intermediäre wie der Kartenzahlungssysteme werden bei Instant Payments nicht mehr benötigt, sodass sie Gefahr laufen, einen Großteil ihrer traditionellen Funktionen zu verlieren.

Natürlich zeigen die vorliegenden Konzepte zu Instant Payments, dass sie eine hochleistungsfähige Infrastruktur voraussetzen. Die Fähigkeit, sie bereitzustellen, wird mit über den Platz im Wettbewerb der Zahlungsverkehrsanbieter entscheiden. Die deutsche Kreditwirtschaft, nicht zuletzt die Verbünde mit ihren inzwischen konsolidierten IT-Landschaften, sollten über wesentliche Startvorteile verfügen, in einem konzeptionell grundsätzlich kontenbasierten Zahlungsverfahren eine führende Rolle zu spielen. Die starke Bedeutung, die der diesem Verfahren zugrunde liegenden Infrastruktur zukommt, legt nahe, über eine Bündelung der Kräfte die Grundlagen dafür zu schaffen, von Beginn an auf diesem Feld eine den Markt gestaltende Rolle einzunehmen und zu einer faktischen Standardisierung auf Basis der EBA-Vorgaben (European Banking Authority - EBA) beizutragen. Dies wäre sicher eine Rolle, die dem Grundverständnis der Kreditwirtschaft auf diesem Feld entgegenkommen sollte.

Neue Chancen für die Kreditwirtschaft

Die Veräußerung von Concardis stellt den Abschluss einer Entwicklung dar, die ursprünglich mit der gemeinsamen Überzeugung begonnen hatte, bestimmte grundlegende Entwicklungen auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs als Kreditgewerbe aus einem gemeinsamen Interessenverständnis heraus anzugehen. Die Konsequenzen der jüngst getroffenen Entscheidung, sich von Concardis zu trennen, sind sowohl wirtschaftlich wie strategisch erheblich und könnten letztlich in einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Handlungsmöglichkeiten der deutschen Kreditwirtschaft resultieren. Die Entscheidung, mit Paydirekt gemeinsam ein eigenständiges Zahlverfahren im E-Commerce zu entwickeln und dem Markt anzubieten, kann in diesem Zusammenhang auch so verstanden werden, dass die Überzeugung von der Sinnhaftigkeit bestimmter gemeinsamer Investitionen offenbar nach wie vor existiert.

Die Digitalisierung hat eine anhaltend hohe Innovationsdynamik im Zahlungsverkehr erzeugt. Dies wird von der Regulatorik unter anderem dazu genutzt, um durch Öffnung der Märkte für eine höhere Wettbewerbsintensität zu sorgen. Für die deutsche Kreditwirtschaft liegen in dieser durch Umbruch charakterisierten Phase nicht nur Risiken, sondern auch große Chancen - siehe Instant Payments. Diese zu nutzen erfordert, die Felder zu finden, in denen durch gemeinsame Initiativen Potenziale für attraktive Dienstleistungen im Zahlungsverkehr identifiziert werden können und diese dann mit einem starken wettbewerblich geprägten Antritt in unternehmerischen Strukturen zu realisieren.

Fußnoten

1) Nach Paysys/EHI-Erhebung 2016)

2) Vgl. in diesem Zusammenhang die ELV-Kondition für die Übernahme des Ausfallrisikos in der Größenordnung von etwa 0,15 bis 0,21 Prozent gemäß EHI-Erhebung 2016

Zum Autor Dr. Laurenz Kohlleppel, Friedrichsdorf
Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft im Zahlungsverkehr im Überblick Die Gründung des Eurocheque-Systems im Jahre 1968, also vor knapp 50 Jahren, war der Start einer Geschichte gemeinsamer Zahlungsverkehrslösungen des deutschen Kreditgewerbes für das Retail Banking. Die unternehmerische Umsetzung der Gemeinsamkeit fand 1982 in Gestalt der "Gesellschaft für Zahlungssysteme - GZS" statt - quasi der "Zentrale Kreditausschuss als GmbH", so wie der Vorläufer der Deutsche Kreditwirtschaft - DK damals hieß. Weitere Meilensteine waren zunächst die Aufspaltung der GZS in ein Processing-Unternehmen, welches den Firmennamen behielt, und die Euro Kartensysteme (EKS), welche insbesondere die Markenrechte an der Eurocard und Eurocheque hielt und das Acquiring durchführte, im Jahre 1997. Im Jahre 2003 folgte dann die Aufspaltung der EKS in die heutige Euro Kartensysteme mit eher administrativen und formalen Aufgaben und Concardis, die das Acquiring fortführte und ausbaute. In allen drei Unternehmen - GZS, EKS und Concardis - blieben aber die ursprünglichen Beteiligungsstrukturen unverändert.Dies änderte sich erst mit der Veräußerung der GZS an First Data im Jahre 2005. Am Ende einer schwierigen Expansionsphase der GZS (unter anderem Erwerb der Easycash von der Deutschen Bank, Akquisition der Viseca in der Schweiz als erster namhafter Auslandskunde) und einer komplexen Wettbewerbslage im Heimatmarkt (die Gesellschafter der GZS waren gleichzeitig auch ihre Kunden und zum Teil mittelbar ihre Wettbewerber) ließ sich kein hinreichender Konsens über eine gemeinsame Weiterführung der Gesellschaft herbeiführen, sodass man sich letztlich auf die Veräußerung verständigte.Mit Veräußerung der Concardis 2017 hat sich die Kreditwirtschaft vollständig von der unternehmerischen Substanz ihres ursprünglichen Engagements getrennt. Die Concardis hatte in den Jahren ihrer Eigenständigkeit ihre Aktivitäten zunächst erfolgreich konsolidiert und sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern - auch hier zum Teil aus dem Kreis ihrer Gesellschafter - mehr als behauptet, bevor sie ihre Angebotsreichweite als Komplettanbieter im Bereich Payment konsequent ausgebaut hat. So wurde aus dem Aufsichtsrat heraus die aktuelle Transaktion von der Aussage begleitet: "Der erfolgreiche Verkauf der Concardis ist ein Vertrauensbeweis für die Stärke und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens". So ist von dem ursprünglichen Gemeinschaftsunternehmen nur noch Euro Kartensysteme erhalten geblieben.
Laurenz Kohlleppel , Mitglied des Aufsichtsrates, GBS Software AG, Karlsruhe / Frankfurt am Main
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